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Das ist doch kein Einbruch!

Eigent­lich hät­te es nur eines The­sau­ru­ses bedurft, um den Arti­kel zu ret­ten, der heu­te in der „Ham­bur­ger Mor­gen­post“ steht.

Er beginnt wie folgt:

„Die Poli­zei mach­te mich zum Ein­bre­cher“

44-Jäh­ri­ger flüch­te­te vor Jugend­ban­de auf das Dach einer Hal­le und brach ein – Her­bei­ge­ru­fe­ne Beam­te glaub­ten ihm nicht

Weni­ge Zei­len spä­ter erfährt der Leser, dass der Mann „durch ein Dach gestürzt war (MOPO berich­te­te)“.

Doch im Ver­lauf von zwei auf­ein­an­der fol­gen­den Absät­zen sorgt der Arti­kel wie­der für hoch­gra­di­ge Ver­wir­rung:

„Ich bin nicht ein­ge­bro­chen“, erklärt der Hafen­ar­bei­ter auf­ge­regt. […]

Er sei über einen Palet­ten­sta­pel auf das Dach geklet­tert – und wenig spä­ter ein­ge­bro­chen.

Und wenn wir uns jetzt noch den Satz „Ich bin nicht ein­ge­bro­chen, Herr Wacht­meis­ter, ich bin nur ein­ge­bro­chen!“ vor­stel­len, klingt es end­gül­tig, als ob sich alles um einen Didi-Hal­ler­vor­den-Sketch han­de­le, den man schon hun­dert Mal gese­hen hat.

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„Bleich wie Mozzarella-Käse“

Will­kom­men auf der Cof­fee-And-TV-Jour­na­lis­ten­schu­le. Heu­te ler­nen wir, wie man eine Gerichts­re­por­ta­ge schreibt.

Wich­tig für jede Repor­ta­ge ist, dass man dem Leser ein genau­es Bild von dem ver­mit­telt, wor­über man schreibt. Berich­ten Sie von Details und pro­bie­ren Sie ein­fach mal aus, wie vie­le Adjek­ti­ve man in einen Satz quet­schen kann:

Der Mann, der da ner­vös zit­ternd auf dem hoch­mo­der­nen, ergo­no­mi­schen Ankla­ge­stuhl sitzt, war mal der bekann­tes­te, erfolg­reichs­te Plat­ten­pro­du­zent der Welt.

Bit­te beach­ten Sie: eine Gerichts­re­por­ta­ge ist eigent­lich schon Lite­ra­tur. Brin­gen Sie ruhig auch mal Ver­glei­che, die auf den ers­ten Blick etwas absei­tig wir­ken, und schre­cken Sie auch vor eige­nen Inter­pre­ta­tio­nen nicht zurück.

Sei­ne Haut ist so bleich wie Moz­za­rel­la-Käse, im sel­ben Ton wie die schen­kel­lan­ge Frack­ja­cke, die er ab und zu trägt.

oder

Sei­ne Mie­ne, in der sich Angst, Ver­ach­tung und Bedro­hung spie­geln, gleicht der eines ver­lo­re­nen Kin­des.

sind tol­le Bei­spie­le dafür. Das letz­te zeigt dar­über hin­aus, dass man ruhig auch mal drei gewich­ti­ge Wor­te hin­ter­ein­an­der auf­rei­hen kann.
Wenn Sie fremd­sprach­li­che Begrif­fe ver­wen­den, scheu­en Sie sich nicht, die­sen über­ra­schen­de deut­sche Arti­kel zu ver­pas­sen:

(wobei er sich mit Paul McCart­ney über­warf, der den „Wall of Sound“ hass­te)

Gerichts­pro­zes­se sind in der Regel lang­wei­lig. Schrei­ben Sie ein paar Sät­ze ganz ohne Ver­ben, das sug­ge­riert Action und Span­nung:

Das „Cast­le Pyre­nées“, Spec­tors Burg­ver­schnitt auf einer Hügel­kup­pe. Eine Tür. Das kit­schi­ge Foy­er. Clark­sons Lei­che, in einen Stuhl gesackt.

Zie­hen Sie Par­al­le­lis­men über so vie­le Absät­ze, dass auch der geüb­te Leser den Zusam­men­hang ver­liert. Er wird Ihren Arti­kel mehr­mals lesen müs­sen und ihn so bes­ser in Erin­ne­rung behal­ten. Nie­mand ver­steht einen ein­zeln ste­hen­den Absatz wie

Oder selbst den Chef-Ermitt­ler Lil­li­en­feld, der die blut­ver­schmier­te Tat­waf­fe im Gerichts­saal vor­zeigt und berich­tet, im Stuhl neben der Toten habe eine Akten­ta­sche mit den Initia­len „PS“ gele­gen. Inhalt: diver­se Tablet­ten, dar­un­ter „Hallo-Wach“-Pillen und ein Via­gra.

auf Anhieb, aber das weckt die Neu­gier des Lesers.

Las­sen Sie dem Leser bei aller Detail­freu­de auch Raum für eige­ne Inter­pre­ta­tio­nen. For­mu­lie­ren Sie Sät­ze, deren Inhalt ver­schie­de­nes bedeu­ten kann:

Wei­ter rechts sitzt AP-Gerichts­re­por­te­rin Lin­da Deutsch, die Spec­tor jovi­al-schel­misch begrüßt: „Sie sehen heu­te so ele­gant aus.“

Bil­den Sie dar­über­hin­aus auch mal einen Satz, den man stun­den­lang dre­hen und wen­den kann, ohne ihn zu ver­ste­hen. Der Neid der Kol­le­gen ist Ihnen sicher:

Das Musik­ma­ga­zin „Rol­ling Stone“ zähl­te Spec­tor noch 2004 zu den „100 groß­ar­tigs­ten Künst­lern aller Zei­ten“.

Wenn Sie die­se ein­fa­chen Regeln befol­gen, wer­den Sie bald schon fan­tas­ti­sche Gerichts­re­por­ta­gen schrei­ben kön­nen, die dann auch bei Spie­gel Online ver­öf­fent­licht wer­den.

Nach­trag 11. Juni, 17:34 Uhr: Was mir erst gera­de auf­ge­fal­len ist: Moz­za­rel­la-Käse?

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Getrennt, geschrieben

Heu­te, lie­be Kin­der, erklärt Euch das Cof­fee-And-TV-Lehr­per­so­nal mal, war­um eini­ge Regeln der deut­schen Recht­schrei­bung der Zwei­deu­tig­keit Tür und Tor öff­nen. Als Bei­spiel haben wir uns die Getrennt­schrei­bung von zusam­men­ge­setz­ten Ver­ben aus­ge­sucht. RP Online schreibt in einem Arti­kel über Fla­vio Bria­to­re, der mög­li­cher­wei­se gar nicht der Vater von Hei­di Klums ers­tem Kind ist, fol­gen­des:

Der For­mel-Eins-Mana­ger und das Top­mo­del waren 2003 zusam­men gekom­men und trenn­ten sich kurz vor Lenis Geburt im Mai 2004.

Und obwohl die­ser Satz laut Duden (§34) vor­bild­lich zusam­men­ge­stellt wur­de, kann ich doch nicht ver­heh­len, an einer Stel­le herz­haft und puber­tär auf­ge­lacht zu haben. Kann aber auch am Kon­text lie­gen …

PS: Bria­to­re sagt, nicht er, „son­dern eine pro­mi­nen­te Per­sön­lich­keit, die Mil­lio­nen aus dem Fern­se­hen ken­nen“ sol­le der Vater sein. Sei­en wir also gespannt, wie schnell Prinz Fré­dé­ric von Anhalt dies­mal vor die Mikro­fo­ne der Welt­öf­fent­lich­keit hech­tet, um sich als Erzeu­ger ins Gespräch zu brin­gen.