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Rundfunk Digital

Olympiasieger im Hindernissaufen

In diesem Blog ist in den letzten Monaten noch weniger los als in den Monaten davor. Das liegt daran, dass ich seit Anfang Juni für die WDR-Sendung “Tagesschaum” arbeite, die ich auch dann sensationell finden würde, wenn ich nicht als “Social-Media-Beauftragter” Teil des Teams wäre.

Das bedeutet zum Glück nicht, dass ich vorlesen muss, was die Zuschauer bei Twitter geschrieben haben, oder unentwegt das Wort “Hashtag” sagen muss, sondern, dass ich Videos wie diese aus der Sendung rausflexen und hochladen darf:

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Falls Sie “Tagesschaum” noch nie gesehen haben, wird es langsam knapp, denn die Sendung läuft nur noch bis zum 20. September — montags, dienstags, donnerstags und freitags um 23.15 Uhr im WDR Fernsehen. Alle bisherigen Folgen können Sie sich allerdings auch auf YouTube ansehen.

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Musik Rundfunk

Sehweg nach Indien entdeckt

Vor einem Jahr hatte ich Ihnen von Polyana Felbel vorgeschwärmt, einem Boy/Girl Duo aus Köln. Die Band macht zur Zeit Babypause (das Girl ist Mutter geworden), aber man kann jetzt auch Musik von Polyana Felbel kaufen.

Streng genommen kann man das seit elf Monaten, als die sehr schöne Debüt-EP erschien, aber die neueste Veröffentlichung ist schon etwas besonderes: Auf dem Sampler der Erst-Internet-dann-auch-TV-Sendung “TV Noir” ist neben exklusiven Mitschnitten von William Fitzsimmons, Heather Nova und Klee auch der Song “India” von Polyana Felbel enthalten. Und diese CD können Sie bei Amazon, iTunes oder im lokalen Plattenladen erwerben.

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Die ganze Sendung mit Polyana Felbel (und Annett Louisan) können Sie auch heute Nacht noch einmal auf 3sat sehen, zu Beginn einer mittelgroßen “TV Noir”-Nacht um 3.20 Uhr.

Alternativ gibt es die Sendung, von der ich immer noch nicht weiß, ob ich sie wegen ihrer Schwarz/Weiß-Ästhetik schön oder prätentiös finden soll, aber auch in diesem Internet.

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Rundfunk

TV-Tipp: Stromberg

Wir hatten uns ja neulich mit dem Phänomen der Fremdscham beschäftigt. Der Großmeister der Fremdscham ist Ralf Husmann, der Autor von Fernsehserien wie “Stromberg”, “Dr. Psycho” oder “Der kleine Mann”. Husmann schafft es – und da ist er einer der ganz wenigen – dass ich körperlich auf sein Werk reagiere und zwar dergestalt, dass ich mir Augen und Ohren zuhalten muss, während ich gleichzeitig versuche, meine Hände abzunagen. Ich habe entsprechend wenig vom Werk des theoretisch sehr geschätzten Herrn Husmann gesehen.

Da Leid in der Gruppe bekanntlich leichter zu ertragen ist, war es eine hervorragende Idee der Produktionsfirma Brainpool, die ersten vier Folgen der neuen “Stromberg”-Staffel in großen, vollen Kinosälen zur Aufführung zu bringen. So konnte ich vor drei Wochen im Bochumer UCI endlich auch mal wieder die Serie sehen — und was soll ich sagen: es hat großen, großen Spaß gemacht.

Und obwohl ich vorher noch nie laut bei “Stromberg” gelacht habe, funktioniert es jetzt, wo ich die Erfahrung einmal gemacht habe, auch noch im Nachhinein, beim Wiederansehen:

[Stellen Sie sich an dieser Stelle bitte vor, der verlinkte Videoclip wäre hier ins Blog eingebunden.]

Heute startet die fünfte Staffel auf Pro Sieben und wenn ich mich ganz stark fühle, werde ich mir die Folgen, die ich noch nicht gesehen habe, auch noch alleine auf dem heimischen Sofa zu Gemüte führen, um zu sehen, wie es weitergeht mit Stromberg und Jennifer, mit Ernies religiösem Wahn und mit Strombergs Karriere.

Da ich nie länger als eine Woche am Stück in einem Büro gearbeitet habe, kann ich schlecht beurteilen, wie realistisch die ganzen Szenarien sind, aber nach dem, was ich von Leuten gehört habe, die tatsächlich in Versicherungen, Verwaltungen oder im Öffentlichen Dienst beschäftigt sind, erscheint mir das alles recht untertrieben.

Stromberg
Ab heute jeden Dienstag
Um 22.10 Uhr auf Pro Sieben

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Rundfunk Leben Fernsehen

Im Fernsehen

Das sind mehr Ränder als Augen, die ich da sehe. Es sind meine Ränder, da im Spiegel, was mir an jedem anderen Tag reichlich egal wäre, heute aber nicht. Heute bin ich in einer Fernsehsendung zu Gast und wollte dabei ungern aussehen wie Vatter Hein persönlich.

Seit ich im Januar “Chef” vom BILDblog geworden bin, kamen immer wieder Interview-Anfragen von verschiedensten Medien und wenn man solche Aufmerksamkeit nicht gewohnt ist, keine Sekretärin hat, aber gut erzogen ist, sagt man erst jedem Anrufer zu und anschließend immer wieder das Gleiche. Am Sympathischsten waren meist die Gespräche mit den Campusradios, aber ab dem fünften Interview wusste ich, dass ich nie einen Hollywood-Film drehen würde — bei den internationalen Interview-Marathonen würde ich mich irgendwann selbst verletzen, weil ich mich selbst viel zu oft dasselbe sagen gehört hätte.

Aber Fernsehen, das wollte ich dann doch mal mitmachen. Zumal die Anfrage von einem dieser ARD-Digitalsender kam, die auch nicht viel mehr Zuschauer haben als Dinslaken Einwohner. “Da kann man ja erst mal üben, bevor man irgendwann unvorbereitet bei Gottschalk auf der Couch sitzt”, dachte ich und fuhr nach Köln.

Das heißt: Bis ich nach Köln fahren durfte, musste ich erst mal einen Fragebogen mit sensationell unbeantwortbaren Fragen (“Haben Sie ein Lieblingsbuch?”, “Wie würden Sie sich beschreiben?”) beantworten, auf dessen Grundlage dann eine Redakteurin ein einstündiges telefonisches Vorgespräch mit mir führte, aus dem dann die Fragen für das eigentliche Interview kondensiert wurden.

Man macht sich als Zuschauer ja keine Gedanken, wie viel Aufwand dahinter steckt, ein paar redende Köpfe auf die heimische Mattscheibe zu projizieren. Also von dem ganzen technischen Kram inklusive Erfindung der Braun’schen Röhre und den Rundfunkwellen mal ab.

Stilleben in einer WDR-Garderobe.

Und jetzt sitze ich hier in der Garderobe im (geschätzt) vierten Untergeschoss des Filmhauses des Westdeutschen Rundfunks in Köln, sehe aus wie Manny Calavera und werde von einer Garderobiere gefragt, ob ich “das” (meinen roten Kapuzen-Sweater) anlassen wolle.

“Ich hätte auch noch ein Hemd”, fange ich vorsichtig an, “aber ich weiß nicht, ob das nicht zu kleingemustert ist.”

Das hatte man mir nämlich gesagt, mehrfach: Kein Grün, kein Gelb, nicht zu viel Weiß und um Himmels Willen bitte nicht kleingemustert. Die nette Garderobiere (nett sind sie überhaupt alle hier unten, obwohl sie hier ohne Tageslicht und frische Luft arbeiten müssen und man es durchaus verstünde, wenn sie sich deshalb von Blut ernährten) geht mal fragen und weil mein Hemd nicht zu kleinkariert ist, geht sie es gleich auch noch aufbügeln. Das letzte Mal, als irgendeines meiner Hemden aufgebügelt wurde, lebte ich noch bei meinen Eltern.

Dann darf ich in die Maske und die ist natürlich bitter nötig: “Es tut mir sehr leid, aber meine Augenringe sind heute noch tiefer als sonst”, beginne ich entschuldigend, “dabei war ich gestern extra früh im Bett.”
“Kriegen wir hin”, sagt die nette Maskenbildnerin und beginnt mit umfangreicheren Stuckationsarbeiten, wie man sie von der Deckensanierung Berliner Altbauten aus der Gründerzeit kennt.

Neben mir sitzt Anja Backhaus, die Moderatorin der Sendung, die mit ihrer Maske schon durch ist, und betreibt Small Talk. Wir sprechen über den öffentlichen Personennahverkehr, Wuppertal und den drohenden Abriss des Kölner Schauspielhauses. Bloß nichts aus dem Interview vorwegnehmen, damit der Talkgast später nicht gleich im ersten Satz irgendwas mit “wie gesagt” antwortet.

Nach ein paar Minuten guckt mich ein frischer junger Mann aus dem Spiegel an und ich überlege kurz, wie lange ich wohl üben müsste, bis ich es selber hinkriegte, mich so zu schminken. So für jeden Tag. Meine Haare darf ich, wie jeden Tag, selbst verstrubbeln, was ich sehr gewissenhaft und lange tue, bis es so aussieht, als hätte ich exakt nichts daran getan. “Eitelkeit ist eine der sieben Todsünden”, höre ich meine katholische Großmutter sagen, drehe mich um, sehe aber niemanden.

Dann geht es ins Studio, wo Anja und ich in stylischen Lounge-Sesseln Platz nehmen, in denen man ganz phantastisch liegen kann. Nur aufrecht sitzen geht schlecht, wäre aber im Idealfall wichtig. Wir haben viel Zeit, um die Positionierung unserer Beine auszutesten, denn zunächst einmal müssen wir richtig eingeleuchtet werden. Während wir unsere Beine mal links, mal rechts aneinander vorbeischieben und dabei versuchen, weder verkrampft zu wirken noch uns die Hüften auszukugeln, werden über unseren Köpfen viele Scheinwerfer eingeschaltet, von denen jeder einzelne ausreicht, um eine Tiefkühlpizza aufzubacken. Ich versuche, nicht nach oben zu starren, aber sonst sind da nur eine riesige grüne Wand und drei Kameras, in die ich auch nicht gucken sollte. Wenigstens kann man seine Hände bequem so auf den Sesseln platzieren, dass ich nicht Gefahr laufe, die ganze Zeit über wüst zu gestikulieren, wie ich das sonst tue, wenn ich rede.

Anja redet hin und wieder mit dem Regisseur, den ich aber nicht hören kann, weil er sich in einem Knopf in Anjas Ohr versteckt hat. Als er über die Studio-Lautsprecher spricht, sagt er “Vorwarnung fürs Studio” und das klingt ein bisschen nach Raketenstart.

Beim ersten Versuch stimmt etwas mit Anjas Anmoderation nicht, beim zweiten läuft irgendwas anderes schief, aber da habe ich die erste Frage schon beantwortet. Jetzt also noch mal, wobei ich so tun muss, als würde ich die Frage zum ersten Mal hören und beantworten. Aber wozu war ich in der Unterstufen-Theater-AG meines Gymnasiums?

Diesmal klappt alles und wir befinden uns plötzlich mitten in einem Gespräch. Ich gucke Anja konzentriert an (was für sie ziemlich sicher beunruhigend wirken muss), während ich die Fragen beantworte, die stellenweise echtes Nachdenken erfordern. Da zeigt sich dann auch der Sinn und Nutzen des Vorgesprächs: Manche Fragen spielen gezielt auf eine Antwort an, die ich der Redakteurin vor drei Tagen am Telefon gegeben habe und jetzt idealerweise wiederholen sollte, wenn ich mich noch an sie erinnern würde.

Dass das hier eine Aufzeichnung sein würde ist klar, aber wir produzieren vor für in drei Wochen. Bezugnahmen zum Zeitgeschehen gilt es also eher zu vermeiden — ein bisschen schwierig, wenn man über Medien sprechen soll. Die Frage “Was war in den letzten Wochen besonders krass in den Medien?”, beantworte ich elegant mit einem Verweis auf einen BILDblog-Eintrag von gestern. Also: “vor ein paar Wochen”. Hollywood, ich komme!

Der Talk ist schnell vorbei, aber zwölfeinhalb Minuten sind mehr, als einem als einzelner Gast in der “NDR Talkshow” zustehen. Ich bin also ganz zufrieden mit dem, was wir alles abgehandelt haben. Es wird noch ein Extra-Clip fürs Internet gedreht, den wir vier Mal wiederholen, weil immer irgendwas schief läuft. Dann darf ich gehen.

In der (Nein: meiner) Garderobe packe ich hastig zusammen und vergesse dabei prompt die unangebrochene Packung Kekse, die dort für mich bereitstand. Dabei hat man doch so selten Gelegenheit, sich seine Rundfunkgebühren derart direkt zurückzuholen.

Als ich in den Kölner Nieselregen trete, bin ich noch geschminkt, aber wieder alleine. Niemand um mich, der fragt, ob ich zufrieden bin, ob ich irgendwas brauche, ob alles in Ordnung ist. Niemand, der mir freundlich zunickt. Die ersten Minuten ist das – nach gerade mal zweieinhalb Stunden im Fernsehstudio – ziemlich irritierend. “Hollywood- oder Rockstars würden jetzt Drogen nehmen”, denke ich und gehe stattdessen Freunde besuchen.

EINSWEITERgefragt
Freitag, 16. April 2010
Um 20.01 Uhr auf Eins Festival

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Rundfunk

TV-Tipp: Der Wendler-Clan

Was fällt Ihnen alles zum Thema “Dinslaken” ein? Dalli dalli!

Michael “Der” Wendler, selbsternannter König des Popschlagers und Botschafter der Stadt Dinslaken in der Welt des Glitzers und Glamours, hat jetzt endlich seine eigene TV-Serie über sich und seine Familie. Ich erwarte eine Mischung aus “This Is Spinal Tap” und “Die Fussbroichs” und freue mich, dass meine Hometown gefühlte 100 Jahre nach “Nase vorn” mal wieder einen regelmäßigen Sendeplatz im deutschen Fernsehen bekommt.

Stefan Niggemeier hat die erste Folge von “Der Wendler-Clan” schon gesehen und bremst ein wenig meine Euphorie. Allerdings kommt er ja auch nur aus Osnabrück …

Der Wendler-Clan
ab Sonntag, 3. Januar 2010
jeden Sonntag um 19 Uhr auf Sat.1

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Rundfunk Politik Fernsehen

… und wir sind nur die Kandidaten

Montagnachmittag im Kölner E-Werk: Außer Rentnern, Studenten und Arbeitslosen hat um diese Zeit eigentlich niemand Zeit. Trotzdem haben WDR und NDR es hinbekommen, 179 Bundesbürger anzukarren, die angeblich repräsentativ für 82 Millionen sind: alt und jung, aus Nord und Süd, Mann und Frau — die ganze Palette halt. Sie sollen SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier in einer dieser Townhall-Meeting-Simulationen, die der neueste Schrei im deutschen Polit-TV sind, auf den Zahn fühlen. Bizarrerweise bin ich einer dieser 179.

Nach dem nur verhaltenen Warm-Up durch einen Kollegen (es ist halt eine öffentlich-rechtliche Politiksendung, keine Privatfernseh-Comedy) begrüßen die Moderatoren Jörg Schönenborn und Andreas Cichowicz erst uns und dann den Mann, der Kanzler werden will. Steinmeier begrüßt die Zuschauer, die um ihn herum sitzen, routiniert und man ist froh, dass er nicht gleich mit dem Händeschütteln anfängt. Er hätte ja gar nicht kommen brauchen, sagt er, so toll habe ihn “der Jonas”, ein junger Zuschauer mit blondierten Haaren, der im Warm-Up seinen Platz eingenommen hatte, ja vertreten. Solche Aussagen sorgen für Stimmung, aber dann erinnert Schönenborn, der trotz seiner sonstigen Kernaufgabe, Zahlen von einem Monitor abzulesen, menschlicher wirkt als der lebende Aktendeckel Steinmeier, daran, dass wir ja nicht zum Vergnügen hier seien, und es geht los.

Die erste Frage wird gestellt und die erste Antwort gegeben. Im Vorfeld hatten sich die WDR-Redakteure telefonisch erkundigt, was man eventuell fragen wolle, aber im Studio lässt sich (außer bei ein paar ausgewählten Gästen) nicht zuordnen, wer welche Frage stellen würde — eine wie auch immer geartete Kontrolle scheint ausgeschlossen. Ein Mann wird vorgestellt, der 33 Jahre bei Hertie gearbeitet hat und “mit nichts mehr als einem feuchten Händedruck” (er muss sehr feucht gewesen sein, denn er findet zwei Mal Erwähnung) verabschiedet wurde. Hoffentlich war es nicht auch noch der selbe Hertie-Mitarbeiter wie vor drei Wochen bei RTL. Steinmeier sagt von Anfang an oft “ich” und “wir”, ohne dass klar wird, welche geheimnisvolle Truppe er damit meint. Die magischen Buchstaben “SPD” nimmt er nach 67 Minuten zum ersten Mal in den Mund, “CDU” folgt kurz darauf. Er redet viel und sagt wenig. Sagt ein Zuschauer, woher er kommt, kommen von Steinmeier stets die gleichen backchannels: “Rheda-Wiedenbrück, ah!”, “Grevenbroich, ah!”, “Bochum, ah!”. Ein Mann, der bei Continental arbeitet, wird fast zu Steinmeiers Joe the plumber: Zwar kann er sich den Namen des Mannes nicht merken, aber auf den “Arbeiter bei Conti” kommt der Kanzlerkandidat an jeder passenden und unpassenden Stelle gern noch mal zurück.

Konkrete Fragen beantwortet Steinmeier mit dem Hinweis, “sofort” auf den Kern zurückzukommen, nur um dann so weit auszuholen, dass er an einer beliebigen Stelle abbiegen und über irgendwas reden kann. Als Fragesteller ist man zu betäubt, um das sofort zu merken, und die Moderatoren wissen natürlich sowieso am Besten, dass sie hier keine konkreten Antworten erwarten können.

Eine ältere Dame, die zuvor bereits wüst in die Kamera gewunken hatte, um darauf aufmerksam zu machen, dass sie eine Frage stellen will, hat ein paar kopierte Zettel dabei und fragt Steinmeier, ob er schon Gelegenheit gehabt habe, den aktuellen “Spiegel” zu lesen. Steinmeier wird aber gerade frisch überpudert und kann deshalb nicht antworten, weswegen Schönenborn bittet, eine konkrete Frage zu formulieren. Es geht um die Besteuerung von Sonntagsarbeit und Steinmeier antwortet, man dürfe auch nicht alles glauben, was in der Zeitung stehe. Obwohl es natürlich stimmt, kommt das ein bisschen meckerig rüber und die Dame entgegnet, es habe ja nicht in “Bild” gestanden, sondern im “Spiegel” und dem müsse man ja trauen. Ich hoffe, dass die Raummikros zu schwach eingestellt waren, als dass man mein glucksendes Gelächter auch noch zuhause hören könnte.

Weil ich ein “junger Mann im karierten Hemd” bin, darf ich auch eine Frage stellen, aber ich merke schon, als das Fragezeichen durch den Raum schwebt, dass das keine gute Idee war. Ich will wissen, ob Steinmeier manchmal von Murat Kurnaz träume, aber der Kanzlerkandidat antwortet mit dem Verweis auf irgendwelche Dokumentationen über sich und darauf, dass ein Untersuchungsausschuss seine (Steinmeiers) Unschuld bewiesen habe. Man müsse jetzt auch mal mit diesen Anschuldigungen aufhören, sagt er, während wir irgendwie haarscharf aneinander vorbei gucken, und ich das Gefühl habe, unter den Blicken der anderen Zuschauer und der Hitze der Scheinwerfer langsam zu zerfließen.

Mit Politikern zu sprechen ist eine der unbefriedigendsten Beschäftigungen überhaupt, weil einem immer erst hinterher klar wird, dass das gar kein Gespräch war, sondern eine Phrasen-Routine, die man schon im Informatikunterricht der siebten Klasse schreiben kann. (Es kann kein Zufall sein, dass Douglas Adams einst an einem Computerprogramm namens “Reagan” arbeitete, das Fernsehdebatten anstelle des US-Präsidenten hätte führen können.) Es macht fast mehr Spaß, im Herbst Laub zusammenzukehren und die Wiese kurz nach dem Wegpacken des Rechens schon wieder mit Blättern übersät zu sehen.

Das Thema Außenpolitik kommt in der Befragung des Außenministers nicht vor. Fragen nach afghanischen Tanklastern (“Wie viele davon werden wir noch in die Luft sprengen müssen, bis es in dem Land keine Taliban und keine Zivilisten mehr gibt und wir nach hause gehen können?”) verbieten sich wegen der Vorlaufzeit von fast 30 Stunden: Wer weiß, wie die Nachrichtenlage bei Ausstrahlung aussieht? Afghanistan kommt trotzdem vor, wenn auch anders als gedacht: Die Mutter eines Soldaten fragt nicht etwa, wann ihr Junge dauerhaft zuhause und in Sicherheit bleiben darf, sondern erkundigt sich nach besserer technischer Ausstattung für die Truppen. Dass sich die Sendung so amerikanisch anfühlen würde, war sicher nicht geplant.

Zur Auflockerung werden Steinmeier zwischendurch zwei “Wer wird Millionär?”-mäßige Quizfragen gestellt. Es fällt schwer zu glauben, dass eine mutmaßlich gut bezahlte Redaktion in monatelanger Vorbereitung nicht über “Was werden Sie nach dem Ende der großen Koalition am meisten vermissen? A: Angela Merkel, B: Karl-Theodor zu Guttenberg, C: Ursula von der Leyen, D: meinen Dienstwagen” hinausgekommen ist. Immerhin gibt es Steinmeier die Gelegenheit zum einzigen Mal in 75 Minuten mit Witz und Schlagfertigkeit zu glänzen, als er antwortet: “‘D’ scheidet ja aus, denn wenn die große Koalition endet, sitze ich ja im Kanzleramt.”

Als Schönenborn eine längere, komplizierte Zwischenmoderation, in der es auch irgendwie um die FDP geht, augenscheinlich völlig frei (also jedenfalls ohne Teleprompter und ohne noch mal auf seine Karten zu gucken) in die Kamera spricht, werde ich zu seinem glühenden Verehrer. Cichowicz dagegen gerät bei seinen kurzen Textpassagen häufiger ins Schwimmen, hat dafür aber das Zwischen-Zuschauern-Hocken in der Tradition von Jürgen Fliege und Günther Jauch im Repertoire. Zwischendurch stürzen immer wieder studentische Mikrofon-hinhalte-Kräfte die Treppen hinunter, was man am Bildschirm vermutlich nur als grotesk anmutende Satzpausen wahrnimmt.

Kurz vor Schluss darf noch eine Mutter mit Migrationshintergrund eine Frage stellen und weil sie in Steinmeiers Rücken sitzt, gerät diese Gesprächssimulation vollends zum Desaster: Steinmeier dreht ihr halb die Schulter zu und redet lieber zu Schönenborn und Kamera 1 und berichtet dann – Einzelschicksale hervorheben! – von einer jungen Türkin, die er kürzlich in Mainz kennengelernt habe und die jetzt ihren Hauptschulabschluss nachmache. Dass vor hinter ihm das vielleicht spannendere Einzelschicksal sitzt, ist egal: Die Frau aus Mainz passt besser in die Routine.

Die ersten Zuschauer erheben sich schon während des Abspanns.

Wahlarena: Zuschauer fragen Frank-Walter Steinmeier
Dienstag, 8. September 2009
21:05 Uhr im Ersten

Nachtrag, 9. September: Bis zum kommenden Samstag kann man sich die Sendung jetzt auch in der ARD-Mediathek ansehen.

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Musik

Der erste Sonnenstrahl

Wenn Thees Uhlmann gerade mal nicht gemeinsam mit irgendwelchen Nachwuchsjournalisten irgendwelche Nachwuchsbands entdeckt oder mit Feridun Zaimoglu und einem Fernsehteam eine Nacht in Swansea verbringt (falls Sie das verpasst haben: es war großartig, unbedingt die Wiederholungen anschauen!), ist er immer noch Sänger der Band Tomte.

Diese wird im Oktober ihr fünftes Album “Heureka” veröffentlichen, welches sich durch die Single “Der letzte große Wal” ankündigt.

Und die klingt so sieht so aus:

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[Direktlink]

Okay, die Idee ist ein bisschen bei Snow Patrol geklaut, aber trotzdem sehr charmant.

Es ist übrigens das erste Video mit dem neuen Keyboarder Simon Frontzek, der diesmal lustigerweise Bass spielt, weil ja auch Olli Koch die Band leider aus gesundheitlichen Gründen verlassen musste.

[via Popkulturjunkie]

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Musik Rundfunk

TV-Tipp: 25. Haldern Pop Festival

Am kommenden Wochenende wird der “Rockpalast”, eine der letzten Bastionen von (Live-)Musik im deutschen Fernsehen, das ausstrahlen, was der WDR so beim Haldern Pop Anfang August aufgezeichnet hat.

In der Nacht von Samstag (30. August) auf Sonntag (31. August) gibt es ab Mitternacht eine Art Highlight-Zusammenstellung mit Kula Shaker, Maxïmo Park, Guillemots, Kate Nash, The National, The Heavy, Jamie Lidell, Okkervil River, Iron & Wine, White Lies, Joan As Police Woman und The Dodos; in der Nacht von Sonntag (31. August) auf Montag (1. September) gibt es von 00:45 Uhr bis 02:45 Uhr wohl etwas längere Ausschnitte aus den Konzerten von den Editors und Jack Peñate. Nicht zu sehen (weil nicht aufgezeichnet) sind meine persönlichen Festival-Höhepunkte Flaming Lips, Kilians, Mintzkov, Fleet Foxes und Loney, Dear.

Die ständig im Weg stehenden WDR-Kameras und die schiere Omnipräsenz des Senders beim Haldern Pop habe ich zum Anlass genommen, mal Kontakt mit der Pressestelle des WDR aufzunehmen. Gerade, nachdem ich am Wochenende nach Haldern in einer “Rockpalast”-Zusammenfassung vom “Rheinkultur”-Festival gesehen hatte, dass man dort mit sehr viel handlicheren Handkameras gefilmt hatte.

Folgendes wollte ich also wissen:

– Gibt es besondere Kriterien, nach denen entschieden wird, ob ein Festival mit Stand- oder Handkameras gefilmt wird?
– Wie ernst nimmt der WDR die Kritik von Journalistenkollegen und zahlenden Festivalbesuchern?
– Wie viele Stunden Programm vom Haldern Pop werden (ohne Wiederholung und Mehrfachauswertung) insgesamt im “Rockpalast” laufen?
– Wie viele Mitarbeiter des WDR waren beim Haldern Pop insgesamt im Einsatz (“Rockpalast”, Einslive, “Lokalzeit”, …)
– Werden die Übertragungsrechte für Festivals und Konzerte eigentlich (ähnlich wie die für Sportveranstaltungen) eingekauft oder sind sie Teil der Kooperationsvereinbarung zwischen Sender und Veranstalter?

Und folgendes antwortete mir die WDR-Pressestelle:

Der WDR arbeitet je nach Produktion mit unterschiedlichem technischen Material, d.h. sowohl mit Hand- als auch mit festen Kameras.
Grundsätzlich nehmen wir die Kritik von Journalisten, Besuchern oder auch Zuschauern sehr ernst. In diesem Fall gab es einen engen Austausch zwischen den Veranstaltern des Festivals und der Redaktion. Bei den Veranstaltern sind keinerlei Beschwerden bzgl. Behinderungen angekommen.

Der WDR wird rund 9,5 Stunden vom Haldern-Pop-Festival berichten, weitere Infos dazu finden Sie auch auf der Website www.rockpalast.de.

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir nicht zu allen internen Planungen Auskunft geben können.

Schade. Es hätte mich doch mal interessiert, ob das Festival wenigstens viel Geld dafür kriegt, dass Berichterstatter in ihrer Arbeit behindert werden und Zuschauer auf hässliche Geräte aus dem Technikmuseum starren müssen. Denn wenn der WDR hülfe, die Ticketpreise unten zu halten, wäre es ja noch okay.

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Rundfunk

TV-Tipp: “Schattenkinder”

Vor einem halben Jahr schrieb ich über den Dokumentarfilm “Schattenkinder”, der mich ziemlich beeindruckt hatte.

Da immer wieder Leute auf der Suche nach dem Film und seinen Ausstrahlungsterminen hier im Blog landen, dachte ich mir, ich weise mal darauf hin, dass der Film am Dienstag, dem 8. Juli um 23:00 Uhr im Südwestfernsehen läuft.

Nachtrag, 8. Juli: Der Leser Christian weist mich darauf hin, dass eine weitere (diesmal offensichtlich einstündige) Ausstrahlung des Films in der Nacht zum 15. Juli um 3:00 Uhr im NDR Fernsehen stattfindet.

Warum der Film heute im SWR nur 30 Minuten dauerte (statt 45 Minuten, wie bei manch anderer Ausstrahlung), weiß ich leider nicht, da ich ihn heute nicht noch einmal gesehen habe.

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Rundfunk Digital

TV-Tipp: “Roche & Scobel”

Im Juni startete das ZDF unter Ausschluss der Öffentlichkeit die neue Talkreihe “Roche & Scobel” mit der fantastischen Charlotte Roche und dem sympathischen Gert Scobel, den man schon deshalb bewundern muss, weil er seit 19 Jahren mit Susanne Fröhlich zusammenlebt.

Nur fünf Monate nach der ersten Sendung steht nun auch schon die zweite Ausgabe der Talkshow, die sich an ein überwiegend jugendliches Publikum richtet, an: sie wird heute Abend um 00:20 Uhr im ZDF ausgestrahlt. Wer sich die Sendung live ansehen will, was für eine interaktive Sendung, an der man sich per Skype beteiligen kann, irgendwie naheliegender erscheint, sollte schon um 20:00 Uhr im ZDFinfokanal oder bei zdf.de reinschauen.