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Musik

Ein Abend mit Craig Finn & Marcus Wiebusch, neue Musik von kettcar, Ruti, Dan Bern, Sevdaliza — und „I’m Just Ken“

Bevor er einen Blumenstrauß voller neuer Songs präsentiert, erzählt Euch Lukas von der Veranstaltung, die er gestern besucht hat: Craig Finn von The Hold Steady und Marcus Wiebusch von kettcar haben in Köln über ihre Arbeit gesprochen und Songs vorgetragen.

Dann geht’s weiter mit Musik von Ruti, Dan Bern, Sevdaliza — und mit Lukas’ Ohrwurm der Woche: „I’m Just Ken“ aus dem „Barbie“-Soundtrack.

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Alle Songs:

  • Craig Finn – God In Chicago
  • kettcar – Doug & Florence
  • Ruti – Bubblehouse Bounce (Move As One)
  • Maryaka – Last Night
  • Dan Bern – Bible
  • Sevdaliza feat. Elyanna – Good Torture
  • Winona Fighter – I’m In The Market To Please No One
  • Ryan Gosling – I’m Just Ken

Shownotes:

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Musik

Podcast: Episode 1

Vor zweieinhalb Jahren hat Spotify angekündigt, dass sie bald ein Feature ausrollen würden, mit dem man eigene Musik-Podcasts erstellen kann. Man müsste dafür nur Moderationen aufnehmen und mit Songs kombinieren, die bei Spotify verfügbar sind — fertig! Ich hatte zu diesem Zeitpunkt seit etwa 13 Jahren (so lang muss es damals ungefähr hergewesen sein, dass ich zum ersten Mal „All Songs Considered“ von NPR Music gehört hatte) darauf gewartet, einen eigenen Musik-Podcast starten zu können, der gleichzeitig legal und bezahlbar ist (ersteres ermöglicht die GEMA seit einigen Jahren mit einem eigenen Tarif, der zweiteres ausschließt) und war entsprechend stoked: Zwei Tage rannte ich wie high durch meine Wohnung, war völlig begeistert und plante schon mal die ersten zwanzig, dreißig Ausgaben.

Dann passierte: nichts. Im letzten Sommer habe ich noch mal kurz daran gedacht, aber ich befürchtete schon, dass das Feature den Weg aller wirklich sinnvollen Web-Anwendungen (der Google Reader, der Komm-Küssen-Button bei jetzt.de, die Centennial-Bulb-Webcam) gegangen und verschwunden sei. Dann schrieb mir vor zwei Wochen eine Freundin, es gebe jetzt bei Spotify die Möglichkeit, Podcasts mit Musik zu veröffentlichen, und das sei doch etwas, was gut zu mir passen würde.

Nun, ladies and gentlemen und alle in-between: Hier ist „Coffee And TV“, der Podcast!

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In der ersten Folge spiele ich u.a. neue Songs von Amilli, The Hold Steady und Maryaka und obwohl ich ein bisschen aus der Übung war, hat es wahnsinnig Spaß gemacht, nach ca. 16 Jahren mal wieder eine Musiksendung zu moderieren. Also mach ich das jetzt öfters. Leider kann man den Podcast aus den oben beschrieben Gründen nur auf Spotify hören und wenn man kein zahlender Premium-Member ist, gibt es auch nur 30-sekündige Ausschnitte und nicht die ganzen Songs zu hören, aber ich finde, es ist bedeutend besser als nichts!

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Musik

Songs des Jahres 2021

Und ein sozialkritisches Schlagzeugsolo später ist es soweit: Making disco a threat again!

Ich habe wieder ein bisschen länger gebraucht, aber ich möchte auf keinen Fall sein wie Spotify und Musikzeitschriften, die schon zwischen Oktober und Nikolaus auf ein Jahr zurückschauen. Sowas braucht ja auch Zeit und muss sich erst mal setzen — und dann muss man sich selber erst mal setzen, Songs in eine Reihenfolge bringen, die einem in dieser einen Millisekunde die richtige erscheint, obwohl es natürlich völlig absurd ist, Musik in irgendeine Rangliste zu bringen.

Jedenfalls: Hier sind wir! Und hier sind sie: Meine Top-25-Songs eines immer noch etwas mühsamen Jahres!

25. Chicago Sinfonietta – Dances In The Canebrakes (Arr. W.G. Still for Orchestra) : No. 3, Silk Hat And Walking Cane
Ich habe beschlossen, dass ich die Regeln für meine Liste selbst bestimmen kann, also gehen auch Klassik-Songs! „Dances In The Canebrakes“ ist eigentlich ein Klavierwerk der Schwarzen US-Komponistin Florence Price (1887-1953), das hier für Orchester arrangiert wurde und auf dem Album „Project W: Works by Diverse Women Composers“ erschien — und zwar schon 2019. Da mir dieser Umstand aber genau gerade eben erst aufgefallen ist und mich das Stück bis dahin so sehr durch mein Jahr 2021 begleitet hatte, dass ich es zwischenzeitlich als theme in dem Film, der mein Leben ist, wahrgenommen habe, ist mir das alles egal! Es ist ein großartiges Werk mit einem beeindruckenden Hintergrund, also steigen wir einfach hiermit ein!

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24. Aaron Lee Tasjan – Up All Night
Auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hätte, gab es 2021 doch wieder ein paar Abende, an denen ich angemessen alkoholisiert den Heimweg aus der Innenstadt angetreten habe. Es war stets der perfekte Umstand, um diesen Queer-Folk-Power-Pop-Song in einer Lautstärke zu hören, die einem Apple Health dann hinterher wieder vorwurfsvoll um die Ohren haut.

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23. Adam Levine – Good Mood
Ich sage ja immer, dass es keine peinlichen Lieblingslieder geben kann, aber der Sänger von Maroon 5, der den Titelsong zum „Paw Patrol“-Kinofilm singt — das ist schon eine schwere Hypothek, die man sich selbst gegenüber erst mal rechtfertigen muss!
Tatsächlich hatte ich zuerst den Refrain als Werbepausen-Einleitungsmusik bei Fußball-Übertragungen gehört und sofort geliebt, weil ich seine maximale New-Radicals-Haftigkeit mochte. In Wahrheit hat der Songs nichts mit den New Radicals zu tun (anders als die Songs, die Adam Levine in dem sehr charmanten Film „Begin Again“ und dem dazugehörigen Soundtrack singt), aber das war dann auch schon egal. Keinen Song habe ich 2021 auf dem Fahrrad im Fitnessstudio öfter gehört als „Good Mood“ und wenn Ihr bei diesem Groove nicht mit hochspezialisierten Hundewelpen durch die Wohnung tanzen wollt, kann ich Euch auch nicht helfen!

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Musik Leben Gesellschaft

Another Decade Under The Influence: 2010

Dieser Eintrag ist Teil 1 von bisher 10 in der Serie Another Decade Under The Influence

Heute in zehn Wochen ist Silvester — und mit dem Jahr endet auch das Jahrzehnt. Vor zehn Jahren habe ich das zum Anlass genommen, hier im Blog eine zehnteilige Serie zu veröffentlichen, in der ich sehr, sehr länglich auf jedes einzelne Jahr, seine popkulturellen und persönlichen Momente zurückgeblickt habe. Ich hab nicht mehr so viel Zeit und Nerven, 10.000 Zeichen zu verballern, Ihr nicht mehr die Zeit und Aufmerksamkeitsspanne, das zu konsumieren — also gibt’s für jedes Jahr ein Foto und ein paar Stichworte. Say hello to #anotherdecadeundertheinfluence!

2010. Meine erste Wohnung, ganz für mich allein. Eine unglaublich aufwendige Renovierung (mein Papa hat mal eben neuen Estrich gegossen, bevor wir den Fußboden verlegt haben) und das Gefühl, endlich wieder ein Zuhause zu haben. So viele neue Freund*innen, so viele gute Gespräche, so viele Abende (und Nächte) im Freibeuter (wo ich nur in diesem Jahr, grob überschlagen, einen vierstelligen Betrag zurückgelassen, aber immerhin mehrere Musikquizze gewonnen habe). Zwei Winter wie auf Hoth und ein constructive summer. Ein legendäres Haldern-Festival, eine kaum minder legendäre Geburtstagsfeier, bei der die Leute auf den Tischen getanzt haben, bevor sie umfielen. (Die Tische. Und die Leute. Natürlich alles im Freibeuter.) Ein Kulturhauptstadtjahr mit gesperrter A40 und Loveparade-Katastrophe. Knutschen und Rauchen. Meine ersten Einsätze als DJ (die Leute ham getanzt, die Leute ham geschrien). Dienstreisen nach Oslo (mit Stefan Niggemeier und Lena Meyer-Landrut), London (mit meinem Onkel Thomas) und Rom. Mein neuer Job als BILDblog-Chefredakteur mit Auftritten im Fernsehen und Radio. Ein Jahr mit durchgetretenem Gaspedal (und das, obwohl ich, hahaha, vermutlich nicht mehr als 300 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt habe) und exquisitem Soundtrack. And my head told my heart / Let love grow / But my heart told my head / This time no / This time no. You’re a beautiful girl and you’re a pretty good waitress / But Jesse I don’t think I’m the guy. Hallo, ich bin Lukas, 27, ich komme aus Bochum und das ist mein sogenanntes Leben. Ein Jahr, in dem selbst die leisen Momente laut waren. Da ist es gut, wenn man einen Platz hat, an den man sich zurückziehen kann (zum Schlafen und zum Arbeiten, denn was hab ich da wohl sonst noch gemacht?), und an dem einen keine Mitbewohner stören. Endlich wieder ein Zuhause, endlich angekommen und sofort aufgebrochen ins Leben.

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Diese Serie läuft parallel hier im Blog und auf Instagram.

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Musik

The District Sleeps Alone Tonight

Guten Morgen,

mein Name ist Lukas und ich sollte eigentlich längst schlafen. Aber dann hab ich bei YouTube ein Video entdeckt:

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Einer meiner Lieblingsmusiker covert einen meiner Lieblingssongs von einer meiner Lieblingsbands! Das muss ich natürlich noch gucken und dann …

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Okay: Frank Turner covert noch einen Song von The Hold Steady, aber diesmal mit einem Bandmitglied von The Hold Steady! Aber danach kann ich ja …

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Okay: “Constructive Summer” mag ich aus persönlichen Gründen noch ein bisschen mehr, aber danach sollte ich …

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What the … ? Frank Turner covert einen Song einer meiner anderen Lieblingsbands!

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Und noch einen! (“Plea From A Cat Named Virtute” halte ich persönlich ja für einen der besten Texte, der je geschrieben wurde — was um so bemerkenswerter ist, wenn man bedenkt, was mit anderen Menschen passiert ist, die Texte aus der Sicht einer Katze geschrieben haben.)

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ARGH! Gibt es irgendeinen meiner Lieblingssongs, den Frank Turner nicht gecovert hat?

Ich muss jetzt wirklich ausmachen, aber weil sich der Kreis hier so wunderbar schließt:

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Noch ein Song von The Postal Service, gecovert von einem noch absoluteren Lieblingsmusiker.

Gute Nacht!

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Musik

Song des Tages: The Hold Steady – Constructive Summer

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Zum ersten Mal gehört: Im Sommer 2008, als das vierte Hold-Steady-Album “Stay Positive” erschien.

Wer musiziert da? Eine Band aus Brooklyn (ursprünglich aus Minneapolis/St. Paul, Minnesota), deren Wurzeln im Hardcore liegen, die aber heute Rockmusik macht.

Warum gefällt mir das? Ich mag die Mischung aus roher Energie und Verspieltheit (dieses Jim-Steinman-Klavier!), ich mag die Lyrics über Parties, Freundschaft und Sommer (und Joe Strummer!) und ich liebe The Hold Steady. Und in ca. zwei Stunden stehe ich im Kölner Luxor und sehe sie mir zum zweiten Mal live an.

[Alle Songs des Tages — auch als Spotify-Playlist]

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Musik Rundfunk

Von Stimmen und Tassen

Wenn Sie eine Dreiviertelstunde Zeit und ein bisschen was für Musik übrig haben, sollten Sie sich diese Keynote ansehen, die Dave Grohl, “the unofficial Mayor of Rock ‘n’ Roll” (Stephen Thompson), vergangene Woche beim South By Southwest Music Festival in Austin, TX gehalten hat:

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Ich mag ja diese amerikanische Art, diese Mischung aus Lakonie und Pathos, und ich musste schon stark an mich halten, nicht sofort die E-Gitarre einzustöpseln und meinen Nachbarn meine immer noch kläglichen Versuche, das “Monkey Wrench”-Riff nachzuspielen, um die Ohren zu hauen.

Und wenn Sie dann noch etwas Zeit haben und noch ein wenig mehr Inspirierendes über Musik zu sich nehmen wollen, dann lesen Sie bitte diesen Blogeintrag, den Anke Gröner vergangene Woche darüber geschrieben hat, was es für sie bedeutet, “Tosca” ((Für alle, deren Musikzeitstrahl auch erst mit den Beatles beginnt: “Tosca” ist laut Wikipedia eine Oper von Giacomo Puccini aus dem Jahr 1900.)) zu singen:

Ich habe einen ungeheuren Respekt vor dem Mann bzw. vor seinen Werken, und deswegen dauert es jede blöde Woche immer ein bisschen, bis ich mich wirklich traue, den ersten Ton von mir zu geben. Das ist so, als ob du als Riesen-Bieberista das erste Mal vor ihm stehst und nur “Hallo” sagen willst, aber dich irgendwie nicht traust, denn man kann ja nicht einfach so als kleiner Fan dem Superstar “Hallo” sagen. Im Kopf glaube ich immer, dass so ziemlich alle Töne, die ich singe, total schief sind und krächzig und schlimm und dass noch kein Fenster zersprungen ist, wenn ich das b” singe, ist eh ein Wunder. Aber da ist plötzlich das “Hallo”: Ich kann das b” nämlich singen. Und es strengt nicht mal an. Jedenfalls brauche ich keine Kraft dafür.

Ich werfe beide Texte, Dave Grohls Keynote und Anke Gröners Blogeintrag, jetzt einfach mal zusammen, was vielleicht ein bisschen unzulässig ist, aber letztlich geht es beide Male darum, seine Stimme und damit den eigenen Platz in der Welt zu finden. Und wenn Dave Grohl sagt, dass es nur darauf ankomme, wie man selbst seine Stimme finde, dann hat er verdammt recht. Es sollte Philipp Poisel, Max Herre oder Ben Howard sehr, sehr egal sein, dass ich mit ihren Stimmen so rein gar nichts anfangen kann. Selbst, dass ich ihre Songs nicht hören mag, sollte für sie völlig unerheblich sein. Ich habe da diese etwas hippiemäßige Einstellung, dass Musik ihre Berechtigung hat, wenn sie nur einer Person etwas bedeutet — einzige Ausnahme: Nazi-Rock.

Und natürlich hat Grohl des weiteren recht, wenn er sagt, man könne den “Wert” von Musik nicht einfach so bestimmen — und als knackige Beispiele einfach mal “Gangnam Style” und Atoms For Peace aufführt. Ich hatte auf meiner Liste der besten Songs 2012 ja an relativ prominenter Stelle “Call Me Maybe” von Carly Rae Jepsen aufgeführt, wofür ich mir von manchen Freunden Fragen nach meinem Geisteszustand gefallen lassen musste. ((Dabei müssten die doch am Besten wissen, wie ich so drauf bin.)) Dabei liebe ich den Song noch heute und er bereitet mir deutlich mehr Freude, als irgendsoeine angesagte neue Indieband aus England. Und nur darum sollte es gehen: Welche Musik einem Freude bereitet, nicht, welche Musik man hören “sollte”, um irgendwo dazu zu gehören.

Ich möchte, weil ich einmal in Fahrt bin, nun völlig unzulässigerweise auch noch einen Text von Alexander Gorkow aus der heutigen “Süddeutschen Zeitung” ((Online nicht verfügbar.)) hinzuziehen, der vordergründig von dem gescheiterten Interviewversuch von Hinnerk Baumgarten an Katja Riemann handelt. Es geht aber dann relativ schnell und auch relativ furios um sehr viel mehr, kurz um Clint Eastwood (auch “schwierig”) und dann um ungefähr alles:

Im Umgang vieler Medien mit unseren Künstlern nun aber offenbart sich eine überaus deutsche Betrachtung des Künstlertums an sich – und so eben auch des Künstlers oder der Künstlerin: Es regiert bei uns en gros eine mittelalterliche, mindestens kleinstaatliche, mitnichten renaissancehafte, geschweige denn aufklärerische Sehnsucht, wenn es um die Publikumskunst geht.

Es regiert stattdessen, gespeist durch alle Arten von Medien, vor allem aber durch die Unterhaltungsblätter und eben die TV-Sender, die urdeutsche Vorstellung vom Künstler als fahrendem Scharlatan, der mit Schnabelschuhen und Schellenmütze dafür zu sorgen hat, einer furchtbaren Ansammlung trüber, verblödeter Tassen – der sogenannten Bevölkerung – die Zeit bis zum Exitus zu vertreiben.

Es ist, gerade im darstellenden Gewerbe und befeuert von den großen auch öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, der allerdümmste Eskapismus, der der Maxime zu folgen hat, dass jene Bevölkerung nicht zu überfordern sei. Die vielen sensationellen deutschen Schauspielerinnen und Schauspieler haben deshalb nicht etwa in erster Linie gut zu sein. Ginge es danach, wäre Veronica Ferres kein Star, sie würden auf einer Brettlbühne herumknödeln. Deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler haben, zumal ihnen fast immer zu Unrecht unermesslicher materieller Reichtum angedichtet wird (“die Reichen und die Schönen”), zu parieren.

Die Haltung dahinter lautet: Bring mir Freude, oder ich bring dich um.

Wie konnte es jetzt passieren, dass ich von den durchweg positiven Texten von Dave Grohl und Anke Gröner so schnell bei diesem kulturpessimistischen Wutanfall von Alexander Gorkow gelandet bin? Es sind wohl irgendwie zwei Seiten einer Medaille, der Spaß an der Kunst und deren mitunter unerfreuliche Rezeption auf der anderen Seite.

Da ich positiv enden möchte, hier einfach noch schnell ein Song einer meiner absoluten Lieblingsbands, dessen Botschaft meine linke Wade ziert!

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Musik

Babies Of The 80’s

Am Abend des 24. März 2009 traten in Hamburg Franz Ferdinand und Mando Diao auf und damit gegeneinander an.

Einen derart Zielgruppenzerfetzenden Abend hat Köln am 15. Juni 2010 nicht ganz erlebt — aber es war verdammt nah dran: Während im Luxor die wiedervereinten Get Up Kids aufspielten, legten The Hold Steady im Gebäude 9 los.

Bei beiden Konzerten gleichzeitig war vermutlich niemand, aber dies hier wäre nicht das Dienstleistungsblog Coffee And TV, wenn wir dafür nicht eine Lösung gefunden hätten:

Konzertbericht The Get Up Kids
Konzertbericht The Hold Steady

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Musik

Gesammelte Platten April 2010

Dieser Eintrag ist Teil 4 von bisher 8 in der Serie Gesammelte Platten

Blunt Mechanic – World Record
Man soll ja Platten nicht nur aufgrund ihrer Cover beurteilen, aber: Gott, ist das niedlich! Ähem … Das ist also das Ein-Mann-Projekt von Ben Barnett, der neue US-Import auf Grand Hotel van Cleef. Wobei es schon ein bisschen überraschend ist, dass das Album von 2009 ist — vom Sound her könnte es auch bereits 15 Jahre alt sein und der Hochzeit von Pavement, Lemonheads, Weezer und They Might Be Giants entstammen. Unaufgeregter amerikanischer Indierock eben. Alles scheppert und rauscht ein bisschen, aber genau dieses etwas Schräge macht das Album so sympathisch. (LH, Rezensionsexemplar)

Broken Social Scene – Forgiveness Rock Record
Wie erklärt man das jetzt? Diese Band war da, als mir etwas abhanden kam. Wie beschreibt man jetzt dieses Musikerkollektiv aus Kanada, das Feist, Emily Haines und Wahnsinnsalben und Soundtracks hervorgebracht hat?
Und was sagt man dann über dieses neue Album “Forgiveness Rock Record”?
Ein Versuch. Man ist ja vieles gewöhnt bei den Broken Social Scenesters, es gibt da Alben von Ihnen, die rein Instrumental sind und einen wegblasen, dann kommen Alben, bei denen die Lyrics alleine einen umhauen, und dann fängt die neue Platte mit “World Sick” an und dann passiert’s: Alles fließt zusammen — Melodie, Text, Arrangement und Gesang und man ist mittendrin, in der Broken Social Scene, die bei diesem Album alle ihre Subkulturen zum besten verschmolzen haben. Siebzigerjahre-Taumelrock und Wabersynthieorgelparts, Streicher und Keyboards — fast jeder Song ist eine kleine Hymne für sich allein. Und wer hätte nach “You Forget It In People” gedacht, dass die Broken Social Scene nicht in ihre Einzelteile zerspringt, sondern im Kollektiv so ein Album rausbringt?
Jedenfalls bin ich mir sicher, dass dieses mal bei diesem Alben auch einige noch nicht gewusste Lücken ihre Broken-Socia- Scene-Füllung erhalten.
Highlights: Kann ich jeden Song hier hin schreiben? Wenn ich dann doch auswählen muss: World Sick, Art House Director und Me In The Basement. (AK)

Jakob Dylan – Women And Country
Offiziell liegen die Wallflowers nur auf Eis, aber so richtig würde es mich nicht stören, wenn Jakob Dylan seine Hauptband nicht mehr wiederauferstehen ließe — die hatten zwar die Hits und die größeren Popsongs, aber seit Dylan solo unterwegs ist, hat er noch einmal einen großen Sprung als Musiker gemacht. Nach der völlig reduzierten Rick-Rubin-Produktion auf “Seeing Things” sorgt diesmal T-Bone Burnett für einen volleren Südstaatensound. Neko Case und Kelly Hogan sind als Background-Sängerin mit dabei und verleihen den düster vor sich hinstapfenden Songs damit noch eine ganz eigene Note. In den Texten geht es um apokalyptische Bilder und Finsternis, aber drunter macht es Jakob Dylan ja seit Jahren schon nicht mehr. Man kann dieses Album kaum hören, ohne vor dem geistigen Auge die Steppenläufer in der Abendsonne im Staub tanzen zu sehen. In seiner vermeintlich stoischen Ruhe liegt eine ungeheure Kraft, die einen festhält und runterzieht — nur damit die Musik einen im nächsten Moment sanft über die Dinge hebt. Großartige Auftritte von Dylan und seiner Begleitband auch bei NPR und Daytrotter. (LH, Rezensionsexemplar)

The Hold Steady – Heaven Is Whenever
Jahrelang waren The Hold Steady an mir vorbeigerauscht, dann trafen sich mich mit “Stay Positive” mit voller Wucht und ich musste alle Alben haben. Jetzt also der erste Albumrelease als Fan und diese ganz besondere Mischung aus Vorfreude und Angst vor Enttäuschung — zumal Keyboarder Franz Nicolay die Band ja gerade erst verlassen hatte. Der Opener “The Sweet Part Of The City” beginnt schleppend und mit slide guitars und lässt mich etwas ratlos zurück. Aber dann: “Soft In The Center” mit einem Refrain, der gleichzeitig die Arme ausbreitet und um einen schlingt (versuchen Sie das mal als Mensch!); “The Weekenders” mit ganz vielen “Woooo-hoooo”-Chören und U2-mäßigen Strophen; in der ersten Single “Hurricane J” klafft die Schere zwischen euphorischer Musik und resigniertem Text — das Album läuft und es läuft rund. Die Lyrics sind wieder voller Party-Beschreibungen und Selbstzitate (und einiger wunderschön windschiefer Liebeserklärungen), die Musik voller Energie. “Heaven Is Whenever” braucht ein paar Anläufe und es ist sicher nicht das beste Hold-Steady-Album (das ist “Boys And Girls In America”), aber es gibt keinen Grund zur Enttäuschung. (LH)

Sophie Hunger – 1983
Ein wildes Kind. Eine widerspenstige Frau. Feuilletonliebling und eine derjenigen, die man auch wirklich als “Künstlerin” bezeichenen kann. Überall auf der Welt aufgewachsen, Enkelin von Schweizer Urvätern, eigentlich nicht kategorisierbar. Am allerwichtisten aber ist, dass sie eine wahnsinnig begabte Musikerin ist. Irgendwo zwischen Jazz, Folklore, Pop. Universaltalent. Universalmusik.
Wer Interviews mit ihr sieht, sieht einen sehr eigenwilligen Menschen. Sophie Hunger ist sehr gradlinig, was ihre Aussagen betrifft, was man bei ihr eigentlich eher nicht erwartet. Sie ist schwer greifbar. Fragen in Interviews werden seziert und auf den Punkt gebracht. Die Texte sind Mosaike oder eher Emotionen die man dann beim Hören spürt. Und man vergisst manchmal bei all der Ernsthaftigkeit, wie viel Spaß ihr die Musik bringt. Vielleicht ist das ihr Überraschungsmoment.
Das zweite Album “1983” ist ein Wechselbad der Hörgefühle. Heiß, kalt, laut und leise. Aber immer mitten ins Herz oder ins Ohr. Ihr wisst schon, das Organ, das Musik als erstes fühlt. Schon ihr Debütalbum “Monday Ghost” war verzaubernd. Zumindest bin ich dem Zauber der Sophie Hunger erlegen gewesen und bin es immer noch.
Vielleicht passt Zauber sehr gut zu diesem Album. Ein wenig exzentrisch, ein wenig eigenwillig aber eben Sophie Hunger pur.
Highlights: “Leave Me With The Monkeys”, “Your Personal Religion” und “Invincible”: “Somewhere in the Hindukush / Lives the greatest poet / Scribbling sings into the dust / And we will never know it”. (AK)

Jónsi – Go
Noch so ein Bandleader mit Soloalbum: Während Sigur Rós gerne mal etwas länger brauchen, nutzt deren Sänger die aktuelle Kreativ- und Babypause, um ein Album nach dem anderen rauszuhauen. Letztes Jahr das Projekt “Riceboy Sleeps”, jetzt also ein offizielles Soloalbum. Schon wegen Jón Þór Birgissons charakteristischer Stimme erinnert das natürlich immer wieder an die Hauptband, aber dann klingt es doch wieder ganz anders. Songs wie “Animal Arithmetic” oder “Boy Lilikoi” sind zu Musik geronnene Euphorie, aber auch Melancholiker bekommen genug Stoff. Der Spannungsbogen fällt nach den … äh: Partysongs (auf solche Parties würde ich wirklich, wirklich gerne mal eingeladen werden) am Anfang kontinuierlich ab, bis man am Ende bei “Hengilás” die Sterne aufgehen sieht. Ach ja: Das Wort “Schwerelosigkeit” sollte auch noch in dieser Rezension stehen. Tut’s ja jetzt. Toll! (LH)

The Radio Dept. – Clinging To A Scheme
Wir befinden uns in einem Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung im Süden des Landes lebt, Integration eigentlich Standard ist und seit Jahren Musik in die Welt katapultiert, das man allein beim Wortassoziationsspiel jedes Stadt-Land-Fluss-Spiel gewinnen könnte. Hier Euer 10-Punkte-Bonus für R — The Radio Dept.
Die Herren Radio Dept. kommen aus Lund, bestehen aus drei Mitgliedern, haben seit Gründung 1995 ihre Besetzung ein paar mal gewechselt und schwimmen zwischen Dream Pop, Showgaze und dem Indieozan hin und her. Ich kannte die Herren nicht, bin durch glücklichen Recherchezufall drüber gestolpert und beim Hören hängen geblieben.
Eigenwillig ist ja immer gut. Eigenwilligkeit überschreitet Genregrenzen. The Radio Dept. haben auf ihrem dritten Album für mich als Ersthörling alles richtig gemacht. Schlaue Melodien, ein wenig schwedische Melancholie und Talent für Komposition. An den richtigen Ecken bleibt man hängen und auch sonst haben sie ihr Ziel für meinen Geheimtipp erreicht.
Highlights in no particular order: “You Stopped Making Sense”, “Never Follow Suit” und “Heaven’s On Fire”. (AK)

Mitarbeit an dieser Ausgabe:
AK: Annika Krüger
LH: Lukas Heinser

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Musik Film Literatur

Positive Jam

Ich dachte ja schon, es wäre die Krönung in Sachen Helden-Kollaboration, dass Ben Folds und Nick Hornby gemeinsam an einem Album arbeiten (Coffee And TV berichtete).

Jetzt lese ich, dass Craig Finn, der Sänger der von mir hochverehrten The Hold Steady, gemeinsam mit dem langjährigen David-Letterman-Autoren Tom Ruprecht an einer Kinoadaption von Chuck Klostermans “Fargo Rock City” arbeitet.

Zwar kann ich mir im Moment noch nicht ganz vorstellen, wie aus einem Buch, das zu weiten Teilen aus dem Theoretisieren von Heavy Metal, Hair Metal und Hard Rock besteht, eine Filmkomödie werden könnte, aber ich vertraue den beiden Autoren, die den Film zusammen mit Klosterman produzieren, da voll. Außerdem werden hierzulande alberne Quatsch-Ratgeber wie “Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken” zu Kinoproduktionen geprügelt, da ist eine Coming-of-age-Geschichte im ländlichen North Dakota mit ganz viel Musik sicher der naheliegendere Stoff.

Aber was für popkulturelle Mashups mit meinen persönlichen Helden finden als nächstes statt? Nehmen Thees Uhlmann und Max Goldt ein gemeinsames Album auf? Vertont Fran Healy die “Calvin & Hobbes”-Comics von Bill Watterson? Nimmt sich Ben Gibbard ein Buch von Jack Kerouac vor?

Oh.

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Musik

A trotter a day …

Mit Geheimtipps ist es ja immer so eine Sache: Ein Teil der Leute, denen man davon berichtet, guckt einen mitleidig an und sagt “aber das ist doch soooooo alt” (im Internet wird das meist weit weniger freundlich ausgedrückt), während einem ein anderer Teil der Leute (nicht selten die, von denen man gedacht hatte, sie würden “aaaalt” sagen) dankbar um den Hals fällt. Oder sowas in der Art.

Weil eine Person der zweiten Gruppe zehn der ersten übertönt, möchte ich Ihnen heute Daytrotter ans Herz legen.

Das ist ein Website, auf der man sich exklusive Aufnahmen verschiedenster Bands und Künstler anhören kann. Oder (nach einer kurzen Anmeldung) herunterladen. Kostenlos. Legal.

So ziemlich alles, was im (meist nordamerikanischen) Indie-Bereich Rang und Namen hat, war schon mindestens einmal im Daytrotter-Studio: Death Cab For Cutie, Bon Iver, The Hold Steady, Rogue Wave, Ron Sexsmith, The Ting Tings, Vampire Weekend, Ingrid Michaelson, Fleet Foxes oder The Acorn z.B., die ich Ihnen schon dringend empfehlen wollte, seit ich sie im Vorprogramm von Bon Iver gesehen habe.

Auf der Seite kann man also wunderbar neue Musik entdecken (und anders als bei MySpace, YouTube oder last.fm auch für unterwegs herunterladen), während man sich als Fan über die einmaligen Aufnahmen freut, deren Arrangements mitunter von den Albumversionen abweichen. Manche Künstler spielen auch Coverversionen. Aber Vorsicht: Wenn man einmal ins Archiv hinabgestiegen ist, kann es schon mal sein, dass man dort mehrere Stunden verbringt.

So etwas ähnliches nur ohne Downloads (da hätte vermutlich auch die GEMA wieder was gegen) und mit kleinerem Archiv gibt es übrigens auch in Deutschland: bei Rote Raupe.

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Musik

Listenpanik: Alben 2008

Die Albenlisten sind immer die schlimmsten. Während einem iTunes und last.fm bei der Frage nach den Songs des Jahres schon einen großen Teil der Arbeit abnehmen, muss man bei den Alben abwägen: Wie oft habe ich das Album gehört? Wie lange habe ich das Album gehört und wann zuletzt? Müsste ich dieses Album vielleicht höher ansetzen als jenes, weil es bei einer gewissen Objektivität einfach besser oder anspruchsvoller ist (ich es aber gar nicht so gerne höre)?

Wenn man dann noch den Fehler macht, mal in die alten Jahresbestenlisten reinzuschauen und feststellt, dass man das Album des Jahres 2007 (Bloc Party) im Jahr 2008 gar nicht mehr gehört hat und auch sonst alles an diesen Listen falsch wirkt, dann will man es eigentlich gleich ganz bleiben lassen.

Oder man zwingt sich und fängt an:

25. Ben Folds – Way To Normal
Es hätte schlimmer kommen können: Bloc Party (Album des Jahres 2005 und 2007) haben es gar nicht in die Bestenliste geschafft. Ben Folds hat also irgendwie noch Glück gehabt — und wirklich schlecht ist “Way To Normal” ja auch nicht geraten, nur irgendwie erschütternd … egal. Während die Ben-Folds-Five-Alben bei mir immer noch rauf und runter laufen, wird die Halbwertzeit von Folds’ Soloalben immer geringer. Dass andere Künstler mit der Bürde “Lieblingsband” sehr viel besser klar kommen, werden wir noch sehr viel weiter vorne sehen. Für Folds springt immerhin noch ein Platz auf der Liste raus.
Anspieltipp: Effington

24. Ingrid Michaelson – Girls And Boys
Ein einziger Song bei “Grey’s Anatomy” hat schon Snow Patrol den Weg zur Weltkarriere geebnet, warum soll es Ingrid Michaelson da anders gehen? (Warum geht es Hotel Lights da eigentlich anders?) Diese entspannte Indiepop-Platte ist zwar eigentlich schon von 2007, kam aber in Deutschland genau zum richtigen Zeitpunkt (grau, kalt, ungemütlich) raus und bekam mit der Single “The Way I Am” auch noch ordentlich Airplay. Keine große Kunst, aber für mittelgroße erstaunlich gut. Und natürlich sowieso tausend Mal besser als Amy MacDonald.
Anspieltipp: Masochist

23. kettcar – Sylt
Das gleiche Dilemma wie bei Ben Folds: das Album war nicht schlecht, aber frühere Alben waren besser, ich habe es zu selten gehört und es kam irgendwie nicht im passenden Moment raus. Davon ab trauen sich kettcar musikalisch plötzlich mehr, werden textlich einerseits unkonkreter, haben aber andererseits wieder eine klare Haltung.
Anspieltipp: Kein Aussen Mehr

22. R.E.M. – Accelerate
Ich wiederhole mich da gerne, aber irgendwie werden R.E.M. halt nie irgendwas falsch machen (außer vielleicht, sie spielen noch einmal “Shiny Happy People”). Ihr Back-to-the-roots-Album rumpelte dann auch schön durch den Frühling, ehe es erste Abnutzungserscheinungen zeigte. Jetzt, mit etwas Abstand, ist es aber immer noch gut genug für diese Liste.
Anspieltipp: Living Well Is The Best Revenge

21. Oasis – Dig Out Your Soul
Wirklich schlecht war außer “Standing On The Shoulder Of Giants” noch kein Oasis-Album — dass sie allerdings mal wieder ein wirklich gutes Album machen würden, hätte ich auch nicht gedacht. Dann war “Dig Out Your Soul” da, tatsächlich gut, und mir war es irgendwie egal. Die Band und ich, wir sind beide älter geworden, und mit ihrem neuen Album verhält es sich wie mit dem zufälligen Treffen mit einem alten Schulfreund: das Wiedersehen ist herzlich, man denkt an alte Zeiten, trinkt zwei Bier und geht wieder getrennter Wege. Ein bisschen “Sgt. Pepper”, ein bisschen “Revolver”, ein bisschen weißes Album — und letztlich doch total Oasis.
Anspieltipp: Falling Down

20. Fettes Brot – Strom Und Drang
Mein erstes deutschsprachiges Hip-Hop-Album, ich sag’s gern immer wieder. Und es ist laut, heiß, witzig, euphorisch, traurig, klug, kurzum: gut. In den Neunzigern hätte man mit der Hälfte der Songs eine Riesenkarriere begründen können, heutzutage wird sowas von Sido, Bushido und Schlimmerem in den Schatten gestellt. Aber das kann mir ja egal sein. Und den Broten hoffentlich auch.
Anspieltipp: Das Traurigste Mädchen Der Stadt

19. She & Him – Volume One
In dem Moment, wo Zooey Deschanel zu singen beginnt, sind alle Vorurteile über singende Schauspielerinnen vergessen — und in dem Moment, wo man ihr in die Augen blickt, auch alles andere. Gemeinsam mit M. Ward hat sie ein sommerlich-leichtes Album mit Folk- und Sixties-Anleihen aufgenommen, dessen Beschwingtheit manchmal haarscharf an dem Punkt vorbeischrammt, wo es nervig werden könnte. Aber dann kommt ein so todtrauriges Lied wie “Change Is Hard” und man möchte Zooey Deschanel unbedingt trösten.
Anspieltipp: Change Is Hard

18. Gregor Meyle – So Soll Es Sein
Irgendwo zwischen Herbert Grönemeyer und Tomte, Tom Liwa und Clueso war noch Platz und genau dort passte Gregor Meyle wunderbar rein mit seinen klugen und pathetischen Texten und seiner entspannten Musik. Damit bewegt man vielleicht keine Massen, aber diejenigen, die zuhören.
Anspieltipp: Niemand

17. Jakob Dylan – Seeing Things
Bei den Wallflowers wirkte er mitunter verunsichert durch den Status des One Hit Wonders, das ständige Interesse an seiner Person, die eigenen Ansprüche und die der Plattenfirmen. Und dann setzte sich Jakob Dylan hin und nahm ein Soloalbum auf, bei dem er absolut sicher und fokussiert wirkt, und das trotzdem fein und zerbrechlich klingt (“Produced by Rick Rubin” halt). Dass er einer der besten Texter seiner Generation ist, hat sich leider immer noch nicht rumgesprochen, aber auf diesem Album kann man sich davon überzeugen.
Anspieltipp: Something Good This Way Comes

16. Slut – StillNo1
Manchmal kann man echt Pech haben mit seinem Veröffentlichungsdatum: “StillNo1” kam im Februar raus, lief ein paar Wochen bei mir rauf und runter und verschwand dann im Regal (aus der Reihe: “sprachliche Bilder, die Dank MP3 vom Aussterben bedroht sind”). Für diese Liste habe ich es noch mal hervorgekramt und erneut festgestellt, dass es sich um ein sehr gutes, anspruchsvolles Album handelt. Einiges erinnert an das, was Coldplay Dank ihrer Popularität ein paar Monate später mit “Viva La Vida” einem internationalen Millionenpublikum unterjubeln konnten, aber Slut hatten dieses Glück natürlich nicht.
Anspieltipp: If I Had A Heart

15. Coldplay – Viva La Vida
Gerade noch von ihnen gesprochen, sind Coldplay auch schon da! So klangen seit den Achtzigern keine Nummer-Eins-Alben mehr: Songs, die ineinander übergehen; Motive, die nicht nur auf der CD, sonder auch auf der Nachfolge-EP immer wieder aufgenommen werden; pompöseste Pop-Arien mit viel Rhythmus und noch mehr Melodie, und Single-Hits, auf die kein Schwein tanzen kann. Coldplay verkaufen (relative, wir wollen ja auch nicht übertreiben) Hochkultur als Pop und sind damit das Gegenteil von Paul Potts — aber ähnlich erfolgreich.
Anspieltipp: 42

14. The Killers – Day & Age
Ich würde nie von mir behaupten, Brandon Flowers verstanden zu haben. Aber ich habe dann doch genug Durchblick um zu bemerken, dass er und seine Band zumeist kolossal missverstanden werden. Vielleicht meinen sie das mit den Steeldrums, den Saxofonen und dem Discofox ernst — na und, wenn es hinterher doch so viel Spaß macht, es zu hören? “Day & Age” erschien zeitgleich mit “Chinese Democracy” und alles, was bei Guns N’ Roses knapp jenseits der Grenze des Zumutbaren ausgekommen ist, funktioniert bei den Killers noch. Bei den ersten zwei Durchläufen habe ich dieses Album gehasst, danach geliebt.
Anspieltipp: This Is Your Life

13. Jason Mraz – We Dance. We Sing. We Steal Things.
Wenn Sie mich vor acht Jahren gefragt hätten, wie Popmusik im Jahr 2008 klingt, hätte ich eher auf das getippt, was Robbie Williams vor ein paar Jahren auf “Intensive Care” versucht hat. Ich hätte eher nicht damit gerechnet, dass man mit Akustikgitarren und Tiefenentspannung in die Charts kommt, aber dann kam Jason Mraz und zeigte mir einmal mehr, dass ich von der Zukunft keine Ahnung habe. Man will das ja nicht immer wieder schreiben, aber: so wie dieses Album (von dem es aktuell eine Special Edition mit in Deutschland bisher unveröffentlichten Songs und einer Live-DVD gibt), so klingt der Sommer.
Anspieltipp: Details In The Fabric

12. Travis – Ode To J. Smith
Irgendwie ist das ja gemein: Während ich an Ben Folds immer fast überirdische Ansprüche stelle, dürfen Travis machen, was sie wollen, und ich finde es eigentlich immer gut. Aber “Ode To J. Smith” ist einfach ein gutes Album. Hatten Travis auf “The Boy With No Name” schon alle Phasen ihrer bisherigen Karriere vereint, tun sie es auf “Ode To J. Smith” erneut, aber mit einem Schwerpunkt auf der lauteren Seite. Ja, Travis können rocken (sie tun es außer auf “The Invisible Band” eigentlich auf jedem Album), und das bezweifelt hoffentlich auch niemand mehr. Dass Fran Healy im Aussehen immer mehr an Michael Stipe von R.E.M. erinnert, kann kein Zufall sein, denn die dürfen ja auch machen, was sie wollen.
Anspieltipp: Song To Self

11. Death Cab For Cutie – Narrow Stairs
Bestimmt gibt es Schlimmeres, als “die Band aus ‘O.C., California'” zu sein — und dieser kleine Hype von vor drei, vier Jahren kann auch nicht dafür verantwortlich sein, dass Death Cab (wie wir alle seit Seth Cohen sagen) immer noch so populär sind. Es ist natürlich auch die Musik. Und da zeigt sich einmal mehr der Trend des letzten Jahres: etablierte Bands, deren letzte Alben vielleicht ein bisschen zu gefällig ausgefallen waren, drehen ein bisschen an der Anspruchsschraube und es funktioniert immer noch. Okay, die Achteinhalb-Minuten-Single “I Will Possess Your Heart” wurde fürs Radio gekürzt und beschleunigt, aber in dem Fall zählt schon die Idee. Dass gute Texte viel zu selten gewürdigt werden, ist generell schade, im Falle von Ben Gibbard ist es allerdings fast ein Skandal.
Anspieltipp: Cath…

10. Lightspeed Champion – Falling Off The Lavender Bridge
Nachdem sich die Test Icicles, eine der außergewöhnlicheren Bands unserer Zeit, zerlegt hatten, fuhr Devonte Hynes nach Omaha, NE, um dort mit der Saddle-Creek-Posse eine Art Country-Album aufzunehmen, dessen Songs man sogar im Formatradio spielen könnte. Lässt man diese musikhistorischen Anekdoten außen vor, ist “Falling Off The Lavender Bridge” einfach eine gute, runde Platte.
Anspieltipp: Tell Me What It’s Worth

9. Hotel Lights – Firecracker People
Eines von zwei Alben in dieser Liste (und in den Top 10), das in Deutschland gar nicht “regulär” erschienen ist. Aber wen interessiert sowas? “Firecracker People” ist ein herbstliches Album mit vielen Folk-Anleihen, das eine gewisse schwere Melancholie ausströmt und doch immer wieder federleicht klingt (und auch mal rockt). Darren Jessee und seine Mitmusiker hätten mehr Aufmerksamkeit verdient — hier, in ihrer amerikanischen Heimat und in jedem Land der Erde. Und sagen Sie nicht, die Import-CD sei Ihnen zu teuer: das Album gibt es für 9,99 Euro im iTunes Music Store.
Anspieltipp: Blue Always Finds Me

8. Bon Iver – For Emma, Forever Ago
Das gab’s auch noch nie: Nachdem Bob Boilen von “All Songs Considered” über Wochen und Monate von Bon Iver (das spricht sich ungefähr “Boney Wer?”) geschwärmt hatte und die Kollegin Annika dann auch noch damit anfing, habe ich mich nach Silvester erstmalig mit dem Mann, der eigentlich Justin Vernon heißt, beschäftigt. Nun ist es natürlich etwas riskant, ein Album, das man erst wenige Tage kennt, direkt so weit vorne in die Liste zu stecken, aber andererseits gab es in ganz 2008 kaum ein Album, das ich so oft hintereinander hätte hören können. Die Songs, die Vernon in einer abgelegenen Holzhütte geschrieben hat, sind mit “entrückt” möglicherweise am Besten zu beschreiben. Man muss sich auf die Stimme und die spärliche, teils sphärische Musik einlassen, und wenn einem Beides nicht gefällt, kann ich das sogar ein wenig verstehen. Aber ich bin sicher: Sie verpassen was, so wie es mir fast passiert wäre.
Anspieltipp: Re: Stacks

7. Nizlopi – Make It Happen
Es kommt ja inzwischen leider eher selten vor, dass mich ein Konzert rundherum flasht, aber im Dezember in Köln war es mal wieder soweit: Wie diese zwei Männer da mit Gitarre, Kontrabass und ihren Stimmen einen Sound auf die Bühne brachten, der satter war als so manche Band und gleichzeitig völlig organisch, das hat mich nachhaltig beeindruckt. Fand ich “Make It Happen” vorher schon ziemlich gut, höre ich es seitdem noch mal mit ganz anderen Ohren. Ein anrührendes, kluges und bewegendes Album, das nur darauf hoffen lässt, dass die Beiden nach ihrer Auszeit weitermachen.
Anspieltipp: Drop Your Guard

6. Goldfrapp – Seventh Tree
Goldfrapp waren eine Band, die ich bisher immer eher so am Rand wahrgenommen hatte. Das hat sich mit “Seventh Tree” (und meinem Song des Jahres “A&E”) deutlich geändert. Ein Frühlingstag, komprimiert auf 41:35 Minuten, ein vorsichtiges Nebeneinander von Akustikgitarren und Elektronik-Spielereien, und über allem schwebt die Stimme von Alison Goldfrapp. Für die Statistikfreunde: dass die beste britische Platte auf Platz 6 landet, hat es bei mir auch noch nie gegeben (2 erste Plätze und ein zweiter seit 2005).
Anspieltipp: Road To Somewhere

5. Tomte – Heureka
“Hinter All Diesen Fenstern” und “Buchstaben Über Der Stadt” waren bei mir jeweils das Album des Jahres (2003 und 2006), dafür hat es diesmal nicht ganz gereicht. Das liegt aber nicht am Album, sondern an mir: es kam einfach irgendwie nicht ganz im richtigen Moment raus. Thees Uhlmann hält es für das beste Tomte-Album überhaupt, und zumindest musikalisch könnte er da durchaus recht haben. Bei einigen Songs brauchte ich ein bisschen Zeit, um mit ihnen warm zu werden, andere habe ich auf Anhieb geliebt. Tomte kann man nur hassen oder lieben, aber wer ihnen aufmerksam zuhört, der wird sich geliebt fühlen.
Anspieltipp: Küss Mich Wach Gloria

4. Sigur Rós – Með Suð Í Eyrum Við Spilum Endalaust
Seit vier Alben verfolge ich jetzt die Karriere von Sigur Rós und jedes Mal habe ich gedacht: “Ja, das ist sehr gut, aber irgendwie ist es mir zu künstlerisch, zu weit weg, zu wenig alltagstauglich.” Die Isländer sind immer noch weit vom Pop entfernt, aber auf ihrem fünften Album machen sie Musik, die man auch ohne Räucherstäbchen und Duftkerzen hören kann. Als hätten die Elfen und Kobolde “Sgt. Pepper” gehört.
Anspieltipp: Við Spilum Endalaust

3. Sir Simon – Battle
Simon Frontzek ist der einzige Mensch, der zwei Mal in dieser Liste auftaucht — und beide Male in den Top 5. Zum einen ist er der neue Keyboarder bei Tomte, zum anderen Sänger, Gitarrist und Songschreiber bei Sir Simon (Battle), deren Debütalbum so großartig ist, dass es einen Treppchenplatz verdient hat. Kleine unaufgeregte Pop-Perlen zwischen Wilco, Maritime und den Weakerthans. Verträumt und einfach schön.
Anspieltipp: The Last Year

2. The Hold Steady – Stay Positive
Auch wenn die ganz große verspätete Band-Neuentdeckung des Jahres für mich Hem waren (die aber 2008 kein Album veröffentlicht haben): The Hold Steady sind sicher im engsten Kreis. Die Kombination von roher Energie und Pop-Appeal, von jugendlichem Überschwung und erwachsener Resignation, von Musik und Text machen “Stay Positive” zu einem wahrhaft außergewöhnlichen Album. Und dazu diese ganzen Popkultur-Verweise!
Anspieltipp: Magazines

1. Fleet Foxes – Fleet Foxes
Carrie Brownstein meinte im Jahresrückblick von “All Songs Considered”, das Jahr 2008 sei ziemlich “emo” (die Amerikaner meinen damit etwas anderes als wir) und “beardy” gewesen. Das trifft natürlich beides auf Fleet Foxes zu, aber die Band macht viel zu gute Musik, um sich länger mit der Gesichtsbehaarung ihrer Mitglieder aufzuhalten. Dass es sich die Männer aus Seattle, WA erlauben konnten, Perlen wie “Sun Giant” oder “Mykonos” gar nicht erst aufs Album zu packen (sondern auf der “Sun Giant”-EP zu veröffentlichen), deutet an, dass ihnen die Songs nur so zufliegen. Und tatsächlich: das zweite Album der Fleet Foxes soll bereits in diesem Jahr erscheinen. Ausnahmsweise habe ich mal gar keine Befürchtungen, dass es schwächer werden könnte als das Debüt.
Anspieltipp: Quiet Houses