Kategorien
Leben Gesellschaft

Fakin’ It

In der aktuellen Debatte um akademische und wissenschaftliche Ehre ist mir eine Geschichte wieder in den Sinn gekommen, die sich vor einiger Zeit an meinem ehemaligen Gymnasium ereignet haben soll und an deren Wahrheitsgehalt ich keinen Grund zu Zweifeln habe:

In einem Englisch-LK war eine Schülerin am Tag der Klausur krank gewesen und musste diese nachschreiben. Wie allgemein üblich wurde sie dafür alleine in einen ungenutzten Raum (ich glaube, es war der Erdkunde-Kartenraum) gesetzt, wo ihr die Aufgabenstellungen vorgelegt wurden. Entgegen der üblichen Vorgehensweise und vermutlich auch entgegen zahlreicher Vorschriften gab ihr der Lehrer exakt die gleichen Arbeitsanweisungen, die er schon dem Rest der Klasse kurz zuvor bei der “echten” Klausur ausgehändigt hatte.

Interessanterweise hatte die Schülerin in ihrem Rucksack die bereits korrigierte und zurückgegebene Klausur eines Mitschülers, die sie nun über die nächsten Stunden ausführlich abschrieb — entgegen aller schulischen Regeln und jedweder Moral, versteht sich.

Theodor-Heuss-Gymnasium

Dem Lehrer scheint das Komplett-Plagiat nicht aufgefallen zu sein, jedenfalls wertete er die Klausur nicht als Täuschungsversuch, sondern korrigierte sie ganz normal. Oder: fast, denn er hatte die Original-Arbeit des Schülers deutlich besser (die genauen Details sind niemandem mehr erinnerlich, aber die Rede war von mindestens sechs Punkten, was zwei Noten entspräche) bewertet als die der Schülerin.

Die Schülerin, die sich die ganze Zeit von dem Lehrer ungerecht behandelt gefühlt hatte, konnte natürlich nicht zum Rektor gehen, um sich über ihre Note zu beschweren. Aber eine bemerkenswerte Geschichte war es doch.

Kategorien
Digital Leben

Hang On To Your IQ

Als ich bei CT das radio anfing, gab es eine feste Regel: Pro Nachrichtenblock wurde eine Weltnachricht, eine Deutschlandnachricht, eine aus NRW/Ruhrgebiet und eine aus dem Hochschulwesen benötigt. Hochschulnachrichten begannen meist mit der Formulierung “Forscher der Ruhr-Universität haben herausgefunden …” und endete nicht selten mit schlafenden Hörern. ((Mutmaßlich, für eine Media-Analyse fehlte das Geld.)) Manchmal auch mit schlafenden Nachrichtensprechern.

Irgendwann wurden die gelangweilt abgelesenen Mitteilungen der Uni-Pressestellen zum Hormonhaushalt von Karpfen und zur Anziehungskraft weit entfernter Planeten in ein eigenes Programmsegment verfrachtet, dessen Bumper ((Fachbegriff für “Eine gut gelaunte Stimme ruft den Namen der Rubrik, dann läuft jene Hintergrundmusik, die die verrückten Radiomenschen ‘Bett’ nennen …”)) den Hörern deutlich macht, dass sie jetzt gefahrlos zwei Minuten auf Klo gehen können, ohne ihren aktuellen Lieblingssong zu verpassen. Aber was will man tun? Hochschulnachrichten gehören halt zum Sendeauftrag von Campusradios …

Medien gehen kaum weniger lieblos mit den Entdeckungen und Erkenntnissen großer Forscher um: Wissenschaftliche Inhalte sind nur dann spannend, wenn “wir” ((Also Sie, ich und Kai Diekmann — das ganze deutsche Volk halt.)) mal wieder Nobelpreis “sind” oder sich zu knackigen Schlagzeilen im “Panorama”-Ressort bürsten lassen.

In den letzten Wochen also in etwa so:

Studie: Niedriger IQ schlecht fürs Herz

Herz-Kreislauf-Erkrankung durch niedrigen IQ - Gesundheitszustand vom IQ abhängig

Areale im Gehirn - Wo die Intelligenz sitzt

Und wenn man Ursache und Wirkung vertauscht, kommt schon mal so etwas heraus:

Die neuesten Erkenntnisse sind auch wieder beruhigend:

Intelligenz und Evolution - Konservative haben geringeren IQ

Satoshi Kanazawa von der London School of Economics and Political Science will eine ganze Menge herausgefunden haben:

In the current study, Kanazawa argues that humans are evolutionarily designed to be conservative, caring mostly about their family and friends, and being liberal, caring about an indefinite number of genetically unrelated strangers they never meet or interact with, is evolutionarily novel. So more intelligent children may be more likely to grow up to be liberals.

Mehr noch:

“Humans are evolutionarily designed to be paranoid, and they believe in God because they are paranoid,” says Kanazawa. […] “So, more intelligent children are more likely to grow up to go against their natural evolutionary tendency to believe in God, and they become atheists.”

Und schließlich:

And the theory predicts that more intelligent men are more likely to value sexual exclusivity than less intelligent men, but general intelligence makes no difference for women’s value on sexual exclusivity.

All diese Erkenntnisse ((Ein höherer IQ führt zu mehr Progressivität, weniger Religiosität und höherer Monogamie.)) gerinnen bei den Online-Medien des Axel-Springer-Verlags schließlich zu Schlagzeilen wie diesen:

Britischer Forscher behauptet: Fremdgeher haben einen niedrigeren IQ!

Sex-Studie: Fremdgeher haben niedrigen IQ

Hmmmm. Was könnte wohl passieren, wenn es die Meldung bis nach Österreich schafft?

Untreue Männer sind dümmer

Ob die im Volksmund weit verbreitete These, wonach Dumm besser ficke, auch für Männer gilt, steht leider nicht im Artikel.

Wäre aber doch ein schöner Ausgleich, denn:

Wer einen niedrigen IQ hat, stirbt früher

Mit Dank auch an Peter B., Lukas S. und noir