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Der letzte Strohhalm könnte blühen

Blühende Strohhalme (Symbolfoto: Lukas Heinser)

In der letzten tagesaktuellen Fernsehsendung, die ich mir noch ansehe, der “Daily Show”, war am Montag der Journalist Walter Isaacson zu Gast, um über die Zukunft des Journalismus zu sprechen:

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Im Wesentlichen hat er dabei (das war ja der Aufhänger seines Auftritts) seine Titelstory aus dem aktuellen “Time”-Magazine paraphrasiert: Ein Journalismus, der sich nur auf Werbekunden verlasse, verliere erstens seine Bindung zum Rezipienten und könne zweitens in Krisenzeiten (so wie … jetzt) schnell ganz ohne Geld dastehen, so Isaacson.

Aber er hat ja schon eine Idee:

So I am hoping that this year will see the dawn of a bold, old idea that will provide yet another option that some news organizations might choose: getting paid by users for the services they provide and the journalism they produce.

Das klingt in Zeiten, in denen eine zunehmende Zahl von Zeitungen und Zeitschriften ihre Archive kostenlos ins Internet stellt und Google das Seine dazu beiträgt, zunächst einmal völlig anachronistisch.

Isaacson manövriert sich dann auch etwas in argumentativen Treibsand, wenn er angesichts einer blühenden Open-Source-Szene ausgerechnet Beispiele wie dieses anführt:

For example, when Bill Gates noticed in 1976 that hobbyists were freely sharing Altair BASIC, a code he and his colleagues had written, he sent an open letter to members of the Homebrew Computer Club telling them to stop. “One thing you do is prevent good software from being written,” he railed. “Who can afford to do professional work for nothing?”

Andererseits weiß auch ich – bei aller Sympathie für Open Source, Musik-Verschenken und ähnlichem -, dass wir alle irgendwie Geld verdienen müssen. Auch ich würde gerne irgendwann mal eine Familie ernähren können.

Und so kommt Isaacson zu einem Schluss, dem ich mir eigentlich nur anschließen kann:

We need something like digital coins or an E-ZPass digital wallet — a one-click system with a really simple interface that will permit impulse purchases of a newspaper, magazine, article, blog or video for a penny, nickel, dime or whatever the creator chooses to charge.

Isaacson denkt dabei an lächerlich erscheinende Preise (5 Cent pro Artikel, 10 Cent für eine Tagesausgabe, 2 Dollar für einen Monat), die sich aber sicher schnell ordentlich summieren würden.

iTunes und der Appstore fürs iPhone beweisen, dass Menschen durchaus bereit sind, Geld für Produkte zu zahlen — es muss nur ganz einfach funktionieren. Als Bezahlung für journalistische Arbeit (dann aber bitte gute!) wären sogenannte Micropayment-Systeme durchaus denkbar. Man müsste nur erstmal eines (er)finden, das einfach funktioniert und universell einsetzbar ist.

Die nächsten Schritte wären klar: Wenn jeder Geld zahlen und empfangen könnte, könnten Nachwuchsbands virtuelle Hüte auf ihrer MySpace-Seite aufstellen, wir könnten Bloggern ein paar Cent zustecken, wenn uns ihre Artikel gefallen haben, oder dem Fotografen unseres Desktop-Hintergrundbildes eine kleine finanzielle Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Und wir könnten noch weiter gehen: Statt Rundfunkgebühren über eine kafkaeske Behörde einziehen zu lassen, könnten sich die öffentlich-rechtlichen Sender direkt entlohnen lassen. Niemand, den es nicht interessiert, müsste noch die vielzitierten Volksmusik-Sendungen subventionieren. Das Geld könnte direkt in die einzelnen Redaktionen fließen und mein Geld würde zu null Prozent in Eins-Live-Comedy gesteckt, aber an die Macher des “Zeitzeichens” gehen.

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Brüste – Jetzt auch in Deutschland!

Facebook findet stillende Mütter obszön und löscht Bilder von Brust und Baby.

schrieb die “taz” gestern. Auslöser war vermutlich eine Protestaktion von stillenden Müttern vor der Hauptverwaltung von Facebook, die von etwa 11.000 Menschen online begleitet wurde, indem diese Stillfotos zu ihren Userbildchen machten. Facebook hatte nämlich immer mal wieder Fotos, auf denen zu viel Brust zu sehen gewesen war, einfach gelöscht. Und in diesem “immer mal wieder” liegt der Knackpunkt, den der “taz”-Artikel verschweigt.

Anders als beispielsweise heise.de am 31. Dezember 2008 schrieb, hatte die Plattform damit nämlich nicht “im Herbst dieses Jahres angefangen”, sondern bereits im Jahr 2007 — ein Blick in die Facebook-Gruppe “Hey, Facebook, breastfeeding is not obscene!” hätte da ausgereicht.

Aber “taz” und Heise sind nicht die einzigen deutschen Medien, die erst durch die Berichte englischsprachiger Medien über die Protestaktion aufgewacht sind: Stern.de, das “Netzgeflüster” der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung”, der Mediendienst Meedia, “RP Online” natürlich und Zoomer.de (“Doch was sich die interne Zensur des Onlinenetzwerkes jetzt geleistet hat, geht überhaupt nicht”) — sie alle tun so, als sei der Umstand, dass Facebook solche Bilder löscht, eine Neuigkeit.

Bild.de, wo es natürlich eine Bildergalerie mit stillenden Müttern gibt, schreibt:

Ausgelöst hat den Wirbel Kelli Roman (23) aus Kalifornien.

Gemeint ist damit jene Kelli Roman, die das “Time”-Magazin kürzlich zu der ganzen Sache interviewt hatte, und neben deren Foto die “Time”-Redakteure folgenden Satz geschrieben hatten:

This photograph of Kelli Roman breastfeeding her baby was removed from Facebook a year and a half ago.

Und wenn Sie das Gefühl haben, über diese ganze Facebook-löscht-Stillfotos-Nummer schon mal vor längerer Zeit gelesen zu haben: das kann natürlich sein …