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Leben

(I’ve Got) The Power

Ihr Ver­sa­gen kün­dig­te sich stets mit einer bedroh­li­chen Stim­me an: Waren die Bat­te­rien im Tchi­bo-Walk­man im Begriff, leer zu gehen, so wur­den die Hör­spiel­kas­set­ten lang­sa­mer und wo gera­de noch Man­fred Stef­fen aus Lön­ne­ber­ga berich­tet hat­te, sag­te nun eine Gra­bes­stim­me: „uuuuund raaaa­ann­teee iii­in deeen Schuuuupp­ööööön“.

Der­art leer­ge­spiel­te Bat­te­rien reich­te ich als Kind stets an mei­nen Vater wei­ter, der sie – so es sich um Akkus han­del­te – neu auf­lud oder sie in eine alte Tief­kühl­do­se mit der Auf­schrift „Alte Bat­te­rien (noch gut)“ leg­te, aus deren Bestän­den er die vie­len Wand­uh­ren und Wecker unse­res Haus­halts ver­sorg­te. Denn dafür reich­te die Ladung der Bat­te­rien immer noch – teils jah­re­lang.

Zu Beginn mei­nes Stu­di­ums hat­te ich eine rie­si­ge Samm­lung von „noch guten“ Bat­te­rien: Der Weg zur Uni und zurück for­der­te sei­nen Tri­but, der Disc­man saug­te Bat­te­rien leer wie Vam­pi­re unschul­di­ge Mäg­de. Ich hät­te eine Hotel­lob­by, Bör­se oder Nach­rich­ten­re­dak­ti­on ((Also: die ein­zi­gen Orte, an denen meh­re­re Wand­uh­ren neben­ein­an­der hän­gen.)) ver­sor­gen kön­nen, kann­te aber nie­man­den, der dort arbei­tet.

Heu­te sieht die Welt ganz anders aus: MP3-Play­er und Mobil­te­le­fon (seit eini­gen Jah­ren auch noch ein und das­sel­be Gerät) haben einen inter­nen Akku, der an guten Tagen den Weg von einer Steck­do­se zur nächs­ten über­brückt, und ich weiß nicht, wann ich das letz­te Mal Bat­te­rien in der Hand hat­te, geschwei­ge denn gekauft habe. Das ist blöd, wenn die Wand­uhr in der Küche plötz­lich nicht mehr nur nach­geht, son­dern gleich ganz ste­hen bleibt. ((Dass die Wand­uhr auf dem Küchen­tisch lie­gend tadel­los wei­ter­läuft, weil das Uhr­werk nicht mehr gegen die Schwer­kraft arbei­ten muss, hat­te ich vor sechs Jah­ren schon mal the­ma­ti­siert, wie mir gera­de über­ra­schend wie­der ein­fiel.))

Zunächst war ich über­rascht, dass mei­ne Wand­uhr tat­säch­lich ste­hen blei­ben kann. Ich habe das Gefühl, kei­ne ein­zi­ge Bat­te­rie aus­ge­tauscht zu haben, seit ich in die­ser Woh­nung woh­ne. ((Ich ver­mu­te lai­en­haft irgend­was mit Elek­tro­smog und Induk­ti­on als Grund.)) In einer Kis­te, in die ich kürz­lich alle Inhal­te eines Schran­kes gepackt hat­te, die ich beim nächs­ten Umzug unbe­dingt weg­wer­fen will, ((„Heu­te jedoch nicht.“)) und die ich jetzt immer sehr umständ­lich vom Regal neh­men muss, fand ich dann tat­säch­lich aber doch noch ein paar Bat­te­rien, die einem Fernsteuer‑K.I.T.T. bei­gele­gen hat­ten, den mir die Betrei­ber irgend­ei­nes Online-Shops vor ein paar Jah­ren mal in der Hoff­nung geschickt hat­ten, ich wür­de hier im Blog über ihr Unter­neh­men schrei­ben. ((Muha­ha­ha.))

Kann man Bat­te­rien über­haupt noch im Laden kau­fen oder sind die inzwi­schen genau­so ver­schwun­den wie Glüh­bir­nen und ich muss ein­fach hof­fen, dass sie alle ewig hal­ten?

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Digital Gesellschaft

Warum Erwachsene immer beim Versteckspiel verlieren

Seit heu­te also sind 20 deut­sche Städ­te end­lich bei Goog­le Street View online – oder das, was von ihnen übri­ge geblie­ben ist, nach­dem mehr als 244.000 Haus­hal­te (von 40,2 Mil­lio­nen) Wider­spruch gegen das Abfo­to­gra­fie­ren ihrer Fas­sa­de von einer öffent­li­chen Stra­ße aus ein­ge­legt haben. Ana­tol Ste­fa­no­witsch hat im Sprach­log eigent­lich schon alles gesagt, was es zu den „ein­ge­trüb­ten Vier- und Viel­ecke, die einem alle paar Schrit­te die Sicht ver­sper­ren“ zu sagen gibt.

Auch das Haus, in dem ich seit Janu­ar woh­ne, ist ver­pi­xelt und das ist wenigs­tens ein net­ter Grund, mal wie­der mit allen Nach­barn ins Gespräch zu kom­men, um „Cluedo“-mäßig her­aus­zu­fin­den, wer auf die­se Idee gekom­men ist.

Doch damit nicht genug: Auch auf das Stu­den­ten­wohn­heim, in dem ich zuvor sechs Jah­re lang gewohnt habe, muss ich auf mei­nem vir­tu­el­len Rund­gang durch Bochum (bzw. durch das Bochum von vor zwei Jah­ren) ver­zich­ten:

Wohnheim Girondelle 6 (verpixelt bei Google Street View)

Dabei wären so ein paar Fotos wohl kaum so detail­liert gewe­sen wie die Infor­ma­tio­nen, die das Stu­den­ten­werk so lie­fert:

Wohnheim Girondelle 6 (als Modell bei Google Earth)

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Leben

Alles was Du siehst gehört Dir

Wenn es Welt­meis­ter­schaf­ten im Mul­ti­tas­king gäbe – ich dürf­te nicht teil­neh­men. Ich wür­de mich noch nicht ein­mal für die Bezirks­li­ga qua­li­fi­zie­ren. Ich bin so hoff­nungs­los schlecht im gleich­zei­ti­gen Erle­di­gen von meh­re­ren Auf­ga­ben, dass ich noch nicht ein­mal wäh­rend des Essens trin­ken kann.

Jeden Abend fin­de ich in mei­nem Brow­ser Tabs, die ich irgend­wann gegen Mit­tag geöff­net und seit­dem nicht mehr zu Gesicht bekom­men habe. Begon­ne­ne E‑Mails, denen nur noch eine Gruß­for­mel und ein Klick auf den „Absenden“-Button fehlt. Text­an­fän­ge in irgend­wel­chen Edi­to­ren, die ein­mal irgend­was hät­ten wer­den kön­nen: Jour­na­lis­mus, Lite­ra­tur, Lyrics. Aber die Idee, der die­se Anfän­ge ent­wach­sen sind, ist längst ver­glimmt und die Zei­len, die da ste­hen, irri­tie­ren mich selbst am meis­ten.

Wenn man eine Woh­nung mit meh­re­ren Zim­mern hat, wird jedes irgend­wann zum Tab im Brow­ser des Lebens: In der Küche steht das Was­ser in der Spü­le und wird lang­sam kalt, weil ich eben ins Bad rüber­ge­gan­gen war, um die Wasch­ma­schi­ne aus­zu­stel­len, und dabei gese­hen hat­te, wie dre­ckig Wasch­be­cken und Spie­gel eigent­lich schon wie­der sind. Wäh­rend­des­sen steht die nas­se Wäsche im Schlaf­zim­mer und war­tet dar­auf, dass sie jemand auf­hängt. Die­ser Jemand soll­te ich sein, aber ich bin gera­de im Wohn­zim­mer, um die E‑Mails zu che­cken. Da mich wäh­rend mei­ner Abwe­sen­heit vom Rech­ner fünf Freun­de in drei ver­schie­de­nen Chats ange­schrie­ben haben, blei­be ich erst mal am Com­pu­ter, der­weil mein frisch auf­ge­wärm­tes Mit­tag­essen in der Mikro­wel­le wie­der erkal­tet. Als ich kurz ins Bad gehe, über­ra­schen mich dort ein offe­nes Fens­ter und ein halb geputz­tes Wasch­be­cken.

Neben mei­nem Bett, in das ich mich regel­mä­ßig viel zu spät zurück­zie­he, weil ich mich wie­der irgend­wo auf­ge­hal­ten habe, lie­gen drei Bücher: Ein Roman, der mir aber viel mehr Auf­merk­sam­keit abver­langt, als ich zu so spä­ter Stun­de zu leis­ten imstan­de bin; eine bereits mehr­fach gele­se­ne Text­samm­lung, aus der man kurz vor dem Weg­däm­mern noch mal eben ein paar Sei­ten weg­le­sen kann; ein Klas­si­ker, von dem ich nie­mals nie und unter gar kei­nen Umstän­den mehr als die ers­ten drei Sät­ze lesen wer­de. Aber er liegt da ganz gut.

Wenn ich mich mit Freun­den tref­fe, fal­len sie zumeist im Rudel ein. Dann sit­zen wir in Knei­pen, in denen die Musik lau­ter ist als die Sum­me unse­rer Gesprächs­fet­zen, und füh­ren Gesprä­che. Meh­re­re. Gleich­zei­tig. Manch­mal kom­men Men­schen vor­bei, eini­ge ken­ne ich selbst. Man plau­dert kurz, dann müs­sen die­se Men­schen zurück in ihre eige­nen Gesprächs­ar­ran­ge­ments. Oder drin­gend aufs Klo. Die ein­zi­gen, die den Über­blick behal­ten, sind die Kell­ner. Sie haben klei­ne elek­tri­sche Gerä­te, mit denen sie die Bestel­lun­gen auf­neh­men kön­nen, und die immer wis­sen, was wohin muss.

Im Hei­mat­ur­laub sit­ze ich meist in mei­nem alten Kin­der­zim­mer und fra­ge mich, wen ich besu­chen könn­te. Dann gehe ich kurz in die Küche, wo ich nichts zu essen fin­de, wes­we­gen ich in den Kel­ler gehe, um im Vor­rats­raum nach­zu­se­hen, wobei ich an unse­rem alten Pro­ben­kel­ler vor­bei­kom­me und mei­ne E‑Gitarre sehe. Wäh­rend ich sie in die Hand neh…

*pling*

Ver­zei­hung, das ist mein Mit­tag­essen. Glaub ich.

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Leben

Feels Like Home

Men­schen mit ent­spre­chen­den Erfah­run­gen erklä­ren ger­ne, ein Kind zu bekom­men wür­de die Sicht­wei­se auf die Welt völ­lig ver­än­dern. Ich bin weit davon ent­fernt, dem wider­spre­chen zu wol­len (oder zu kön­nen), aber ich kann die­sen Men­schen zuru­fen: „Für einen Per­spek­tiv­wech­sel braucht’s kei­nen unge­schütz­ten Geschlechts­ver­kehr. Ein Umzug tut’s auch.“

In den letz­ten Wochen und Mona­ten habe ich mich mit Fra­gen zu Boden­be­lä­gen, Wand­far­ben, Tele­fon­an­bie­tern und Möbeln her­um­ge­schla­gen. Ich habe ange­fan­gen, Wer­be­pro­spek­te auf Kühl­schrän­ke, Wasch­ma­schi­nen und Dusch­köp­fe abzu­su­chen. Ich bin in eine Welt abge­taucht, in der man sich freut, dass die Far­be, die man gera­de gleich­mä­ßig auf Zim­mer­de­cke und eige­nem Haupt­haar ver­teilt hat, was­ser­lös­lich ist (was der Lack für Heiz­kör­per und Fuß­leis­ten übri­gens nicht ist). Gesprä­che im Freun­des- und Fami­li­en­kreis dre­hen sich plötz­lich um Küchen­fron­ten und die rich­ti­ge Metho­de, gera­de Lini­en abzu­kle­ben.

Bei der Reno­vie­rung ist mir auf­ge­fal­len, wie egal einem die­ses Inter­net wer­den kann: Für die wirk­lich bedeut­sa­men Nach­rich­ten hat man ja WDR 2, alles wei­te­re kann man abends in zwan­zig Minu­ten über­flie­gen. Und falls sich jemand Sor­gen macht, weil man seit der Fra­ge „Wel­cher die­ser bei­den Dräh­te gehört wo hin?“ kein Sta­tus­up­date mehr bei Face­book durch­ge­führt hat, wird er schon anru­fen oder eine SMS schi­cken.

Am Wochen­en­de bin ich end­lich umge­zo­gen. Das zeit­li­che Ver­hält­nis von Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung ent­sprach dabei in etwa dem Ver­hält­nis zwi­schen WM-Qua­li­fi­ka­ti­on und Im-rich­ti­gen-Moment-den-Fuß-Hin­hal­ten im Fina­le.

Jetzt ste­he ich vor neu­en Her­aus­for­de­run­gen: Wie sor­tie­re ich mei­ne Bücher neu? Wie krie­ge ich mei­ne Woh­nung rich­tig beheizt? In wel­chem der vie­len Zim­mer könn­te ich jetzt schon wie­der Schlüs­sel und Porte­mon­naie lie­gen gelas­sen haben? Zumin­dest bei der ers­ten Fra­ge kön­nen Freun­de mit Fach­wis­sen wei­ter­hel­fen.

Statt über mei­ne Mit­be­woh­ner kann ich mich jetzt über die Selbst­mon­ta­ge­mö­bel schwe­di­scher Prä­gung auf­re­gen, die jeder ander Mensch (oder zumin­dest: jede mir bekann­te Frau) in die­sem Uni­ver­sum in einer hal­ben Stun­de auf­ge­baut bekommt, wäh­rend ich nach vier Stun­den mit hei­se­rer Stim­me krei­sche: „Ach, als ob die­se eine Schrau­be für die Sta­tik des gan­zen Regals ent­schei­dend wäre …“

Schwe­rer noch wird es, mich an die Super­märk­te im neu­en Stadt­teil zu gewöh­nen. Ver­gan­ge­ne Woche bin ich zehn Minu­ten durch den Aldi geirrt, ohne die ver­damm­ten Nudeln zu fin­den. Und ohne Nudeln fehlt mir schon mal ein Drit­tel mei­nes Spei­se­plans. Außer­dem muss ich eine neue „Bild“-Verkaufsstelle fin­den – oder bes­ser: meh­re­re.

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Leben

A Room Of One’s Own

Ich habe heu­te das getan, was Max Goldt „nach Woh­nun­gen gucken“ nennt. Ich lief also durch die Gegend und guck­te nach Stra­ßen und Häu­sern, in denen ich gern woh­nen wür­de, in der vagen Hoff­nung, dass auch tat­säch­lich irgend­wo irgend­was frei sein könn­te. Ich bin näm­lich mit mir über­ein­ge­kom­men, dass die Zeit, in der ich Abfluss­roh­re von ander­erleuts Fuß­nä­geln befreie, so schnell wie mög­lich enden soll. (Ent­schul­di­gung, vor die­sen ein­ge­scho­be­nen Halb­satz hät­te ich natür­lich auch ein „Ach­tung, eklig!“ set­zen kön­nen. Nu isses zu spät!)

Als latent fau­ler Mensch hat­te ich natür­lich zunächst ange­nom­men, zur Woh­nungs­su­che auf das Instru­ment zurück­grei­fen zu kön­nen, dass mir für mich schon die Erschlie­ßung und Pfle­ge von Sozi­al­kon­tak­ten, sämt­li­che Finanz­trans­ak­tio­nen und die Ver­sor­gung mit aktu­el­ler Musik über­nom­men hat: das Inter­net.

Genau genom­men sind aber kryp­ti­sche Anzei­gen in Spam-Zei­tun­gen, die Hin­wei­se wie „KDB“ oder „WBS“ ent­hal­ten, den etwas aus­führ­li­che­ren Schil­de­run­gen in Online-Por­ta­len vor­zu­zie­hen. Die klei­nen Tex­te inmit­ten der Blei­wüs­ten erwe­cken näm­lich noch nicht mal den Ein­druck, irgend­et­was aus­zu­sa­gen. Im Inter­net gibt es zwar Fotos, aber fast immer nur sol­che, die nichts erklä­ren. Kürz­lich sah ich das Bild einer Woh­nung, in der von der Küche aus ein geflies­ter Raum zu erah­nen war, der durch eine Falt­tür zugäng­lich war. Ich frag­te zwei Freun­de, ob es sich dabei wohl um die Spei­se­kam­mer oder um das Bad han­de­le, und bei­de ant­wor­te­ten wort­gleich: „Ich fürch­te letz­te­res.“ Genau konn­te man das dem Foto und den Beschrei­bun­gen nicht ent­neh­men, aber mein Inter­es­se, das vor Ort zu unter­su­chen, war erlo­schen.

Auch die Beschrei­bun­gen sind nicht immer hilf­reich. Ein Anbie­ter, dem offen­bar zwei Drit­tel aller Miet­im­mo­bi­li­en in Bochum gehö­ren, hält es für sinn­voll, bei jeder Woh­nung die Ent­fer­nung zum nächs­ten Flug­ha­fen anzu­ge­ben (und zwar mit einer Stel­le hin­term Kom­ma), schweigt sich aber stets dar­über aus, ob die das zur Woh­nung gehö­ren­de Bade­zim­mer über eine Bade­wan­ne oder eine Dusche ver­fügt. Dafür wird man mit jener Geheim­spra­che behel­ligt, die aus­schließ­lich von Mak­lern und Wirt­schafts­jour­na­lis­ten ver­stan­den wird. „ver­kehrs­güns­tig gele­ge­ne, städ­ti­sche Stra­ße“ heißt ver­mut­lich „es fühlt sich an, als ob der Ver­kehr direkt durchs Wohn­zim­mer knat­tert“, aber: Weiß man’s?

Ein biss­chen was lernt man natür­lich auch. Ich weiß jetzt, dass ein „Gefan­ge­ner Raum“ nur durch ein ande­res Zim­mer zugäng­lich ist und nicht direkt vom Flur aus. (Schlech­te Scher­ze über öster­rei­chi­sche Kel­ler schrau­ben Sie sich bit­te bei Bedarf selbst zusam­men, die sind mir nun wirk­lich zu blöd.) Eine Pan­try-Küche ist ein Schrank, in dem eine Mini­bar, eine Mund­du­sche, eine Heiz­plat­te und Platz für eine Packung Nudeln unter­ge­bracht sind – also das Smart­phone unter den Küchen, nur noch ein biss­chen nutz­lo­ser.

Als ich mich für eine Woh­nung bewor­ben habe, woll­te die ver­mie­ten­de Wohn­ge­nos­sen­schaft von mir Kon­to­da­ten und Per­so­nal­aus­weis­num­mer wis­sen und inter­es­sier­te sich auch dafür, wel­che Musik­in­stru­men­te ich denn so spie­le – mut­maß­lich nicht, um ein Woh­nungs­block-Orches­ter zusam­men­zu­stel­len.

Natür­lich ist der Zeit­punkt, die Ver­än­de­rung der Wohn­si­tua­ti­on jetzt aber mal wirk­lich anzu­ge­hen (und zwar „sowas von“), unglück­lich gewählt: Zum Semes­ter­be­ginn kann man auch Abstell­kam­mern (so es sich dabei nicht um das Bad inner­halb der Küche han­delt) meist­bie­tend ver­mie­ten. Da muss man schon so dreist sein und erzäh­len, man habe „den gan­zen Kram“ direkt unten im Auto und müs­se sonst unter der Brü­cke näch­ti­gen – und selbst dann ist nicht garan­tiert, dass man auch den Zuschlag bekommt.

Anspruchs­voll bin ich ja auch: Erd­ge­schoss geht nicht, weil ich Gar­di­nen has­se, aber auch nicht über die nie­der­län­di­sche Staats­bür­ger­schaft ver­fü­ge – ich will nicht, dass mir jeder auf den Ess­tisch gucken kann, also muss ich wei­ter rauf. Mehr als eine, maxi­mal zwei Trep­pen möch­te ich aber auch nur ungern stei­gen müs­sen, beson­ders beim Umzug. Und wie um die­sen Punkt zu unter­mau­ern, habe ich mir neu­lich ein Leder­so­fa schen­ken las­sen, das nur sehr umständ­lich zu bewe­gen ist und sicher nicht durch jedes Trep­pen­haus passt. „Möbliert“ ist übri­gens ein Reiz­wort, denn wenn schon häss­lich, dann bit­te nach mei­nem Wil­len!

Ich bin also wei­ter auf der Suche, aber mein Opti­mis­mus ist unge­bro­chen. Beim heu­ti­gen Rund­gang bin ich näm­lich auf ein Objekt gesto­ßen, das mei­ne Begeis­te­rung fürs etwas ande­re und mei­nen heim­werk­li­chen Ehr­geiz glei­cher­ma­ßen ange­spro­chen hat:

Abrisshaus in Bochum.
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Leben

Mitbewohner 1.0

Leeres Zimmer (Symbolbild)

Im Mai star­te­te ich einen Auf­ruf, mit dem ich einen neu­en Bewoh­ner für das leer­ste­hen­de Zim­mer in unse­rer WG fin­den woll­te.

Ich schrieb damals, mit die­ser Akti­on „das welt­wei­te Daten­netz auf eine har­te Pro­be stel­len“ zu wol­len. Nun, was soll ich sagen? Das Web hat ver­lo­ren.

Der Mai ist kein guter Monat, um neue Mit­be­woh­ner zu fin­den: das Semes­ter ist im vol­len Gan­ge und kaum jemand ist auf der Suche nach einem Zim­mer oder Wil­lens umzu­zie­hen. In den ers­ten drei Mona­ten mel­de­ten sich genau drei Leu­te, die durch Zet­tel, die ich an der Uni aus­ge­hängt hat­te, auf das Ange­bot auf­merk­sam gewor­den waren: der Ers­te such­te nur was zur Zwi­schen­mie­te (was wir nicht woll­ten), der Zwei­te war ent­täuscht, dass das Zim­mer gänz­lich unmö­bliert war (was auch für den Ers­ten von Nach­teil gewe­sen wäre), vom Drit­ten waren wir so ange­tan, dass wir ihm das Zim­mer geben woll­ten. Lei­der hat er sich nach unse­rem Ange­bot, bei uns ein­zu­zie­hen, nie wie­der gemel­det.

twit­ter hat­te kein biss­chen gehol­fen und mit der Zeit begriff ich auch, dass ein Blog-Ein­trag allein nicht aus­rei­chen wür­de: bei einer Goog­le-Suche nach frei­en Zim­mern in Bochum kam Cof­fee And TV unter den ers­ten 200 Such­ergeb­nis­sen nicht ansatz­wei­se vor (Der ers­te Besu­cher, der nach mit­be­woh­ner gesucht bochum gegoo­gelt hat­te, kam heu­te auf das Blog).

Mein ver­blie­be­ner Mit­be­woh­ner kam schließ­lich auf die Idee, das Zim­mer bei wg-gesucht.de zu inse­rie­ren. Das hat­te ich auch schon mal ver­sucht, war aber irgend­wie an der Sei­te geschei­tert. Mit dem her­an­na­hen­den neu­en Semes­ter wur­de der Kreis der Inter­es­sen­ten schließ­lich doch noch grö­ßer – wobei etwa die Hälf­te der Bewer­ber über das Inter­net­por­tal kam und die ande­re Hälf­te direkt beim Stu­den­ten­werk nach frei­en Zim­mern gefragt hat­te.

So besa­hen wir uns etwa ein Dut­zend Kan­di­da­ten bei­der­lei Geschlechts (wir hat­ten zwi­schen­zeit­lich über­legt, aus der seit Jah­ren exis­tie­ren­den Män­ner-WG eine gemisch­te zu machen) und erklär­ten etwa ein Dut­zend Mal, wie das mit der Mie­te, dem Besteck, den Bahn­hal­te­stel­len und den Wasch­ma­schi­nen ist. Nur ein Bewer­ber ver­lor schon bei der Besich­ti­gung das Inter­es­se – die 15m2 waren ihm bei einer Kör­per­grö­ße von mehr als zwei Metern offen­bar zu wenig.

Im Ver­lauf der Akti­on lern­te ich, war­um ich für Cas­ting­show­ju­ries und Per­so­nal­ab­tei­lun­gen denk­bar unge­eig­net bin: Ich bin unfä­hig, Men­schen mit­ein­an­der zu ver­glei­chen wie ver­schie­de­ne Kar­ten beim Auto­quar­tett. So lau­te­te die Stan­dard­zu­sam­men­fas­sung meist: „Joa, der war ganz nett – aber der ande­re auch. Aber was weiß ich eigent­lich nach zehn Minu­ten Small­talk über ihn oder sie?“ Goog­le sag­te über die meis­ten Kan­di­da­ten auch nicht viel aus.

Jeden­falls haben wir uns letzt­lich für einen Medi­zin­stu­den­ten ent­schie­den, der über das Stu­den­ten­werk von dem Zim­mer gehört und mich tele­fo­nisch kon­tak­tiert hat­te. Das Inter­net hat­te nichts damit zu tun (und das fin­de ich ehr­lich gesagt auch mal ganz beru­hi­gend).

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Leben

Law And Order

Ges­tern sah ich auf mei­nem Schreib­tisch aus einem Sta­pel Papier einen Kon­to­aus­zug her­aus­ra­gen. „Das ist ja auch nicht gut, wenn der hier so ein­zeln rum­liegt“, dach­te ich, stell­te fest, dass die Papie­re dar­über und dar­un­ter (Lap­top-Rech­nung, Steu­er­num­mer) auch bes­ser mal abge­hef­tet wer­den soll­ten, und stie­fel­te mit einem Sta­pel Zet­tel und einem Locher zum Regal mit den Akten­ord­nern.

Die­se befan­den sich uner­reich­bar hin­ter einer Wand aus davor gesta­pel­ten Zeit­schrif­ten. Als ich mich hin­k­nie­te, um die Zeit­schrif­ten bei­sei­te zu schie­ben, sah ich, dass das knall­ro­te Metall­schränk­chen, auf dem mei­ne Kom­pakt­an­la­ge steht, mit einer Zen­ti­me­ter dicken Staub­schicht bedeckt war. In die­sem Moment wuss­te ich, dass ich für den Rest des Tages gut beschäf­tigt sein wür­de.

Ich räum­te das Metall­schränk­chen kom­plett leer, ent­staub­te es auch von innen und trenn­te mich von meh­re­ren freund­li­chen Süßig­kei­ten­ge­schen­ken ver­gan­ge­ner Weih­nachts­fes­te. Ich ent­sorg­te alten Hus­ten­saft, nicht mehr kle­ben­de Brief­um­schlä­ge und schich­te­te den kom­plet­ten Schrank um. Auch dar­un­ter sor­tier­te ich alles neu, ehe ich mich mei­nem Bücher- und Zeit­schrif­ten­re­gal zuwand­te.

Zwei Sam­mel­bo­xen mit wahl­lo­sen Ein­zel­aus­ga­ben von Deutsch­lands unnö­tigs­tem Musik­ma­ga­zin wur­den in den Papier­korb, der in die­sem Fall eine über­gro­ße Papier­tü­te war, geleert. Dann über­leg­te ich , ob ich eigent­lich noch die ers­ten zehn Aus­ga­ben der deut­schen „Vani­ty Fair“, die ers­ten 30 Aus­ga­ben „Galo­re“, sowie je meh­re­re Jahr­gän­ge „Visi­ons“, „Musik­ex­press“ und „Rol­ling Stone“ (deutsch) brauch­te. Ich ent­schied mich für den Moment für „Ja“, weil ich zu faul war, noch öfter zum Papier­con­tai­ner zu gehen. Außer­dem hat­ten die ja alle Geld gekos­tet.

Meh­re­re Keks­do­sen (ca. Weih­nach­ten 2004 bis 2007) wur­den zuerst voll­stän­dig ent­leert (in den Müll­ei­mer) und dann in die Abstell­kam­mer gebracht – für den Fall, dass ich in die­sem Dezem­ber Plätz­chen backen will. Dann kam die Fens­ter­bank dran, auf der seit gut zwei Jah­ren Andenken an mei­nen drei­mo­na­ti­gen USA-Auf­ent­halt lager­ten. Für sie war gera­de ein Platz im Metall­schrank frei­ge­wor­den. Anschlie­ßend ver­schwan­den im Müll: meh­re­re Kata­lo­ge des Köl­ner „Music Stores“, meh­re­re Zei­tun­gen deutsch­spra­chi­ger Min­der­hei­ten in ver­schie­de­nen Län­dern, über die ich mei­ne B.A.-Arbeit vor andert­halb Jah­ren dann doch nicht geschrie­ben hat­te, sowie etli­che Zei­tungs­ar­ti­kel, die ich mir mal aus­ge­ris­sen, aber doch nie gele­sen hat­te. Palm­we­del darf man ja nicht weg­wer­fen, soweit ich weiß.

Nach etwa drei Stun­den war ich dabei, die vier Jah­re alte Stand­leuch­te erst­ma­lig aus­ein­an­der­zu­bau­en und von Insek­ten­ka­da­vern zu rei­ni­gen. Dann wisch­te ich mei­nen Schreib­tisch, mei­nen Nacht­tisch und die Ober­sei­te mei­ner CD-Rega­le – nicht, ohne das Staub­tuch jeweils zwi­schen­durch gründ­lich aus­zu­wa­schen. Nor­ma­ler­wei­se put­ze ich so gründ­lich nur kurz vor mei­nem Geburts­tag, wenn sich Gäs­te ange­kün­digt haben.

Und das war ja auch das Bizar­re an mei­ner Rei­ni­gungs­ak­ti­on: es gab kei­nen Grund dafür. Ich hat­te nicht ein­mal irgend­et­was wich­ti­ges zu tun, was eine Pro­kras­ti­na­ti­on gerecht­fer­tigt hät­te. Es war eben nur drin­gend nötig gewe­sen.

Nach vier­ein­halb Stun­den war der Tep­pich­bo­den, jede Ecke und die Wand hin­ter dem Heiz­kör­per gründ­lich abge­saugt. Ich betrach­te­te stolz mein Werk und war mit mir und der Welt zufrie­den. Da fiel mein Blick auf den Kon­to­aus­zug, der ein­sam auf einem ordent­li­chen Schreib­tisch lag.

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Digital

Mitbewohner 2.0

Ich bin ja ein gro­ßer Freund des Inter­nets und des Web 2.0. Ich den­ke, dass man dort ten­den­zi­ell alles fin­den kann: Fuß­ball­ergeb­nis­se, Kuchen­re­zep­te, lus­ti­ge Vide­os und den Part­ner fürs Leben.

Nun aber will ich das welt­wei­te Daten­netz auf eine har­te Pro­be stel­len: Ich suche einen neu­en Mit­be­woh­ner für unse­re Drei­er-WG in Bochum!

Falls Sie also Stu­dent an einer der Bochu­mer Hoch­schu­len sind und ein Zim­mer suchen, oder Sie jeman­den ken­nen, der Stu­dent an einer der Bochu­mer Hoch­schu­len ist und ein Zim­mer sucht: hier geht’s lang.

Für alle ande­ren ist es viel­leicht wenigs­tens inter­es­sant zu sehen, ob die­se doch sehr moder­ne Form der Mit­be­woh­ner­su­che funk­tio­niert. Ich wer­de Sie auf dem Lau­fen­den hal­ten!