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Gesellschaft Digital

I love you, you pay my rant

Liebe PR-Futzis,

wir müssen reden. Habt Ihr eigentlich ‘nen Knall? Seit einigen Monaten erreichen mich Pakete, auf denen kein Absender steht ((Der Satz “Hoffentlich ist keine Bombe drin” von meinem Paketboten ist nur mittelwitzig.)) und in denen sich irgendwelcher Prött befindet. Eure Erwartung ist offenbar, dass ich darüber schreibe, was für einen crazy-verrückten Kram ich da ins Haus bekommen habe, und dass ich dann irgendwann nach Eurer Auflösung auch noch nachtrage, von welcher Firma der Mist kam. Sowas nennt man dann wohl “virales Marketing”, obwohl ich eigentlich immer dachte, Virals seien nicht planbar.

Es ist ja jedem Blogger ((Ich nehme an, Ihr schreibt einfach immer die ersten hundert Blogger an, die Ihr finden könnt.)) selbst überlassen, ob er über sowas schreiben will. Eine kurze Beschäftigung mit diesem Blog dürfte aber zeigen, dass wir hier eher nicht so auf PR stehen. Einzige Ausnahme: Ihr seid die Kilians — aber das wüsste ich.

Natürlich muss man als Blog-Betreiber damit rechnen, unverlangt E-Mails zu bekommen und in Newsletter eingetragen zu werden. Das ist auch nicht richtig höflich, aber okay, wenn es thematisch passt. ((Die Typen, die neulich einen Linktausch zum Thema “Kaffee” anleiern wollten, haben sich dieses Blog sicherlich die vollen anderthalb Sekunden angesehen, die man braucht, um das Impressum zu finden.)) In jedem Fall sind Spam-Mails bedeutend leichter zu entsorgen als Pakete, die wie ein “So trenne ich meinen Müll richtig”-Lernspiel für Grundschüler anmuten.

Im Moment kann ich mich übrigens nicht mal richtig über echte Geschenke von lieben Menschen freuen, da mein 20-m2-Zimmer schon bis zum Rand mit Kram gefüllt ist und mir beim Gedanken an den irgendwann dann doch mal anstehenden Umzug schon regelmäßig der Schweiß ausbricht. “Verbrauchswaren” braucht Ihr mir aber auch nicht zu schicken, denn wer will schon anonym versandte Lebensmittel?

Noch ein bisschen blöder wird so eine Aktion, wenn das Paket ausgerechnet am Samstagmorgen um Zehn nach Neun (lies: Mitten in der Nacht) zugestellt wird. Aber das wäre natürlich noch steigerbar: Wenn ich mit dem Bus nach Altenbochum fahren müsste, um in der Postagentur festzustellen, dass mir jemand ein Päckchen Sondermüll zugeschickt hat, würde ich vermutlich schlichtweg grün anlaufen und erst mal ein paar Autos durch die Gegend werfen.

Nehmt Euch ein Beispiel an den Musik-Promotern, Plattenfirmen und Nachwuchsbands dieses Landes, die in der Regel immer nett nachfragen, bevor sie einem was ins Haus schicken. Das ist schon aus ökonomischem Selbstschutz die tausendmal brillantere Idee und häufig ergeben sich daraus auch nette Kontakte. Als ich vor ein paar Monaten unaufgefordert ein Paket von einem namhaften deutschen Verlag bekam, mit dessen Presseabteilung ich zuvor schon mal zu tun gehabt hatte, war ich erst verwirrt. Aber die Auswahl der Bücher legte nahe, dass sich da jemand sehr genau mit diesem Blog beschäftigt haben muss, und ich war nicht mehr verwirrt, sondern gerührt. Entsprechend schlecht ist mein Gewissen, dass die Bücher noch immer ungelesen sind.

Jede Website bemüht sich heutzutage um personalisierte Werbung, die möglichst präzise auf die Interessen des einzelnen Besuchers zugeschnitten ist, aber Ihr ballert mit Schrotflinten auf Pfennigstücke. Genauso gut könnten Eure Kunden Geldscheine in die Luft werfen und was oben bleibt, ist gut investiert.

Überhaupt, liebe Firmen: Findet Ihr das eigentlich gut, diese Belästigung im Namen des Marketings? Einfach Leute anzurufen ist verboten, aber ihnen Krempel ins Haus zu schicken ist okay? Wisst Ihr, was Eure vermutlich überbezahlten PR-Strategen da machen? Habt Ihr das so in Auftrag gegeben? Und wenn Ihr diesen Text hier in Eurer Pressemappe findet (weil any PR ja bekanntlich good PR ist), habt Ihr dann nicht das Gefühl, dass da irgendwas irgendwo gewaltig schief gelaufen sein könnte?

Es ist das derbste PR-Klischee, aber solche Aktionen fallen einem doch nicht im nüchternen Zustand ein, oder? Die Krise ist erst eine, wenn sie auch bei den Hamburger und Düsseldorfer Koksdealern angekommen ist. Und mal ehrlich: Wer auf die Idee kommt, in einem Werbespot ausgerechnet den Titelsong von “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” zur Vermittlung eines positiven Lebensgefühls einzusetzen (wie gestern gesehen), der muss sich doch wohl ein eher legeres Verhältnis zu Betäubungsmitteln nachsagen lassen.

Genug der kalten Wut. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass ich von weiteren Care-Paketen aus der Werbehölle verschont werden möchte. Ich wäre glücklich, wenn Ihr Euch daran hieltet.

Mit freundlichen Grüßen und Dank im Voraus,

Lukas Heinser

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Uschi Blum macht Lokalredakteure schwach

Hape Kerkelings neue Komödie “Ein Mann, ein Fjord” läuft am 21. Januar um 20:15 Uhr im ZDF. Für den Film hat der Komiker ein alte Rolle reaktiviert, die auch schon in “Kein Pardon” zu sehen war: die der Schlagersängerin Uschi Blum.

Weil man das eben heutzutage so macht, bekam Uschi Blum eine Art Viralkampagne spendiert. Das ist zwar bei einem kostümierten Prominenten ein wenig albern, aber mit eigenem MySpace-Profil, offizieller und Agentur-Website (vor dem Anklicken die Lautsprecher runterdrehen!) durchaus aufwendig und mit … äh: Liebe zum Detail gemacht.

Natürlich hat man auch an eine fiktive Biographie gedacht und die besagt, dass Uschi Blum als Hildegard Sterczinski in Dinslaken geboren wurde, sie 1978 4. bei der Wahl zur “Miss Dinslaken” war und sie einige Jahre das Hunde-Nagelstudio “Uschi’s Pfötchen-Salon” in der Dinkelgasse in Dinslaken betrieb.

Nun ist es offen gestanden nur so mittelabsurd, ein Schlagersternchen ausgerechnet aus Dinslaken kommen zu lassen, wenn doch schon der König des Popschlagers dort zuhause ist. Aber als inoffizieller Stadtblogger Dinslakens habe ich natürlich trotzdem versucht, über sein Management Kontakt mit Hape Kerkeling aufzunehmen. Dass der im Moment fleißig Promo macht und nicht auf die Anfragen jedes Feld-, Wald- und Wiesenbloggers reagiert, kann ich durchaus verstehen. Offenbar ist es aber auch den Kollegen in der Lokalredaktion der “Rheinischen Post” (für die ich früher geschrieben habe) nicht gelungen, eigene O-Töne des beliebten Komikers zu bekommen, weswegen man dort den Helbseiter, der wohl unbedingt in die Samstagsausgabe sollte, irgendwie anders füllen muss.

Sie können den Artikel gerne selbst mit der offiziellen “Biographie” und den weiteren Promotexten vergleichen, ich hab Ihnen aber die wichtigste Eigenkreation des Autors hier mal kurz rüberkopiert:

Die [Internetseite] von Uschi ist der Hammer.

Nun ist es vielleicht etwas anderes, ob man eine (fiktive) Künstlerbiographie in weiten Teilen für einen redaktionellen Text übernimmt, oder einfach Werbetexte für Unternehmen abschreibt (wie “RP Online” das ja schon mal macht).

Trotzdem hat der Artikel aus der “Rheinischen Post” in meinen Augen wenig mit Journalismus zu tun. Sein Autor Ralf Schreiner versäumt es, auch nur ein Mal auf die Presseinfo hinzuweisen. Nach einer Einleitung, in der Kerkelings Verkleidung erklärt, folgt über sechs Absätze der leicht modifizierte Promotext. Sowas kann man machen, wenn man Konzerte von Bergarbeiterchören oder Nachwuchsbands ankündigen will — aber nicht, wenn man aus eigenem Antrieb ein großes Porträt für die Samstagsausgabe schreibt.

Die “Neue Rhein Zeitung”, das andere Blatt mit Dinslakener Lokalredaktion, hat am Samstag ebenfalls einen großen Artikel über Uschi Blum gebracht — der allerdings im Super-Duper-Onlineportal Der Westen nicht zu finden ist. Dort steht im Wesentlichen das Selbe drin (Dinslaken, “Miss Dinslaken”, “Uschi’s Pfötchen-Salon”), aber wesentlich kürzer und sogar anmoderiert:

Außerdem hat Uschi im Internet ihren lesenswerten Lebenslauf veröffentlicht. Daraus:

Auch dass die “NRZ” bei der Kontaktaufnahme mit Kerkeling gescheitert ist, erfährt der Leser. Verpackt in einen Infokasten, der zumindest eine nähere Auseinandersetzung mit dem Gegenstand nahelegt:

Warum ausgerechnet Dinslaken? Im vergangenen Jahr ließen ein Ehepaar, das sich mit einem anderen aus Dinslaken ein Hotelzimmer teilen musste und dafür Rabatt bekam (Cartoon "Hippenstocks Strategen", Süddeutsche Zeitung), ein weiterer Cartoon und eine Äußerung von Roger Willemsen die Frage aufkommen: Warum ausgerechnet Dinslaken? Hat Dinslaken einen lustigen Klang? Steht Dinslaken für etwas Besonderes? Für das Nirgendwo? Das Kleinstädtische? Das Geheimnisvolle? Oder für das Ende der Welt? Zumindest Hape Kerkeling konnte es uns nicht beantworten. Er sei bis Ende 2010 zu ausgebucht, um derartigen Anfragen nachzukommen, teilte sein Büro mit.

Ich glaube, ich sollte mich bei Roger Willemsen entschuldigen

Mit Dank auch an Michael M. für den Hinweis und an meine Mutter für den Scan!