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Gott und die Welt: Ein Interview mit James Dean Bradfield

Mor­gen erscheint „Send Away The Tigers“, das ach­te Album der Manic Street Pre­a­chers (aus­führ­li­che Bespre­chung folgt). Zeit, für ein Gespräch mit deren Sän­ger James Dean Brad­field.

Das letz­te Manics-Album “Life­b­lood” wur­de von der Kri­tik und den Hörern nicht so gut auf­ge­nom­men. Waren die Solo­pro­jek­te von Dir und Nicky der Ver­such, neue Ener­gie für die Manics zu sam­meln?

Ehr­lich gesagt glau­be ich, dass wir nach den Reak­tio­nen auf „Life­b­lood“ eine Aus­zeit neh­men muss­ten. Wir hat­ten das Gefühl, irgend­wie unse­re Per­spek­ti­ve ver­lo­ren zu haben, und wuss­ten zum aller­ers­ten Mal nicht, was wir als nächs­tes tun woll­ten. Ich den­ke, dass unse­re Solo­pro­jek­te neu­es Leben in die Manics gebracht haben. Die neu­en Songs klin­gen sehr leben­dig und nach Rock’n’Roll. Sie sind viel opti­mis­ti­scher, seit ich die­ses Solo­ding gemacht habe.

Wenn wir über Per­spek­ti­ven spre­chen: Ihr habt Mil­lio­nen von Plat­ten ver­kauft und zum Jah­res­wech­sel 1999/​2000 eine rie­si­ge Show im Mill­en­ni­um Sta­di­um in Car­diff gespielt – wie moti­viert man sich nach sol­chen Aktio­nen wie­der, neu­es zu machen?

Wenn ich je Schwie­rig­kei­ten hät­te, mich selbst zu moti­vie­ren, wür­de ich auf­ge­ben. Es ist ver­dammt ein­fach, sich für eine Show wie die im Mill­en­ni­um Sta­di­um zu moti­vie­ren – eigent­lich für jede Show. Ich mache das jetzt, seit ich 15 war, und es war mir von Anfang an klar: Ich fin­de nicht viel Kathar­sis im Song­wri­ting, aber sehr viel, wenn wir spie­len. Für mich ist Kathar­sis, wenn das Emo­tio­na­le auf das Kör­per­li­che trifft. Und des­halb lie­be ich es, Kon­zer­te zu spie­len. Selbst, wenn es ein Kon­zert ist, das ich nie spie­len woll­te, ist es für mich das ein­fachs­te auf der Welt, moti­viert zu sein.

Ihr wart immer und seid auch heu­te noch eine sehr poli­ti­sche Band. Wie ist das in Zei­ten, wo immer noch kein Frie­den im Nahen Osten herrscht und die Men­schen fast über­all gegen sozia­le Ein­schnit­te pro­tes­tie­ren: inwie­fern hat das die neu­en Songs beein­flusst?

Ich den­ke, die letz­ten fünf, sechs Jah­re waren für die poli­ti­sche Lin­ke die größ­te Her­aus­for­de­rung, der sie sich je stel­len muss­te. Die zen­tra­le Fra­ge lau­tet, ob sie an die Demo­kra­tie glau­ben oder einen Got­tes­staat gut­hei­ßen. Die Lin­ken haben Reli­gi­on immer gehasst, eines ihrer Grund­prin­zi­pi­en lau­tet, dass Reli­gi­on das Opi­um des Vol­kes ist. Die Mischung von Staat und Kir­che ist eine Tod­sün­de für die Lin­ke.
Im Irak hat­ten wir plötz­lich die Situa­ti­on, dass eine Theo­kra­tie gestürzt wur­de, aber eine impe­ria­lis­ti­sche ame­ri­ka­ni­sche Macht hat sie ersetzt. Ich glau­be, dass hat die Lin­ke sehr ver­wirrt im Hin­blick dar­auf, was sie will. Dabei geht es weni­ger um die Krie­ge an sich, son­dern viel mehr um das Selbst­ver­ständ­nis der Lin­ken.