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Musik

Overwhelmed by their hometown

Gestern also spielten die Kilians anlässlich der Veröffentlichung ihres zweiten Albums “They Are Calling Your Name” (erscheint Ende nächster Woche, kann man jetzt schon bei last.fm hören) in ihrer Heimatstadt Dinslaken.

Wie es wirklich war, werden wir am Montag (also 60 Stunden nach dem Konzert) in den Lokalzeitungen lesen können. Da wird dann vermutlich auch die exakte Besucherzahl stehen (Coffee-And-TV-Schätzungen: 1.200 bis 1.500).

Bis dahin verweise ich auf ungefilterte Live-Eindrücke in 13 Fotos und sechs Tweets:

Auf in die Stadt, #Kilians gucken. l:Dinslaken
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Rundfunk Digital

Von der Attraktivität deutscher TV-Nachrichten

Sie werden es mittlerweile alle mitbekommen haben: Gestern Nachmittag (Ortszeit) fielen bei einem Airbus A320 kurz nach dem Start am La Guardia Airport beide Triebwerke aus und der Pilot musste die Maschine auf dem Hudson River notlanden.

Dass alle 155 Insassen überlebt haben, darf man wohl getrost als ziemliches Glück bezeichnen: zwar ist der Hudson einigermaßen breit und frei von Brücken und damit – im Gegensatz zum East River auf der anderen Seite Manhattans – durchaus für Notwasserungen geeignet, aber ein Flugzeug auf einem viel befahrenen Fluss aufzusetzen und es anschließend zu evakuieren, während es langsam im eiskalten Wasser untergeht, das zählt schon zu den außergewöhnlicheren Aufgaben eines Linienpiloten.

Wer gestern Abend unserer Zeit beim Microblogging-Dienst twitter reingeschaut hat, wurde über die Lage bestens informiert: als eine der ersten Meldungen gab es ein Foto, das Janis Krums, der zufällig auf einer der Fähren im Hudson und damit direkt am Unfallort war, mit seinem iPhone gemacht hatte. twitpic.com brach zeitweise unter dem Ansturm zusammen und ziemlich viele Nachrichtenseiten berichteten darüber.

Wer mit einem Liveticker von Augenzeugen und ebenfalls twitternden Nachrichtenagenturen versorgt wurde, für den waren die Informationen, mit denen das deutsche Fernsehen seine Zuschauer zu beglücken versuchte, natürlich ein Desaster. Statt einfach “ins Internet” zu gucken, griff man lieber auf dünne Agenturmeldungen und Reporter vor Ort zurück.

Dabei ist es ein überholter Irrglaube der Nachrichtenmacher, bei einem Ereignis erst mal an den Ort des Geschehens schalten zu müssen. Dort steht dann ein überforderter Reporter den Rettern im Weg rum und kann seine Eindrücke schildern — wobei er sich natürlich gerade gar keine eigenen Eindrücke verschaffen kann, weil er ja in einer zwar atmosphärischen, aber weitgehend Informationslosen Schalte mit einem wissbegierigen Reporter gefangen ist. Wenn er Glück hat, hat er vorher einen Passanten fragen können, ob der einen lauten Knall gehört habe.

Nun würde ich nicht so weit gehen und sagen, das Internet könne schon jetzt das Fernsehen ersetzen. Wenn sich meine Großeltern, Eltern und viele meiner Freunde über derartige Ereignisse informieren wollen, schalten sie natürlich irgendeinen Nachrichtensender ein und auch ich hatte zwischendurch CNN laufen, wo Wolf Blitzer einen der Passagiere gerade telefonisch derart mit Fragen löcherte, als müsse er selbst noch in dieser Nacht den Untersuchungsbericht der Luftaufsichtsbehörde verfassen.

Aber was die deutschen Nachrichtensendungen da über den Äther schicken, war eine dumpfe Mischung aus Kaffeesatzlesen mit Tante Mimi, Onkel Heinz erzählt vom Angeln und Klein-Fritzchen erzählt seiner Mutti, wie es in der Kirche war, obwohl er währenddessen Fußballspielen war.

“Zahlreiche Fährschiffe versuchen, Überlebende zu retten”, teaserte RTL sein “Nachtjournal” an, was wohl ebenso richtig, aber weit weniger dramatisch war als das “Es gibt keine Anzeichen für einen Terroranschlag”, mit dem Gabi Bauer die ARD-Nachrichtenattrappe “Nachtmagazin” eröffnete, bevor sie eine Viertelstunde später Thorsten Schäfer-Gümbel mit der Frage, wie wichtig Sex im Wahlkampf sei (gemeint war wohl eher “Sexappeal”), völlig aus der Fassung brachte.

Den besonderen Ernst der Lage konnte man daran erkennen, dass n-tv seine geplanten “National Geographic”-Reportagen kippte und live auf Sendung ging. Während CNN, Fox News, MSNBC und BBC World ziemlich beeindruckende Live-Bewegtbilder aus New York hatten (die Hubschrauber der großen Networks schweben ja eh die ganze Zeit über der Stadt), hatte n-tv einen Moderator im Studio, mehrere “Breaking News”-Laufbänder, ein paar Fotos und einen Reporter am Telefon. Und der sagte, wenn ich ihn nicht völlig falsch verstanden habe, dass es wohl “bald” die ersten Handy-Fotos und -Videos im Internet zu sehen geben würde. Zu diesem Zeitpunkt war twitpic bereits down und bei flickr gab es jede Menge Fotostrecken und Einzelbilder zu sehen. Sogar erste Witze.

Es geht mir gar nicht darum, Internet und Fernsehen gegeneinander ausspielen zu wollen — und die Zeitungen von heute waren schon gedruckt, bevor das Flugzeug überhaupt abgehoben hatte. Aber ich denke, dass auch die Menschen, die nicht bei twitter, flickr und Facebook unterwegs sind, ein Anrecht auf aktuelle Informationen haben. Und die bekommt man heute nun wirklich so einfach und billig wie noch nie. Auch als Nachrichtenredakteur des deutschen Fernsehens.

Nachtrag, 20:20 Uhr: Auch meine Freunde von “RP Online” berichten über die Fotos bei twitter und bei flickr.

Das Sensationelle daran: Sie schaffen das ohne einen einzigen Link!

Nachtrag, 17. Januar, 00:23 Uhr: Zwei Tweets später hat “RP Online” alles verlinkt.

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Politik Unterwegs

Nach Erfurt

Bundesdelegiertenversammlung der Grünen 2008

Das war er also: mein erster Parteitag. Oder zumindest der erste, an den ich mich erinnern kann.

War er so, wie ich mir das vorher vorgestellt hatte? Ja und Nein.

Der Freitag war schlimm — das fanden aber auch fast alle Grünen, mit denen ich gesprochen habe. Stundenlang wurde darüber diskutiert, welchen Standpunkt die Partei vertreten solle, wenn sie mal wieder was zu sagen hat. Darüber, ob bis zum Jahr 2020, 2030 oder 2040 80%, 90% oder 100% erneuerbare Energien eingesetzt werden sollen. Und darüber, was Al Gore in der “New York Times” geschrieben hat.

Die Diskussionen zum Thema “60 Jahre Menschenrechte” am Samstag waren deutlich spannender, aber in der Menge auch ermüdend. Allerdings habe ich so wenigstens einmal gesehen, wie Parteien zu der Linie kommen, die sie vertreten. Eine Partei ist wohl nie einer Meinung, bei den Grünen gehört das aber (wie das Stricken auf Parteitagen) zum Programm: Die Flügelkämpfe sind legendär, auch wenn in der Partei manche nicht mehr ganz genau durchblicken, wer da welche Positionen vertritt.

In den Reden der großen Vier (die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir, sowie die Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin) war viel von den “grünen Kernthemen” die Rede, die wieder besetzt und gegen die Vereinnahmungsversuche anderer Parteien verteidigt werden sollen. Besonders Trittin keilte so stark gegen alle anderen Parteien, dass man fast befürchten musste, die momentan fünftstärkste Bundestagsfraktion wolle in Zukunft alleine regieren — zumal es auch keinerlei Ansagen gab, was für eine Koalition man denn am liebsten hätte. “Wir sind grün, nicht Bindestrich-Grün”, hatte Reinhard Bütikofer das zusammengefasst.

Wirklich schlimm fand Rot-Grün im Nachhinein aber auch keiner, auch wenn sowohl die Verschleppung und versäumte Rückholung von Murat Kurnaz, als auch die Ernennung des viel gescholtenen Hartmut Mehdorn zum Vorstandsvorsitzenden der deutschen Bahn in diese sieben Jahre fielen.

Die Inszenierung des Parteitags war wie die Grünen selbst: immer ein kleines bisschen neben der Spur und dadurch irgendwie grundsympathisch. Die Einspielfilme hatten wenig von Barack Obamas halbstündigem Meilenstein und mehr von dem, was man auf Silberhochzeiten und runden Geburtstagen sehen kann. Oder im Internet.

Die Idee, im großen Block der Personalentscheidungen erst mal die Rechnungsprüfer zu wählen und dann die Parteivorsitzenden, hatte auch was. Die Bewerbungsrede von Stefan Volpert für dieses Amt zählte zu den humoristischen Höhepunkten des Wochenendes: erst sprach er die ganze Zeit von “Change” (womit er nicht etwa – was dem Amt angemessen gewesen wäre – Wechselgeld meinte, sondern sich sehr direkt auf Barack Obama bezog) und als er dann auch noch “Yes, we can!” ausrief, ging ein Stöhnen durch die Reihen. Die Kindergeburtstagsnummer, bei der nach der Wahl von Künast und Trittin grüne Bälle ins Publikum geworfen wurden, lieferte zwar schöne Bilder, wirkt aber um so grotesker, wenn man weiß, dass im Ablaufplan danach eigentlich noch 50 Minuten für das Thema “Armut im Alter” vorgesehen waren.

Dafür zeigte sich, dass Grünen die wohl web-affinste Partei Deutschlands sind. Die Idee, Blogger-Stipendien zu vergeben, ist da nur ein Mosaikstein: Nebenher arbeiteten angehende Europa-Abgeordnete an ihren Facebookseiten, auf twitter war die Hölle los und als Volker Beck seine Bewerbungsrede für den Parteirat mit “Liebe Freundinnen und Freude, liebe Follower” eröffnete, fand ich das erst ein wenig ranschmeißerisch und dann irgendwie konsequent. Bei so viel Web 2.0 besteht natürlich die Gefahr, bald nur noch im Internet stattzufinden, die auch prompt von einigen Rednern angesprochen wurde.

Letztendlich war es eine interessante Erfahrung. Die vier anderen Blogger waren sehr nett (wobei ich Jens natürlich schon kannte und Teresa auch ein bisschen) und auch unter den Delegierten (die ja in erster Linie ganz normale Menschen mit richtigen Berufen sind und erst in zweiter oder dritter Linie Parteimitglieder) und Journalisten habe ich ein paar neue Leute kennengelernt.

In den Kommentaren gab es ein wenig Empörung darüber, dass ein Parteitag überhaupt hier oder in anderen Blogs Erwähnung finde. Ich sehe aber die vielen Kommentare, die es aus ganz unterschiedlichen Richtungen gegeben hat, ein bisschen als Bestätigung an, dass es Interesse an einer solchen, etwas anderen Berichterstattung gibt. Ich finde es gut, wenn sich in einer Demokratie nicht nur Parteimitglieder für Parteitage interessieren.

Die Ergebnisse und die Bilder einer winkenden Claudia Roth kann man in jeder Zeitung nachlesen und in den Nachrichten sehen. Ich wollte hier versuchen, die Atmosphäre des Parteitags einzufangen. Ich würde durchaus gerne mal zu einem Parteitag einer anderen Partei fahren — um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu sehen, und um ein bisschen mehr über Politik zu erfahren, im Guten wie im Schlechten.

In eine Partei werde ich trotzdem nicht eintreten. Dafür bin ich zu wenig gesellig und zu wenig Diskussionsbereit. Schon die Frage, was wir zum Abend essen sollen, kann mir den halben Tag versauen.

Was mir aber auf jeden Fall in Erinnerung bleiben wird, sind die blinkenden Nieten an Claudia Roths Jeans:

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Beachten Sie für alle Parteitags-Beiträge bitte die Vorbemerkungen.

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Digital Politik

Der automatische Nazi-Beantworter

hellojed: @coffeeandtv: Bitte Liste aktualisieren http://is.gd/7LH0

Guten Tag, hier spricht der automatische Nazi-Beantworter von coffeeandtv.de. Was gibt’s?

Neuer Nazi-Vergleich: SPD-Mann vergleicht Jugendliche mit SA. Mit den Schlägern Adolf Hitlers hat der Potsdamer Oberbürgermeister protestierende Linksalternative gleichgesetzt. Entschuldigt hat er sich dafür bestenfalls halbherzig.

Bitte gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen!

“Schlimmer als Hitlerkrebs – Missglückte Rhetorik für Profis” jetzt vorbestellen!

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Leben

Mitbewohner 1.0

Leeres Zimmer (Symbolbild)

Im Mai startete ich einen Aufruf, mit dem ich einen neuen Bewohner für das leerstehende Zimmer in unserer WG finden wollte.

Ich schrieb damals, mit dieser Aktion “das weltweite Datennetz auf eine harte Probe stellen” zu wollen. Nun, was soll ich sagen? Das Web hat verloren.

Der Mai ist kein guter Monat, um neue Mitbewohner zu finden: das Semester ist im vollen Gange und kaum jemand ist auf der Suche nach einem Zimmer oder Willens umzuziehen. In den ersten drei Monaten meldeten sich genau drei Leute, die durch Zettel, die ich an der Uni ausgehängt hatte, auf das Angebot aufmerksam geworden waren: der Erste suchte nur was zur Zwischenmiete (was wir nicht wollten), der Zweite war enttäuscht, dass das Zimmer gänzlich unmöbliert war (was auch für den Ersten von Nachteil gewesen wäre), vom Dritten waren wir so angetan, dass wir ihm das Zimmer geben wollten. Leider hat er sich nach unserem Angebot, bei uns einzuziehen, nie wieder gemeldet.

twitter hatte kein bisschen geholfen und mit der Zeit begriff ich auch, dass ein Blog-Eintrag allein nicht ausreichen würde: bei einer Google-Suche nach freien Zimmern in Bochum kam Coffee And TV unter den ersten 200 Suchergebnissen nicht ansatzweise vor (Der erste Besucher, der nach mitbewohner gesucht bochum gegoogelt hatte, kam heute auf das Blog).

Mein verbliebener Mitbewohner kam schließlich auf die Idee, das Zimmer bei wg-gesucht.de zu inserieren. Das hatte ich auch schon mal versucht, war aber irgendwie an der Seite gescheitert. Mit dem herannahenden neuen Semester wurde der Kreis der Interessenten schließlich doch noch größer – wobei etwa die Hälfte der Bewerber über das Internetportal kam und die andere Hälfte direkt beim Studentenwerk nach freien Zimmern gefragt hatte.

So besahen wir uns etwa ein Dutzend Kandidaten beiderlei Geschlechts (wir hatten zwischenzeitlich überlegt, aus der seit Jahren existierenden Männer-WG eine gemischte zu machen) und erklärten etwa ein Dutzend Mal, wie das mit der Miete, dem Besteck, den Bahnhaltestellen und den Waschmaschinen ist. Nur ein Bewerber verlor schon bei der Besichtigung das Interesse – die 15m2 waren ihm bei einer Körpergröße von mehr als zwei Metern offenbar zu wenig.

Im Verlauf der Aktion lernte ich, warum ich für Castingshowjuries und Personalabteilungen denkbar ungeeignet bin: Ich bin unfähig, Menschen miteinander zu vergleichen wie verschiedene Karten beim Autoquartett. So lautete die Standardzusammenfassung meist: “Joa, der war ganz nett – aber der andere auch. Aber was weiß ich eigentlich nach zehn Minuten Smalltalk über ihn oder sie?” Google sagte über die meisten Kandidaten auch nicht viel aus.

Jedenfalls haben wir uns letztlich für einen Medizinstudenten entschieden, der über das Studentenwerk von dem Zimmer gehört und mich telefonisch kontaktiert hatte. Das Internet hatte nichts damit zu tun (und das finde ich ehrlich gesagt auch mal ganz beruhigend).

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Digital

Knüwern für Anfänger

Generell ist es ja schön, wenn Redaktionen die modernen Kommunikationsmöglichkeiten nutzen. Man sollte es dann nur richtig machen.

Meine beiden liebsten Lokalzeitungs-Internetportale twittern jetzt auch. Sowohl “RP Online” als auch “Der Westen” versorgen das Netz mit einer Mischung aus Flurfunk, Kantinenspeisenplan und Nachrichten-Feed, reagieren aber auch auf Fragen oder Kritik.

Dabei können sich schon einmal solch nette Dialoge entspinnen:

Laufen gerade Schmachtbilder von Brad und George in Venedig ein. Der weibliche Teil der Redaktion ist ganz hin und weg. rponline 12:51 PM August 27, 2008

@rponline Dürfen wir anderen schon mal wetten, wie lang die Bildergalerie wird? coffeeandtv 01:06 PM August 27, 2008

@coffeeandtv Schauen wir mal. rponline 02:14 PM August 27, 2008

Weil schon jemand wetten wollte: Die Clooney-Pitt-Fotostrecke enthält 16 Bilder: http://tinyurl.com/58p4nd rponline 08:22 PM August 27, 2008

Selbst twitter-Skeptiker und -Hasser werden zugeben müssen, dass eine oft hart geführte kritische Auseinandersetzung so wieder ein wenig an Menschlichkeit gewinnen kann.

Gestern nun ernannte John McCain, der designierte republikanische Kandidat für das Amt des US-Präsidenten, überraschend Sarah Palin, Gouverneurin von Alaska, zu seinem running mate, also zur Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten.

“Der Westen” zimmerte aus einer dpa-Meldung ein Kurzporträt der Politikerin zusammen und verschickte den Link via twitter.

Ich klickte und las. Und sah, dass da ein Satz irgendwie ein bisschen verunglückt war:

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber nach offenbar Sarah Palin als seine Vize-Kandidatin ausgewählt.

Ein kleiner Fehler, der jederzeit mal passieren kann – in der dpa-Fassung ging der Satz noch so:

Der republikanische Präsidentschaftsbewerber John McCain zieht nach US-Medienberichten mit der jungen Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, in das Rennen um das Weiße Haus.

Ein kleiner Fehler, den man aber auch schnell korrigieren kann, dachte ich und twitterte nur wenige Minuten später:

@DerWesten Bitte schnell noch den ersten Satz gerade bügeln. Danke!

Und dann passierte genau … nichts.

Dass die zuständigen Leute in Essen schon ins Wochenende verschwunden waren, ist unwahrscheinlich: sie setzten bis zum Abend sieben weitere Tweets ab. Nur hat offenbar niemand mehr in die Replies geguckt.

Dabei gilt mehr denn je: Die Zeiten des einseitigen Sendens sind vorbei. Wer die Kommunikationskanäle nicht in beide Richtungen nutzt, wird kläglich untergehen.

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Digital

Father And Son (ca. 2020)

– “Papa, Papa!”
– “Ja, mein Sohn?”
– “Ich hab gerade in der Encyclopedia Blogia gescrollt …”
– “Oh.”
– “Was ist dieses ‘Spiegel Online’, von dem 2008 so viele Leute geschrieben haben?”
– “Das war damals ein großes Online-Magazin. Erst gab es über viele Jahrzehnte ein angesehenes Printmagazin …”
– “Tote Bäume?”
– “Genau. Das hatte lange einen guten Ruf. Dann hatte es irgendwann einen unfassbar schlechten Ruf – aber nicht beim einfachen Volk. Das hat sowohl die Print- als auch die Online-Version geliebt. ‘Spiegel Online’ war das meistgelesene Online-Medium zu dieser Zeit.”
– “So wie ‘Coffee And TV’ heute?”
– (lacht) “Ja, so ungefähr. Die Leute haben alles geglaubt, was bei ‘Spiegel Online’ stand. Nur die Medienkritiker …”
– “Leute wie Du, Onkel Niggi und Onkel Knüwi?”
– “Solche Leute, genau. Wir haben ‘Spiegel Online’ kritisiert für schlechte Recherche, einseitige Berichterstattung und deren Klick…”
– “Die haben noch Klickhurerei gemacht?!”
– “Wo hast Du denn das Wort schon wieder gelernt?”
– (lacht)
– (grummelt) “Jedenfalls: ja, haben sie.”
– “Oh Mann, wie peinlich!”
– “Du musst wissen: damals galten page impressions noch als heiliger Gral im Internet.”
– (lacht)
– “Na ja, das waren jedenfalls ‘Spiegel’ und ‘Spiegel Online’. 2008 müsste das Jahr gewesen sein, in dem sie gefragt haben, ob das Internet doof macht, und über Twitterer und Blogger gelästert haben.”
– “Aber warum das denn?”
– “Zum einen, weil sie Angst davor hatten – zu Recht, wie wir heute wissen – zum anderen, weil sie sichergehen konnten, dass fast alle Blogger und Twitterer darüber schreiben würden. Und wenn alle über den ‘Spiegel’ schreiben, sieht es noch ein bisschen länger so aus, als sei der ‘Spiegel’ relevant.”
– “Hmmmm. Aber eins versteh ich nicht …”
– “Ja?”
– “Warum haben denn immer alle Blogger und Twitterer darüber geschrieben? Konnte denen das nicht egal sein?”
– “Ja sicher, eigentlich schon.”
– “Oma hat mir mal erzählt, wie sie vor vielen Jahren mit anderen Leuten ein Atu … Autom …”
– “Atomkraftwerk?”
– “Ich glaube ja. Wie sie sowas verhindert haben. Denen war immer egal, was die anderen gedacht, gesagt und in der Zeitung geschrieben haben.”
– “Tja. Die waren damals viel an der frischen Luft um zu demonstrieren, Sauerstoff beruhigt. Wir saßen schlecht gelaunt in unseren Büros und haben uns dann halt aufgeregt. Ab 2009 hat aber keiner – oder kaum noch einer – auf den ‘Spiegel’ reagiert, so dass sie 2010 aufgeben mussten.”
– “2010? Noch vor Zoomer?!”
– “Ja, das ging damals ganz schnell.”
– “Und was ist aus den ganzen Leuten geworden, die da gearbeitet haben?”
– “Das war das lustigste: Als ‘Spiegel Online’ zugemacht hat, kam raus, dass da nur drei verwirrte alte Männer gearbeitet haben: ein Taxifahrer, ein Drogenabhängiger und ein Mann, dem ein wahnsinniger Wissenschaftler ein Brötchen anstelle seines Gehirns eingepflanzt hatte. Alles andere kam aus Computern.”
– “Gruselig.”
– “Ja. Aber nur halb so gruselig wie deren Texte.”
– “Papa?”
– “Ja?”
– “Können wir noch ein bisschen Hologramme gucken?”
– “Was willste denn sehen?”
– “Den Film mit dem Zeitungsmann, der stirbt. Mit dem Schlitten. Das ist sooooo lustig!”

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Leben Unterwegs

Die Jugend der Weltpresse

Gestern durfte ich beim Jugendmedienevent zwei Seminare unter dem Motto “Web 2.0 – Blogs, Social Networks & Co” leiten. ((Am Titel trifft mich keine Schuld.)) Zweimal 16 Nachwuchsjournalisten unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichsten Vorkenntnissen wollten unterhalten werden und sollten natürlich etwas lernen.

Die erste Gruppe war die pure Wonne: die Jugendlichen ((Genau genommen waren die Ältesten der Gruppe gerade mal zwei Jahre jünger als ich, die Jüngsten aber 14. Es war wohl eher Zufall, dass eine so heterogene Mischung gut ging.)) hatten Interesse am Thema, kannten Portale, von denen ich noch nie gehört hatten, und meldeten sich allesamt bei twitter an, nachdem ich ihnen den Dienst vorgestellt hatte. Sie wirkten angenehm skeptisch und zurückhaltend, was die Angabe persönlicher Daten im Netz anging, und sahen sich die Blogs, die wir uns gemeinsam vornahmen, mit Interesse an. ((Ich hatte wahllos Platzierungen aus den deutschen Blogcharts an die einzelnen Teilnehmer verteilt. Das war insofern spannend, weil ich selber nicht genau wusste, über welche Blogs wir sprechen würden. Dass das System auch Nachteile hat, musste ich feststellen, als ich eine Teilnehmerin zur Auseinandersetzung mit der “Achse des Guten” zwang. Es tut mir aufrichtig leid.))

Die zweite Gruppe erwies sich als sehr viel schwieriger zu knacken: die Frage, warum sie sich für dieses Seminar entschieden hätten, konnte niemand so recht beantworten. Statt halbwegs gleichmäßig verteilter Redeanteile gab es ein paar wenige aktive Teilnehmer ((Und Teilnehmerinnen. Wenigstens mit dem Gerücht, Mädchen würden das Internet nur für die Ansicht von Pferdefotos und das Erstellen von MySpace-Profilen nutzen, sollte an dieser Stelle einmal gründlich aufgeräumt werden.)), ein paar gelangweilte Besserwisser und viel Schweigen. Mit social networks war dieser Gruppe kaum beizukommen: nicht mal die Hälfte war bei einem der Holtzbrinck-Fauzette, kaum jemand bei Facebook und, wenn ich mich recht erinnere, niemand bei MySpace. Diese Menschen interessieren sich vor allem für Blogs.

Einige hätten vorab schon überlegt zu bloggen, wussten aber nicht genau, was, wie oder wo. Das “wo” lässt sich ja recht leicht beantworten (blogger.com, wordpress.com, twoday.net), das “wie” ist mit “(im Rahmen der juristischen Möglichkeiten) einfach drauf los” auch schnell zusammengefasst, das “was” bleibt als zentrale Frage. Als Betreiber eines thematisch völlig offenen Blogs hielt ich den Hinweis für angebracht, dass man sich darüber auf alle Fälle im Vorfeld im Klaren sein sollte. Manchmal habe ich einen etwas merkwürdigen Humor.

Ich weiß nicht, ob es an der Nachmittagszeit lag, die generell träge macht, am gleichzeitig stattfindenden Bundesligaspieltag oder an ganz anderen Gründen, aber das mit der zweiten Gruppe lief nicht so richtig rund. Mitunter hatte ich das Gefühl, zu skeptischen Vertretern meiner Eltern-Generation zu sprechen und nicht zu weltoffenen Jungjournalisten. Andererseits stellten ein paar von ihnen auch wirklich kluge Fragen.

Es war eine interessante Erfahrung, die unter anderem gezeigt hat, dass die fünf Jahre zurückliegende Entscheidung, auf keinen Fall Lehrer werden zu wollen, eine sehr weise war. Wie ich mit Till, der ebenfalls unter den Referenten war ((Das wussten wir vorher nicht. Die Veranstalter wollten vorab keine Referentenlisten herausgeben, weil sie nicht “sicherstellen [konnten], dass jeder damit einverstanden ist”. Entsprechend wussten wohl auch die Teilnehmer vorab gar nicht, mit wem sie das Vergnügen haben würden. Eine wie ich finde eher mittelprächtige Idee.)), später noch diskutierte, sind auch längst nicht alle Leute, die heute jung sind und einen Computer einschalten können, digital natives. Bei einigen besteht das Internet aus der “Dreifaltigkeit” (Till) Google, StudiVZ und Wikipedia. Aber um das zu ändern waren wir ja da.

Mein insgesamt positiver Grundeindruck der Jungjournalisten wurde allerdings heute etwas getrübt, als ich im Blog “Onlinemagazin” zum Jugendmedienevent den Bericht über mein Seminar las: die haben meinen Vornamen falsch geschrieben.

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Digital

Links liegengelassen

Dass zoomer.de, das angeblich ach so zweinullige Nachrichtenportal der Holtzbrinck-Gruppe, ausgerechnet seine Internet- und Computerthemen bei Golem.de einkauft rauskopiert, könnte man natürlich ein bisschen peinlich finden. Aber besser, man holt sich externes Fachwissen, als man dilettiert intern.

Schon etwas peinlicher ist es da, im Artikel über das runderneuerte del.icio.us konsequent auf einen Link zu der besprochenen Seite zu verzichten – anders übrigens als im Originalartikel bei Golem.

Wie 2.0 zoomer.de – und vor allem seine Leserschaft – wirklich ist, kann man schön an den Kommentaren zu diesem Artikel über Twitter ablesen.

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Digital

Und wer bei Zehn noch steht, hat Recht

Wir müssen doch noch mal über den Grimme Online Award reden. Mein Video ist natürlich ziemlich auf Pointe gebürstet – anders als zum Beispiel die Moderationen von Katrin Bauerfeind. Wir hatten es uns am Bloggertisch mit Twitter, Kölsch und Zynismus bequem gemacht, aber wir hatten unseren Spaß.

Es war meine erste Preisverleihung, von daher weiß ich nicht, ob es immer so ist: da waren also ein paar Blogger und sonstige Onliner, Leute wie die Macher von kids-hotline, zeitzeugengeschichte.de und Literaturport, die eine ganz andere Seite des Internets darstellen, dazu jede Menge Repräsentanten aus Politik und Gremien. Angenehm auffallend war, dass die Veranstaltung nicht mit völlig abseitigen Promis aufgeblasen wurde, was aber auch zu absurden Szenen führte, wenn die halbwegs prominenten Gäste (ARD-Vorabendseriendarstellerinnen oder MTV-Videoansager) von den Fotografen belagert wurden wie sonst nur Weltstars in Cannes.

Die Grimme-Leute, das muss man auch einmal betonen, nahmen es alle sportlich: niemand machte uns Vorwürfe, weil wir als zweites Blog und viertes Medium die Gewinner verbreitet hatten, und alle noch so doofen Sprüche wurden entweder gepflegt ignoriert oder gar pariert. Vermutlich sorgt der Arbeitsalltag in Marl für ein dickes Fell und viel Galgenhumor.

Dass der frühere Staatssekretär für Medien Andreas Krautscheid auch nach mehrfacher Erwähnung nicht mitbekommen hatte, dass die Gewinner auch in diesem Jahr sehr wohl schon bekannt waren, ist bitter, aber wirklich nicht dem Grimme-Institut anzulasten. Dann schon eher die mit unglücklichen Metaphern und allzu philosophischen Zitaten durchsetzte Rede des Institut-Direktors Uwe Kammann. Aber auch das ist wohl wieder den völlig unterschiedlichen Welten geschuldet, die da aufeinandertrafen: ich nehme den Honoratioren völlig ab, dass sie vom Internet fasziniert sind wie die Menschen im Mittelalter von der Erfindung des Buchdrucks – und dann sitzen da am vorletzten Tisch Blogger, die die ganze Zeit über mit Rotationspressen Twitter rumspielen.

Wie weit diese beiden Welten noch voneinander entfernt sind, hatte sich am Nachmittag schon auf dem medienforum.nrw abgezeichnet: nachdem ein Vertreter von T-Online ein “Media Center” vorgestellt hatte, das schon bald all das können soll, was Google und GMX seit einigen Jahren anbieten, entspann sich eine Diskussion, die mich schwer nachdenklich zurückließ. Für die Moderation hatte man Robert Basic gewinnen können, der die Veranstaltung in eine völlig andere Richtung drängte als alle vorherigen Panels. Leider war das Ganze weniger Punk und viel mehr Predigt, denn Basic zog mit einem Mikrofon durchs übersichtliche Publikum, befragte wie ein amerikanischer TV-Pfarrer die Leute und wollte, einmal beim Thema Twitter angekommen, gar nicht mehr aufhören zu reden.

Es war die erste Veranstaltung beim Medienforum, die ich vorzeitig verlassen habe. Zu groß war meine Angst, am Ende noch eine Heizdecke oder wenigstens einen aufblasbaren Twitter-Account kaufen zu müssen. Als dem Internet durchaus zugetaner Mensch war mir das, was ich sah, körperlich unangenehm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine so lautstarke Euphorie die Skeptiker fürs Web 2.0 begeistern kann. Andererseits war ich auch schon wieder auf 180, als eine mittelalte Frau – wir nannten sie fortan “die Printjournalistin” – bemängelte, “so Tippen” habe doch nichts mit “echtem Austausch” zu tun.

Ich habe das alles schon mal aufgeschrieben: die Grenze verläuft nicht zwischen Generationen, sondern zwischen On- und Offlinern. Und wir, die wir Twitter, RSS-Feeds und Blogs nutzen wie früher Coladosen zum Fußballspielen, sind ein verdammt kleiner Kreis. Und dann gibt es auch noch genug Leute, die uns hassen, weil wir für BILDblog.de schreiben oder gleichzeitig Blogger und Journalisten sein wollen. Es ist ein heterogener Haufen, der auch niemals homogen werden wird und darf – denn genau dieses unsortierte und unregulierte macht für mich den Reiz des Internets aus. (“Lieber Professor Schneider”, wie ich fast hinzufügen möchte.)

Natürlich wäre es – und Sie hatten schon gedacht, ich krieg den Bogen nicht mehr – wünschenswert, einen Online-Preis zu verleihen, bei dem wir unter uns sind. Bei dem kein Westdeutscher Rundfunk und kein Volkshochschulverband im Hintergrund steht, und mit dem wir uns genauso selbst feiern können wie jede andere Branche auch. Aber erstens wäre der (s.o) wieder nur für einen Teil der deutschsprachigen Online-Welt repräsentativ und zweitens wäre Köcheln im eigenen Saft auch kontraproduktiv. Bei Events wie dem Grimme Online Award besteht wenigstens noch die theoretische Chance zum Austausch zwischen alter und neuer Welt.

Sie entnehmen meinem klar strukturierten Eintrag: Internet ist gelebte Uneindeutigkeit. Quälende Preisverleihungen und der lustigste Abend des Jahres in einem. O Captain! My Captain!

Nach Hause gefahren wurden Katti, Frau Schnutinger und ich übrigens von Hennes Bender. Er hat einen hervorragenden Musikgeschmack, ist ein sehr sicherer Autofahrer und ist privat viel lustiger als im Fernsehen.

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Digital Gesellschaft

Award Day’s Night

Spannung, Twitter, große Gefühle und ein viel zu lauter Handtrockner – so lässt sich die Verleihung des Grimme Online Awards gestern Abend in Köln zusammenfassen.

Coffee And TV war ganz nah dran an den Nominierten, Kritikern und Experten und präsentiert Ihnen die besten Szenen in einem abendfüllenden Spielfilm.

Nämlich hier:

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Nachtrag 13. Juni: Bitte lesen Sie auch meine Meditation über den Abend und die Kluft zwischen On- und Offlinern.

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Digital

Auswärtsspiel: Heute wegen Twitter

Nach der Bekanntgabe der Nominierungen für den Grimme Online Award in Düsseldorf am vergangenen Donnerstag hat Daniel Fiene, Campusradio-Legende von Radio Q und einer der Macher von “Was mit Medien”, Kathrin und mich zum Thema Twitter interviewt.

Das Ergebnis kann man sich als Podcast hier anhören und herunterladen.