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Leben

(I’ve Got) The Power

Ihr Versagen kündigte sich stets mit einer bedrohlichen Stimme an: Waren die Batterien im Tchibo-Walkman im Begriff, leer zu gehen, so wurden die Hörspielkassetten langsamer und wo gerade noch Manfred Steffen aus Lönneberga berichtet hatte, sagte nun eine Grabesstimme: “uuuuund raaaaannteee iiiin deeen Schuuuuppööööön”.

Derart leergespielte Batterien reichte ich als Kind stets an meinen Vater weiter, der sie – so es sich um Akkus handelte – neu auflud oder sie in eine alte Tiefkühldose mit der Aufschrift “Alte Batterien (noch gut)” legte, aus deren Beständen er die vielen Wanduhren und Wecker unseres Haushalts versorgte. Denn dafür reichte die Ladung der Batterien immer noch — teils jahrelang.

Zu Beginn meines Studiums hatte ich eine riesige Sammlung von “noch guten” Batterien: Der Weg zur Uni und zurück forderte seinen Tribut, der Discman saugte Batterien leer wie Vampire unschuldige Mägde. Ich hätte eine Hotellobby, Börse oder Nachrichtenredaktion ((Also: die einzigen Orte, an denen mehrere Wanduhren nebeneinander hängen.)) versorgen können, kannte aber niemanden, der dort arbeitet.

Heute sieht die Welt ganz anders aus: MP3-Player und Mobiltelefon (seit einigen Jahren auch noch ein und dasselbe Gerät) haben einen internen Akku, der an guten Tagen den Weg von einer Steckdose zur nächsten überbrückt, und ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal Batterien in der Hand hatte, geschweige denn gekauft habe. Das ist blöd, wenn die Wanduhr in der Küche plötzlich nicht mehr nur nachgeht, sondern gleich ganz stehen bleibt. ((Dass die Wanduhr auf dem Küchentisch liegend tadellos weiterläuft, weil das Uhrwerk nicht mehr gegen die Schwerkraft arbeiten muss, hatte ich vor sechs Jahren schon mal thematisiert, wie mir gerade überraschend wieder einfiel.))

Zunächst war ich überrascht, dass meine Wanduhr tatsächlich stehen bleiben kann. Ich habe das Gefühl, keine einzige Batterie ausgetauscht zu haben, seit ich in dieser Wohnung wohne. ((Ich vermute laienhaft irgendwas mit Elektrosmog und Induktion als Grund.)) In einer Kiste, in die ich kürzlich alle Inhalte eines Schrankes gepackt hatte, die ich beim nächsten Umzug unbedingt wegwerfen will, ((“Heute jedoch nicht.”)) und die ich jetzt immer sehr umständlich vom Regal nehmen muss, fand ich dann tatsächlich aber doch noch ein paar Batterien, die einem Fernsteuer-K.I.T.T. beigelegen hatten, den mir die Betreiber irgendeines Online-Shops vor ein paar Jahren mal in der Hoffnung geschickt hatten, ich würde hier im Blog über ihr Unternehmen schreiben. ((Muhahaha.))

Kann man Batterien überhaupt noch im Laden kaufen oder sind die inzwischen genauso verschwunden wie Glühbirnen und ich muss einfach hoffen, dass sie alle ewig halten?

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Digital Gesellschaft

Warum Erwachsene immer beim Versteckspiel verlieren

Seit heute also sind 20 deutsche Städte endlich bei Google Street View online — oder das, was von ihnen übrige geblieben ist, nachdem mehr als 244.000 Haushalte (von 40,2 Millionen) Widerspruch gegen das Abfotografieren ihrer Fassade von einer öffentlichen Straße aus eingelegt haben. Anatol Stefanowitsch hat im Sprachlog eigentlich schon alles gesagt, was es zu den “eingetrübten Vier- und Vielecke, die einem alle paar Schritte die Sicht versperren” zu sagen gibt.

Auch das Haus, in dem ich seit Januar wohne, ist verpixelt und das ist wenigstens ein netter Grund, mal wieder mit allen Nachbarn ins Gespräch zu kommen, um “Cluedo”-mäßig herauszufinden, wer auf diese Idee gekommen ist.

Doch damit nicht genug: Auch auf das Studentenwohnheim, in dem ich zuvor sechs Jahre lang gewohnt habe, muss ich auf meinem virtuellen Rundgang durch Bochum (bzw. durch das Bochum von vor zwei Jahren) verzichten:

Wohnheim Girondelle 6 (verpixelt bei Google Street View)

Dabei wären so ein paar Fotos wohl kaum so detailliert gewesen wie die Informationen, die das Studentenwerk so liefert:

Wohnheim Girondelle 6 (als Modell bei Google Earth)

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Leben

Alles was Du siehst gehört Dir

Wenn es Weltmeisterschaften im Multitasking gäbe — ich dürfte nicht teilnehmen. Ich würde mich noch nicht einmal für die Bezirksliga qualifizieren. Ich bin so hoffnungslos schlecht im gleichzeitigen Erledigen von mehreren Aufgaben, dass ich noch nicht einmal während des Essens trinken kann.

Jeden Abend finde ich in meinem Browser Tabs, die ich irgendwann gegen Mittag geöffnet und seitdem nicht mehr zu Gesicht bekommen habe. Begonnene E-Mails, denen nur noch eine Grußformel und ein Klick auf den “Absenden”-Button fehlt. Textanfänge in irgendwelchen Editoren, die einmal irgendwas hätten werden können: Journalismus, Literatur, Lyrics. Aber die Idee, der diese Anfänge entwachsen sind, ist längst verglimmt und die Zeilen, die da stehen, irritieren mich selbst am meisten.

Wenn man eine Wohnung mit mehreren Zimmern hat, wird jedes irgendwann zum Tab im Browser des Lebens: In der Küche steht das Wasser in der Spüle und wird langsam kalt, weil ich eben ins Bad rübergegangen war, um die Waschmaschine auszustellen, und dabei gesehen hatte, wie dreckig Waschbecken und Spiegel eigentlich schon wieder sind. Währenddessen steht die nasse Wäsche im Schlafzimmer und wartet darauf, dass sie jemand aufhängt. Dieser Jemand sollte ich sein, aber ich bin gerade im Wohnzimmer, um die E-Mails zu checken. Da mich während meiner Abwesenheit vom Rechner fünf Freunde in drei verschiedenen Chats angeschrieben haben, bleibe ich erst mal am Computer, derweil mein frisch aufgewärmtes Mittagessen in der Mikrowelle wieder erkaltet. Als ich kurz ins Bad gehe, überraschen mich dort ein offenes Fenster und ein halb geputztes Waschbecken.

Neben meinem Bett, in das ich mich regelmäßig viel zu spät zurückziehe, weil ich mich wieder irgendwo aufgehalten habe, liegen drei Bücher: Ein Roman, der mir aber viel mehr Aufmerksamkeit abverlangt, als ich zu so später Stunde zu leisten imstande bin; eine bereits mehrfach gelesene Textsammlung, aus der man kurz vor dem Wegdämmern noch mal eben ein paar Seiten weglesen kann; ein Klassiker, von dem ich niemals nie und unter gar keinen Umständen mehr als die ersten drei Sätze lesen werde. Aber er liegt da ganz gut.

Wenn ich mich mit Freunden treffe, fallen sie zumeist im Rudel ein. Dann sitzen wir in Kneipen, in denen die Musik lauter ist als die Summe unserer Gesprächsfetzen, und führen Gespräche. Mehrere. Gleichzeitig. Manchmal kommen Menschen vorbei, einige kenne ich selbst. Man plaudert kurz, dann müssen diese Menschen zurück in ihre eigenen Gesprächsarrangements. Oder dringend aufs Klo. Die einzigen, die den Überblick behalten, sind die Kellner. Sie haben kleine elektrische Geräte, mit denen sie die Bestellungen aufnehmen können, und die immer wissen, was wohin muss.

Im Heimaturlaub sitze ich meist in meinem alten Kinderzimmer und frage mich, wen ich besuchen könnte. Dann gehe ich kurz in die Küche, wo ich nichts zu essen finde, weswegen ich in den Keller gehe, um im Vorratsraum nachzusehen, wobei ich an unserem alten Probenkeller vorbeikomme und meine E-Gitarre sehe. Während ich sie in die Hand neh…

*pling*

Verzeihung, das ist mein Mittagessen. Glaub ich.

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Leben

Feels Like Home

Menschen mit entsprechenden Erfahrungen erklären gerne, ein Kind zu bekommen würde die Sichtweise auf die Welt völlig verändern. Ich bin weit davon entfernt, dem widersprechen zu wollen (oder zu können), aber ich kann diesen Menschen zurufen: “Für einen Perspektivwechsel braucht’s keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr. Ein Umzug tut’s auch.”

In den letzten Wochen und Monaten habe ich mich mit Fragen zu Bodenbelägen, Wandfarben, Telefonanbietern und Möbeln herumgeschlagen. Ich habe angefangen, Werbeprospekte auf Kühlschränke, Waschmaschinen und Duschköpfe abzusuchen. Ich bin in eine Welt abgetaucht, in der man sich freut, dass die Farbe, die man gerade gleichmäßig auf Zimmerdecke und eigenem Haupthaar verteilt hat, wasserlöslich ist (was der Lack für Heizkörper und Fußleisten übrigens nicht ist). Gespräche im Freundes- und Familienkreis drehen sich plötzlich um Küchenfronten und die richtige Methode, gerade Linien abzukleben.

Bei der Renovierung ist mir aufgefallen, wie egal einem dieses Internet werden kann: Für die wirklich bedeutsamen Nachrichten hat man ja WDR 2, alles weitere kann man abends in zwanzig Minuten überfliegen. Und falls sich jemand Sorgen macht, weil man seit der Frage “Welcher dieser beiden Drähte gehört wo hin?” kein Statusupdate mehr bei Facebook durchgeführt hat, wird er schon anrufen oder eine SMS schicken.

Am Wochenende bin ich endlich umgezogen. Das zeitliche Verhältnis von Vorbereitung und Durchführung entsprach dabei in etwa dem Verhältnis zwischen WM-Qualifikation und Im-richtigen-Moment-den-Fuß-Hinhalten im Finale.

Jetzt stehe ich vor neuen Herausforderungen: Wie sortiere ich meine Bücher neu? Wie kriege ich meine Wohnung richtig beheizt? In welchem der vielen Zimmer könnte ich jetzt schon wieder Schlüssel und Portemonnaie liegen gelassen haben? Zumindest bei der ersten Frage können Freunde mit Fachwissen weiterhelfen.

Statt über meine Mitbewohner kann ich mich jetzt über die Selbstmontagemöbel schwedischer Prägung aufregen, die jeder ander Mensch (oder zumindest: jede mir bekannte Frau) in diesem Universum in einer halben Stunde aufgebaut bekommt, während ich nach vier Stunden mit heiserer Stimme kreische: “Ach, als ob diese eine Schraube für die Statik des ganzen Regals entscheidend wäre …”

Schwerer noch wird es, mich an die Supermärkte im neuen Stadtteil zu gewöhnen. Vergangene Woche bin ich zehn Minuten durch den Aldi geirrt, ohne die verdammten Nudeln zu finden. Und ohne Nudeln fehlt mir schon mal ein Drittel meines Speiseplans. Außerdem muss ich eine neue “Bild”-Verkaufsstelle finden — oder besser: mehrere.

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Leben

A Room Of One’s Own

Ich habe heute das getan, was Max Goldt “nach Wohnungen gucken” nennt. Ich lief also durch die Gegend und guckte nach Straßen und Häusern, in denen ich gern wohnen würde, in der vagen Hoffnung, dass auch tatsächlich irgendwo irgendwas frei sein könnte. Ich bin nämlich mit mir übereingekommen, dass die Zeit, in der ich Abflussrohre von andererleuts Fußnägeln befreie, so schnell wie möglich enden soll. (Entschuldigung, vor diesen eingeschobenen Halbsatz hätte ich natürlich auch ein “Achtung, eklig!” setzen können. Nu isses zu spät!)

Als latent fauler Mensch hatte ich natürlich zunächst angenommen, zur Wohnungssuche auf das Instrument zurückgreifen zu können, dass mir für mich schon die Erschließung und Pflege von Sozialkontakten, sämtliche Finanztransaktionen und die Versorgung mit aktueller Musik übernommen hat: das Internet.

Genau genommen sind aber kryptische Anzeigen in Spam-Zeitungen, die Hinweise wie “KDB” oder “WBS” enthalten, den etwas ausführlicheren Schilderungen in Online-Portalen vorzuziehen. Die kleinen Texte inmitten der Bleiwüsten erwecken nämlich noch nicht mal den Eindruck, irgendetwas auszusagen. Im Internet gibt es zwar Fotos, aber fast immer nur solche, die nichts erklären. Kürzlich sah ich das Bild einer Wohnung, in der von der Küche aus ein gefliester Raum zu erahnen war, der durch eine Falttür zugänglich war. Ich fragte zwei Freunde, ob es sich dabei wohl um die Speisekammer oder um das Bad handele, und beide antworteten wortgleich: “Ich fürchte letzteres.” Genau konnte man das dem Foto und den Beschreibungen nicht entnehmen, aber mein Interesse, das vor Ort zu untersuchen, war erloschen.

Auch die Beschreibungen sind nicht immer hilfreich. Ein Anbieter, dem offenbar zwei Drittel aller Mietimmobilien in Bochum gehören, hält es für sinnvoll, bei jeder Wohnung die Entfernung zum nächsten Flughafen anzugeben (und zwar mit einer Stelle hinterm Komma), schweigt sich aber stets darüber aus, ob die das zur Wohnung gehörende Badezimmer über eine Badewanne oder eine Dusche verfügt. Dafür wird man mit jener Geheimsprache behelligt, die ausschließlich von Maklern und Wirtschaftsjournalisten verstanden wird. “verkehrsgünstig gelegene, städtische Straße” heißt vermutlich “es fühlt sich an, als ob der Verkehr direkt durchs Wohnzimmer knattert”, aber: Weiß man’s?

Ein bisschen was lernt man natürlich auch. Ich weiß jetzt, dass ein “Gefangener Raum” nur durch ein anderes Zimmer zugänglich ist und nicht direkt vom Flur aus. (Schlechte Scherze über österreichische Keller schrauben Sie sich bitte bei Bedarf selbst zusammen, die sind mir nun wirklich zu blöd.) Eine Pantry-Küche ist ein Schrank, in dem eine Minibar, eine Munddusche, eine Heizplatte und Platz für eine Packung Nudeln untergebracht sind — also das Smartphone unter den Küchen, nur noch ein bisschen nutzloser.

Als ich mich für eine Wohnung beworben habe, wollte die vermietende Wohngenossenschaft von mir Kontodaten und Personalausweisnummer wissen und interessierte sich auch dafür, welche Musikinstrumente ich denn so spiele — mutmaßlich nicht, um ein Wohnungsblock-Orchester zusammenzustellen.

Natürlich ist der Zeitpunkt, die Veränderung der Wohnsituation jetzt aber mal wirklich anzugehen (und zwar “sowas von”), unglücklich gewählt: Zum Semesterbeginn kann man auch Abstellkammern (so es sich dabei nicht um das Bad innerhalb der Küche handelt) meistbietend vermieten. Da muss man schon so dreist sein und erzählen, man habe “den ganzen Kram” direkt unten im Auto und müsse sonst unter der Brücke nächtigen — und selbst dann ist nicht garantiert, dass man auch den Zuschlag bekommt.

Anspruchsvoll bin ich ja auch: Erdgeschoss geht nicht, weil ich Gardinen hasse, aber auch nicht über die niederländische Staatsbürgerschaft verfüge — ich will nicht, dass mir jeder auf den Esstisch gucken kann, also muss ich weiter rauf. Mehr als eine, maximal zwei Treppen möchte ich aber auch nur ungern steigen müssen, besonders beim Umzug. Und wie um diesen Punkt zu untermauern, habe ich mir neulich ein Ledersofa schenken lassen, das nur sehr umständlich zu bewegen ist und sicher nicht durch jedes Treppenhaus passt. “Möbliert” ist übrigens ein Reizwort, denn wenn schon hässlich, dann bitte nach meinem Willen!

Ich bin also weiter auf der Suche, aber mein Optimismus ist ungebrochen. Beim heutigen Rundgang bin ich nämlich auf ein Objekt gestoßen, das meine Begeisterung fürs etwas andere und meinen heimwerklichen Ehrgeiz gleichermaßen angesprochen hat:

Abrisshaus in Bochum.
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Leben

Mitbewohner 1.0

Leeres Zimmer (Symbolbild)

Im Mai startete ich einen Aufruf, mit dem ich einen neuen Bewohner für das leerstehende Zimmer in unserer WG finden wollte.

Ich schrieb damals, mit dieser Aktion “das weltweite Datennetz auf eine harte Probe stellen” zu wollen. Nun, was soll ich sagen? Das Web hat verloren.

Der Mai ist kein guter Monat, um neue Mitbewohner zu finden: das Semester ist im vollen Gange und kaum jemand ist auf der Suche nach einem Zimmer oder Willens umzuziehen. In den ersten drei Monaten meldeten sich genau drei Leute, die durch Zettel, die ich an der Uni ausgehängt hatte, auf das Angebot aufmerksam geworden waren: der Erste suchte nur was zur Zwischenmiete (was wir nicht wollten), der Zweite war enttäuscht, dass das Zimmer gänzlich unmöbliert war (was auch für den Ersten von Nachteil gewesen wäre), vom Dritten waren wir so angetan, dass wir ihm das Zimmer geben wollten. Leider hat er sich nach unserem Angebot, bei uns einzuziehen, nie wieder gemeldet.

twitter hatte kein bisschen geholfen und mit der Zeit begriff ich auch, dass ein Blog-Eintrag allein nicht ausreichen würde: bei einer Google-Suche nach freien Zimmern in Bochum kam Coffee And TV unter den ersten 200 Suchergebnissen nicht ansatzweise vor (Der erste Besucher, der nach mitbewohner gesucht bochum gegoogelt hatte, kam heute auf das Blog).

Mein verbliebener Mitbewohner kam schließlich auf die Idee, das Zimmer bei wg-gesucht.de zu inserieren. Das hatte ich auch schon mal versucht, war aber irgendwie an der Seite gescheitert. Mit dem herannahenden neuen Semester wurde der Kreis der Interessenten schließlich doch noch größer – wobei etwa die Hälfte der Bewerber über das Internetportal kam und die andere Hälfte direkt beim Studentenwerk nach freien Zimmern gefragt hatte.

So besahen wir uns etwa ein Dutzend Kandidaten beiderlei Geschlechts (wir hatten zwischenzeitlich überlegt, aus der seit Jahren existierenden Männer-WG eine gemischte zu machen) und erklärten etwa ein Dutzend Mal, wie das mit der Miete, dem Besteck, den Bahnhaltestellen und den Waschmaschinen ist. Nur ein Bewerber verlor schon bei der Besichtigung das Interesse – die 15m2 waren ihm bei einer Körpergröße von mehr als zwei Metern offenbar zu wenig.

Im Verlauf der Aktion lernte ich, warum ich für Castingshowjuries und Personalabteilungen denkbar ungeeignet bin: Ich bin unfähig, Menschen miteinander zu vergleichen wie verschiedene Karten beim Autoquartett. So lautete die Standardzusammenfassung meist: “Joa, der war ganz nett – aber der andere auch. Aber was weiß ich eigentlich nach zehn Minuten Smalltalk über ihn oder sie?” Google sagte über die meisten Kandidaten auch nicht viel aus.

Jedenfalls haben wir uns letztlich für einen Medizinstudenten entschieden, der über das Studentenwerk von dem Zimmer gehört und mich telefonisch kontaktiert hatte. Das Internet hatte nichts damit zu tun (und das finde ich ehrlich gesagt auch mal ganz beruhigend).

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Leben

Law And Order

Gestern sah ich auf meinem Schreibtisch aus einem Stapel Papier einen Kontoauszug herausragen. “Das ist ja auch nicht gut, wenn der hier so einzeln rumliegt”, dachte ich, stellte fest, dass die Papiere darüber und darunter (Laptop-Rechnung, Steuernummer) auch besser mal abgeheftet werden sollten, und stiefelte mit einem Stapel Zettel und einem Locher zum Regal mit den Aktenordnern.

Diese befanden sich unerreichbar hinter einer Wand aus davor gestapelten Zeitschriften. Als ich mich hinkniete, um die Zeitschriften beiseite zu schieben, sah ich, dass das knallrote Metallschränkchen, auf dem meine Kompaktanlage steht, mit einer Zentimeter dicken Staubschicht bedeckt war. In diesem Moment wusste ich, dass ich für den Rest des Tages gut beschäftigt sein würde.

Ich räumte das Metallschränkchen komplett leer, entstaubte es auch von innen und trennte mich von mehreren freundlichen Süßigkeitengeschenken vergangener Weihnachtsfeste. Ich entsorgte alten Hustensaft, nicht mehr klebende Briefumschläge und schichtete den kompletten Schrank um. Auch darunter sortierte ich alles neu, ehe ich mich meinem Bücher- und Zeitschriftenregal zuwandte.

Zwei Sammelboxen mit wahllosen Einzelausgaben von Deutschlands unnötigstem Musikmagazin wurden in den Papierkorb, der in diesem Fall eine übergroße Papiertüte war, geleert. Dann überlegte ich , ob ich eigentlich noch die ersten zehn Ausgaben der deutschen “Vanity Fair”, die ersten 30 Ausgaben “Galore”, sowie je mehrere Jahrgänge “Visions”, “Musikexpress” und “Rolling Stone” (deutsch) brauchte. Ich entschied mich für den Moment für “Ja”, weil ich zu faul war, noch öfter zum Papiercontainer zu gehen. Außerdem hatten die ja alle Geld gekostet.

Mehrere Keksdosen (ca. Weihnachten 2004 bis 2007) wurden zuerst vollständig entleert (in den Mülleimer) und dann in die Abstellkammer gebracht – für den Fall, dass ich in diesem Dezember Plätzchen backen will. Dann kam die Fensterbank dran, auf der seit gut zwei Jahren Andenken an meinen dreimonatigen USA-Aufenthalt lagerten. Für sie war gerade ein Platz im Metallschrank freigeworden. Anschließend verschwanden im Müll: mehrere Kataloge des Kölner “Music Stores”, mehrere Zeitungen deutschsprachiger Minderheiten in verschiedenen Ländern, über die ich meine B.A.-Arbeit vor anderthalb Jahren dann doch nicht geschrieben hatte, sowie etliche Zeitungsartikel, die ich mir mal ausgerissen, aber doch nie gelesen hatte. Palmwedel darf man ja nicht wegwerfen, soweit ich weiß.

Nach etwa drei Stunden war ich dabei, die vier Jahre alte Standleuchte erstmalig auseinanderzubauen und von Insektenkadavern zu reinigen. Dann wischte ich meinen Schreibtisch, meinen Nachttisch und die Oberseite meiner CD-Regale – nicht, ohne das Staubtuch jeweils zwischendurch gründlich auszuwaschen. Normalerweise putze ich so gründlich nur kurz vor meinem Geburtstag, wenn sich Gäste angekündigt haben.

Und das war ja auch das Bizarre an meiner Reinigungsaktion: es gab keinen Grund dafür. Ich hatte nicht einmal irgendetwas wichtiges zu tun, was eine Prokrastination gerechtfertigt hätte. Es war eben nur dringend nötig gewesen.

Nach viereinhalb Stunden war der Teppichboden, jede Ecke und die Wand hinter dem Heizkörper gründlich abgesaugt. Ich betrachtete stolz mein Werk und war mit mir und der Welt zufrieden. Da fiel mein Blick auf den Kontoauszug, der einsam auf einem ordentlichen Schreibtisch lag.

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Digital

Mitbewohner 2.0

Ich bin ja ein großer Freund des Internets und des Web 2.0. Ich denke, dass man dort tendenziell alles finden kann: Fußballergebnisse, Kuchenrezepte, lustige Videos und den Partner fürs Leben.

Nun aber will ich das weltweite Datennetz auf eine harte Probe stellen: Ich suche einen neuen Mitbewohner für unsere Dreier-WG in Bochum!

Falls Sie also Student an einer der Bochumer Hochschulen sind und ein Zimmer suchen, oder Sie jemanden kennen, der Student an einer der Bochumer Hochschulen ist und ein Zimmer sucht: hier geht’s lang.

Für alle anderen ist es vielleicht wenigstens interessant zu sehen, ob diese doch sehr moderne Form der Mitbewohnersuche funktioniert. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten!