Vermutlich bin ich wieder der Letzte, der den Song gehört hat, aber iTunes verramscht zur Zeit die erste Solosingle vom Chef-Stroke Julian Casablancas für 69 Cent.
Ich hab sie also ungehört gekauft (bei dem Preis!), gestartet und bin in einer seltenen Mischung aus amüsierter Fassungslosigkeit und Begeisterung fast vom Stuhl gefallen.
Für die drei Leute, die den Song auch noch nicht kannten:
Was für eine sensationelle 80er-Jahre-Nummer! Ich kann nicht eine Gitarre heraushören …
Ich muss Ihnen nicht sagen, welches Datum heute ist. Wenn Sie in den letzten Tagen einen Fernseher eingeschaltet haben, wissen Sie eh, worum es geht.
Frank-Walter Steinmeier wollte mir ja erzählen (aus der Reihe “Seltene Sätze deutscher Sprache”), dass “die Tage, Woche und Monate nach dem 11.9.” in Deutschland “ein bisschen außer Gedächtnis geraten seien. Ich halte das für Quatsch. Ich weiß noch genau, dass ich mich gefragt habe, ob ich meinen 18. Geburtstag zweieinhalb Wochen später noch erleben würde, oder ob wir bis dahin schon alle von Terroristen oder amerikanischen Gegenschlägen getötet sein würden (was man als 17-Jähriger halt so denkt).
Es sind viele, viele Songs geschrieben worden über diese Zeit (unter anderem das ganze “The Rising”-Album von Bruce Springsteen), aber am Besten zusammengefasst wird das alles in einem Song, der unwahrscheinlicherweise von den Funpunkpoppern Goldfinger, Good Charlotte und Mest stammt und irgendwann im Herbst 2001 im Internet verschenkt wurde. Verlust, Orientierungslosigkeit und Angst (auch darüber, was fremd aussehenden Menschen plötzlich blüht) sind auf eine so unmittelbare, naive Art Gegenstand des Textes, dass man acht Jahre später fast ein bisschen pikiert darüber ist. Aber Popmusik ist nun mal gerne ein unreflektiertes Zeitdokument und deshalb auch meistens persönlich packender als ein Geschichtsbuch:
Das Video ist ein bisschen quatschig, aber ich wollte nicht schon wieder brennende Türme zeigen.
Wenn ein Künstler drei Jahre lang keine neue Musik veröffentlicht hat, ist es eigentlich Quatsch, von einem “Comeback” zu sprechen. Wenn er in der Zeit davor aber quasi im Jahrestakt neue Alben rausgebracht hat, ist die Bezeichnung dann doch legitim.
Robbie Williams kehrt also zurück — und es ist natürlich reiner Zufall, dass dies gut zwei Monate nach dem Tod des Mannes geschieht, den man mal “King of Pop” geheißen hat, und eine Woche nach der möglichen Auflösung der Band, deren anfängliche Freund- und anschließende Feindschaft Williams auch in Indie-Kreisen credible gemacht hat.
Seit heute läuft seine neue Single “Bodies” im Radio und – erst mal nur als Audiotrack – bei YouTube:
Beim ersten Hören fand ich den Song ganz grässlich, dann hielt ich ihn für ein loses rip-off von “How Can You Expect To Be Taken Seriously?” von den Pet Shop Boys (Achten Sie mal auf die Musik im Refrain!), nach etlichen Durchläufen geht’s langsam. Davon, dass man sich wünscht, ein drittes Bein zu haben, um besser tanzen zu können (Selbsteinschätzung Robbie Williams), ist die Nummer jedenfalls ein ganzes Stück weit entfernt. Und von alten Glanztaten sowieso.
Ob Williams mit dieser Musik und dem dazugehörigen Album (Selten dämlicher Titel: “Reality Killed The Video Star”, Veröffentlichung: 9. November) auch ein Comeback im kommerziellen Sinne gelingt, wird sich zeigen. Sein ambitioniertes, aber auch blutleeres letztes Album “Rudebox” pflastert ja heute angeblich chinesische Straßen.
Einer der schlimmsten Irrtümer unserer Zeit ist ja der, dass Wahlkampf im Internet stattfinden müsse. Er kann, wenn man sich mit dem Medium auskennt, gute Ideen hat oder Barack Obama heißt. Mir persönlich wäre es angesichts von Facebook-Profilen von Politikern, iPhone-Apps von Parteien und sechs Milliarden “#piraten+”-Nachrichten auf Twitter täglich sogar lieb, wenn das Internet ein politikfreier Raum wäre, aber man kann nicht alles haben.
Richtig bizarr wird es aber, wenn der Kommunalwahlkampf im Internet stattfindet. Völlig ohne Grund geben sich Menschen, die bestimmt tolle Ideen für ihre Heimatstadt haben, aber nicht über Knowhow und Mittel für einen professionellen (und völlig überflüssigen) Online-Wahlkampf verfügen, online der Weltöffentlichkeit preis — und damit zumeist dem Spott.
Die Ruhrbarone stellen heute schlechte und nicht ganz so schlechte Beispiele von Internet-Videos als Mittel im Kommunalwahlkampf vor. Von den Bochumer Oberbürgermeister-Kandidaten habe ich nichts gefunden, aber in Dinslaken haben gleich zwei der sechs Bürgermeisterkandidaten Werbespots in Auftrag gegeben.
Sagen Sie bitte nicht, ich sei der Einzige, der bei der Musik die ganze Zeit damit rechne, dass gleich Dinosaurier aus dem Rotbachsee auftauchen. (Und Dinslaken wirkt übrigens nicht ganz so trostlos, wenn man es im Sommer besucht und filmt.)
Sein Gegenkandidat von der SPD, Dr. Michael Heidinger, orientiert sich mit “Michael Heidinger (SPD) – Der Film” optisch stärker an Filmen wie “A Scanner Darkly” oder “Waltz With Bashir”, verzichtet dafür aber völlig auf das Ablesen vom Blatt:
Link:
Diese Spots wirken auf mich ein wenig wie die Auftritte unbeholfener Kandidaten in Castingshows: Einerseits sucht da jemand ganz bewusst die Öffentlichkeit, andererseits hat man als Zuschauer das Gefühl, sie genau davor beschützen zu wollen.
Nachtrag, 31. August: Die Comicfigur hat übrigens gewonnen …
Ich muss zugeben, nie der große Blumfeld-Fan gewesen zu sein. Deswegen war es mir auch einigermaßen egal, dass deren früherer Frontmann Jochen Distelmeyer vor kurzem bei einigen Konzerten neue Songs vorstellte, die auf seinem Solo-Debüt “Heavy” (VÖ: 25. September) enthalten sein werden.
Einige dieser Songs wurden – wie heutzutage allgemein üblich – mit Handy- oder Digitalkameras aufgenommen und kurz danach bei YouTube hochgeladen. Dort blieben sie nicht allzu lange stehen: Sie wurden mit Hinweis auf Urheberrechtsverletzungen gelöscht, wie der Popkulturjunkie gestern in einem Eintrag dokumentierte.
Seine Überschrift ließ keinen Zweifel daran, wer hier der Schuldige sein müsste:
Sony hat das Internet immer noch nicht begriffen
In den Kommentaren ergoss sich schnell der übliche “Wir hier unten, die da oben”-Sermon von
ich finde das äußerst begrüßenswert wenn sich sony selbst ins bein schießt, je früher medienkonzerne aller art krepieren desto besser.
bis hin zu
Memo an mich selbst: Kauf von Sony Produkten meiden!
Als Christian Ihle höflich anfragte, ob es nicht viel einfacher sein könnte und weder Distelmeyer noch die Plattenfirma das Risiko eingehen wollten, dass die Leute die neuen Songs in schlechter Qualität hörten (weil das “den Buzz zerstören würde”), wurde diese Möglichkeit mit dem Hinweis abgebügelt, so schlecht sei die Qualität nun auch wieder nicht gewesen.
Ich hab heute einfach mal Jochen Distelmeyers Manager Oliver Frank nachgefragt, wie es denn zu der Löschung gekommen sei. Der sagte mir, er habe während der Tour beobachtet, dass immer mehr Mitschnitte aus den Konzerten hochgeladen wurden, und – “weil wir nicht so früh in den Wettbewerb ‘Wer stellt das wackeligste Video ins Netz?’ einsteigen wollten” – Distelmeyers Plattenfirma Sony Music gebeten, etwas dagegen zu unternehmen.
Oliver Frank meinte weiter, dass es nicht nur immer die “bösen Konzerne” seien, die Trends wie das Hochladen ganzer Konzerte skeptisch sehen, sondern häufig auch die Künstler selbst. Man käme sich vor den hochgereckten Kameras im Publikum ja manchmal vor wie vor einer Busladung Touristen.
Ich weiß, dass es vielen Künstlern gerade bei neuem Material ähnlich geht, und ich kann das verstehen: Man verbringt doch nicht Monate im Studio, damit die Hörer dann eine übersteuerte, verquatschte und womöglich noch nicht mal fehlerfreie Liveversion als ersten Eindruck bekommen.
[Zwischenruf: “Dann braucht man doch gar nicht mehr live zu spielen!”]
Äh, doch. Es ist ja was anderes, ob dreihundert Menschen so eine Version einmal hören, oder sich ein paar Tausend diese Version immer und immer wieder anschauen können.
Man kann das als Musiker natürlich auch anders sehen und wie Thees Uhlmann sagen: “Film das und stell das online!”, aber das ist ja dann eine bewusste Entscheidung des Künstlers:
(Ben Folds nutzt die YouTube-Mitschnitte seiner Konzerte ja bekanntlich, um aus wüsten Improvisationen Albumtracks zu zaubern.)
Ich finde es legitim, wenn ein Musiker wenigstens im Vorfeld einer Albumveröffentlichung versucht, die Kontrolle über seine Songs zu behalten. (Und Jochen Distelmeyer hat ja durchaus schon einen Song, der nicht die Single wird, zum Durchhören auf seine Website gestellt.) Nach der Veröffentlichung gehören die Songs ja sowieso den Menschen, wie Fran Healy so schön sagt — auch wenn manche das mit dem “gehören” vielleicht ein bisschen zu wörtlich nehmen.
Das Management von Jochen Distelmeyer hat übrigens angedeutet, dass die Löschung die letzte gewesen sein wird.
Über das All-Songs-Considered-Blog bin ich auf diesen Eintrag im Musikblog I Am Fuel You Are Friends aufmerksam geworden, der sehr passend mit “If you’ve ever wondered what pure, unfettered joy looks like….” betitelt ist.
Man sieht darin ein Livevideo von The Gaslight Anthem, die gemeinsam mit Bruce Springsteen ihren Song “The ’59 Sound” beim Glastonbury Festival spielen:
Da dachte ich noch “Na ja, könnte man noch mal bloggen, so nach einem Monat. Aber muss man auch nicht …”, aber dann fiel mir ein, wie viele Videos ich schon im Internet gesehen hatte, in denen Bruce Springsteen andererleuts Songs veredelt. Und dann dachte ich, die kann man doch mal schön zusammentragen:
Ich sitze gerade eigentlich an der Listenpanik für den Monat Juni (der ja auch schon ein bisschen zurückliegt). Es wird noch ein bisschen warten, denn ich muss wohl erst noch das neue Eels-Album hören. Andererseits waren die Eels für mich immer schon eine Band, bei der ich einzelne Songs geliebt, aber nie die ganzen Alben gehört habe …
Jedenfalls: Dieses Lied hier, das liebe ich. Nach einem Mal hören. Und wenn Sie ein Herz haben, werden Sie es auch tun.
Und Sie hatten schon gedacht, ich hätte es vergessen:
Heute ist die neue Single der Kilians erschienen. Es handelt sich dabei um den Song “Hometown”, den ich hier schon einmal gepriesen hatte, und der laut Simon den Hartog trotz allem nicht von Dinslaken handelt.
Trotzdem hätte ich es natürlich irgendwie funky gefunden, das Video in Dinslaken zu drehen, aber es ist auch so ganz hübsch geworden:
Vielleicht erklärt Chris Martin dem Simon ja bei den Coldplay-Konzerten ja noch, wie man das mit dem Rückwärtssingen noch besser hinkriegt …
Eine B-Seite gibt’s übrigens auch bei der Single: Einen “Hometown”-Remix der Salazar Brothers (die wo die neue Mando Diao gemacht haben), den man sich auch ohne Kaufen bei last.fm anhören kann.
Die Single gibt’s in allen bekannten Downloadstores. Die Kilians, viele andere Bands und die Überschrift-inspirierenden Element Of Crime gibt es noch morgen und übermorgen beim Fest van Cleef.
Zirkelschluss-Episode zum Abschluss: Vorgestern saß ich mit Simon den Hartog in einem Kölner Bus, als eine Frau im Michael-Wendler-T-Shirt einstieg. Ich bin ja immer noch der Meinung, man müsste Michael Wendler feat. Kilians zum Grand Prix nach Tromsø schicken.
Besonders Dieter Gorny und Hubert Burda (und all den anderen hungernden Medienfutzis) möchte ich aber seinen “Albuquerque Lullaby” aus dem Jahr 2001 ans Herz legen.
I have a friend
Sits in his office
Where he’s had his big success
Now he cries all day
He says the Internet
Is stealing his royalties
Talks of his glory days
I say no one cares about your glory days
In diesem Livevideo verhaut er zwar die entscheidende Zeile, aber schön ist der Song trotzdem:
Die Kommentarfunktion wird in guter alter sueddeutsche.de-Manier von Donnerstagabend bis Montag früh deaktiviert sein.
Gehen Sie so lange doch mal an die frische Luft, treffen Sie sich mit echten Menschen oder lesen Sie einfach mal ein Buch!
Alternativ können Sie sich natürlich auch für die nächsten dreieinhalb Tage angucken, wie Thees Uhlmann und Simon den Hartog “Human” von den Killers spielen:
Echte Puristen notieren sich auf Post-Its wichtige Dinge, andere wiederum machen daraus etwas Künstlerisches. So auch Bang-yao Liu. Und ich kann die werte Leserschaft beruhigen: Der Mann im Video hat keine wichtige Prüfung vor sich hergeschoben.
Und wer sehen will, wie viel Arbeit in dem Clip steckt, der sollte sich das Making Of zu Gemüte führen.
Er wird es auch bleiben, denn ich habe einen anderen Weg gefunden, mich mit der Nummer-Eins-Hymne alkoholisierter Menschen in Deutschland auseinanderzusetzen:
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