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Rundfunk Digital

Fahnenfluch (Metaware)

Da haben die Gra­fi­ker bei den „Tages­the­men“ also schon wie­der eine fal­sche Flag­ge ein­ge­blen­det – dies­mal die ame­ri­ka­ni­sche.

Und weil viel­leicht nicht jeder Deut­sche exakt weiß, wie die „Stars And Stripes“ aus­se­hen, erklärt „RP Online“ noch­mal, was genau noch­mal der Feh­ler war:

Kurz vor dem Ende der Sen­dung zeig­te die ARD nicht je drei rote und wei­ße Strei­fen, son­dern drei rote und vier wei­ße.

Na ja, fast

Nach­trag, 21:54 Uhr: Wie gesagt: „RP Online“ liest hier mit und stellt jetzt (etwas umständ­lich) klar:

Kurz vor dem Ende der Sen­dung zeig­te die ARD nicht je drei rote und wei­ße Strei­fen am lin­ken Rand unter­halb des Ster­nen­fel­des, son­dern einen wei­ßen zu viel.

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Musik

Meeting Ben Folds

Heu­te machen wir’s mal so rich­tig Dog­ma-mäßig: Auf Sie war­tet ein eng­lisch­spra­chi­ges Inter­view, unge­schnit­ten, gedreht in einer nicht wirk­lich ruhi­gen Hotel­lob­by, mit einem Cam­cor­der mit etwas ver­schmutz­ten Bild- und Ton­köp­fen.

War­um Sie sich das antun soll­ten? Nun, es ist ein Inter­view mit Ben Folds.

Teil 1:

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Unterwegs

Ground Zero, Square One

Ver­mut­lich weiß jeder Mensch, wo er war und was er tat, als am 11. Sep­tem­ber 2001 die Flug­zeu­ge ein­schlu­gen. Ich saß, gera­de aus der Schu­le gekom­men, am Küchen­tisch und aß eine Tief­kühl­piz­za, als mei­ne Mut­ter her­ein­stürm­te und sag­te, das World Trade Cen­ter ste­he in Flam­men. Den Rest des Tages ver­brach­te ich vor dem Fern­se­her und sah die Bil­der, von denen jeder sag­te, sie sei­en „wie im Kino“. Zu unvor­stell­bar waren die Ereig­nis­se und selbst die irgend­wann nach unten kor­ri­gier­ten Zah­len von knapp 3.000 Toten waren in einer Grö­ßen­ord­nung, die das eige­ne Hirn über­for­der­te.

Jetzt bin ich zum ers­ten Mal in mei­nem Leben in der „Stadt mit Loch“, Thees Uhl­mann New York im gleich­na­mi­gen Tom­te-Song nennt, und auch mit meh­re­ren Jah­ren Abstand sind die Anschlä­ge von jenem son­ni­gen Spät­som­mer­tag etwas Abs­trak­tes. Tau­sen­de Male hat man die Sze­nen von den explo­die­ren­den Flug­zeu­gen und den ein­stür­zen­den Tür­men seit­dem gese­hen, die mit Staub bedeck­ten Stra­ßen und Men­schen. Sie sind in der Zwi­schen­zeit pop­kul­tu­rel­le Iko­nen gewor­den und damit noch wei­ter ent­fernt von der Rea­li­tät eines west­deut­schen Stu­den­ten als sie es ohne­hin schon waren, als sie damals noch Nach­rich­ten­bil­der waren.

Wer das alte, voll­stän­di­ge New York nicht kann­te, merkt kaum, das etwas fehlt. Die Sky­line ist auch so noch beein­dru­ckend genug, die Stadt ist groß und laut und bunt. Von einer Melan­cho­lie oder Läh­mung, die man­che Jour­na­lis­ten auch nach Jah­ren noch zu ent­de­cken glau­ben, ist nichts zu bemer­ken. Die Stadt ist leben­di­ger als jede ande­re Stadt, in der ich bis­her war, und wer einen Moment nicht auf­passt als Fuß­gän­ger, gefähr­det sei­ne eige­ne Leben­dig­keit.

Dass etwas nicht stimmt, merkt man erst, wenn man die Fotos und Gemäl­de aus der Zeit vor den Anschlä­gen sieht, die im Bat­tery Park an der Süd­spit­ze Man­hat­tans zu Dut­zen­den an Tou­ris­ten ver­kauft wer­den sol­len. Die Twin Towers sind fast dop­pelt so hoch wie die ohne­hin schon beein­dru­cken­den Hoch­häu­ser, die man auch heu­te noch sehen kann. Ich hal­te die Zei­ge- und Mit­tel­fin­ger mei­ner rech­ten Hand vor mein Auge, um zwei Tür­me in die Sky­line zu malen. Es klappt nicht: so hohe Häu­ser lie­gen außer­halb der eige­nen Vor­stel­lung, wenn man am durch­weg fla­chen Nie­der­rhein auf­ge­wach­sen ist. Beein­druckt bin ich trotz­dem.

Ich gehe nach Nor­den, in Rich­tung des Ortes, den alle immer noch „Ground Zero“ nen­nen. Plötz­lich bre­chen die engen Stra­ßen­schluch­ten auf und vor mir liegt ein son­nen­durch­flu­te­ter Platz, groß sicher­lich, aber inmit­ten von gro­ßen Häu­sern in einer so gro­ßen Stadt wirkt er gar nicht so. Selbst die Gru­be, in der bereits an den Fun­da­men­ten des neu­en „Free­dom Towers“ gear­bei­tet wird, erscheint einem auf­grund der Pro­por­tio­nen eher wie eine belie­bi­ge Bau­stel­le in einer belie­bi­gen Innen­stadt. Drum­her­um ein Metall­zaun und Schil­der, auf denen die Hafen­be­hör­de von New York bit­tet, die­sen „Ort der beson­de­ren Erin­ne­rung“ wür­de­voll zu behan­deln, hier nicht zu bet­teln und hier nichts zu kau­fen oder zu ver­kau­fen. Eini­ge Män­ner bie­ten Foto­al­ben mit aus dem Inter­net aus­ge­druck­ten Fotos der Flug­zeug­ein­schlä­ge an, lachen­de Mäd­chen las­sen sich gemein­sam vor dem Zaun und dem dahin­ter­lie­gen­den Nichts foto­gra­fie­ren. Es ist die­se Mischung aus Gedenk­stät­ten­haf­tig­keit und Tou­ris­mus, die man in Ber­lin an jeder Ecke erle­ben kann. Drum­her­um ste­hen Hoch­häu­ser, deren Fas­sa­den und Fens­ter teil­wei­se immer noch mit Staub bedeckt sind – nach all den Jah­ren. Hin­ter dem ers­ten Neu­bau steht ein Haus, des­sen hal­be Fas­sa­de fehlt. Das ist anders als alles, was man kennt.

Die U‑Bahn-Sta­ti­on „World Trade Cen­ter“ gibt es immer noch, sie heißt auch immer noch so. Im ers­ten Unter­ge­schoss kann man durch einen Zaun in das Loch gucken, das von hier aus schon sehr viel grö­ßer wirkt als von oben. Wenn man wei­ter­geht, kommt man an einem Schild vor­bei, das einem erklärt, dass die U‑Bahn-Sta­ti­on „von hier an“ noch die ori­gi­na­le Sta­ti­on des World Trade Cen­ters sei. Die Kache­lung an der Wand beginnt selt­sam zer­franst – die Bruch­kan­te zwi­schen dem, was frü­her war, und dem, was jetzt ist. Die Ereig­nis­se sind immer noch so abs­trakt wie die Zahl der Todes­op­fer, aber die­se Kacheln sind kon­kret. Ich bekom­me eine Gän­se­haut und will nur noch weg.

[geschrie­ben im Novem­ber 2006]

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Musik Gesellschaft

Born In The NRW

Eines mei­ner Lieb­lings­vi­de­os bei You­Tube ist die­ses hier:

[Direkt­link]

Das Video ent­stand bei den MTV Video Music Awards 1997 und zeigt die Wall­flowers bei der Auf­füh­rung ihres Hits „One Head­light“ mit ihrem Gast­sän­ger Bruce Springsteen. Zum einen mag ich, wie Springsteen mit sei­nem Gesang und sei­nem Gitar­ren­so­lo den ohne­hin tol­len Song noch mal zusätz­lich ver­edelt, zum ande­ren kann man aus die­sem Auf­tritt viel über die ame­ri­ka­ni­sche Pop­kul­tur und ihren Unter­schied zur deut­schen ablei­ten.

Auch wenn man nicht immer dar­auf her­um­rei­ten soll: der Sän­ger der Wall­flowers ist Jakob Dylan, Sohn von Bob Dylan, der seit mehr als vier Jahr­zehn­ten ein Super­star ist. Er singt dort gemein­sam mit Bruce Springsteen, der seit gut drei Jahr­zehn­ten ein Super­star ist. In Deutsch­land gibt es kei­ne Söh­ne berühm­ter Musi­ker, die selbst Rock­stars gewor­den wären, von daher kann man schon aus fami­liä­ren Grün­den kei­ne Ana­lo­gien bil­den, aber auch der Ver­such, ein Äqui­va­lent für Vater Dylan ((Sagen Sie bloß nicht „Wolf­gang Nie­de­cken“!)) oder Springsteen zu fin­den, wür­de schnell schei­tern.

Nun kann man natür­lich sagen, dass ich am fal­schen Ende suche: Dylan und Springsteen haben bei­de einen mehr (Dylan) oder weni­ger (Springsteen) vom Folk gepräg­ten Hin­ter­grund, man müss­te also in Deutsch­land im Volks­mu­sik- oder Schla­ger­be­reich suchen. Damit wür­de das Unter­neh­men aber end­gül­tig zum Desas­ter, denn das, was heu­te als volks­tüm­li­cher Schla­ger immer noch erstaun­lich gro­ße Zuhö­rer- und vor allem Zuschau­er­zah­len erreicht, hat mit wirk­li­cher Folk­lo­re weit weni­ger zu tun als Gangs­ta Rap mit den Skla­ven­ge­sän­gen auf den Baum­woll­fel­dern von Ala­ba­ma.

USA: Public Library, New York City

Die Net­zei­tung woll­te kürz­lich kett­car-Sän­ger Mar­cus Wie­busch zum deut­schen Springsteen erklä­ren, was ange­denk des neu­en kett­car-Albums gar nicht mal so abwe­gig ist, wie es sich erst anhört. Her­bert Grö­ne­mey­er kann ja nicht alles sein und die Posi­ti­on „einer von uns, der über unse­re Welt singt“ kann von einem noch so ver­dien­ten Wahl-Lon­do­ner nur schwer­lich besetzt wer­den. Was aber inhalt­lich halb­wegs pas­sen mag, sieht auf der Popu­la­ri­täts­ebe­ne schon wie­der anders aus: jemand, der für die Men­schen spricht, muss auch bei den Men­schen bekannt sein. Mar­cus Wie­busch ist weit davon ent­fernt, ein natio­na­ler Star zu sein, ganz zu schwei­gen vom inter­na­tio­na­len Super­star. ((Ich muss aller­dings zuge­ben, dass die Vor­stel­lung, Jan Fed­der könn­te mal als CDU-Bun­des­kanz­ler kan­di­die­ren und ver­su­chen, sei­nen Wahl­kampf mit „Lan­dungs­brü­cken raus“ auf­zu­hüb­schen, irgend­wie schon was hat.))

Im Grun­de genom­men ist schon die Suche nach einem deut­schen die­sen oder einem deut­schen jenen der fal­sche Ansatz: Mar­cus Wie­busch wird nie der deut­sche Springsteen sein und Til Schwei­ger schon gar nicht der deut­sche Brad Pitt. Harald Schmidt war nie der deut­sche David Let­ter­man und über­haupt wird es in Deutsch­land nie eine rich­ti­ge Late Night Show geben, schon weil die Zuschau­er mit einem ganz ande­ren kul­tu­rel­len Hin­ter­grund auf­ge­wach­sen und auch gar nicht in ver­gleich­ba­ren Grö­ßen­ord­nun­gen vor­han­den sind.

Es gibt aber auch genau­so wenig einen ame­ri­ka­ni­schen Goe­the, Schil­ler, Klop­stock, Schle­gel oder Beet­ho­ven – was unter ande­rem damit zusam­men­hän­gen könn­te, dass das unglaub­li­che Schaf­fen die­ser Her­ren in eine Zeit fiel, als sich die USA gera­de zu einem eigen­stän­di­gen Staa­ten­ver­bund erklärt und wich­ti­ge­res zu tun hat­ten, als ein kul­tu­rel­les Zeit­al­ter zu prä­gen. Sie muss­ten zum Bei­spiel die Demo­kra­tie erfin­den.

Womit wir direkt in der ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik von heu­te wären: allen drei ver­blie­be­nen Kan­di­da­ten für das Amt des US-Prä­si­den­ten darf man Cha­ris­ma und inhalt­li­che Stär­ke auf min­des­tens einem Gebiet beschei­ni­gen. Egal, ob der nächs­te Prä­si­dent John McCain, Barack Oba­ma oder Hil­la­ry Clin­ton hei­ßen wird, er (oder sie) wird mehr Aus­strah­lung haben als das ver­sam­mel­te deut­sche Kabi­nett. Das liegt natür­lich nicht nur dar­an, dass man in den USA auf 3,75 Mal so vie­le Men­schen zurück­grei­fen kann wie in Deutsch­land, son­dern auch dar­an, dass die­se Poli­ti­ker ganz anders geschult wur­den und ein ganz ande­res Publi­kum anspre­chen. Jemand wie Kurt Beck könn­te es kaum zum stell­ver­tre­ten­den Nach­bar­schafts­vor­ste­her schaf­fen. ((Wobei Beck ein schlech­tes Bei­spiel ist, weil bei ihm ja nie­mand so genau weiß, wie er es zum Vor­sit­zen­den einer ehe­ma­li­gen Volks­par­tei hat schaf­fen kön­nen.))

Die kul­tu­rel­len Unter­schie­de zwi­schen Deutsch­land und den USA sind eben erheb­li­che und sie las­sen sich auch nicht durch eine ver­meint­li­che „Ame­ri­ka­ni­sie­rung“ unse­rer Kul­tur über­win­den: selbst wenn jeder deut­sche Mann sein Jung­ge­sel­len­da­sein mit viel Alko­hol und Strip­pe­rin­nen been­de­te ((Als ob das alle Ame­ri­ka­ner täten …)) wäre das ja nur eine Über­nah­me von Form und nicht von Inhalt. Deut­sche wer­den auf ewig ihr Früh­stücks­ei auf­schla­gen und als ein­zi­ges zivi­li­sier­tes Volk der Welt ihr Pop­corn gesüßt ver­spei­sen. Deut­sche wer­den wohl nie ver­ste­hen, wel­che Bedeu­tung es für Ame­ri­ka­ner hat, dass (fast) jeder eine Waf­fe tra­gen darf, obwohl sie selbst fast genau­so argu­men­tie­ren, wenn ihnen mal wie­der jemand ein Tem­po­li­mit vor­schlägt. ((Ich wäre übri­gens für eine Beschrän­kung des Waf­fen­rechts und für ein Tem­po­li­mit und wür­de mir in bei­den Län­der weni­ge Freun­de machen.))

Deutschland: Potsdamer Platz, Berlin

Wer sich ein­mal „alte“ Gebäu­de in den USA ange­schaut hat, dar­un­ter eini­ge, die vor 100 bis 120 Jah­ren gebaut wur­den, wird fest­stel­len, wie extrem man sich damals an archi­tek­to­ni­schen Sti­len ori­en­tier­te, die in Euro­pa längst der Ver­gan­gen­heit ange­hör­ten: wo es um gro­ßes Geld oder Hoch­kul­tur geht, stößt man auf Klas­si­zis­mus, Roman­tik oder Renais­sance. Die gro­ße Stun­de der USA schlug erst, als ihre Pop­kul­tur in Form des viel­zi­tier­ten Rock’n’Roll und Coca Cola das kul­tu­rel­le Vaku­um aus­füll­te, das nach dem zwei­ten Welt­krieg in Deutsch­land vor­herrsch­te. Seit­dem bemüht man sich hier, ame­ri­ka­nisch zu wir­ken, was sicher noch dazu führt, dass eines Tages jede Dorf­knei­pe mit Star­buck­si­ger Loun­g­eig­keit auf­war­ten wird.

Ich mag bei­de Län­der.

Mehr über die USA, Deutsch­land und die kul­tu­rel­len Unter­schie­de steht in fol­gen­den emp­feh­lens­wer­ten Blogs:
USA erklärt Ein Deutsch-Ame­ri­ka­ner in Deutsch­land erklärt die USA (deutsch)
Ger­man Joys Ein Ame­ri­ka­ner in Deutsch­land schreibt über Deutsch­land (eng­lisch)
Not­hing For Ungood Noch ein Ame­ri­ka­ner in Deutsch­land, der über Deutsch­land schreibt (eng­lisch)

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Digital Gesellschaft

Ein schöner Rücken kann auch ein Skandal sein

„Sag mir, wer Miley Cyrus ist!“, gehör­te bis vor­ges­tern nicht zu den Fra­gen, die ich sofort hät­te beant­wor­ten kön­nen, wenn man mich um halb sechs mor­gens wach­ge­schüt­telt hät­te. Ich bin ein­fach zu alt, um „Han­nah Mon­ta­na“, die über­aus erfolg­rei­che TV-Serie vom Dis­ney Chan­nel, je gese­hen zu haben. Heu­te weiß ich natür­lich, wer Miley Cyrus ist, und Sie alle wer­den es auch wis­sen: sie ist die Haupt­per­son des neu­es­ten „Nackt­skan­dals“ in den USA.

Was war dies­mal gesche­hen? Annie Lei­bo­vitz, die ver­mut­lich bekann­tes­te und renom­mier­tes­te leben­de Foto­gra­fin der Welt, hat­te die 15jährige Ms. Cyrus für „Vani­ty Fair“ foto­gra­fiert – „oben ohne“, wie die Agen­tu­ren ver­mel­den, oder ana­to­misch kor­rekt: mit ent­blöß­tem Rücken. Das Foto dürf­te maxi­mal aus­rei­chen, bei Män­nern Beschüt­zer­instink­te zu wecken und dem Kind die eige­ne Jacke umzu­le­gen, aber es ent­fach­te einen „Skan­dal“, der zumin­dest in die­sem Monat sei­nes­glei­chen sucht.

Denn kaum war das Foto im Wer­be­spot für die Juni-Aus­ga­be von „Vani­ty Fair“ über die ame­ri­ka­ni­schen Bild­schir­me geflim­mert, empör­ten sich die ers­ten Eltern in Inter­net­fo­ren und Blogs:

It’s time that par­ents real­ly start thin­king serious­ly about the Sexua­liza­ti­on of Child­ren, and how mar­ket­ers are tar­ge­ting very young child­ren, caus­ing young girls and boys to grow up way too fast. The only way mar­ket­ers are going to be forced to stop sexua­li­zing child­ren is when par­ents final­ly stand up and say, “We’re not going to take it any­mo­re!”, and boy­cott stores that mar­ket this sort of smut to kids.

Für Dis­ney, wo man mit Miley Cyrus/​Hannah Mon­ta­na unfass­bar viel Geld ver­dient, war schnell klar, dass man reagie­ren muss­te. Man ent­schied sich des­halb zum Angriff auf „Vani­ty Fair“ und Annie Lei­bo­vitz:

A Dis­ney spo­kes­wo­man, Pat­ti McTeague, faul­ted Vani­ty Fair for the pho­to. “Unfort­u­na­te­ly, as the artic­le sug­gests, a situa­ti­on was crea­ted to deli­bera­te­ly mani­pu­la­te a 15-year-old in order to sell maga­zi­nes,” she said.

[New York Times]

Und Miley Cyrus, deren Eltern ((Ihr Vater Bil­ly Ray Cyrus ist als Coun­try­ro­cker durch­aus Show­biz-erfah­ren.)) beim Foto­shoot anwe­send waren, fühl­te sich plötz­lich ver­ra­ten und bereu­te alles:

“I took part in a pho­to shoot that was sup­po­sed to be ‘artis­tic’ and now, see­ing the pho­to­graphs and rea­ding the sto­ry, I feel so embar­ras­sed. I never inten­ded for any of this to hap­pen and I apo­lo­gi­ze to my fans who I care so deep­ly about.”

[eben­da]

Man hät­te ahnen kön­nen, dass zumin­dest ein Teil der ame­ri­ka­ni­schen Eltern­schaft den Welt­un­ter­gang her­auf­zie­hen sieht, wenn ein Vor­bild ((Und genau das dürf­te die­ses komi­sche Miley­/H­an­nah-Kon­strukt für vie­le sein.)) ihrer Kin­der plötz­lich mit rot­be­mal­tem Mund und blo­ßem Rücken zu sehen ist. Inso­fern hat Jac Che­ba­to­ris nicht Unrecht, wenn er im Inter­net­auf­tritt von „News­week“ schreibt:

But her par­ents atten­ded and moni­to­red the shoot. And Miley hers­elf is by now well stee­ped in the maneu­verings of cele­bri­ty. Wit­ting or unwit­ting, she should have known bet­ter. And she plain­ly did not see the back­lash coming until too late.

Schon letz­te Woche hat­te es einen mit­tel­schwe­ren „Skan­dal“ gege­ben, als im Inter­net pri­va­te Fotos auf­tauch­ten, auf denen Miley Cyrus ihren BH und ihren nack­ten Bauch zeigt. (Hin­weis, 6. August 2008: Die­se Behaup­tung ist offen­bar völ­li­ger Unfug: In der „Huf­fing­ton Post“ war von einem „Cyrus look-ali­ke“ die Rede. Vie­len Dank an Jen für den Hin­weis.) Wie schon im ver­gan­ge­nen Jahr bei Vanes­sa Hud­gens (Star des ande­ren gro­ßen Dis­ney fran­chise „High School Musi­cal“) taten sich als­bald zwei Lager auf: der Piet­cong, der Image und Kar­rie­re sofort rui­niert sah, und das Blog­ger- und Kom­men­ta­to­ren­pack, das ange­sichts von Teen­agern, die auf pri­va­ten Fotos ihre Unter­wä­sche zei­gen, sofort von Por­no­kar­rie­ren zu sab­bern beginnt.

Bei­de Sei­ten ver­ken­nen: In Zei­ten von Digi­tal­ka­me­ras sind Teen­ager, die sich und ihren Kör­per foto­gra­fie­ren, unge­fähr so all­täg­lich wie Kat­zen­bil­der. Sind die­se Teen­ager dann auch noch pro­mi­nent, ist die Chan­ce, dass die Bil­der bin­nen Wochen­frist im Inter­net lan­den, immens hoch. Ver­mut­lich wird man zukünf­tig kei­nen ein­zi­gen Tee­nie-Star fin­den, von dem es kei­ne sol­chen Bil­der gibt. Die­ser Tat­sa­che müs­sen Eltern genau­so ins Auge bli­cken wie der Tat­sa­che, dass ihre eige­nen Kin­der dem ver­mut­lich in nichts nach­ste­hen wer­den. ((Gucken Sie jetzt bit­te nicht auf dem Com­pu­ter Ihres Kin­des nach.))

Natür­lich ist die gan­ze Geschich­te von so immensem Nach­rich­ten­wert, dass sie auch im deut­schen Online­jour­na­lis­mus aus­führ­lich gewür­digt wer­den muss. Und zwar in der Net­zei­tung, bei bild.de, stern.de, welt.de, n‑tv.de, „Spie­gel Online“ und im News-Ticker von sueddeutsche.de.

Und bevor Sie sich jetzt wie­der über die „prü­den Amis“ aus­las­sen: der nächs­te „Nazi­skan­dal“ kommt bestimmt!

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Fernsehen Rundfunk

I blog to differ

Da wir ja gera­de noch so von Ellen Page geschwärmt hat­ten: Das Froll­ein war vor vier Wochen zu Gast bei „Satur­day Night Live“, dem Come­dy-Dau­er­bren­ner in den USA und Vor­bild für „RTL Sams­tag Nacht“.

Ich habe die Vide­os natür­lich erst jetzt gefun­den, möch­te Sie Ihnen aber den­noch nicht vor­ent­hal­ten:

Und als Zuga­be wäre da dann noch der Musik­gast jener Aus­ga­be: Wil­co!

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Musik

It’s not California here

Ich kam in letz­ter Zeit eher sel­ten zum Hören neu­er Ton­trä­ger, wes­halb auch die letz­te Lis­ten­pa­nik so lan­ge gebraucht hat. Schuld dar­an ist ein etwas älte­res Album, das ich bei­na­he täg­lich höre, hören muss: „Fun­nel Cloud“ von Hem.

Hem kom­men aus Brook­lyn, NY und spie­len „Coun­try­po­li­tan“, „Indie Folk-Rock“ oder „Folk Pop“. Letzt­lich ist es natür­lich egal, wie man das nennt, als gro­be Rich­tungs­an­ga­be reicht, dass sie wun­der­schö­ne, eher ruhi­ge Musik nord­ame­ri­ka­ni­scher Prä­gung machen. Und weil mit Sal­ly Elly­son eine Frau singt, ist man mit Joni-Mit­chell-Ver­glei­chen schnell zur Hand und rela­tiv nah dran.

Sehr wohl California

Ken­nen­ge­lernt habe ich die Band durch ihren Song „Not Cali­for­nia“, den ich vor etwa andert­halb Jah­ren auf der CD-Bei­la­ge des ame­ri­ka­ni­schen „Pas­te“-Maga­zins fand. Nach mei­ner Rück­kehr aus Kali­for­ni­en wähn­te ich in dem Text mein gan­zes Fern­weh aus­ge­drückt – auch wenn er ganz anders gemeint war. Nach­dem ich das Lied etwa ein Jahr lang gehört hat­te, woll­te ich doch mal mehr von der Band ken­nen ler­nen. Im Import waren die CDs gro­tesk teu­er, bei iTu­nes (ja, selbst im deut­schen iTu­nes Music Store) kos­te­te die Musik gera­de mal 9,99 Euro. So kauf­te ich „Fun­nel Cloud“, das vier­te Album der Band, wo auch „Not Cali­for­nia“ drauf ist, hör­te und war hin und weg.

Ich habe häu­fi­ger beim Musik­hö­ren Bil­der vor Augen, aber bei „Fun­nel Cloud“ waren sie beson­ders stark: Das gan­ze Album klingt wie der Sound­track zu einem end­lo­sen Herbst­nach­mit­tag in den nord­ka­li­for­ni­schen Hügeln. Die Son­ne steht die gan­ze Zeit über tief am Him­mel und man spürt den Staub, der beim Streif­zug über die tro­cke­nen Wie­sen an den Schu­hen kle­ben bleibt. Nicht schlecht für eine Band, die genau aus der ent­ge­gen­ge­setz­ten Ecke der USA kommt.

Auch California

Und so ist „Fun­nel Cloud“ andert­halb Jah­re nach sei­nem Erschei­nen mein bis­her meist gehör­tes Album des Jah­res 2008. Die ange­nehm dahin­plät­schern­de Musik beru­higt mich, wenn ich ent­nervt im nord­rhein-west­fä­li­schen Nah­ver­kehr fest­hän­ge, und wenn ich das Album am Com­pu­ter höre, bin ich danach immer ganz erstaunt, in Bochum zu sit­zen und nicht irgend­wo in der unend­li­chen Land­schaft Ame­ri­kas. Ich möch­te Ihnen drin­gend ans Herz legen, wenigs­tens mal rein­zu­hö­ren.

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Band­pro­fil bei MySpace
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Digital

Klickbefehl (8)

The Ger­man news media have repor­ted that no pro­mi­nent exe­cu­ti­ve from a Ger­man blue-chip com­pa­ny was impli­ca­ted in the scan­dal. If that turns out to be true, experts said, a reason may be that the­se exe­cu­ti­ves have more expe­ri­ence with the exi­gen­ci­es of glo­bal norms and ethics.

Wie­so muss ich eigent­lich immer erst Tex­te in der „New York Times“ lesen, bis ich das Gefühl habe zu ver­ste­hen, was in Deutsch­land los ist? Die­ser beleuch­tet den aktu­el­len Steu­er­skan­dal jeden­falls mal unauf­ge­regt aus einer ande­ren Rich­tung.

* * *

Es ist kein ange­neh­mes Gefühl, in Unkennt­nis der genau­en Steue­rung eines Spiels von einem Neun­jäh­ri­gen umdrib­belt zu wer­den.

Es ist kein ange­neh­mes Gefühl, selbst mit f’ing Ronald­in­ho kei­nen Paß und kei­nen Schuß gegen einen Neun­jäh­ri­gen durch­zu­krie­gen.

Es ist kein ange­neh­mes Gefühl, einen Neun­jäh­ri­gen nur durch ein bru­ta­les Foul im inners­ten Straf­raum von einem siche­ren Tor abhal­ten zu kön­nen.

Andre­as C. Lazar berich­tet über sei­ne „Nah­tod­erfah­rung“ beim Kon­so­le-Spie­len in einem Elek­tronik­markt.

* * *

Die deut­schen Sen­der scheu­en sich noch etwas davor, dies zu erken­nen. Man müss­te sich selbst zu unan­ge­neh­me Fra­gen stel­len, wenn eine Serie im DVD-Ver­kauf ver­hält­nis­mä­ßig erfolg­rei­cher ist als im eige­nen Pro­gramm. Es wür­de ent­lar­ven, dass es offen­bar im Sen­der zu ver­ant­wor­ten­de Feh­ler bei Pro­gram­mie­rung oder Bewer­bung gab oder der Zuschau­er die immer häu­fi­ge­ren Wer­be­ein­blen­dun­gen im lau­fen­den Pro­gramm ein­fach gezielt ver­mei­den will. So oder so kei­ne schö­ne Erkennt­nis. Sie wür­de den Sen­dern in sol­chen Fäl­len eine noch grö­ße­re Ver­ant­wor­tung für Quo­ten­flops beschei­ni­gen.

Bei dwdl.de beschäf­tigt man sich mit Seri­en­ab­set­zun­gen und ‑wie­der­auf­nah­men in den USA und in Deutsch­land und der Macht des Zuschau­ers (Kurz­zu­sam­men­fas­sung: In Deutsch­land hat er kei­ne).

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Rundfunk Politik

Florida Lady

3.595 Stim­men beträgt im vor­läu­fi­gen amt­li­chen End­ergeb­nis die Dif­fe­renz zwi­schen der CDU und der SPD in Hes­sen. Das ist weni­ger als die 6.027 Stim­men, die die SPD bei der Bun­des­tags­wahl 2002 vor der CDU/​CSU lag, aber bedeu­tend mehr als die 537 Stim­men Unter­schied zwi­schen Geor­ge W. Bush und Al Gore in Flo­ri­da (bei mehr als dop­pelt so vie­len abge­ge­be­nen Stim­men).

Ähn­lich span­nend wie damals in Flo­ri­da war es auch heu­te Abend. In der ARD bewies Infra­test dimap mal wie­der, dass man teu­re Wahl­um­fra­gen auch wun­der­bar durch wür­feln­de Affen erset­zen könn­te, denn am Ende waren alle wich­ti­gen Details anders als pro­gnos­ti­ziert: Um 18 Uhr lag die SPD bei 37,5%, die CDU bei 35,7%, Die Lin­ke wäre drau­ßen geblie­ben. Roland Koch wird sich also mor­gen trotz her­ber Ver­lus­te rüh­men kön­nen, man habe ihn zu früh abge­schrie­ben.

Ähn­lich wie damals in Flo­ri­da gab es offen­bar erheb­li­che Pro­ble­me und Unre­gel­mä­ßig­kei­ten mit Wahl­com­pu­tern, die der Cha­os Com­pu­ter Club in einer Pres­se­mit­tei­lung zusam­men­ge­fasst hat. Und in den Qua­li­täts­me­di­en fin­det sich dazu (anders als in Blogs) kein Wort.

Nach­trag 13:52 Uhr: Die Rhein-Main-Zei­tung hat einen Arti­kel zum The­ma online.

Nach­trag 20:14 Uhr: Eine Mel­dung zum The­ma hat’s sogar auf „Bild.de“ geschafft.

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Die volkstümliche Schlägerparade

Bis vor drei Wochen gab es in Deutsch­land aus­schließ­lich net­te, klu­ge Jugend­li­che, die zwar viel­leicht ab und zu mal Amok­läu­fe an ihren Schu­len plan­ten, aber das waren ja die Kil­ler­spie­le schuld. Seit Ende Dezem­ber reicht es nicht, dass die Jugend­li­chen in der U‑Bahn nicht mehr für älte­re Mit­men­schen auf­ste­hen, sie tre­ten die­se jetzt auch noch zusam­men. Plötz­lich gibt es in Deutsch­land Jugend­ge­walt – so viel, dass die „Bild“-„Zeitung“ ihr eine eige­ne Serie (Teil 1, Teil 2, Teil 3, …) wid­met. Bei „Bild“ sind aller­dings immer die Aus­län­der schuld.

Mit dem The­ma Jugend­kri­mi­na­li­tät ist es wie mit jedem The­ma, das jah­re­lang tot­ge­schwie­gen wur­de: Plötz­lich ist es aus hei­te­rem Wahl­kampf-Him­mel in den Medi­en und alle haben ganz töf­te Erklä­run­gen dafür und Mit­tel dage­gen. In die­sem kon­kre­ten Fall füh­ren sich die Poli­ti­ker auf wie Eltern, die ihre Kin­der die gan­ze Zeit ver­nach­läs­sigt haben und dann plötz­lich, als sie die nicht mehr ganz so lie­ben Klei­nen auf der Poli­zei­wa­che abho­len muss­ten, „War­um tust Du uns das an?“ brül­len und dem Blag erst­mal eine lan­gen. Nur, dass „Ver­nach­läs­si­gung“ in der Poli­tik eben nicht „kei­ne gemein­sa­men Aus­flü­ge in den Zoo“ und „das Kind allei­ne vor dem RTL-II-Nacht­pro­gramm hocken las­sen“ heißt, son­dern „Zuschüs­se für die Jugend­ar­beit strei­chen“ und „desas­trö­ses­te Bil­dungs­po­li­tik betrei­ben“.

Ich hal­te wenig von Gene­ra­tio­nen-Eti­ket­tie­rung, ein gemein­sa­mer Geburts­jahr­gang sagt zunächst ein­mal gar nichts aus. Auch wenn Phil­ipp Lahm und ich im Abstand von sechs Wochen auf die Welt gekom­men und wir bei­de mit „Duck Tales“, Kin­der-Cola und „Kevin allein zuhaus“ auf­ge­wach­sen sind, wäre der sym­pa­thi­sche klei­ne Natio­nal­spie­ler doch nicht unbe­dingt unter den ers­ten ein­hun­dert Leu­ten, die mir ein­fie­len, wenn ich mir ähn­li­che Per­so­nen auf­sa­gen soll­te. ((Mei­ne Fuß­bal­ler­kar­rie­re ende­te zum Bei­spiel nach einem ein­ma­li­gen Pro­be­trai­ning in der D‑Jugend.)) Es gibt in jeder Alters­grup­pe (und bei jeder Pass­far­be, Eth­ni­zi­tät, sexu­el­len Ori­en­tie­rung, Kör­per­form, Haar­län­ge und Schuh­grö­ße) sym­pa­thi­sche Per­so­nen und Arsch­lö­cher. Mög­li­cher­wei­se war zum Bei­spiel die Chan­ce, in einer Stu­den­ten-WG an Mit­be­woh­ner zu gera­ten, die sich nicht an den Putz­plan hal­ten und ihre Bröt­chen­krü­mel nicht aus dem Spül­stein ent­fer­nen, vor vier­zig Jah­ren bedeu­tend höher als heu­te, und auch wenn Schlun­zig­keit kein Gewalt­ver­bre­chen ist, so ist doch bei­des sehr unschön für die Betrof­fe­nen.

Doch ich schwei­fe ab: Das Kri­mi­no­lo­gi­sches For­schungs­in­sti­tut Nie­der­sach­sen e.V. mit sei­nem viel­zi­tier­ten und fast zu Tode inter­view­ten Direk­tor Prof. Dr. Chris­ti­an Pfeif­fer hat im ver­gan­ge­nen Jahr eine Stu­die zum The­ma „Gewalt­tä­tig­keit bei deut­schen und nicht­deut­schen Jugend­li­chen“ ver­öf­fent­licht.

Auf Sei­te 4 gibt es einen recht schlüs­sig erschei­nen­den Erklä­rungs­ver­such, war­um gera­de bestimm­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen eher zu Gewalt nei­gen als ande­re:

Beson­de­re Rele­vanz für eine erhöh­te Gewalt­tä­tig­keit von Nicht­deut­schen scheint aktu­el­len Stu­di­en zufol­ge bestimm­ten, mit Gewalt asso­zi­ier­ten Männ­lich­keits­vor­stel­lun­gen zuzu­kom­men. Die­sen hän­gen in ers­ter Linie tür­ki­sche, aber auch rus­si­sche Jugend­li­che an (vgl. Enzmann/​Brettfeld/​Wetzels 2004, Strasser/​Zdun 2005). Die Männ­lich­keits­vor­stel­lun­gen resul­tie­ren aus einem Ehr­kon­zept, das sich unter spe­zi­fi­schen gesell­schaft­li­chen Bedin­gun­gen her­aus­ge­bil­det hat. […] Der Mann als Fami­li­en­vor­stand muss Stär­ke demons­trie­ren, um even­tu­el­le Angrei­fer bereits im Vor­hin­ein abzu­schre­cken.

Lai­en­haft ver­stan­den und über­spitzt gesagt: Eva Her­mans Ruf nach der Rück­kehr ins Patri­ar­chat wür­de auf lan­ge Sicht dazu füh­ren, dass wir wie­der mehr prü­geln­de Jungs hät­ten, weil die archai­schen Männ­lich­keits­bil­dern anhän­gen und den dicken Lar­ry mar­kie­ren wür­den. Oder anders: In Ober­bay­ern wer­den nur des­halb kei­ne Leu­te in U‑Bahnen zusam­men­ge­schla­gen, weil es dort kei­ne U‑Bahnen gibt.

Noch span­nen­der ist aber wohl der auf Sei­te 5 aus­ge­führ­te Ansatz, wonach der ver­meint­lich hohe Anteil an kri­mi­nel­len Aus­län­dern auch ein Wahr­neh­mungs­pro­blem ist:

Die eti­ket­tie­rungs­theo­re­ti­sche Erklä­rung sieht den Grund für eine höhe­re Kri­mi­na­li­täts­be­las­tung dabei nicht allein auf Sei­ten der Migran­ten, son­dern sie bezieht das Ver­hal­ten der Ein­hei­mi­schen mit ein. So konn­te u.a. gezeigt wer­den, dass die Kri­mi­na­li­sie­rungs­wahr­schein­lich­keit (d.h. die Regis­trie­rung als Tat­ver­däch­ti­ger) bei Aus­län­dern im Ver­gleich zu den Deut­schen dop­pelt bis drei­mal so hoch ist (Albrecht 2001; Mansel/​Albrecht 2003). Zudem exis­tie­ren Befun­de, die bele­gen, dass straf­fäl­lig gewor­de­ne Aus­län­der einer zuneh­mend här­te­ren Sank­ti­ons­pra­xis aus­ge­setzt sind (vgl. Pfeif­fer et al. 2005, S. 77ff). Abwei­chung, so die dar­aus ableit­ba­re The­se, ist nicht nur des­halb unter den eth­ni­schen Min­der­hei­ten ver­brei­te­ter, weil die­se tat­säch­lich öfter ein ent­spre­chen­des Ver­hal­ten zei­gen, son­dern weil die auto­chtho­ne Bevöl­ke­rung bzw. ihre Straf­ver­fol­gungs­or­ga­ne die Abwei­chung von Migran­ten anders wahr­nimmt und auf sie beson­ders sen­si­bel reagiert.

Und wer ein­mal im Gefäng­nis sitzt, lernt dort die fal­schen Leu­te ken­nen, fin­det kei­nen Job mehr und befin­det sich mit­ten­drin in einer Abwärts­spi­ra­le. Der „kri­mi­nel­le Aus­län­der“ ist also zum Teil eine selbst erfül­len­de Pro­phe­zei­hung: Wie oft liest man in der Pres­se von jun­gen Tür­ken, Grie­chen oder Alba­nern, die gewalt­tä­tig gewor­den sind, und wie sel­ten von jun­gen Deut­schen? Bei Deut­schen lässt man in Deutsch­land die Staats­bür­ger­schaft ein­fach weg und der Leser nimmt die Natio­na­li­tät nur wahr, wenn es sich Aus­län­der han­delt. Die Situa­ti­on ist ver­gleich­bar mit den schlecht gepark­ten Autos auf dem Sei­ten­strei­fen, die Sie auch nur wahr­neh­men, wenn eine Frau aus­steigt.

Als ich vor andert­halb Jah­ren für drei Mona­te in San Fran­cis­co weil­te (wo ich mich übri­gens stets sehr sicher fühl­te – auch, weil ich kei­ne loka­len Zei­tun­gen las), wur­de ich eines Tages auf dem Fuß­weg in die Innen­stadt von einem jun­gen Mann ange­rem­pelt. Es war nicht son­der­lich bru­tal, der Mann woll­te nur offen­bar genau dort lang gehen, wo ich stand. So etwas pas­siert einem in deut­schen Fuß­gän­ger­zo­nen nahe­zu täg­lich. Der jun­ge Mann aber war von schwar­zer Haut­far­be und aus dem Fern­se­hen glau­ben wir zu wis­sen: Schwar­ze bege­hen viel mehr Ver­bre­chen als Wei­ße. Ich als auf­ge­schlos­se­ner, ratio­na­ler Mensch muss­te mein Hirn zwin­gen, die­sen Vor­fall nicht als sym­pto­ma­tisch abzu­tun: Nach gröbs­ten sta­tis­ti­schen Schät­zun­gen wur­de ich im Jahr 2006 etwa 42 Mal ange­rem­pelt. In 95% der Fäl­le waren es unfreund­li­che Rent­ner in grau­en Stoff­ja­cken, her­ri­sche Frau­en mit mür­ri­schem Gesichts­aus­druck und dicke unge­zo­ge­ne Kin­der in Deutsch­land. Aber das war All­tag – und in die­sem einen Fall pass­te der Remp­ler auf­grund sei­ner Haut­far­be in ein dif­fu­ses Täter­pro­fil, dass ich im Hin­ter­kopf hat­te. Ich war von mir selbst scho­ckiert.

In San Fran­cis­co wur­de ich noch ein wei­te­res Mal ange­rem­pelt: Als ich an Hal­lo­ween auf der Stra­ße stand, lief eine Grup­pe Jugend­li­cher an mir vor­bei. Jeder ein­zel­ne ver­pass­te mir einen Schul­ter­check, bis ich schließ­lich auf den Geh­weg flog. ((Ich beein­druck­te die Fest­ge­mein­de, indem ich bei dem Sturz kei­nen ein­zi­gen Trop­fen Bier aus mei­ner Dose ver­schüt­te­te. Es war das ers­te und ein­zi­ge Mal in mei­nem Leben, dass ich mich als Deut­scher fühl­te.)) Ihre genaue Eth­ni­zi­tät konn­te ich nicht erken­nen, aber schwarz waren sie nicht. Mei­ne ame­ri­ka­ni­schen Freun­de waren ent­setzt und ver­si­cher­ten mir teils am Ran­de der Trä­nen, dass so etwas in die­ser Gegend sonst nie vor­kä­me. Ich sag­te, ich sei in Dins­la­ken auf­ge­wach­sen, da sei man schlim­me­res gewohnt.

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Pimp my Feiertagskalender

Weihnachtsbaum (Symbolbild)

Weih­nachts­ge­bäck gibt es ja bekannt­lich schon seit mehr als zwei Mona­ten zu kau­fen. Heu­te habe ich den ers­ten Weih­nachts­schmuck in einem Ein­kaufs­zen­trum hän­gen sehen. Damit gilt jetzt wohl die Faust­re­gel, dass nach St. Mar­tin Plas­tik­tan­nen­grün und Lich­ter­ket­ten zum Ein­satz kom­men – frü­her war­te­te man damit bis nach dem Volks­trau­er­tag.

Ich kann Ihnen aber sagen, war­um man schon im frü­hen Novem­ber mit der­lei Tand beläs­tigt wird: Den Deut­schen fehlt ein­fach ein ordent­li­cher Fei­er­tag im Spät­herbst. Die Ame­ri­ka­ner haben Thanks­gi­ving, ein ganz wun­der­ba­res Fest, weil es bei­na­he nur aus Essen besteht und ohne ener­vie­ren­de Geschenk­ze­re­mo­nien aus­kommt. Thanks­gi­ving wird am vier­ten Don­ners­tag im Novem­ber began­gen, der dar­auf­fol­gen­de Frei­tag ist der offi­ziö­se Beginn des Weih­nachts­ge­schäfts.

Natür­lich wer­den die Häu­ser und Ein­kaufs­zen­tren so geschmückt, dass sie bereits zu Thanks­gi­ving in vol­lem Glanz erstrah­len – aber es denkt eben noch nie­mand an Weih­nach­ten, weil ja noch ein wei­te­rer Fei­er­tag vor der Tür steht. Die gefühl­te Weih­nachts­zeit redu­ziert sich damit auf die vier bis fünf Wochen bis zum 25. Dezem­ber, fast so wie frü­her, als man noch die Advents­zeit fei­er­te.

Ich wür­de also ger­ne für einen Thanks­gi­ving-ähn­li­chen Fei­er­tag im spä­ten Novem­ber plä­die­ren, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass die Deut­schen es in ihrer unnach­ahm­li­chen Art wie­der völ­lig ver­mas­seln wür­den, angel­säch­si­sche Fes­te zu loka­li­sie­ren. Denn auch wenn vie­le Deut­sche davon über­zeugt sind, völ­lig „ame­ri­ka­ni­siert“ zu sein (den Exkurs in die ame­ri­ka­ni­sche Geschich­te spa­re ich mir; schla­gen Sie May­flower, Pil­ger­vä­ter oder Hal­lo­ween ein­fach mal nach oder lesen Sie am bes­ten gleich „USA Erklärt“ und die­ses Buch): ame­ri­ka­ni­sche Bräu­che funk­tio­nie­ren in Deutsch­land eben­so wenig wie ame­ri­ka­ni­sche Laden­ket­ten. Schla­gen Sie mal Walm­art, Gap oder Block­bus­ter Video nach!

Wo wir gera­de bei Ame­ri­ka­ni­sie­rung sind: Es kann doch nicht sein, dass mitt­ler­wei­le jede zwei­te Imbiss­bu­de in Deutsch­land Snapp­le führt und es das Zeug immer noch nicht im Han­del zu kau­fen gibt, oder?

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Klickbefehl (3): American Edition

Stars & Stripes in New York City

Ste­phen Col­bert will an der Wahl zum US-Prä­si­den­ten im kom­men­den Jahr teil­neh­men – wenn auch nur in South Caro­li­na. Und viel­leicht meint er es damit erns­ter, als man den­ken könn­te, erzählt die „New York Times“. Lus­ti­ger als der Robin-Wil­liams-Film „Man Of The Year“ zum glei­chen The­ma ist die Akti­on schon jetzt.

Der „San Fran­cis­co Chro­nic­le“ berich­tet über Hit­lers Glo­bus, der 62 Jah­re nach Kriegs­en­de in Oak­land auf­ge­taucht ist und im Novem­ber ver­stei­gert wer­den soll.

cracked.com stellt die 20 schlimms­ten Rei­me der Pop­mu­sik­ge­schich­te vor. Tho­se lucky Ame­ri­cans: Es ist kein „Herz“ /​ „Schmerz“ dabei. Dafür wer­den Sie über den „Sie­ger“ über­rascht sein.

Das Wich­tigs­te zum Schluss: Vanes­sa Hud­gens wur­de von Dis­ney gefeu­ert. Oder auch nicht. Oder doch. Oder auch nicht.

Mary-Kate Olsen spielt in der drit­ten Staf­fel der groß­ar­ti­gen TV-Serie „Weeds“ mit. Ihre ers­te gro­ße Sze­ne kann man sich hier anse­hen.

Spea­king of which: Ich habe mir am Sams­tag allen Erns­tes bei­de Tei­le von „High School Musi­cal“ auf Pro Sie­ben ange­se­hen, um die­se pop­kul­tu­rel­le Bil­dungs­lü­cke zu schlie­ßen. Ob ich dar­über jemals mehr als die­se Zei­len hier tip­pen wer­de, weiß ich aber noch nicht.