Kategorien
Politik Gesellschaft

Uschis Spy Kids

Lange nichts mehr von der Bundesregierung gehört, was? Um daran zu erinnern, dass es immer noch eine gibt, hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen der überraschten Weltöffentlichkeit einen neuen Vorschlag unterbreitet: Kinder und Jugendliche sollten als “verdeckte Ermittler” in Geschäften ausprobieren, ob man ihnen Alkohol, Zigaretten oder “Gewaltvideos” verkaufen würde.

Das Ziel der Aktion ist klar und durchaus begrüßenswert: Es geht um die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes. Auch wenn ich persönlich nichts gegen Alkohol und Spielfilme habe (“Killerspiele” stehen sicher auch auf der Liste), so gibt es für all das doch bestimmte Altersgrenzen. Und auch wenn diese oft beliebig erscheinen (“Mama, warum darf ich heute noch kein Bier trinken, morgen aber schon?” – “Weil der Alkohol ab dem 16. Jahrestag Deiner Geburt weniger schädlich ist, mein Kind!”), ist ihre Einhaltung schon eine okaye Sache. Meinetwegen sollen mich die Kassiererinnen auch mit 24 noch nach meinem Ausweis fragen, wenn ich Bier kaufen will – nur wenn die bärtigen 15-Jährigen nach mir ohne Probleme ihre Spirituosen kaufen können, werde ich etwas ungehalten.

Von der Leyens Vorschlag aber ist aus mehreren Gründen schwierig: Erstens würden die Kinder die Händler direkt zu einer Straftat anstiften, da sie ohne echte Kaufabsicht an die Kasse gehen. Klar, die Händler dürfen nicht an an zu junge Personen verkaufen, wenn sie es doch tun sind sie im Prinzip “selbst schuld”. Aber ich sehe zumindest einen moralischen Unterschied zwischen einem Gesetzesverstoß und einem provozierten Gesetzesverstoß. Das ist ja, als ob einen Zivilpolizisten nachts auf einer entlegenen Straße verfolgen, bedrängen und einen anschließend wegen Geschwindigkeitsüberschreitung anhalten.

Viel schwerer wiegt aber, dass der Vorschlag bestens ins Gesamtbild der Bundesregierung passt, im Land ein Klima der Angst zu schüren. Überall wird man von Videokameras überwacht, der Bundesinnenminister will wissen, wann man wie lange mit wem telefoniert hat, und bald soll man nicht mal mehr Kindern trauen können? Die Vollendung des Überwachungsstaates stünde kurz bevor.

Und was, wenn Kinder erstmal erfolgreich Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz aufdecken? Was, wenn dann der nächste Politiker vorschlägt, man könnte Kinder doch auch als “Lockvögel” im Kampf gegen Kinderpornographie einsetzen? Das diente doch auch der “guten Sache” …

Noch was:

Wer einem Minderjährigen in Zukunft Schnaps, Zigaretten oder ein Gewaltvideo verkauft, muss danach mit Geldbußen bis zu 50.000 Euro rechnen.

(Quelle: sueddeutsche.de)

Nun ist es generell möglich, dass die Formulierung “in Zukunft” irgendwie von den Agenturen in die Meldung reingedichtet worden ist und nicht aus dem Familienministerium selbst stammt. Wir wollen es hoffen, denn im Jugendschutzgesetz (Abschnitt 6: Ahndung von Verstößen, § 28 Bußgeldvorschriften) steht schon seit längerem:

(5) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

Nachtrag 21:59 Uhr: Jens weist in den Kommentaren darauf hin, dass der Vorschlag schon wieder vom Tisch ist. Jetzt “regieren” die schon schneller als ich bloggen kann …