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Das “Zeit Magazin” schreibt sich um Kopf und Fuß

Früher war die Welt noch klar aufgeteilt: In der Tageszeitung am Frühstückstisch und der Wochenzeitung oder dem Magazin im Ohrensessel informierte man sich über Politik, Wirtschaft und Kultur (letztere zumeist mit dem etwas hochnäsigen Präfix “Hoch”) und wenn man beim Arzt oder dem Friseur auf die Verrichtung wartete, blätterte man mit spitzen Fingern in den sogenannten Illustrierten und las skandalöse Geschichten aus dem vermeintlichen Privatleben von angeblichen Prominenten, die einem zumeist unbekannt und egal waren. Als ich in meiner Schulzeit regelmäßig zur Krankengymastik musste, war ich bestens über die Geschehnisse der deutschen Schlagerszene informiert.

Heutzutage ist es schwer, irgendwo hinzulesen, ohne mit skandalösen Geschichten aus dem vermeintlichen Privatleben von angeblichen Prominenten behelligt zu werden. “Spiegel Online” hat den Irrsinn perfektioniert, belanglose Meldungen nachzuerzählen, die in amerikanischen Klatschblogs standen und deren Protagonisten, zumeist irgendwelche amerikanischen Teenie- oder Reality-Stars, den eigenen deutschen Lesern zunächst umständlich vorgestellt werden müssen.

Als die Eheleute Gwyneth Paltrow (Oscar-Preisträgerin) und Chris Martin (Coldplay-Sänger) das Ende ihrer Beziehung mit einem Blogeintrag unter der Überschrift “Conscious Uncoupling” öffentlich gemacht haben, war das vielen thematisch sonst eher anders aufgestellten Medien eine kulturwissenschaftliche Betrachtung der Konzepte “Ehe” und “Trennung” wert.

Im “Zeit”-Magazin gibt es eine Reihe, die sich “Über das echte Leben” nennt und sich unter dem augenzwinkernden Rubrum “Gesellschaftskritik” mit dem Privatleben von Prominenten auseinandersetzt. Der Blickwinkel ist dabei – “Zeit” halt – von oben herab, was schon deshalb ein bisschen witzlos ist, weil ja selbst die schrottigsten Boulevardresterampen die Objekte ihrer Betrachtungen nicht mehr umschwärmen, sondern am liebsten verspotten, gerne auch posthum.

Diese Woche darf Peter Dausend, im unechten Leben politischer Korrespondent der “Zeit” in Berlin, ran. Er widmet sich den Gerüchten, dass die Schauspielerin Uma Thurman (“Kill Bill”, “Pulp Fiction”) und der Regisseur Quentin Tarantino (“Kill Bill”, “Pulp Fiction”) seit Neuestem ein Paar sein sollen (vgl. die üblichen Klatschpostillen Bild.de, Bunte.de, Gala.de und Stern.de).

Er beginnt mit der Beschreibung einer Szene aus “Kill Bill”, in der Uma Thurmans nackte Füße zu sehen sind, und doziert:

Nun muss man wissen, dass Quentin Tarantino, der Kill Bill-Regisseur, eine Vorliebe für Frauenfüße im Allgemeinen und für die von Uma Thurman im Besonderen hat. Sie seien die schönsten, so hat er mal gesagt, die er je gesehen habe.

Wer sich ein bisschen intensiver mit dem Werk Tarantinos auseinandergesetzt hat, weiß davon ebenso wie von dem Umstand, dass Thurman für ihn lange Jahre das war, was dahergelaufene Bildungsbürgerfeuilletonisten als “Muse” bezeichnen. ((In den letzten Jahren scheint diese inspirierende Sonderrolle ein wenig auf den Schauspieler Christoph Waltz übergegangen zu sein, was man einfach mal im Hinterkopf behalten sollte, wenn man den Rest von Dausends Ausführungen liest.))

Quentin Tarantino und Uma Thurman sind jetzt ein Paar, 21 Jahre nachdem sie zusammen Pulp Fiction gedreht haben. Das erscheint auf den ersten Blick ganz wunderbar, zeigt es doch, dass der still liebende Mann immer auf ein Happy End hoffen darf.

Das klingt auf den ersten Blick beinahe romantisch, kriegt dann aber doch ganz schnell die Kurve ins Gehässige:

Wenn dann das Objekt der Begierde einen Milliardär aus Genf oder was ähnlich Langweiliges abschießt, muss man nur noch den eigenen Übergangspartner verabschieden – und schon kann man bis ans Lebensende glücklich sein.

Dass sich außer einem sogenannten “Insider” im britischen Klatschmagazin “Closer” noch niemand zu den Gerüchten um Thurman und Tarantino geäußert hat, ficht Dausend nicht an. Ihm geht es um ganz andere Gerüchte:

Ja, natürlich gibt es Gerüchte. Dass Tarantino und Thurman das Paarsein nur simulieren, um für Vorab-PR zu sorgen. Denn Tarantino, so raunt man sich zu, möchte demnächst den zweigeteilten Kill Bill unter dem Titel Kill Bill: The Whole Bloody Affair als vierstündiges Gesamt-Racheepos in die Kinos bringen.

Für einen kurzen Moment scheint es, als hätte Dausend erkannt, wie egal das alles ist. Mitten in seinem Text schimmert monolithisch das Mantra des Boulevardjournalismus:

Ob die Gerüchte nun stimmen oder nicht, spielt keine Rolle.

Aber er muss ja seine merkwürdige Kolumne füllen und tritt deshalb aufs Gaspedal — und dahin, wo’s sonst noch weh tut:

Wir geben den beiden sowieso keine Chance. Unterwürfige Bewunderung, liebestolles Hinterherhecheln, hündische Unterwerfung, wie es Männern nach langem Schmachten eigen ist – dafür hat der Star seine Fans, nicht seinen Partner.

Wenn schon die Beziehungsexperten vom renommierten deutschen “Zeit Magazin” den beiden keine Chance geben, können die’s natürlich gleich bleiben lassen — immer vorausgesetzt, es gibt überhaupt etwas, was sie bleiben lassen könnten.

Aber Frauenversteher Dausend scheint sich ja eh bestens auszukennen:

Thurman wird einen glücksbeseelten Tarantino nicht lange ertragen. Wir freuen uns jetzt schon auf den Film, mit dem der blutverspritzende Racheengel Tarantino den Liebestrottel in sich überwindet und das Scheitern seines Lebenstraumes verarbeitet. Und haben ein wenig Angst um Umas Füße.

Das vermeintlich private Glück fremder Menschen als Witzvorlage für eine launige Kolumne. Das ist das “Zeit Magazin”.

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Hut, Schweiß und Tränen

Ich kann schlecht beurteilen, ob sie jetzt komplett verrückt geworden sind bei “Spiegel Online”, aber es wäre die naheliegendste (und ehrlich gesagt auch beruhigendste) Erklärung:

Gebot für Hemd: Scarlett Johansson schweiß, was sie will. Ein echter Entertainer macht selbst noch Ausdünstungen zu Geld: Hugh Jackman hat am Ende einer Show sein verschwitztes Unterhemd versteigert. Unter den Bietern war auch Scarlett Johansson - doch die hatte starke Konkurrenz.

Ja, ich weiß: Das tut sehr weh, wenn der Kopf nach der Lektüre der Überschrift auf die Tischplatte trifft. Und ich arbeite schon für zwei Blogs, die sich bei Überschriften für fast nichts zu schade sind.

Aber damit geht es erst los:

Er sang, unterstützt von einem 18-köpfigen Orchester. Er erzählte Anekdoten aus seinem Leben. Er grüßte seine Bekannten im Publikum. Und am Ende versteigerte er sein verschwitztes Unterhemd für einen guten Zweck: Hugh Jackman hat mit einer ungewöhnlichen Aktion Geld für wohltätige Zwecke gesammelt. 30.000 Dollar brachte der nasse Fetzen ein.

Gut, das rechtfertigt bisher weder Überschrift, noch Foto, aber macht mal weiter:

Der australische Schauspieler (“X-Men”) nutzte seine Show am Broadway für die ungewöhnliche Aktion. Mit dem letzten Gebot übertraf der glückliche Ersteigerer eine Berühmtheit: 30.000 Dollar waren zehnmal so viel, wie Scarlett Johansson für Jackmans Kleidungsstück geboten hatte. Am Ende des Abends soll die 27-Jährige laut einem Bericht der “New York Post” auf die Bühne gegangen und 3000 Dollar für das Unterhemd geboten haben.

Okay: Scarlett Johansson “schweiß”, was sie will, aber sie kriegt es trotzdem nicht. Traurige Geschichte, aber auch Hollywoodstars müssen hin und wieder Enttäuschungen hinnehmen.

Wer 30.000 Dollar dafür ausgab, Jackman wenigstens einmal indirekt hautnah zu sein, ist nicht bekannt.

Das macht die Geschichte jetzt auch nicht spannender, aber: pfffft.

Johansson dürfte ihre Auktionsniederlage verschmerzen. Laut “New York Post” machte die 27-Jährige zwar nicht bei der Versteigerung, dafür aber anderweitig eine gute Figur. Mit einem dicken Wollpullover, einem Hut und Brille habe die Schauspielerin sehr lässig ausgesehen, schrieb die Zeitung.

Gut, an dieser Stelle wäre es ausnahmsweise sogar mal sinnvoll, eine Bildergalerie einzusetzen, auf dass sich der geneigte Leser (wer auch immer das sein mag) selbst ein Bild von der Lässigkeit Johanssons machen kann. Schade, wenn es diese Fotos nicht gibt und auch die “New York Post” sich mit Schilderungen aus zweiter Hand begnügen muss:

(…) Johansson, who spies said looked stunning dressed down in a chunky sweater, woolly hat and glasses.

Überhaupt hat der Originalartikel etwa ein Drittel des Umfangs der Version von “Spiegel Online” und ist nur eine von vielen bunten Meldungen auf Seite 6, während “Spiegel Online” – Sie ahnten es bereits – als Top-Meldung des “Panorama”-Ressorts auf der Startseite verlinkt hat.

Trotzdem hat es die “New York Post” geschafft, in dieser Kürze noch eine wichtige Information unterzubringen, die “Spiegel Online” natürlich auch noch irgendwie wiederkäuen muss.

Und deshalb lautet der letzte Satz des Artikels:

Im Publikum war auch Johanssons Kollegin Uma Thurman (“Kill Bill”).