Kategorien
Musik

Der erste Sonnenstrahl

Wenn Thees Uhl­mann gera­de mal nicht gemein­sam mit irgend­wel­chen Nach­wuchs­jour­na­lis­ten irgend­wel­che Nach­wuchs­bands ent­deckt oder mit Fer­idun Zai­mo­g­lu und einem Fern­seh­team eine Nacht in Swan­sea ver­bringt (falls Sie das ver­passt haben: es war groß­ar­tig, unbe­dingt die Wie­der­ho­lun­gen anschau­en!), ist er immer noch Sän­ger der Band Tom­te.

Die­se wird im Okto­ber ihr fünf­tes Album „Heu­re­ka“ ver­öf­fent­li­chen, wel­ches sich durch die Sin­gle „Der letz­te gro­ße Wal“ ankün­digt.

Und die klingt so sieht so aus:

[Direkt­link]

Okay, die Idee ist ein biss­chen bei Snow Pat­rol geklaut, aber trotz­dem sehr char­mant.

Es ist übri­gens das ers­te Video mit dem neu­en Key­boar­der Simon Front­zek, der dies­mal lus­ti­ger­wei­se Bass spielt, weil ja auch Olli Koch die Band lei­der aus gesund­heit­li­chen Grün­den ver­las­sen muss­te.

[via Pop­kul­tur­jun­kie]

Kategorien
Musik Rundfunk

Das Ende eines phantastischen Zeitalters

Das war ja klar: wir hören uns alle 43 Titel an, die in die­sem Jahr beim Euro­vi­si­on Song Con­test (vul­go: „Grand Prix“) antre­ten, ich fin­de sogar ein Lied, das mir ganz ehr­lich und ohne Iro­nie gefällt – und das schei­tert dann natür­lich gran­di­os bereits im Halb­fi­na­le.

Lei­der lag die Treff­si­cher­heit der Töne auf der Büh­ne unge­fähr bei einem hal­ben Kas­ten Bier auf der nach oben offe­nen Thees-Uhl­mann-Ska­la und die „Cho­reo­gra­phie“ hät­te Det­lef D! Soost sicher mit mar­ki­gen Wor­ten in die Ton­ne getre­ten. Aber ich dach­te mir, bevor der ein­zig wirk­lich gute Song des dies­jäh­ri­gen Grand Prix wie­der völ­lig in der Ver­sen­kung ver­schwin­det, gön­ne ich ihm hier noch mal sei­ne 3:28 Minu­ten Ruhm.

Mei­ne Damen und Her­ren, mit der Start­num­mer 42, zum letz­ten Mal dabei, bit­te nicht wie­der­wäh­len: Pao­lo Mene­guz­zi aus der Schweiz mit „Era Stu­pen­do“!

[Direkt­link]

Kategorien
Musik Literatur

Der Saal wird still, die Lichter gehn aus

Sei­en wir ehr­lich: Wir Sind Hel­den sind so ziem­lich die lang­wei­ligs­te Band Deutsch­lands. Zwar wird man hier­zu­lan­de sowie­so kaum eine Band fin­den, die sich mal schlecht benimmt oder wenigs­tens mal ein paar Kol­le­gen disst, aber Wir Sind Hel­den sind immer noch eine Spur net­ter. Jetzt tou­ren sie sogar schon mit Baby! Und so eine Band will uns gera­de fünf Jah­re nach dem Durch­bruch ihre Geschich­te und ihren Tourall­tag erzäh­len? Auf 400 Sei­ten?

Wir Sind Hel­den sind aber natür­lich auch eine der sym­pa­thischs­ten Bands Deutsch­lands. Selbst als „Bri­git­te“ und „Poly­lux“, wo sie zu Hoch­zei­ten gefühlt in jeder Sen­dung por­trä­tiert wur­den, Judith Holo­fer­nes zur Klas­sen­spre­che­rin der Nati­on erklä­ren woll­ten und die Band droh­te, zum Sound­track­lie­fe­ran­ten von Attac-Demons­tra­tio­nen zu wer­den, sorg­te das Quar­tett immer mit genug Selbst­iro­nie dafür, dass man sie immer noch moch­te. Oder sie has­sen muss­te, weil sonst aus­nahms­los alle sie moch­ten. Die­se Wir Sind Hel­den haben jetzt „Infor­ma­tio­nen zu Tou­ren und ande­ren Ein­zel­tei­len“ ver­öf­fent­licht, eine Samm­lung alter Tour- und Stu­dio­ta­ge­bü­cher, ange­rei­chert mit ganz vie­len Zusatz­ge­schich­ten und lie­be­voll kom­pi­liert von den „Musikexpress“-Granden Josef Wink­ler und Albert Koch.

Wir haben die akti­ve Legen­den­bil­dung in einem frü­hen Sta­di­um ver­säumt und müs­sen nun damit leben: Drei Vier­tel der Hel­den haben sich beim, seufz, Som­mer­kurs einer Musik­hoch­schu­le ken­nen­ge­lernt.

Nun gut, wer unre­flek­tiert Dro­gen- und Sex­ge­schich­ten geschil­dert krie­gen will, kann ja „Scar Tis­sue“ von Antho­ny Kie­dis lesen, bei Wir Sind Hel­den gibt es erst mal län­ge­re Schil­de­run­gen des zag­haf­ten Ken­nen­ler­nens, die dafür jeder Mensch nach­voll­zie­hen kann, der sich mal mit ein paar Freun­den und deren Freun­den „so zum rum­zo­cken“ getrof­fen hat. Über­haupt: Das Hel­den-Buch soll­te man zur Pflicht­lek­tü­re von Nach­wuchs­mu­si­kern ernen­nen. Wenn sich die Band eupho­risch an die ers­ten (natür­lich ziem­lich schlech­ten) Auf­trit­te erin­nert, will man sofort auf die Büh­ne in egal wel­chem Jugend­zen­trum stür­men – und viel­leicht sogar in den Pro­be­raum. Wie man neben­her auch noch ohne ech­tes Manage­ment die Ange­bo­te von Plat­ten­fir­men ablehnt, die einen „top­down in GSA“ „brea­k­en“ wol­len, kann man sich bei den Hel­den zumin­dest abschau­en.

Dass das Buch aber trotz aus­führ­li­cher Schil­de­run­gen von Stu­dio­ar­beit und Live­be­trieb auch noch für Nicht-Insi­der inter­es­sant ist (sein dürf­te), ist der eigent­li­che Ver­dienst: Im Gegen­satz zum ver­gleich­ba­ren Tom­te-Tour­ta­ge­buch „Die Schön­heit der Chan­ce“ hat „Infor­ma­tio­nen zu Tou­ren und ande­ren Ein­zel­tei­len“ zwar den sper­ri­ge­ren Titel, erzählt aber sehr viel all­ge­mein­ver­ständ­li­cher und weit weni­ger puber­tär vom Tour-All­tag. Das könn­te natür­lich auch dar­an lie­gen, dass die bei­den Bands so grund­ver­schie­den sind, wie Thees Uhl­mann im Buch noch mal erklä­ren darf. Als Mehr­wert hängt dem Buch noch ein Glos­sar an, in dem von „A&R“ über „Night­li­ner“ bis zum sen­sa­tio­nell däm­li­chen Wort „Venue“ („Auf­tritts­ort“) alle Begrif­fe erklärt wer­den, die im Musik­ge­schäft so wich­tig sind. Dar­über freu­en sich sicher auch Musi­ker, Musik­jour­na­lis­ten und Musik­in­dus­tri­el­le, die zwar täg­lich mit die­sen Begrif­fen han­tie­ren müs­sen, sich aber nie trau­en wür­den, nach deren Bedeu­tung zu fra­gen.

400 Sei­ten sind recht viel, um dar­auf knapp sie­ben Jah­re Band­ge­schich­te zu erzäh­len. Den Groß­teil nimmt dabei der Weg bis zum uner­war­te­ten Erfolg des Debüt­al­bums „Die Rekla­ma­ti­on“ ein, aber das war ja auch eine span­nen­de Zeit und man merkt den klug mon­tier­ten Erzäh­lun­gen der Band­mit­glie­der an, wie unglaub­lich die­se Erfah­run­gen für sie auch heu­te noch sein müs­sen. Man hört das Zweit­werk „Von hier an blind“ mit etwas ande­ren Ohren, wenn man um den Druck weiß, der damals auf den Musi­kern las­te­te, und man glaubt es ihnen ger­ne, wie befrei­end es gewe­sen sein muss, als die Auf­merk­sam­keit im ver­gan­ge­nen Jahr etwas nach­ließ.

Am Ende hat man das Gefühl, die Band und ihre Mit­glie­der wirk­lich ken­nen­ge­lernt zu haben. Bei der Scho­nungs­lo­sig­keit, mit der eige­ne Feh­ler ein­ge­stan­den und eige­ne Lügen in der Ver­gan­gen­heit als sol­che ent­larvt wer­den, muss die­ses Buch ein­fach der Wahr­heit ent­spre­chen. Wenn etwas nervt, dann der wie­der­hol­te Hin­weis auf die eige­ne Unkom­mer­zia­li­tät: Kei­ne Fir­men­ver­an­stal­tun­gen, Wer­be­ban­ner am Kon­zert­ort bit­te abneh­men – aber dann begeis­tert anneh­men, wenn bei „Rock am Ring“, die­sem Mar­ke­ting­fes­ti­val mit inte­grier­tem Kon­zert­be­trieb, der Head­li­ner abspringt! Wenn die Band sich dann aller­dings über die Rezep­ti­on am Nür­burg­ring freut, glaubt man ihnen schon fast wie­der, dass dort tat­säch­lich mal für die Län­ge eines Kon­zerts kei­ne Hun­dert­tau­send Dosen­bier-Asis, son­dern ech­te Musik­fans auf dem Gelän­de her­um­lie­fen.

Am Ende weiß man: Wir Sind Hel­den wer­den nie Rock’n’Roll sein, sind aber grund­sym­pa­thisch. Sie machen tol­le Musik und kön­nen sogar Bücher schrei­ben. Das soll ihnen erst mal einer nach­ma­chen.

Wir Sind Hel­den – Infor­ma­tio­nen zu Tou­ren und ande­ren Ein­zel­tei­len
Fischer Ver­lag
12,95 Euro

Kategorien
Musik Gesellschaft

Die Vergangenheit der Musikindustrie

Die wenigs­ten Jugend­li­chen, die heu­te Musik hören (und das sind laut neu­es­ten Umfra­gen 98% der Euro­pä­er), wer­den wis­sen, wel­ches Jubi­lä­um die­ser Tage began­gen wird: Vor 25 Jah­ren schloss Sony­Uni­ver­sal, die letz­te Plat­ten­fir­ma der Welt, ihre Pfor­ten. Ein Rück­blick.

Es war ein wich­ti­ger Tag für Deutsch­land, als der Bun­des­tag der Musik­in­dus­trie im Jahr 2009 das Recht ein­räum­te, soge­nann­te „Ter­ror­ko­pie­rer“ (die Älte­ren wer­den sich viel­leicht auch noch an den archai­schen Begriff „Raub­ko­pie­rer“ erin­nern) selbst zu ver­fol­gen und bestra­fen. Als unmit­tel­ba­re Fol­ge muss­ten neue Gefäng­nis­se gebaut wer­den, da die alten staat­li­chen Zucht­häu­ser dem Ansturm neu­er Insas­sen nicht Herr wer­den konn­ten. Dies war die Geburts­stun­de der Pri­so­nia AG, dem Kon­sor­ti­um von Bau- und Musik­in­dus­trie und heu­te wich­tigs­tem Unter­neh­men im EuAX. Die Wie­der­ein­füh­rung der Todes­stra­fe schei­ter­te im Jahr dar­auf nur am Veto von Bun­des­prä­si­dent Fischer – die gro­ße Koali­ti­on aus FDP, Links­par­tei und Grü­nen hat­te das Gesetz gegen die Stim­men der Pira­ten­par­tei, damals ein­zi­ge Oppo­si­ti­ons­par­tei im Bun­des­tag, ver­ab­schie­det.

Im Jahr 2011 fuhr der frisch fusio­nier­te Major War­ne­rE­MI den höchs­ten Gewinn ein, den je ein Unter­hal­tungs­kon­zern erwirt­schaf­tet hat­te. Kri­ti­ker wie­sen schon damals dar­auf hin, dass dies vor allem auf die völ­li­ge Abschaf­fung von Steu­ern für die Musik­in­dus­trie und die Tat­sa­che zurück­zu­füh­ren sei, dass die soge­nann­ten „Klin­gel­tö­ne“, klei­ne Musik­frag­men­te auf den damals so belieb­ten „Mobil­te­le­fo­nen“, für jede Wie­der­ga­be extra bezahlt wer­den muss­ten – eine Pra­xis, die War­ne­rE­MI zwei Jah­re spä­ter auch für sei­ne MP5-Datei­en ein­führ­te.

Die Anzei­chen für einen Stim­mungs­um­schwung ver­dich­te­ten sich, wur­den aber von den Unter­neh­men igno­riert: Der erfolg­reichs­te Solo-Künst­ler jener Tage, Jus­tin Tim­ber­la­ke, ver­öf­fent­lich­te sei­ne Alben ab 2010 aus­schließ­lich als kos­ten­lo­se Down­loads im Inter­net und als Delu­xe-Vinyl-Ver­sio­nen im „Apple Retro Store“. Heu­te fast ver­ges­se­ne Musi­ker wie Madon­na, Rob­bie Wil­liams oder die Band Cold­play folg­ten sei­nem Vor­bild. Hohn und Spott gab es in allen Medi­en für den dama­li­gen CEO von War­ne­rE­MI, als der in einem Inter­view mit dem Blog „FAZ.net“ hat­te zuge­ben müs­sen, die Beat­les nicht zu ken­nen.

Die­se öffent­li­che Häme führ­te zu einem umfas­sen­den Pres­se­boy­kott der Musik­kon­zer­ne. Renom­mier­te Musik­ma­ga­zi­ne in Deutsch­land und der gan­zen Welt muss­ten schlie­ßen, Musik­jour­na­lis­ten, die nicht wie die Redak­teu­re des deut­schen „Rol­ling Stone“ direkt in Ren­te – wie man es damals nann­te – gehen konn­ten, grün­de­ten eine Bür­ger­rechts­be­we­gung, die schnell ver­bo­ten wur­de. Die Lun­te aber war ent­facht.

Im Herbst 2012 kün­dig­te Prof. Die­ter Gor­ny, damals Vor­sit­zen­der der „Kon­sum-Agen­tur für Run­de Ton­trä­ger, Elek­tri­sche Lie­der und Licht­spie­le“ (K.A.R.T.E.L.L.), sei­ne Kanz­ler­kan­di­da­tur an, wor­über der dama­li­ge Bun­des­kanz­ler Gui­do Wes­ter­wel­le alles ande­re als erfreut war. Er setz­te neue Kom­mis­sio­nen für Medi­en- und Kul­tur­in­dus­trie ein und kün­dig­te eine mög­li­che Zer­schla­gung der Musik­kon­zer­ne an. Die­se fusio­nier­ten dar­auf­hin in einer „freund­li­chen feind­li­chen Über­nah­me“ am Euro­päi­schen Kar­tell­amt vor­bei zum Kon­zern Sony­Uni­ver­sal­EMI und droh­ten mit einer Abwan­de­rung in die Mon­go­lei und damit dem Ver­lust der rest­li­chen 300 Arbeits­plät­ze.

Aber weder Kanz­ler Wes­ter­wel­le noch das deut­sche Volk lie­ßen sich erpres­sen: Zum 1. Janu­ar 2013 muss­te MTVi­va den Sen­de­be­trieb ein­stel­len. Die neu­ge­grün­de­te Bun­des­me­di­en­auf­sicht unter Füh­rung des par­tei­lo­sen Ste­fan Nig­ge­mei­er hat­te dem Fern­seh­sen­der, der als soge­nann­ter Musik­ka­nal galt, die Sen­de­li­zenz ent­zo­gen, da die­ser weni­ger als die gesetz­lich gefor­der­ten drei Musik­vi­de­os täg­lich gespielt hat­te. Die Cas­ting­show „Euro­pa sucht den Super­star“ erwies sich für Sony­Uni­ver­sal­EMI als über­ra­schen­der Mega-Flop, der Wert des Unter­neh­mens brach um ein Drit­tel ein, das „EMI“ ver­schwand aus dem Namen.

Im Ber­li­ner Unter­grund grün­de­te sich die Deut­sche (heu­te: Euro­päi­sche) Musi­can­ten­gil­de. Deren heu­ti­ger Ehren­vor­sit­zen­de Thees Uhl­mann erin­nert sich: „Es war ja damals schon so, dass die klei­nen Bands ihr Geld aus­schließ­lich über Kon­zer­te machen konn­ten, die ja dann auch noch ver­bo­ten wer­den soll­ten. Erst haben wir unse­re CDs ja selbst raus­ge­bracht, aber als die Musik­kon­zer­ne dann die Her­stel­lung von CDs außer­halb ihrer Fabri­ken unter Stra­fe stel­len lie­ßen, muss­ten wir auf Kas­set­ten aus­wei­chen.“ Heu­te kaum vor­stell­bar: Das Magnet­band galt damals als so gut wie aus­ge­stor­ben, nur die klei­ne Manu­fak­tur „Tele­fun­ken“ pro­du­zier­te über­haupt noch Abspiel­ge­rä­te, die ent­spre­chend heiß begehrt waren.

Am 29. Novem­ber 2013, heu­te vor 25 Jah­ren, war es dann soweit: Der Volks­zorn ent­lud sich vor der Sony­Uni­ver­sal-Zen­tra­le am Ber­li­ner Reichs­tags­ufer. Das Medi­en­ma­ga­zin „Cof­fee & TV“ hat­te kurz zuvor auf­ge­deckt, dass die Musik­in­dus­trie jah­re­lang hoch­ran­gi­ge Mit­ar­bei­ter gedeckt hat­te, die durch „Ter­ror­ko­pie­ren“ auf­ge­fal­len waren. Wäh­rend der nor­ma­le Bür­ger für sol­che Ver­bre­chen bis zu sechs Jah­re ins Gefäng­nis muss­te, waren die Mana­ger und Pro­mo­ter straf­frei aus­ge­gan­gen. Als nun die Mut­ter des drei­jäh­ri­gen Tim­mie zu einem hal­ben Jahr Arbeits­dienst ver­ur­teilt wer­den soll­te, weil sie ihrem Sohn ein Schlaf­lied vor­ge­sun­gen hat­te, ohne die dafür fäl­li­gen Lizenz­ge­büh­ren von 1.800 Euro zah­len zu kön­nen, zogen die Bür­ger mit Fackeln und selbst gebas­tel­ten Gal­gen zum „Die­ter-Boh­len-Haus“ am Spree­bo­gen.

Das Gebäu­de brann­te bis auf die Grund­mau­ern nie­der, dann zog der Mob unter den Augen von Feu­er­wehr und Poli­zei wei­ter zur Zen­tra­le der „GEMA“ am Kur­fürs­ten­damm (der heu­ti­gen Toyo­ta-Allee). Wie durch ein Wun­der wur­de an die­sem Tag nie­mand ernst­lich ver­letzt. Die meis­ten Füh­rer der Musik­in­dus­trie konn­ten ins nord­ko­rea­ni­sche Exil flie­hen, den „klei­nen Fischen“ wur­de Straf­frei­heit zuge­si­chert, wenn sie ein Berufs­ver­bot akzep­tier­ten und einer drei­jäh­ri­gen The­ra­pie zustimm­ten.

Drei Tage spä­ter fand im Ber­li­ner Tier­gar­ten ein gro­ßes Kon­zert statt, die ers­te öffent­li­che Musik­auf­füh­rung in Euro­pa seit vier Jah­ren. Die Kili­ans, heu­te Rock­le­gen­den, damals noch jun­ge Män­ner, spiel­ten vor zwei Mil­lio­nen Zuhö­rern, wäh­rend die Bil­der von gestürz­ten Die­ter-Gor­ny-Sta­tu­en um die Welt gin­gen.

Kategorien
Digital Politik Gesellschaft

Alles Elend dieser Welt

In den ver­gan­ge­nen Tagen hat die Mili­tär­jun­ta von Myan­mar, dem frü­he­ren Bur­ma, fried­li­che Pro­tes­te von bud­dhis­ti­sches Mön­chen und Zivi­lis­ten mit aller Bru­ta­li­tät nie­der­ge­schla­gen. Etwa 4.000 Mön­che sol­len in Gefäng­nis­se im Nor­den des Lan­des ver­schleppt wor­den sein, mel­det die BBC.

Es ist ein wenig über­ra­schend, dass ein Land, in dem sol­che Ver­bre­chen seit Jahr­zehn­ten an der Tages­ord­nung sind, plötz­lich doch noch in den Focus der Welt­öf­fent­lich­keit gerät. Und viel­leicht liegt es wirk­lich am Inter­net, dass sich die Welt ein Bild von dem machen kann, was in dem süd­ost­asia­ti­schen Land so vor sich geht. Zumin­dest kann man sich Bil­der­ga­le­rien wie die­se oder jene anse­hen, auch wenn das Land jetzt vom Inter­net abge­schnit­ten ist.

Für den 4. Okto­ber (also Don­ners­tag) ist im Inter­net eine Akti­on geplant, bei der Blogs, Web­sites und Web­fo­ren einen Tag lang zu allen ande­ren The­men „schwei­gen“ sol­len und so auf die Situa­ti­on in Bur­ma auf­merk­sam machen wol­len (alle Infos gibt’s hier).

Wie eigent­lich immer bei sym­bo­li­schen Aktio­nen, kommt sofort die Fra­ge auf, was das brin­gen soll. Wenn das deut­sche Volk von einer Demons­tra­ti­on gegen die Vor­rats­da­ten­spei­che­rung der deut­schen Bun­des­re­gie­rung in der deut­schen Haupt­stadt Dank der Kom­pe­tenz der deut­schen Nach­rich­ten­agen­tu­ren gleich­sam nichts mit­be­kommt – wie beein­druckt wer­den dann Gene­rä­le, die auf ihr eige­nes Volk schie­ßen las­sen, davon sein, dass irgend­wel­che Blog­ger in irgend­wel­chen Län­dern einen Tag lang nichts schrei­ben? Nun: Dass sie die Mili­tär­jun­ta kaum errei­chen wer­den, wis­sen die Orga­ni­sa­to­ren wohl selbst. Aber eine sol­che Akti­on kann auch Leu­te, die sich bis­her gar nicht mit Bur­ma beschäf­tigt haben (was 95% der Welt­be­völ­ke­rung sein dürf­ten), auf das Land bzw. The­ma auf­merk­sam machen. Sie kann Hin­ter­grün­de erklä­ren, z.B. wel­che Fir­men mit den Mili­tärs so Geschäf­te machen und wel­che deut­schen Unter­neh­men in dem Land ihr Geld ver­die­nen. Vor allem kann sie nicht scha­den, denn im schlimms­ten Fall ändert sich nichts, die Gene­rä­le mor­den wei­ter wie bis­her und in 41 Jah­ren steht viel­leicht Dar­fur mal für zwei Wochen im Focus der Welt­öf­fent­lich­keit.

Das däm­lichs­te und zynischs­te Argu­ment gegen sol­che Aktio­nen aber lau­tet „Es gibt so viel Elend auf der Welt, war­um kon­zen­triert man sich aus­ge­rech­net auf Bur­ma?“. Kon­se­quent zu Ende gedacht, bräuch­te man dann auch kein ein­zi­ges Buch mehr lesen (weil man eh nicht alle Bücher lesen kann), man bräuch­te nicht mehr essen (weil Res­te übrig blei­ben könn­ten und ande­re Men­schen gar nichts zu essen haben), ja, man bräuch­te nicht ein­mal mehr leben (weil ande­re Men­schen tot sind). Men­schen, die so argu­men­tie­ren, frag­ten am Mor­gen des 12. Sep­tem­ber 2001 „Und was ist mit den Kin­dern, die in Afri­ka ver­hun­gern?“, und viel­leicht ste­hen sie sogar am offe­nen Grab ihrer Mut­ter und sagen etwas wie „Nun ja, jetzt isse tot, aber wäh­rend wir hier ste­hen, ster­ben bei einem bewaff­ne­ten Kon­flikt in Süd­ame­ri­ka vier­hun­dert Men­schen.“

Als ich Thees Uhl­mann von Tom­te das ers­te Mal inter­view­te, war weni­ge Mona­te zuvor sein guter Freund, der Musik­jour­na­list Roc­co Clein ver­stor­ben. Tom­te und ande­re Bands hat­ten ein Bene­fiz­fes­ti­val orga­ni­siert, um Geld für Roc­cos Kin­der ein­zu­spie­len. Natür­lich gab es auch damals wie­der Leu­te, die mit den ver­hun­gern­den Neger­kin­dern argu­men­tier­ten und der Mei­nung waren, dass die Halb­wai­sen eines „Pro­mi­nen­ten“ schon genug Geld zum Leben haben müss­ten. Ich frag­te Thees, was er auf die­ses Gere­de ant­wor­ten wür­de, und Thees sag­te wie so oft etwas sehr, sehr Klu­ges:

Men­schen funk­tio­nie­ren so. Sie mögen das, mit dem sie zu tun haben oder hat­ten. War­um ist einem das World Trade Cen­ter näher, als wenn irgend­wo in Ruan­da 120.000 Men­schen inner­halb von 90 Tagen abge­mor­det wer­den? Weil Ruan­da abs­trakt ist. In Ame­ri­ka war jeder schon mal. Und wenn er nicht da war, dann kennt er jeman­den, der da war. So funk­tio­nie­ren Men­schen. Und das ist schlimm oder egal oder gut, aber das ist ein­fach so.

Ich weiß noch nicht, ob ich mich an die­ser Blog­ger-Akti­on betei­li­gen wer­de. Aber ich weiß, dass ich Respekt habe vor denen, die sowas pla­nen, die sich Gedan­ken machen. Es liegt nun mal offen­bar in der Natur des Men­schen, dass er nicht an alles Elend der Welt gleich­zei­tig den­ken kann – aber wür­den wir nicht auch wahn­sin­nig, wenn wir es könn­ten? Vor zwei Wochen wuss­ten vie­le nicht, dass ein Land namens Myan­mar exis­tiert, heu­te machen sie sich für die Men­schen dort, von denen sie ver­mut­lich kei­nen ein­zi­gen je ken­nen­ler­nen wer­den, stark. Das mag man als Aktio­nis­mus sehen, aber dann dürf­te man auch bei den Advents­samm­lun­gen der Kir­chen kein Geld mehr geben und müss­te Medi­ka­men­te und Schu­len ver­bie­ten, weil sie die Chan­cen­gleich­heit („Alle haben kei­ne Chan­ce“) der Men­schen ver­zer­ren. Wer so argu­men­tiert, ver­fügt über die nöti­ge Por­ti­on Zynis­mus und Men­schen­ver­ach­tung, um einem Mili­tär­re­gime anzu­ge­hö­ren.

Kategorien
Musik Digital

Ratinger Hofnarren

Lukas: „Was hal­ten wir eigent­lich von den Toten Hosen?“
Ima­gi­na­ry Fri­end: „Uff! Hmmm, na ja …“
Lukas: „… damit auf­ge­wach­sen sind wa ja schon. Irgend­wie. Nich?“
Ima­gi­na­ry Fri­end: „Das mag sein. Aber Cam­pi­no geht doch gar nicht.“
Lukas: „Wenn wir gleich alle deut­schen Bands schei­ße fin­den wür­den, deren Sän­ger ein zu gro­ßes Mit­tei­lungs­be­dürf­nis haben und jede Talk­show und jede Gazet­te voll­la­bern, dann könn­ten wa aber nur noch Kraft­werk hören. Sieh’s mal so!“
Ima­gi­na­ry Fri­end: „War­um ver­tei­digst Du denn hier die Toten Hosen?“
Lukas: „Tu ich gar nicht. Ich woll­te nur wis­sen, was wir von denen hal­ten.“
Ima­gi­na­ry Fri­end: „Uff …“

Nun, wie dem auch sei: Von den Toten Hosen gibt es inzwi­schen – wahn­sin­nig Punk­rock-like – eine eige­ne „SingStar“-Edition. Das ist … ach, das ist halt so und wäre mir sicher kei­ne Erwäh­nung wert, wenn man beim Uncle-Sally’s‑Magazin die­ses Com­pu­ter-Spiel nicht von drei fach­kun­di­gen Tes­tern auf Herz und Leber hät­te über­prü­fen las­sen: Nagel, Thees Uhl­mann und Mil­le von Krea­torCam­pi­no bewer­tet das Gan­ze. Das alles als Video hier.

Eigent­lich ist es ganz schreck­lich, aber irgend­wie auch sehr unter­halt­sam. Anders aus­ge­drückt: Näher am Punk waren die Toten Hosen in den letz­ten fünf­zehn, zwan­zig Jah­ren nicht.

[via Tom­te-Blog]

Kategorien
Musik Sport

„Alles Strokes!“

Aller guten Din­ge sind drei. Des­we­gen jetzt und hier der letz­te Kili­ans-Con­tent für … na ja, wir wol­len nicht zu viel ver­spre­chen. Aber erst mal der letz­te Kili­ans-Con­tent.

In den Haupt­rol­len: wei­ter­hin Simon den Har­tog und ich, ein Schwe­den­pan­zer und die Stra­ßen von Dins­la­ken. Und wenn ich danach nicht „Poly­lux“ mode­rie­ren darf, weiß ich auch nicht wei­ter …

(Erst Teil 1 und 2 anschau­en oder gleich die gan­ze Play­list)

Kategorien
Musik

Im Schmelztiegel der Subkultur

Man­che mögen der Mei­nung sein, ich hät­te lang­sam mal genug über die Kili­ans, die­se fan­tas­ti­sche Nach­wuchs­band aus Dins­la­ken, deren groß­ar­ti­ges Debüt­al­bum letz­te Woche erschie­nen ist, geschrie­ben. Das sehe ich inzwi­schen ähn­lich – und habe schwups mal das Medi­um gewech­selt.

Viel Spaß mit jede Men­ge Kili­ans und Dins­la­ken im ers­ten Teil unse­res klei­nen Inter­view-Spe­cials mit Simon den Har­tog:

Kategorien
Musik Sport

Hardcore-Hoteliers

Tom­te-Sän­ger, Grand-Hotel-van-Cleef-Label­chef und Kili­ans-Mana­ger Thees Uhl­mann hat eine neue Band ent­deckt. Sie heißt Esca­pa­do, macht deutsch­spra­chi­gen Hard­core und eine Hör­pro­be kann man sich hier her­un­ter­la­den. Das neue Album erscheint dann wohl Ende Sep­tem­ber beim Grand Hotel.

Kategorien
Musik Print

„Wie man’s spricht!“

Eine der wich­tigs­ten Regeln, die man lernt, wenn man für die Lokal­re­dak­ti­on einer Tages­zei­tung ers­te Berich­te über Kanin­chen­züch­ter­ver­ei­ne und Schul­thea­ter­auf­füh­run­gen schreibt, lau­tet: „Frag lie­ber noch mal nach, wie man den Namen rich­tig schreibt!“

Das gilt natür­lich haupt­säch­lich für Kanin­chen­züch­ter wie Man­fred Sub­c­zier­c­zyk und Nach­wuchs­schau­spie­le­rin­nen wie Sabi­na Schney­da. Bei Rock­stars, die man zwecks O‑Ton-Abson­de­rung kon­tak­tiert, muss man nicht mehr unbe­dingt nach­fra­gen. Das wür­de ja irgend­wie pein­lich wir­ken und man kann ja zur Not im Inter­net nach­schau­en, wie der Inter­view­part­ner rich­tig geschrie­ben wird.

Soll­te man viel­leicht sogar:
Wer ist Tees Ullmann?
(Screen­shot: taz.de, Her­vor­he­bung: Cof­fee & TV)

Kategorien
Fernsehen Musik Film Rundfunk

Ein halber TV-Tipp

Heu­te Abend zeigt das ZDF „Kei­ne Lie­der über Lie­be“. Wenn ich die Hand­lung noch rich­tig erin­ne­re, geht es um einen Doku­men­tar­fil­mer (der groß­ar­ti­ge Flo­ri­an Lukas), der die Band sei­nes Bru­ders (Jür­gen Vogel) auf Tour beglei­ten will – und irgend­wie ent­spinnt sich dann eine Drei­ecks­ge­schich­te mit Hei­ke Makat­sch.

War­um ich mir einen Film, der aus­schließ­lich mit Hand­ka­me­ra gedreht ist, der eine ver­wor­re­ne und pes­si­mis­ti­sche Hand­lung hat und in dem nicht viel mehr pas­siert, als das Men­schen mit­ein­an­der reden (oder bes­ser noch: sich anschwei­gen), kurz: war­um ich mir einen jun­gen deut­schen Film über­haupt ange­se­hen habe, liegt an der Band, der Jür­gen Vogel vor­steht: Es han­delt sich um die Grand-Hotel-van-Cleef-All­star-Kapel­le Han­sen Band mit Mar­cus Wie­busch (kett­car) und Thees Uhl­mann (Tom­te) an den Gitar­ren, Felix Geb­hardt (Home Of The Lame) am Bass und Max Mar­tin Schrö­der (Tom­te, Olli Schulz & der Hund Marie, Der Hund Marie) am Schlag­zeug. Jür­gen Vogel singt (sehr schön, das muss man ihm las­sen) die Lie­der, die ihm sei­ne Back­ing Band geschrie­ben hat, und das Album der Han­sen Band ist nach wie vor zu emp­feh­len.

Lei­der ist „Kei­ne Lie­der über Lie­be“ weder „This Is Spi­nal Tap“ noch „Almost Famous“ und so die­nen Musik und Band allen­falls als Hin­ter­grund für eine melo­dra­ma­ti­sche Lie­bes­ge­schich­te, die von den Betei­lig­ten zwar gut vor­ge­tra­gen wird (der gan­ze Film ist impro­vi­siert), aber trotz­dem nicht so recht über 101 Minu­ten tra­gen will.

Wer also „Kei­ne Lie­der über Lie­be“ noch nie gese­hen hat, kann ihn sich heu­te Abend um 22:45 Uhr im ZDF anse­hen. Ich bin ganz froh, dass ich schon was bes­se­res vor­hab.

Kategorien
Musik Leben

Imagine all the people

Yoko Ono hat schon vor eini­ger Zeit die Rech­te sämt­li­cher John-Len­non-Solo­songs zur Ver­fü­gung gestellt, auf dass sie von nam­haf­ten Künst­lern geco­vert und zu Guns­ten von Amnes­ty Inter­na­tio­nal online ver­kauft wer­den kön­nen. Die Idee ist natür­lich inso­fern bril­lant, als durch den Onlin­ever­kauf die gan­zen Kos­ten­fak­to­ren wie Press­werk, Ver­trieb und Ein­zel­han­del völ­lig ver­nach­läs­sigt wer­den kön­nen. Zuletzt haben z.B. R.E.M. (in Ori­gi­nal­be­set­zung) „Dream #9“ geco­vert und Green Day „Working Class Hero“. Ers­te­res ist (wie zu erwar­ten war) ziem­lich fan­tas­tisch gewor­den, letz­te­res eher grenz­wer­tig. Da aber auch zuletzt schon die Manic Street Pre­a­chers an dem Song schei­ter­ten, könn­te man sich viel­leicht dar­auf eini­gen, dass „Working Class Hero“ schon im Ori­gi­nal nicht zu den bes­ten Len­non-Songs gehört.

Aus der Sicht deut­scher Musik­fans beson­ders inter­es­sant sind viel­leicht die hei­mi­schen Bands, die sich an dem Pro­jekt betei­li­gen: Tokio Hotel haben es tat­säch­lich geschafft, eine gar nicht mal so unspan­nen­de Ver­si­on von „Instant Kar­ma“ auf­zu­neh­men, und auch MIA. ret­te­ten „Mind Games“ gekonnt in ihren eige­nen Klang­kos­mos.

Ganz neu dabei sind Tom­te, denen es – wie zuvor schon die Baren­aked Ladies – gelang, aus der eher unspan­nen­den Nabel­schau „Oh Yoko“ ein wun­der­ba­res Klein­od her­aus­zu­de­stil­lie­ren. Es wird viel­leicht doch mal Zeit, dass Tom­te ihr – seit lan­gem immer mal wie­der lose ange­kün­dig­tes – eng­lisch­spra­chi­ges Album auf­neh­men …