Das Sommersemester hat begonnen. Das erkennt man an der Ruhr-Uni Bochum unter anderem daran, dass noch mehr junge Menschen als sonst schon verwirrt durch die Gegend rennen und Gebäude, Räume oder einfach nur ihre Mama suchen. Selbstverständlich ist die Rolltreppe an der U-Bahn-Haltestelle wieder einmal defekt (was allerdings kein Semesterbeginnspezifisches Problem ist: die Treppe fährt einfach grundsätzlich nicht, wenn viele Leute da sind) und diverse Firmen versuchen auf dem Campus, Neukunden zu ködern.
Immer vorne mit dabei: Zeitungsverlage, die einem Gratisausgaben ihrer Produkte in die Hand drücken und einen damit zum Abschluss eines sog. preisreduzierten Studentenabos bewegen wollen. An diesen Abos verdienen die Verlage (fast) gar nichts mehr, aber gegenüber ihren Werbekunden können sie mit höheren Abonnentenzahlen protzen. In der Vergangenheit waren es vor allem die Qualitätszeitungen FAZ und Süddeutsche, die sich vornehmlich an die Geisteswissenschaftler heranschmissen – welche das willig über sich ergehen ließen.
Als ich heute um kurz vor Zwei (also zu bester Studentenzeit) Richtung Uni schlurfte, standen dort Menschen in mitleiderregend warmen roten Regenjacken und drückten den vorbeiziehenden Scharen Papierbündel in die Hand: die “Bild”-Zeitung. Nun ist “Bild” eine Boulevardzeitung, die es ausschließlich in Kiosken, Bahnhofsbuchhandlungen, Automaten, Tankstellen und vereinzelten Bäckereien, jedoch (im Allgemeinen) nicht im Abo, gibt. Da klopft natürlich die Frage an, was es dem Axel-Springer-Verlag bringt, Tausende Ausgaben “Bild” kostenlos an Menschen zu verteilen, die nicht unbedingt als Kernzielgruppe der Zeitung bekannt sind.
Viele Studenten lehnten das Geschenk dann auch irgendwo zwischen höflich und schroff ab, einige wenige nahmen wortlos ein Exemplar an und zerrissen es sofort unter den Augen der Verteiler, aber viele griffen auch dankend zu und schleppten die Zeitungen bis in den Seminarraum, in dem bezeichnenderweise ein (dezent überfülltes) Seminar zum Thema “Massenkultur” stattfand. Nun kann man natürlich sagen: “Ach, das sind alles aufgeklärte Studenten, die werden schon wissen, was sie da für einen Mist lesen, die stehen da intellektuell drüber und sehen in der Lektüre dieses Proletarierblattes eine bewusste ironische Brechung, sozusagen eine Stippvisite aus dem Elfenbeinturm im Dixi-Klo.”
Aber selbst wenn zwei Drittel der neugewonnenen “Bild”-Leser einen BILDblog-Abonnentenausweis besäßen (der den Träger ja bekanntlich berechtigt, “auch in der Öffentlichkeit die ‘Bild’-Zeitung zu lesen, ohne sich dafür blöde anmachen lassen zu müssen”), ein unwohles Gefühl bleibt bei der Sache: Mal ganz davon ab, dass wir inzwischen 500 Euro Studiengebühren zahlen und somit eigentlich werbefreie Pay Education erwarten dürften, zählt die “Bild”-Zeitung definitiv zu den Produkten, die ich am allerwenigsten in meinem direkten Umfeld haben möchte. Da bin ich doch mal gespannt, wie sich AStA und andere links-alternative Studentengruppen darüber das Maul zerreißen werden …
Nachtrag, 15. April 2007: Katti hat sich so eine Zeitung aufschwatzen lassen und dokumentiert auch detailliert das Beiblatt, auf dem sich “Bild” selbst vorstellt (“Gestatten, Bild!”).
Außerdem gibt es bei indymedia.org eine – wie zu erwarten – “ausgewogene” Auseinandersetzung mit der Geschichte. Dort gibt es auch ein Wiedersehen mit Tsang’s Law (“Die Studierenden fordern …”).