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Ein schöner Rücken kann auch ein Skandal sein

„Sag mir, wer Miley Cyrus ist!“, gehör­te bis vor­ges­tern nicht zu den Fra­gen, die ich sofort hät­te beant­wor­ten kön­nen, wenn man mich um halb sechs mor­gens wach­ge­schüt­telt hät­te. Ich bin ein­fach zu alt, um „Han­nah Mon­ta­na“, die über­aus erfolg­rei­che TV-Serie vom Dis­ney Chan­nel, je gese­hen zu haben. Heu­te weiß ich natür­lich, wer Miley Cyrus ist, und Sie alle wer­den es auch wis­sen: sie ist die Haupt­per­son des neu­es­ten „Nackt­skan­dals“ in den USA.

Was war dies­mal gesche­hen? Annie Lei­bo­vitz, die ver­mut­lich bekann­tes­te und renom­mier­tes­te leben­de Foto­gra­fin der Welt, hat­te die 15jährige Ms. Cyrus für „Vani­ty Fair“ foto­gra­fiert – „oben ohne“, wie die Agen­tu­ren ver­mel­den, oder ana­to­misch kor­rekt: mit ent­blöß­tem Rücken. Das Foto dürf­te maxi­mal aus­rei­chen, bei Män­nern Beschüt­zer­instink­te zu wecken und dem Kind die eige­ne Jacke umzu­le­gen, aber es ent­fach­te einen „Skan­dal“, der zumin­dest in die­sem Monat sei­nes­glei­chen sucht.

Denn kaum war das Foto im Wer­be­spot für die Juni-Aus­ga­be von „Vani­ty Fair“ über die ame­ri­ka­ni­schen Bild­schir­me geflim­mert, empör­ten sich die ers­ten Eltern in Inter­net­fo­ren und Blogs:

It’s time that par­ents real­ly start thin­king serious­ly about the Sexua­liza­ti­on of Child­ren, and how mar­ket­ers are tar­ge­ting very young child­ren, caus­ing young girls and boys to grow up way too fast. The only way mar­ket­ers are going to be forced to stop sexua­li­zing child­ren is when par­ents final­ly stand up and say, “We’re not going to take it any­mo­re!”, and boy­cott stores that mar­ket this sort of smut to kids.

Für Dis­ney, wo man mit Miley Cyrus/​Hannah Mon­ta­na unfass­bar viel Geld ver­dient, war schnell klar, dass man reagie­ren muss­te. Man ent­schied sich des­halb zum Angriff auf „Vani­ty Fair“ und Annie Lei­bo­vitz:

A Dis­ney spo­kes­wo­man, Pat­ti McTeague, faul­ted Vani­ty Fair for the pho­to. “Unfort­u­na­te­ly, as the artic­le sug­gests, a situa­ti­on was crea­ted to deli­bera­te­ly mani­pu­la­te a 15-year-old in order to sell maga­zi­nes,” she said.

[New York Times]

Und Miley Cyrus, deren Eltern ((Ihr Vater Bil­ly Ray Cyrus ist als Coun­try­ro­cker durch­aus Show­biz-erfah­ren.)) beim Foto­shoot anwe­send waren, fühl­te sich plötz­lich ver­ra­ten und bereu­te alles:

“I took part in a pho­to shoot that was sup­po­sed to be ‘artis­tic’ and now, see­ing the pho­to­graphs and rea­ding the sto­ry, I feel so embar­ras­sed. I never inten­ded for any of this to hap­pen and I apo­lo­gi­ze to my fans who I care so deep­ly about.”

[eben­da]

Man hät­te ahnen kön­nen, dass zumin­dest ein Teil der ame­ri­ka­ni­schen Eltern­schaft den Welt­un­ter­gang her­auf­zie­hen sieht, wenn ein Vor­bild ((Und genau das dürf­te die­ses komi­sche Miley­/H­an­nah-Kon­strukt für vie­le sein.)) ihrer Kin­der plötz­lich mit rot­be­mal­tem Mund und blo­ßem Rücken zu sehen ist. Inso­fern hat Jac Che­ba­to­ris nicht Unrecht, wenn er im Inter­net­auf­tritt von „News­week“ schreibt:

But her par­ents atten­ded and moni­to­red the shoot. And Miley hers­elf is by now well stee­ped in the maneu­verings of cele­bri­ty. Wit­ting or unwit­ting, she should have known bet­ter. And she plain­ly did not see the back­lash coming until too late.

Schon letz­te Woche hat­te es einen mit­tel­schwe­ren „Skan­dal“ gege­ben, als im Inter­net pri­va­te Fotos auf­tauch­ten, auf denen Miley Cyrus ihren BH und ihren nack­ten Bauch zeigt. (Hin­weis, 6. August 2008: Die­se Behaup­tung ist offen­bar völ­li­ger Unfug: In der „Huf­fing­ton Post“ war von einem „Cyrus look-ali­ke“ die Rede. Vie­len Dank an Jen für den Hin­weis.) Wie schon im ver­gan­ge­nen Jahr bei Vanes­sa Hud­gens (Star des ande­ren gro­ßen Dis­ney fran­chise „High School Musi­cal“) taten sich als­bald zwei Lager auf: der Piet­cong, der Image und Kar­rie­re sofort rui­niert sah, und das Blog­ger- und Kom­men­ta­to­ren­pack, das ange­sichts von Teen­agern, die auf pri­va­ten Fotos ihre Unter­wä­sche zei­gen, sofort von Por­no­kar­rie­ren zu sab­bern beginnt.

Bei­de Sei­ten ver­ken­nen: In Zei­ten von Digi­tal­ka­me­ras sind Teen­ager, die sich und ihren Kör­per foto­gra­fie­ren, unge­fähr so all­täg­lich wie Kat­zen­bil­der. Sind die­se Teen­ager dann auch noch pro­mi­nent, ist die Chan­ce, dass die Bil­der bin­nen Wochen­frist im Inter­net lan­den, immens hoch. Ver­mut­lich wird man zukünf­tig kei­nen ein­zi­gen Tee­nie-Star fin­den, von dem es kei­ne sol­chen Bil­der gibt. Die­ser Tat­sa­che müs­sen Eltern genau­so ins Auge bli­cken wie der Tat­sa­che, dass ihre eige­nen Kin­der dem ver­mut­lich in nichts nach­ste­hen wer­den. ((Gucken Sie jetzt bit­te nicht auf dem Com­pu­ter Ihres Kin­des nach.))

Natür­lich ist die gan­ze Geschich­te von so immensem Nach­rich­ten­wert, dass sie auch im deut­schen Online­jour­na­lis­mus aus­führ­lich gewür­digt wer­den muss. Und zwar in der Net­zei­tung, bei bild.de, stern.de, welt.de, n‑tv.de, „Spie­gel Online“ und im News-Ticker von sueddeutsche.de.

Und bevor Sie sich jetzt wie­der über die „prü­den Amis“ aus­las­sen: der nächs­te „Nazi­skan­dal“ kommt bestimmt!

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Feieralarm

Cof­fee And TV fei­ert heu­te sei­nen ers­ten Geburts­tag und wie es zu solch gro­ßen Ereig­nis­sen üblich ist, soll auch hier eine Nabel­schau der Extra­klas­se statt­fin­den.

Lesen Sie noch ein­mal nach, wie es war, als wir den Start mit einem Feu­er­werk der guten Lau­ne fei­er­ten oder sehen Sie sich das Ereig­nis auf Video an.

Kli­cken Sie sich auch noch ein­mal durch die Ein­trä­ge der ers­ten Wochen, als das Kon­zept „Grup­pen­blog“ irgend­wie noch bes­ser funk­tio­niert hat. Und erfreu­en Sie sich an den popu­lärs­ten Bei­trä­gen über irra­tio­na­le Ängs­te, den Kon­flikt von Spra­che und Jus­tiz, nack­te Jung­schau­spie­le­rin­nen, Eva Her­man, die Musik­in­dus­trie und Nazis. Oder lesen Sie den Text, in dem die meis­te jour­na­lis­ti­sche Arbeit steckt. Nen­nen Sie uns Ihren Lieb­lings­text auf Cof­fee And TV! Erzäh­len Sie, wie Sie zu die­sem Blog gefun­den haben! Boh­ren Sie sich ein Loch ins Knie und schüt­ten Sie Mag­gi rein!

Und wo ich grad vor sechs Zei­len „Grup­pen­blog“ geschrie­ben hab: Sagen Sie „Hal­lo!“ zu unse­rem neu­en Mit­ar­bei­ter Mar­kus Steidl!

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Digital

Restekichern

Das Jahr 2008, in dem ich Sie alle recht herz­lich will­kom­men hei­ßen möch­te, begann mit der dich­tes­ten Nebel­wand, die ich in mei­nem Leben je gese­hen habe. Am sonst so schö­nen Nie­der­rhein war es der­art die­sig (wie man hier sagt), dass man die Nach­barn auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te nicht sehen konn­te – von den Rake­ten, die in zwan­zig, drei­ßig Metern Höhe explo­dier­ten, ganz zu schwei­gen. Aller­dings wur­de der Nebel durch den vie­len Fein­staub im Feu­er­werk noch dich­ter, so dass die Sicht­wei­te um 00:15 Uhr noch ziem­lich genau zehn Meter betrug (und das ist weder eine Über­trei­bung noch dem Alko­hol oder mei­ner Kurz­sich­tig­keit geschul­det).

But now for some­thing com­ple­te­ly dif­fe­rent: Die Ver­öf­fent­li­chung der schöns­ten Such­an­fra­gen, mit denen Men­schen auf coffeeandtv.de gesto­ßen sind, hat­te im Novem­ber zu eini­ger­ma­ßen gro­ßer Freu­de geführt.

Da will ich Ihnen die schöns­ten Such­an­fra­gen für den Dezem­ber 2007 natür­lich nicht vor­ent­hal­ten:

  • advent ankom­men weg­ge­hen bahn­hof
  • alles über bün­de im dezem­ber 2007
  • auf dem weih­nachts­markt
  • bil­der da wo vanes­sa ganz nackt ist
  • bill kau­litz aus hey
  • bus­tou­ren bochum – emden
  • cof­fee to go zun­ge ver­bren­nen
  • cord­sackos grös­se 64
  • dickes mäd­chen ziga­ret­te
  • ech­te kon­tak­te? foto­han­dy tv ‑test ‑flat­rate
  • ehe­mann sitzt immer am pc
  • ein­mal in der woche ohne tv *island
  • eltern nackt­bil­der
  • geschlechts­akt
  • glat­ze schnei­den las­sen
  • größ­te füh­rer aller zei­ten
  • hol­län­disch duschen cof­fie trin­ken
  • ich bin dr. jekyll und mr. hyde wit­zig
  • in der hal­le wel­len­rei­ten
  • inter­view hin­ter­grund­ge­räu­sche
  • kein alko­hol und ziga­ret­ten­ver­kauf am sonn­tag
  • kin­der­spiel­zeug bil­lig für arzt­pra­xis
  • lebens­lauf wolf­gang schäub­le töch­ter
  • lied dan­ke für die­sen guten mor­gen umtex­ten
  • lokal­jour­na­lis­mus ner­vig
  • mann abschlep­pen
  • mar­ga­re­te schrei­ne­ma­kers nackt­fo­tos
  • meis­ter pru­fung machen-ich bin auto­me­cha­ni­ker
  • „mir­jam weich­sel­braun“ zuge­nom­men
  • mmmm mmmm
  • nackt vor­her und nach­her
  • namens­wit­ze jens
  • „nar­ren gefres­sen“ nackt
  • pimp my weih­nachts­baum
  • polin für voll­pfle­ge
  • power point prä­sen­ta­ti­on tv und radio deutsch­land
  • prei­se pro­sti­tu­ier­te in bre­men
  • pulp fic­tion küchen­quirl
  • rau­cher­ki­no rade­vorm­wald
  • rechts­an­walt ken­kel in gel­sen­kir­chen berich­te
  • sat1 bur­ger game
  • schlei­mi­ge frau­en
  • sin­nes­täu­schung bahn
  • south­park schlag­zeug
  • sozie­tät frank schwa­be
  • stin­ken geschich­te mp3
  • täto­wie­rer im duis­bur­ger haupt­bahn­hof
  • tex­te gegen alko­hol
  • tra­di­ti­on defi­ni­ti­on berühm­ter per­so­nen
  • vani­ty fair rei­se­ta­schen
  • weih­nachts­schmuck rock´n roll
  • wie­viel stan­gen ziga­ret­ten seit dezem­ber 2007 deutsch­land
  • wie­vie­le stän­de weih­nachts­markt bochum
  • you tube hit­ler­re­den
  • zei­tun­gen in deutsch­land wochen­zei­tung schund­blatt
  • ziga­ret­ten­au­to­ma­ten kna­cken
  • zivil­dienst dins­la­ken gute stel­le ?
  • zusatz­zah­len 2007

Und dann sind da noch die Such­an­fra­gen, die wirk­lich als Fra­gen an das gro­ße Goog­le-Ora­kel for­mu­liert wur­den:

  • inter­es­siert sich heu­te noch jemand für barock­mu­sik
  • ist vanes­sa hud­gens katho­lisch?
  • kann ich mir selbst fin­ger bre­chen?
  • war­um läßt man den klo­de­ckel oben?
  • wer hat das advent erfun­den
  • wer hat das datum erfun­den
  • wer hat das tele­vi­si­on erfun­den
  • wer hat fern­se­hen erfun­den
  • wer hat ostern erfun­den?
  • wie lan­ge darf ein elf­jäh­ri­ger täg­lich vor den com­pu­ter?
  • wie schreibt man eine gerichts­re­por­ta­ge
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Franz Müntefering singt schleimige Emo-Songs (nackt)

Am Wochen­en­de lief mal wie­der „High School Musi­cal“ im Fern­se­hen, was dafür sorg­te, dass zahl­rei­che Leu­te über die Such­an­fra­ge „vanes­sa hud­gens nackt“ (oder art­ver­wand­tes) auf die­ses Blog bzw. die­sen Ein­trag sto­ßen.

Unter den ande­ren Such­be­grif­fen der letz­ten Wochen fin­det sich zum Bei­spiel:

  • schleim im hals nach rau­chen auf­ge­ben
  • klaus kin­ski + fami­li­en­bil­der
  • fol­der mit bil­dern von sand­wich und bröt­chen
  • text für ein schrei­ben ver­ab­schie­dung in den ruhe­stand
  • wie kann ich mir den fin­ger bre­chen
  • wo die weser einen gro­ßen bogen macht
  • alte män­ner
  • glatz­köp­fi­ge frau­en
  • wal­nuss­mar­me­la­de
  • hape ker­ke­ling kili­ans
  • das spiel lukas und das sil­ber­ne pferd
  • totes pferd bild
  • kat­ze ohn­macht „ver­wirrt
  • stras­sen­strich pader­born
  • nackt­fo­tos mann­heim
  • „16.august 2007“ ein­sen­de­schluss
  • fran­zö­si­sche tas­ta­tur­lay­out
  • wie kom­me ich von duis­burg nach paris zum eifel­turm
  • zug von essen nach bochum heu­te
  • pro­fes­sor schlag­zeug rhei­ni­sche post august 2007
  • inter­na­tio­na­le lied or gesun­gen „franz mün­te­fe­ring“
  • wasch­be­ton­plat­ten wie macht man
  • suche inter­es­san­te frei­zeit­be­schäf­ti­gung
  • was muss man als jugend­li­cher beim angeln beach­ten
  • trau­ri­ge emo bil­der mit sprü­chen drauf
  • the beat­les wer sind die?
  • paul mccart­ney ano­ther day in para­di­se
  • rei­se­ta­sche pulp
  • excel tabel­le schwer beschä­digt
  • clau­dia roth betrun­ken
  • eva her­mann brüs­te
  • ent­ste­hung der frau aus der rip­pe
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Digital

Klickbefehl (3): American Edition

Stars & Stripes in New York City

Ste­phen Col­bert will an der Wahl zum US-Prä­si­den­ten im kom­men­den Jahr teil­neh­men – wenn auch nur in South Caro­li­na. Und viel­leicht meint er es damit erns­ter, als man den­ken könn­te, erzählt die „New York Times“. Lus­ti­ger als der Robin-Wil­liams-Film „Man Of The Year“ zum glei­chen The­ma ist die Akti­on schon jetzt.

Der „San Fran­cis­co Chro­nic­le“ berich­tet über Hit­lers Glo­bus, der 62 Jah­re nach Kriegs­en­de in Oak­land auf­ge­taucht ist und im Novem­ber ver­stei­gert wer­den soll.

cracked.com stellt die 20 schlimms­ten Rei­me der Pop­mu­sik­ge­schich­te vor. Tho­se lucky Ame­ri­cans: Es ist kein „Herz“ /​ „Schmerz“ dabei. Dafür wer­den Sie über den „Sie­ger“ über­rascht sein.

Das Wich­tigs­te zum Schluss: Vanes­sa Hud­gens wur­de von Dis­ney gefeu­ert. Oder auch nicht. Oder doch. Oder auch nicht.

Mary-Kate Olsen spielt in der drit­ten Staf­fel der groß­ar­ti­gen TV-Serie „Weeds“ mit. Ihre ers­te gro­ße Sze­ne kann man sich hier anse­hen.

Spea­king of which: Ich habe mir am Sams­tag allen Erns­tes bei­de Tei­le von „High School Musi­cal“ auf Pro Sie­ben ange­se­hen, um die­se pop­kul­tu­rel­le Bil­dungs­lü­cke zu schlie­ßen. Ob ich dar­über jemals mehr als die­se Zei­len hier tip­pen wer­de, weiß ich aber noch nicht.

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Rundfunk Gesellschaft

Mädchen, warum hast Du nichts gelernt?

Na, das hat ja alles bes­tens geklappt: Der „Raus­wurf“ der Eva Her­man bei und durch Johan­nes B. Ker­ner ist das Tages­the­ma. All­über­all ent­wi­ckeln sich lan­ge und span­nen­de Dis­kus­sio­nen (selbst bei uns), Ker­ner hat eine „Top­quo­te“ ein­ge­fah­ren und Eva Her­mans aktu­el­les Buch ist in den Best­sel­ler­lis­ten von Ama­zon flei­ßig nach oben geklet­tert (Platz 17 um 16 Uhr). Also eine Win-Win-Situa­ti­on für alle Betei­lig­ten?

Nun, Her­man dürf­te sich für län­ge­re Zeit ins Aus manö­vriert haben. Nicht, weil sie obsku­re Wer­te­vor­stel­lun­gen hat (die darf jeder haben), noch nicht ein­mal, weil sie sich vor sechs Wochen so ver­quas­tet und miss­ver­ständ­lich geäu­ßert hat. Aber weil sie ges­tern gegen die gol­de­ne Regel des Medi­en­be­triebs ver­sto­ßen hat: gegen das Recht des Publi­kums auf eine groß­an­ge­leg­te Ent­schul­di­gungs­ze­re­mo­nie.

Chris­toph Daum durf­te, nach­dem er sich wort­reich für sei­ne Koka­in-Affä­re ent­schul­digt hat­te, wei­ter als Fuß­ball­trai­ner arbei­ten; Michel Fried­man, dem auch Koka­in zum Ver­häng­nis wur­de, leis­te­te öffent­lich Abbit­te und ist heu­te wie­der in fast allen Medi­en prä­sent. Noch schnel­ler ver­zieh das Land Erik Zabel, der aus der trä­nen­rei­chen Pres­se­kon­fe­renz ging, als sei nie etwas gewe­sen, und selbst in den USA ver­zieh der Dis­ney-Kon­zern sei­nem Tee­nie­star Vanes­sa Hud­gens deren Nackt­bil­der, nach­dem sie sich dafür ent­schul­digt hat­te. Sie alle haben die Mecha­nis­men der Medi­en begrif­fen: Ein­mal zer­knirscht und am Bes­ten unter Trä­nen vor die Pres­se tre­ten, dann ist irgend­wann alles wie­der gut – egal, ob man das eige­ne Ver­hal­ten jetzt wirk­lich als Feh­ler ansieht, egal ob es über­haupt ein Feh­ler war.

Die­je­ni­gen, die kei­ne Feh­ler ein­räu­men und sich nicht ent­schul­di­gen woll­ten, wer­den im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis unter „unbe­lehr­bar“, „ver­rückt“ oder gar „para­no­id“ ein­sor­tiert. Ihre Namen lau­ten Jür­gen W. Möl­le­mann, Die­ter Bau­mann oder Jan Ull­rich. Das Gemei­ne an die­ser Situa­ti­on: Wir wis­sen nicht, ob Die­ter Bau­manns Zahn­pas­ta mit Doping­mit­teln ver­setzt wur­de, wir wis­sen nicht, ob Jan Ull­rich nicht viel­leicht wirk­lich unschul­dig ist. Wir wis­sen ja auch nicht, ob Daum und Fried­man ihr Dro­gen­kon­sum wirk­lich leid tut, aber wir müs­sen es glau­ben, weil es durch die Medi­en ging.

Da stellt sich die Fra­ge, ob Jan Ull­rich nicht längst wie­der Ren­nen fah­ren (oder zumin­dest kom­men­tie­ren) dürf­te, wenn er zuge­ge­ben hät­te, gedopt zu haben – selbst, wenn er es nie getan hät­te. Ist eine trä­nen­rei­che Ent­schul­di­gung nicht in jedem Fal­le hilf­rei­cher als die Ver­brei­tung kru­der Ver­schwö­rungs­theo­rien – etwas, womit Eva Her­man ges­tern bei Ker­ner zu ihrem Unglück auch noch ange­fan­gen hat?

Sicher, das wäre schon sehr zynisch, aber zynisch ist die Welt, sind vor allem die Medi­en. Eva Her­man soll­te, nein: muss das wis­sen. Es sind die Regeln eines gro­ßen Spiels, das sich mit­un­ter um Kar­rie­ren und Men­schen­le­ben dreht. Man könn­te es ihr als per­sön­li­che Stär­ke anrech­nen, sich nicht für etwas ent­schul­di­gen zu wol­len, das sie nach eige­ner Auf­fas­sung nicht gesagt und schon gar nicht gemeint hat. Aber Johan­nes B. Ker­ner war in der Bezie­hung erstaun­lich fair: Er woll­te nicht ein­mal ein „Mir tut das alles so unend­lich leid“ hören, ihm hät­te ein „Nun ja, ich sehe ein, dass mei­ne Sät­ze in der frei­en Rede etwas kru­de und miss­ver­ständ­lich waren. Was ich sagen woll­te, ist Fol­gen­des …“ gereicht. Allein: Eva Her­man war nicht ein­mal bereit, eige­ne lin­gu­is­ti­sche Unzu­läng­lich­kei­ten ein­zu­ge­ste­hen und bezog sich mun­ter wei­ter auf die Sät­ze, die sie gesagt hat­te, und die eben wirr for­mu­liert as hell waren. Nicht ein­mal, als ihr Mar­ga­re­the Schrei­ne­ma­kers die­sen Weg vor­for­mu­liert auf­zeig­te.

Was dann folg­te, war nur noch unpro­fes­sio­nell: Sie kom­men­tier­te von oben her­ab („Wer redet heu­te noch über Dei­ne Sen­dung?“ zu Frau Schrei­ne­ma­kers, „Mit Ihnen rede ich nicht mehr!“ zum gela­de­nen Exper­ten) und es war plötz­lich völ­lig egal, dass Frau Schrei­ne­ma­kers auch schon unrühm­li­che TV-Momen­te hat­te (wobei wir wie­der nicht wis­sen, was an der gan­zen „Steu­er­af­fä­re“ eigent­lich dran war) und dass Prof. Wolf­gang Wip­per­mann nicht unum­strit­ten ist und zu Beginn der Sen­dung ziem­li­chen Quark gequas­selt hat­te. Sie rede­te von einer „Gleich­schal­tung“ der Medi­en und ver­hin­der­te jeg­li­che Dis­kus­si­on über den inhalt­li­chen Wahr­heits­ge­halt (alle schrei­ben von den Agen­tu­ren ab, die wie­der­um bei der „Bild“-Zeitung abge­schrie­ben haben), indem sie die­ses in ihrer Situa­ti­on völ­lig unglück­li­che Wort ver­wen­de­te. Es spielt kei­ne Rol­le mehr, dass Wor­te per se nicht „gut“ oder „böse“ sind, oder wer das Wort sonst noch so ver­wen­det: Es war ein wei­te­res Buz­zword auf der Nazi-Bin­go-Kar­te, die das Publi­kum in den Hän­den hielt. Und auf dem letz­ten frei­en Feld stand „Auto­bah­nen“.

Das Medi­en­ge­schäft ist ein har­tes, schmut­zi­ges, durch­aus auch zyni­sches. Vie­le ahnungs­lo­se Men­schen kön­nen sich dar­in ver­hed­dern oder dar­in ver­lo­ren gehen. Eva Her­man muss sich als lang­jäh­ri­ge Jour­na­lis­tin und erfah­re­ne Pro­vo­ka­teu­se aber vor­wer­fen las­sen muss, dass sie offen­bar nicht abschät­zen konn­te, wor­auf sie sich ges­tern Abend ein­ließ.

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Hauptsache schön verpackt

Mein Search-Engi­ne-Opti­mi­zer hat mir gera­ten, mehr User Gene­ra­ted Work­flow in einem Mas­hup zu par­sen und Pri­va­te Equi­ta­na im Ran­dom Access unter Pro­tec­tion zu hal­ten.

Anders aus­ge­drückt: Wir pro­bie­ren mal was ganz cra­zy neu­es – eine Video­ko­lum­ne. Hat es so noch nie gege­ben. Nir­gends. Wird aber im Erfolgs­fal­le trotz­dem fort­ge­setzt.

Heu­te geht’s um ganz hei­ße Sachen:

[Direkt­link zu You­Tube]

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Rundfunk Digital Gesellschaft

Wo die Maus die Locken hat

Ich bin der Mei­nung, wir hat­ten die­se Woche noch nicht genug Puber­täts- und Nacke­dei­con­tent. Das lässt sich aber ganz schnell ändern:

Letz­ten Frei­tag ver­öf­fent­lich­te „Spie­gel Online“ einen Arti­kel unter der Über­schrift „Wir­bel um Vanes­sa Hud­gens: Die Tee­nie­stars und das sehr pri­va­te Foto“. Wir­bel um mir per­sön­lich völ­lig unbe­kann­te Men­schen fin­de ich immer inter­es­sant und so erfuhr ich, dass Vanes­sa Hud­gens in dem pop­kul­tu­rel­len Ereig­nis unse­rer Zeit mit­ge­spielt hat, das völ­lig an mir vor­bei­ge­gan­gen ist: „High School Musi­cal“. Der „Wir­bel“ um das „sehr pri­va­te Foto“ bestand dar­in, dass im Inter­net ein Foto auf­ge­taucht war, das die 18jährige Schau­spie­le­rin unbe­klei­det zeigt. Eine Situa­ti­on, die einer nicht gera­de gerin­gen Zahl ihrer (nicht pro­mi­nen­ten) Alters­ge­nos­sin­nen eben­falls dro­hen könn­te.

Nun ist es ja sowie­so schon mal ein inter­es­san­ter Ansatz, über einen „US-Shoo­ting­star“ zu berich­ten, der 98% der eige­nen Ziel­grup­pe völ­lig unbe­kannt sein dürf­te. Noch cle­ve­rer ist natür­lich, im Inter­net über Nackt­fo­tos im Inter­net zu berich­ten – man muss die Bil­der ja nicht mal zei­gen oder ver­lin­ken, die Leser wer­den sie schon von ganz allei­ne fin­den. Und sie­he da: Jo, es gibt ein Nackt­fo­to, man kann es an vie­len Orten fin­den und es ist, um es vor­sich­tig aus­zu­drü­cken: unspek­ta­ku­lär. In Deutsch­land fin­det man das in jedem Bio­lo­gie­buch der ach­ten Klas­se und jede Woche in der „Bra­vo“, in den USA halt eher nur auf den Fest­plat­ten von Teen­agern und irgend­wann dann halt im Inter­net.1

Man kann den sonst aus­schlach­tungs­wü­ti­gen US-Medi­en noch nicht mal vor­wer­fen, sie hät­ten son­der­lich auf­brau­send über den Fall berich­tet. Miss Hud­gens ent­schul­dig­te sich für den Vor­fall (bzw. dafür, die Bil­der je ange­fer­tigt zu haben) und auch als das Gerücht die Run­de mach­te, sie habe die­se oder ähn­li­che Bil­der vor ein paar Jah­ren per E‑Mail an den (in Deutsch­land nun völ­lig unbe­kann­ten) Nickel­ode­on-Star Dra­ke Bell geschickt, sagt der Dis­ney Chan­nel in einer Erklä­rung nur:

„Vanes­sa has apo­lo­gi­zed for what was obvious­ly a lap­se in judgment. We hope she’s lear­ned a valuable les­son.“

„Spie­gel Online“, denen die Geschich­te wirk­lich am … äh: Her­zen lie­gen muss, schrieb ges­tern dann:

Soll­te Hud­gens ihre Rol­le wei­ter spie­len dür­fen, könn­te das Sau­ber­mann-Image des Kon­zerns Scha­den neh­men. Schließ­lich könn­ten, so spe­ku­liert das Blatt, wei­te­re ähn­li­che Bil­der auf­tau­chen. Die Alter­na­ti­ve wäre, die Aktri­ce aus der Show zu wer­fen. Doch dann müss­ten Mil­lio­nen Eltern in ganz Ame­ri­ka ihren Kin­dern erklä­ren, war­um ihr Lieb­ling nicht mehr im drit­ten Film mit­spielt – und das könn­te für Dis­ney ein noch grö­ße­res Desas­ter wer­den.

Es scheint also zumin­dest so, dass Dis­ney die Zug­kraft von Vanes­sa Hud­gens für das fran­chise höher ein­schätzt als die „ver­stö­ren­de Wir­kung“ der Bil­der. Das fin­det nicht nur der Blog­ger McCaf­fer­ty bemer­kens­wert:

With that, an enorm­ous scan­dal sim­ply eva­po­ra­ted. Dis­ney respon­ded in a matu­re and adult man­ner, and the rest of Hol­ly­wood said, “Oh…”

I just do not get it! Hol­ly­wood exe­cu­ti­ves beha­ving in a com­ple­te­ly civi­li­zed way. What is our world coming to?

If this type of beha­vi­or were to con­ti­nue, who knows what else might hap­pen or might have hap­pen­ed? Ima­gi­ne Geor­ge Bush in 2002–2003 tel­ling the nati­on that he real­ly wan­ted to inva­de Iraq, but his inspec­tors were not able to find wea­pons of mass des­truc­tion. Would Geor­ge real­ly have said, “Let’s avo­id a blood bath and spend our time fight­ing the real war on ter­ror.”

Nun kann man hin­ter der gan­zen Akti­on natür­lich einen geschick­ten PR-Schach­zug ver­mu­ten, denn immer­hin ken­nen Sie und ich nun Vanes­sa Hud­gens (mög­li­cher­wei­se sogar bes­ser, als uns lieb ist). Ande­rer­seits dürf­te der der­zei­ti­ge Aus­gang der Geschich­te so kaum zu erwar­ten und das Risi­ko des­halb enorm gewe­sen sein.

Die Eltern­ver­bän­de, die jetzt viel­leicht noch ein biss­chen ran­da­lie­ren wer­den, fal­len unter die Rubrik „Brauch­tum“ und ihre Mit­glie­der wären bes­ser bera­ten, ihren eige­nen Kin­dern ein paar Grund­re­geln in Sachen E‑Mail-Ver­sand von Fotos bei­zu­brin­gen.

Und falls Dis­ney sie doch noch raus­schmeißt: Vanes­sa Hud­gens soll ein Ange­bot über 500.000$ von „Girls Gone Wild“ vor­lie­gen.

1 Das Phä­no­men einer wach­sen­den Zahl jun­ger Leu­te, die Halb­nackt- oder Nackt­bil­der von sich selbst ins Inter­net stel­len, wer­de ich zu einem spä­te­ren Zeit­punkt zu behan­deln ver­su­chen.

Nach­trag 14. Sep­tem­ber: „Spie­gel Online“ hat an dem The­ma wirk­lich einen Nack­ten Nar­ren gefres­sen und bringt heu­te schon die drit­te Mel­dung über Vanes­sa Hud­gens: Sie habe ihren Auf­tritt in der Tonight Show mit Jay Leno abge­sagt.

Der Text kul­mi­niert in die­sem Absatz:

Hud­gens ist bereits die zwei­te Jung­schau­spie­le­rin, die in der jüngs­ten Ver­gan­gen­heit dem TV-Tal­ker Jay Leno einen Korb gege­ben hat. Erst im Juli hat­te sich Lind­say Lohan nach einer Trun­ken­heits­fahrt gewei­gert,
bei Leno auf­zu­tre­ten (mehr…).

Der arme Jay Leno …