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Nicht zynisch werden

Ich habe heute zwei Texte für mein Blog bei freitag.de geschrieben: Einen gestern begonnenen über die Nichtexistenz des Musikfernsehens in Deutschland und einen aktuellen über die mediale Unsterblichkeit von Mördern.

Bizarrerweise treffen sich beide Inhalte jetzt auf der anderen Seite wieder, denn MTV und Viva haben sich (wie schon am 11. September 2001) entschlossen, ihr Trash-Programm auszusetzen und bis auf weiteres Musikvideos zu senden, die der Stimmung angemessen sind.

Es fällt schwer, da nicht zynisch zu werden.

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Musik Rundfunk

M.T.V. – Get Off The Air

Während sich die halbherzige Diskussion über die Qualität im deutschen Fernsehen nicht so recht legen will, tun die Sender-Verantwortlichen alles, um die Qualität ihres Programms zu steigern: sie schmeißen Leute raus.

Das ZDF trennt sich mit sofortiger Wirkung von Elke Heidenreich (was bei einem Sender, der Johannes B. Kerner, Markus Lanz, Johann Lafer und Horst Lichter unter Vertrag hat, die maximal fünftbeste Idee sein kann) und MTV macht quasi gleich den ganzen Laden dicht.

Ich habe weder MTV noch Viva sehen wollen, nachdem mit Sarah Kuttners Show der letzte Fitzel Relevanz und Unterhaltung aus den einstigen Musiksendern verschwunden war. Von daher kann ich nicht genau beurteilen, was eigentlich noch übrig bleibt, wenn die “MTV News”, “MTV Urban”, “MTV Rockzone” und “MTV Masters” gestrichen und die Ausgaben von “TRL” und “Viva Live” rapide reduziert werden. Vermutlich werden auf den beiden Kanälen noch mehr Serien laufen, die beim frisch eingedampften Comedy Central eigentlich besser aufgehoben wären. Es ist ein letztes Zucken, bevor man hoffentlich bald dazu übergehen wird, die Sender ganz dicht zu machen.

Das Musikfernsehen hierzulande ist an seinen Programmverantwortlichen verendet, nicht an YouTube und anderen Portalen, auf denen man Musikvideos sehen kann, wenn man will. Denn dass man sich Videos in oft krümeliger Qualität auf seinem Computer ansieht, ist ja nur die Reaktion darauf, dass sie im Fernsehen nicht mehr liefen. Außerdem konnte man im Musikfernsehen, als es das noch gab, auch auf bisher unbekannte Musik stoßen, die einen dann sofort begeisterte. Dieser Entdeckungseffekt ist bei gezieltem Videogucken im Netz nicht mehr so wahrscheinlich. Und schließlich konnte man Musikfernsehen super im Hintergrund laufen lassen, so als bebildertes Radio quasi.

Das Ende des Musikfernsehens in Deutschland begann mit dem Ende von Viva 2 zum Jahreswechsel 2001/2002 und fand seinen Abschluss eigentlich schon mit dem Aus von Onyx im September 2004. Dass MTV immer noch nicht abgeschaltet oder wenigstens umbenannt wurde ist inkonsequent, hat aber allenfalls verschleiernde Wirkung. Andererseits kam der meiste Serienschrott, der dort in den letzten Jahren lief, ja von der amerikanischen Mutter und die heißt immerhin auch noch “Music Television”.

Das Argument, mit Musikvideos könne man halt keine Quote machen und die Zukunft läge eh im Internet, will sich mir nicht so ganz erschließen. Warum hat zum Beispiel Österreich, ein Land dessen Einwohnerzahl knapp ein Zehntel der deutschen beträgt, dann eine so tolle Clipabspielstation wie Go TV? (Und warum haben die Österreicher mit FM4 gleich auch noch so einen gelungenen Radiosender für junge Leute?)

Das De-Facto-Ende von MTV und Viva fällt natürlich nur zufälligerweise mit der aktuellen Qualitätsdiskussion zusammen. Ich sehe darin auch keinen Vorboten für das Ende des Fernsehens insgesamt. Es ist das Ende von Sendern, die kein echtes Profil haben, ihre Zuschauer mit Call-In-Shows belästigt haben und irgendwelche bestimmt sehenswerten Konzertmitschnitte zwischen “Flavour Of Love” und der sechstausendsten “South Park”-Wiederholung verstecken. Und – so tragisch das für die vielen Leute ist, die jetzt ihre Jobs verlieren – es geschieht diesen Sendern ganz recht.

Die heutige Überschrift wurde Ihnen präsentiert von den Dead Kennedys.

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Digital

The news of FHM

Welchen Nachrichtenwert hat es eigentlich, wenn sich leidlich bekannte Blondinen für ein Herrenmagazin ausziehen und dieses Magazin dazu eine kurze Pressemitteilung raushaut?

Wie’s scheint einen ziemlich hohen:

Aufnahmen für ein Männermagazin: Sarah Connor in erotischen Posen
(“RP Online”)


Sarah Connor: "Ich liebe meine Brüste"
(“Focus Online”)

Popsängerin Sarah Connor: "Ich liebe meine Brüste und meinen Körper"
(Bild.de)


Hier Beginnt der Inhalt: Die schüchterne "Anna" - ganz sexy in der FHM
(“tz online”)

Sexy Foto:
Jeanette Biedermann gar nicht bieder, Mann
(express.de)

Jeanette Biedermann - Sexy vs Schüchtern!
(viva.tv)

Prominente:
Jeanette Biedermann zeigt, dass sie nicht schüchtern ist
(“Der Westen”)

Fotoshooting: Jeanette Biedermann zeigt sich gar nicht bieder
(“Berliner Morgenpost”)

Die schöne Jeanette Biedermann: Warum muss diese Frau nach der Liebe suchen?
(“RP Online”)

Sie findet ihren Körper schön: Jeanette Biedermann räkelt sich in Dessous
(“RP Online”)

Jasmin Schornberg: So schön kann Kanufahren sein
(“RP Online”)

PS: Und für die Biedermann-Namenswitze gehört Ihr gehauen!

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Irrationale Ängste

Als ich gestern “Das Model und der Freak” sah, dachte ich, dass es doch ein bisschen beunruhigend wäre, wenn dort einmal ein ehemaliger Klassenkamerad als “Freak” auftauchte. Möglicherweise hätte man sich mit unüberlegten pubertären Sprüchen oder der Wahl des Betreffenden zum “Schüler, der einmal in den Nachrichten erscheinen wird” in der Abizeitung mitschuldig daran gemacht, dass der Arme nun von halbnackten Models in küchenpsychologische Gespräche verwickelt wird.

Dann dachte ich: Noch tragischer wäre doch, wenn man als Frau vor dem Fernseher sitzt und seinen Ex-Freund durch eine solche Sendung gescheucht sieht. Der neue Lebenspartner (oder gar Ehemann) sitzt mit einem Teller Möhren und einer Schüssel Kräuterquark auf dem Sofa neben einem und man muss jetzt ganz genau überlegen, ob das die richtige Situation ist, ihm seinen Vorgänger vorzustellen.

Dann erinnerte ich mich an ein Gespräch, das ich mal in einem Café mitbekommen hatte: Eine junge Frau erzählte einer anderen, sie habe kürzlich mit ihrem Ex-Freund telefoniert und als sie diesen gefragt habe, wie es ihm gehe, habe der geantwortet, er sei jetzt mit Soundso zusammen und Soundso war der Name eines Mannes und der Ex-Freund demnach auf einmal schwul. Ich konnte gerade noch an mich halten, mich zu den beiden umzudrehen, mich vorzulehnen und in Reinhold-Beckmann-Tonfall zu fragen: “Wie fühlt man sich in einer solchen Situation? Zweifelt man da nicht an seiner eigenen Weiblichkeit?” Aber dann dachte ich mir, dass Reinhold Beckmann (ob echt oder falsch) der letzte ist, den man in einer solchen Situation um sich haben möchte.

Früher, als es im Fernsehen nur drei Kanäle gab, war man noch sicher: Ins Fernsehen kam nur, wer Politiker, Sportler oder Kandidat bei “Wetten, dass…?” war. Dann kamen die Privatsender und rissen die vierte Wand, von der sie vermutlich nicht mal wussten, dass sie existierte oder wer sie dahingestellt hatte, ein. Aber auch nach über zwanzig Jahren haben die Leute auf der Straße nicht begriffen, dass die einzig angemessene Reaktion auf eine Fernsehkamera und einen überdrehten Reporter ist, schnell wegzulaufen und während der Flucht mit den eigenen Anwälten zu drohen, falls dieser Irrsinn ausgestrahlt werden sollte. Nein, die Leute sind immer noch ganz ehrfürchtig, wenn sie von albernen Franzosen, die in ein Baguette sprechen, oder TV-Total-Mitarbeitern angequasselt werden.

Einen, der dieses journalistische Subgenre in Deutschland “groß” gemacht hat, sah ich neulich in der Essener Innenstadt: Theo West. Von weitem sah ich, wie er unvermittelt neben (meist älteren) Passanten auftauchte und sie mit vermutlich dadurch schon so weit irritierte, dass sie ihm später glauben würden, Bundeskanzlerin Merkel habe auf dem Essener Wochenmarkt einen Stand mit selbstgekochter Walnussmarmelade eröffnet (oder was immer er ihnen erzählte). Ich merkte, dass ich kaltschweißig wurde und inständig hoffte, dieser Knilch möge an mir vorübergehen. Ich hätte versucht sein können, witzig oder schlagfertig zu sein (zwei Eigenschaften, die ich für mich nie in Anspruch genommen habe), und das hätte neben einem solchen Vollprofi richtig peinlich wirken können. Da hätte nur noch apathisches Stieren direkt in die Kamera eine Ausstrahlung vermasseln können (so bin ich mal dem damaligen Musiksender Viva entkommen).

Aber selbst, wer die Essener, Kölner und Berliner (wo man immerhin noch von Carsten van Ryssen verarscht werden konnte) Innenstadt meidet, ist nicht mehr sicher: Seit neuestem läuft man auch zuhause Gefahr, von Sendungen wie “Quiz-Tour” belästigt zu werden. Mein schlimmster Alptraum indes wäre, dass Tine Wittler bei mir klingelte, um mediterrane Wischtechnik und Stauraum in meine vier Wände zu bringen, auf dass ich zukünftig lieber unter einer Brücke schliefe als daheim. Wo sind die Leute, die immer mit dem Grundgesetz wedeln, eigentlich, wenn öffentlich derart gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen wird?

All dies sind natürlich Extrembeispiele; Ängste, die – wie die allermeisten Ängste – unbegründet sind. So habe ich jahrelang wiederholt geträumt, in einem Fahrstuhl zu sein, der wahlweise abstürzt oder nach oben durch die Decke schießt. Das ist insofern faszinierend, als ich im wachen Zustand keinerlei Probleme mit großen Höhen oder Fahrstühlen habe – mit der Einschränkung, dass ich panische Angst davor habe, gemeinsam mit Jürgen Drews und Gülcan Karahanci in einem Fahrstuhl stecken zu bleiben. Da ich aber weder dem “König von Mallorca”, noch der Plaudertasche von Viva bisher begegnet bin, basiert auch diese Angst mehr auf der vagen Möglichkeit, ein solches Ereignis könne eintreten, als auf persönlichen Erfahrungen. Noch unwahrscheinlicher ist lediglich der Traum, den ich kürzlich hatte, und in dem ich zum Bundesvorsitzenden der Jungen Union gewählt worden war. Der war aber auch schrecklich.