Kategorien
Politik Gesellschaft

Lucky & Fred: Episode 19

No Sozi, No Cry: Deutsch­land hat gewählt und das Ergeb­nis deu­tet auf Jamai­ka hin — sowohl als Regie­rungs­ko­ali­ti­on als auch als loh­nen­des Exil-Ziel ange­sichts von 12,6% für die AfD.

Lucky und Fred drü­cken die Zorn­bank, spre­chen über gute und schlech­te „Spiegel“-Titelgeschichten und lei­der dann doch auch wie­der über die Par­tei von Tour­et­te-Tri­xi und Alex­an­der Irgend­was­mit­GAU.

In der Rubrik „John­ny Cash fragt, Lucky & Fred ant­wor­ten“ dreht sich dies­mal alles ums The­ma Hei­mat, Fred ver­misst die Bon­ner Repu­blik und Lucky ent­deckt sein Herz für Kon­ser­va­ti­ve und spricht über sein neu­es Hob­by Staats­phi­lo­so­phie.

Show­no­tes:

„Lucky & Fred“ als RSS-Feed
„Lucky & Fred“ bei iTu­nes
„Lucky & Fred“ bei Face­book

Kategorien
Rundfunk Fernsehen

Programmdirektor spielen (Nachtrag)

Ich bin gro­ßer Fan der „Dai­ly Show“ mit Jon Ste­wart. Der Start von Come­dy Cen­tral Deutsch­land hat sich allein des­halb schon gelohnt, weil man die jeweils aktu­ells­te Fol­ge der groß­ar­ti­gen ame­ri­ka­ni­schen Sati­re­sen­dung dort online schau­en kann. In den ver­gan­ge­nen Wochen habe ich mich des öfte­ren gefragt, ob ein sol­ches For­mat wohl auch in Deutsch­land funk­tio­nie­ren wür­de. Nach­dem der Name Jon Ste­wart kürz­lich auch in unse­ren Kom­men­ta­ren und damit in räum­li­cher Nähe zum Namen Ste­fan Raab auf­tauch­te, habe ich den Gedan­ken mal zu Ende gedacht:

„Lus­ti­ge Nach­rich­ten­sen­dun­gen“ haben in Deutsch­land eine lan­ge Tra­di­ti­on: Begon­nen hat es (wie immer) mit Rudi Car­rell und sei­ner „Tages­show“, es gab die „Wochen­show“ auf Sat 1 und zuletzt die „Frei­tag Nacht News“ bei RTL. Die­se Rei­hen­fol­ge ist nicht nur die chro­no­lo­gisch kor­rek­te, son­dern auch eine nach Qua­li­tät abstei­gen­de. Im Gegen­satz zur „Dai­ly Show“, die die Poli­tik in den USA auch (oder vor allem) inhalt­lich aus­ein­an­der nimmt, han­del­ten Wit­ze in den „Frei­tag Nacht News“ haupt­säch­lich von Ange­la Mer­kels Fri­sur. Das deut­sche Äqui­va­lent der „Dai­ly Show“ müss­te also mit­tig zwi­schen Come­dy und poli­ti­schem Kaba­rett plat­ziert wer­den – und zwar, ohne auch nur auf einen Ver­tre­ter der bei­den Gen­res zurück­zu­grei­fen.

Als Mode­ra­tor kann ich mir von den bekann­te­ren Ver­tre­tern ihrer Zunft des­halb eigent­lich nur Die­ter Moor vor­stel­len. Der hat in der Ver­gan­gen­heit mit den bril­lan­ten Sen­dun­gen „Cana­le Gran­de“ (Vox) und „Ex! Was die Nati­on erreg­te“ (SWR/​ARD) bewie­sen, dass er ein sehr fei­nes Gespür für Iro­nie hat und intel­li­gen­te Inter­views füh­ren kann. Ihm wür­de man (nicht zuletzt wegen einer gewis­sen opti­schen Ähn­lich­keit mit Jon Ste­wart) den Anchor­man einer Nach­rich­ten­sen­dung abneh­men. Alter­na­tiv könn­te man es auch mit einem jun­gen, unver­brauch­ten Gesicht ver­su­chen.

Es stellt sich natür­lich die Fra­ge, ob in Deutsch­land über­haupt genug pas­siert, um eine täg­li­che Sati­re­sen­dung an vier Wochen­ta­gen mit Inhal­ten zu ver­sor­gen. In den USA gibt es eini­ge Dut­zend Nach­rich­ten­sen­der, fünf­zig Bun­des­staa­ten, hun­dert Sena­to­ren, 435 Abge­ord­ne­te im Reprä­sen­tan­ten­haus und eine Regie­rung, deren Mit­glie­der bei so ziem­lich jedem öffent­li­chen Auf­tritt so viel sagt (oder nicht sagt), dass man damit meh­re­re „Dai­ly Shows“ fül­len könn­te. Für wöchent­li­che Sati­re­sen­dun­gen wie die WDR-2-„Zuga­be“, den „Wochen­rück­blick“ von Peter Zudeick oder – mit Abstri­chen – „Extra 3“ reicht aber auch das in Deutsch­land ver­zapf­te Mate­ri­al aus, Sati­re­sei­ten im Inter­net wie die „Schand­männ­chen“ oder die der „Tita­nic“ haben sogar täg­lich Mate­ri­al. Die weni­gen guten poli­ti­schen Kaba­ret­tis­ten (also Vol­ker Pis­pers und die, die bei „Neu­es aus der Anstalt“ und den „Mit­ter­nachts­spit­zen“ auf­tre­ten) schaf­fen es auch, noch in jeder Sup­pe, die der Poli­tik dem Volk ain­ge­brockt hat, diver­se Haa­re zu fin­den. Mit­hil­fe eini­ger guter Autoren (also nicht die, die dem­nächst bei „Harald Schmidt“ frei­ge­setzt wer­den) soll­te es mög­lich sein, eine wenigs­tens wöchent­li­che Sen­dung zusam­men­zu­stel­len, die gleich­zei­tig über Hin­ter­grün­de infor­miert und die Aus­sa­gen von Poli­ti­kern und sons­ti­gen „hohen Tie­ren“ aus­ein­an­der­nimmt. Außer­dem haben wir Poli­ti­ker wie Wolf­gang Bos­bach und Gui­do Wes­ter­wel­le (gibt’s den eigent­lich noch?), die mit nahe­zu jeder Äuße­rung um sati­ri­sche Wür­di­gung fle­hen. Und dann gibt es ja auch noch Wolf­gang Schäub­le

Auch wenn das Inter­es­se an „intel­li­gen­ter Unter­hal­tung“ immer wie­der bezwei­felt wird, ich den­ke, die Ziel­grup­pe wäre nicht ein­mal gering: Es gibt genug Leu­te, die die „Tita­nic“ lesen; genug, die sich für Sati­re inter­es­sie­ren, aber Berüh­rungs­ängs­te vor dem Leh­rer-in-Leder­wes­ten-Kaba­rett beim „Schei­ben­wi­scher“ haben. In den USA ist die „Dai­ly Show“ für vie­le (gera­de jün­ge­re) Zuschau­er inzwi­schen ein Haupt­lie­fe­rant für Nach­rich­ten gewor­den – obwohl die Macher immer wie­der beto­nen, Unter­hal­tung und kei­ne ernst­haf­ten Nach­rich­ten zu pro­du­zie­ren. Dass eine Unter­su­chung der India­na Uni­ver­si­ty den­noch zu dem Ergeb­nis kam, dass der Nach­rich­ten­ge­halt in der „Dai­ly Show“ im gro­ßen und gan­zen mit dem in „rich­ti­gen“ Nach­rich­ten­sen­dun­gen ver­gleich­bar ist, spricht eine deut­li­che Spra­che im Bezug auf die Main­stream-Nach­rich­ten, denen vie­le US-Bür­ger aus­ge­setzt sind. Dazu pas­sen aber die Ein­schalt­quo­ten im deut­schen Fern­se­hen, bei denen „RTL Aktu­ell“ immer öfter vor der „Tages­schau“ liegt.

Bleibt natür­lich die Fra­ge, wel­cher Sen­der so eine Sen­dung aus­strah­len wür­de. Wer hät­te die Eier, nicht nach drei Wochen mit nicht ganz so guten Quo­ten (denn viel­leicht irre ich mich und die rund 5.000 User, die sich die „Dai­ly Show“ online angu­cken, haben gar kei­nen Bock mehr auf das Uralt-Medi­um Fern­se­hen oder inter­es­sie­ren sich gar nicht für deut­sche Poli­tik) die gan­ze Show gleich wie­der zu kip­pen? Wer könn­te die vie­len Redak­teu­re und Autoren, die eine sol­che Sen­dung selbst mit dem bes­ten Mode­ra­tor nun mal bräuch­te, bezah­len? Hält man sich die (sicher­lich preis­güns­ti­ge­ren) Test­bal­lons vor Augen, die der WDR im ver­gan­ge­nen Som­mer in sei­nem Spät­abend­pro­gramm los­ge­las­sen hat, scheint zumin­dest etwas Expe­ri­men­tier­freu­de und Geld vor­han­den zu sein. Viel­leicht wagt es sogar ein Pri­vat­sen­der wie Vox, der ja mit hohem Anspruch gestar­tet war und sich in den letz­ten Jah­ren als erfolg­reichs­ter Fern­seh­sen­der der zwei­ten Rei­he eta­blie­ren konn­te. Ich wür­de mich freu­en und immer ein­schal­ten!

Nach­trag 29.05.: Auf mei­ne Anfra­ge (die ich bereits eini­ge Tage vor die­sem Ein­trag hier gestellt hat­te) bestä­tig­te man mir beim deut­schen Come­dy Cen­tral, dass wei­ter­hin an einer Inte­gra­ti­on der jeweils aktu­ells­ten „Dai­ly Show“ ins Fern­seh­pro­gramm gear­bei­tet wer­de. Plä­ne, eine ähn­li­che Show für Deutsch­land zu pro­du­zie­ren, gebe es bis­her aber nicht.

Kategorien
Leben Politik

Teacher leave them kids alone

In Bre­men tagt heu­te der Rechts­aus­schuss der Bür­ger­schaft. Die CDU will Auf­klä­rung dar­über, wie die ehe­ma­li­ge RAF-Ter­ro­ris­tin Susan­ne Albrecht unter neu­em Namen Deutsch­leh­re­rin für Migran­ten­kin­der an einer Bre­mer Grund­schu­le wer­den konn­te.
Die denk­bar ein­fa­che Ant­wort eines Außen­ste­hen­den wür­de ver­mut­lich lau­ten: „Sie hat bereits in der DDR als Leh­re­rin gear­bei­tet, als sie dort unter­ge­taucht war, sie hat­te eine posi­ti­ve Pro­gno­se und irgend­je­mand hat sie wohl ein­ge­stellt.“ Und für die­je­ni­gen, die so klug sind, nicht auf daher­ge­lau­fe­ne Außen­ste­hen­de zu hören, erklärt Bre­mens frü­he­rer Bür­ger­meis­ter Hen­ning Scherf das alles noch mal etwas aus­führ­li­cher.

Nun ist im Zuge der Debat­ten der letz­ten Wochen klar­ge­wor­den (no pun inten­ded), dass man­che Poli­ti­ker, Bür­ger und Jour­na­lis­ten ein wenig Nach­hil­fe in Sachen rechts­staat­li­cher Prin­zi­pi­en benö­ti­gen (Hans Fil­bin­ger kann glück­li­cher­wei­se nicht mehr zum Nach­hil­fe­leh­rer umge­schult wer­den). Wer aber hät­te gedacht, dass sich die zöger­li­che Auf­ar­bei­tung bun­des­re­pu­bli­ka­ni­scher Ver­gan­gen­heit dazu eig­net, ein gan­zes Berufs­bild neu zu defi­nie­ren?

CDU-Vor­zei­ge­plap­per­maul Wolf­gang Bos­bach empör­te sich in „Bild“:

Bei Leh­rern darf an der cha­rak­ter­li­chen Eig­nung kei­ner­lei Zwei­fel bestehen. Es kann nicht sein, dass eine Ex-RAF-Ter­ro­ris­tin aus­ge­rech­net durch die Arbeit mit Kin­dern reso­zia­li­siert wer­den soll.

Und Hart­mut Per­schau, CDU-Frak­ti­ons­chef in der Bre­mer Bür­ger­schaft (die zufäl­li­ger­wei­se in neun Tagen neu gewählt wird), sekun­diert:

Wer unse­re Kin­der unter­rich­tet, hat eine Vor­bild­funk­ti­on zu erfül­len – dafür kom­men Ter­ro­ris­ten nicht in Fra­ge!

Dank „Bild“ weiß man ja immer, wie alt jemand (unge­fähr) ist. Im aktu­el­len Arti­kel sind Bos­bach 54 und Per­schau 65 – ihre eige­ne Schul­zeit liegt also noch län­ger zurück als Frau Albrechts RAF-Unter­stüt­zung. Da mei­ne Schul­lauf­bahn deut­lich spä­ter ende­te, sehe ich mich in der Posi­ti­on, die Her­ren Bos­bach und Per­schau über cha­rak­ter­li­che Eig­nung und Vor­bild­funk­ti­on diver­ser Leh­rer auf­zu­klä­ren, die mir wäh­rend­des­sen unter­ge­kom­men sind: da hat­ten wir ein paar Alko­ho­li­ker; cho­le­ri­sche Kunst- und Musik­leh­rer; neo­kon­ser­va­ti­ve Klein­ak­tio­nä­re; Deutsch­leh­rer, die die Spra­che gera­de erst gelernt oder einen Sprach­feh­ler hat­ten; Sport­leh­rer, die die 500 Meter zur Turn­hal­le im Mer­ce­des zurück­leg­ten; Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker; Natur­wis­sen­schaft­ler, die kei­ner­lei päd­ago­gi­sche Aus­bil­dung durch­lau­fen hat­ten; Ket­ten­rau­cher, die kaum eine Schul­stun­de ohne Niko­tin­zu­fuhr aus­hiel­ten; Alt­hip­pies, die es den Fünft­kläss­lern über­lie­ßen, ob sie Voka­beln ler­nen wol­len oder nicht, und Deutsch­leh­rer, die Sechst­kläss­ler Klas­sen­ar­bei­ten mit dem The­ma „Mein ers­tes Mal“ schrei­ben lie­ßen – trotz­dem sind mir kei­ne Schä­di­gun­gen bei irgend­wel­chen Schü­lern bekannt, die über das nor­ma­le Maß hin­aus­ge­hen.
Natür­lich hat­ten wir auch jede Men­ge groß­ar­ti­ge Päd­ago­gen, die ihre Begeis­te­rung für Geschich­te, Poli­tik, Lite­ra­tur oder Mathe­ma­tik auf uns über­tra­gen konn­ten – Leh­rer bil­den halt einen über­ra­schend pas­sen­den Gesell­schafts­schnitt ab und sind sowie­so dank­ba­re, wei­che Zie­le.

Was ich aber kei­nem noch so schlech­ten Leh­rer wün­sche, sind die skep­ti­schen Sei­ten­bli­cke und die Hexen­jagd, die im Groß­raum Bre­men ein­ge­setzt haben dürf­te. Ich wür­de da die­ser Tage noch weni­ger Deutsch­leh­re­rin an einer Grund­schu­le sein wol­len als sonst schon …