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Rundfunk Musik

Das Ende eines phantastischen Zeitalters

Das war ja klar: wir hören uns alle 43 Titel an, die in diesem Jahr beim Eurovision Song Contest (vulgo: “Grand Prix”) antreten, ich finde sogar ein Lied, das mir ganz ehrlich und ohne Ironie gefällt – und das scheitert dann natürlich grandios bereits im Halbfinale.

Leider lag die Treffsicherheit der Töne auf der Bühne ungefähr bei einem halben Kasten Bier auf der nach oben offenen Thees-Uhlmann-Skala und die “Choreographie” hätte Detlef D! Soost sicher mit markigen Worten in die Tonne getreten. Aber ich dachte mir, bevor der einzig wirklich gute Song des diesjährigen Grand Prix wieder völlig in der Versenkung verschwindet, gönne ich ihm hier noch mal seine 3:28 Minuten Ruhm.

Meine Damen und Herren, mit der Startnummer 42, zum letzten Mal dabei, bitte nicht wiederwählen: Paolo Meneguzzi aus der Schweiz mit “Era Stupendo”!

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Literatur Musik

Der Saal wird still, die Lichter gehn aus

Seien wir ehrlich: Wir Sind Helden sind so ziemlich die langweiligste Band Deutschlands. Zwar wird man hierzulande sowieso kaum eine Band finden, die sich mal schlecht benimmt oder wenigstens mal ein paar Kollegen disst, aber Wir Sind Helden sind immer noch eine Spur netter. Jetzt touren sie sogar schon mit Baby! Und so eine Band will uns gerade fünf Jahre nach dem Durchbruch ihre Geschichte und ihren Touralltag erzählen? Auf 400 Seiten?

Wir Sind Helden sind aber natürlich auch eine der sympathischsten Bands Deutschlands. Selbst als “Brigitte” und “Polylux”, wo sie zu Hochzeiten gefühlt in jeder Sendung porträtiert wurden, Judith Holofernes zur Klassensprecherin der Nation erklären wollten und die Band drohte, zum Soundtracklieferanten von Attac-Demonstrationen zu werden, sorgte das Quartett immer mit genug Selbstironie dafür, dass man sie immer noch mochte. Oder sie hassen musste, weil sonst ausnahmslos alle sie mochten. Diese Wir Sind Helden haben jetzt “Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen” veröffentlicht, eine Sammlung alter Tour- und Studiotagebücher, angereichert mit ganz vielen Zusatzgeschichten und liebevoll kompiliert von den “Musikexpress”-Granden Josef Winkler und Albert Koch.

Wir haben die aktive Legendenbildung in einem frühen Stadium versäumt und müssen nun damit leben: Drei Viertel der Helden haben sich beim, seufz, Sommerkurs einer Musikhochschule kennengelernt.

Nun gut, wer unreflektiert Drogen- und Sexgeschichten geschildert kriegen will, kann ja “Scar Tissue” von Anthony Kiedis lesen, bei Wir Sind Helden gibt es erst mal längere Schilderungen des zaghaften Kennenlernens, die dafür jeder Mensch nachvollziehen kann, der sich mal mit ein paar Freunden und deren Freunden “so zum rumzocken” getroffen hat. Überhaupt: Das Helden-Buch sollte man zur Pflichtlektüre von Nachwuchsmusikern ernennen. Wenn sich die Band euphorisch an die ersten (natürlich ziemlich schlechten) Auftritte erinnert, will man sofort auf die Bühne in egal welchem Jugendzentrum stürmen – und vielleicht sogar in den Proberaum. Wie man nebenher auch noch ohne echtes Management die Angebote von Plattenfirmen ablehnt, die einen “topdown in GSA” “breaken” wollen, kann man sich bei den Helden zumindest abschauen.

Dass das Buch aber trotz ausführlicher Schilderungen von Studioarbeit und Livebetrieb auch noch für Nicht-Insider interessant ist (sein dürfte), ist der eigentliche Verdienst: Im Gegensatz zum vergleichbaren Tomte-Tourtagebuch “Die Schönheit der Chance” hat “Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen” zwar den sperrigeren Titel, erzählt aber sehr viel allgemeinverständlicher und weit weniger pubertär vom Tour-Alltag. Das könnte natürlich auch daran liegen, dass die beiden Bands so grundverschieden sind, wie Thees Uhlmann im Buch noch mal erklären darf. Als Mehrwert hängt dem Buch noch ein Glossar an, in dem von “A&R” über “Nightliner” bis zum sensationell dämlichen Wort “Venue” (“Auftrittsort”) alle Begriffe erklärt werden, die im Musikgeschäft so wichtig sind. Darüber freuen sich sicher auch Musiker, Musikjournalisten und Musikindustrielle, die zwar täglich mit diesen Begriffen hantieren müssen, sich aber nie trauen würden, nach deren Bedeutung zu fragen.

400 Seiten sind recht viel, um darauf knapp sieben Jahre Bandgeschichte zu erzählen. Den Großteil nimmt dabei der Weg bis zum unerwarteten Erfolg des Debütalbums “Die Reklamation” ein, aber das war ja auch eine spannende Zeit und man merkt den klug montierten Erzählungen der Bandmitglieder an, wie unglaublich diese Erfahrungen für sie auch heute noch sein müssen. Man hört das Zweitwerk “Von hier an blind” mit etwas anderen Ohren, wenn man um den Druck weiß, der damals auf den Musikern lastete, und man glaubt es ihnen gerne, wie befreiend es gewesen sein muss, als die Aufmerksamkeit im vergangenen Jahr etwas nachließ.

Am Ende hat man das Gefühl, die Band und ihre Mitglieder wirklich kennengelernt zu haben. Bei der Schonungslosigkeit, mit der eigene Fehler eingestanden und eigene Lügen in der Vergangenheit als solche entlarvt werden, muss dieses Buch einfach der Wahrheit entsprechen. Wenn etwas nervt, dann der wiederholte Hinweis auf die eigene Unkommerzialität: Keine Firmenveranstaltungen, Werbebanner am Konzertort bitte abnehmen – aber dann begeistert annehmen, wenn bei “Rock am Ring”, diesem Marketingfestival mit integriertem Konzertbetrieb, der Headliner abspringt! Wenn die Band sich dann allerdings über die Rezeption am Nürburgring freut, glaubt man ihnen schon fast wieder, dass dort tatsächlich mal für die Länge eines Konzerts keine Hunderttausend Dosenbier-Asis, sondern echte Musikfans auf dem Gelände herumliefen.

Am Ende weiß man: Wir Sind Helden werden nie Rock’n’Roll sein, sind aber grundsympathisch. Sie machen tolle Musik und können sogar Bücher schreiben. Das soll ihnen erst mal einer nachmachen.

Wir Sind Helden – Informationen zu Touren und anderen Einzelteilen
Fischer Verlag
12,95 Euro

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Musik Gesellschaft

Die Vergangenheit der Musikindustrie

Die wenigsten Jugendlichen, die heute Musik hören (und das sind laut neuesten Umfragen 98% der Europäer), werden wissen, welches Jubiläum dieser Tage begangen wird: Vor 25 Jahren schloss SonyUniversal, die letzte Plattenfirma der Welt, ihre Pforten. Ein Rückblick.

Es war ein wichtiger Tag für Deutschland, als der Bundestag der Musikindustrie im Jahr 2009 das Recht einräumte, sogenannte “Terrorkopierer” (die Älteren werden sich vielleicht auch noch an den archaischen Begriff “Raubkopierer” erinnern) selbst zu verfolgen und bestrafen. Als unmittelbare Folge mussten neue Gefängnisse gebaut werden, da die alten staatlichen Zuchthäuser dem Ansturm neuer Insassen nicht Herr werden konnten. Dies war die Geburtsstunde der Prisonia AG, dem Konsortium von Bau- und Musikindustrie und heute wichtigstem Unternehmen im EuAX. Die Wiedereinführung der Todesstrafe scheiterte im Jahr darauf nur am Veto von Bundespräsident Fischer – die große Koalition aus FDP, Linkspartei und Grünen hatte das Gesetz gegen die Stimmen der Piratenpartei, damals einzige Oppositionspartei im Bundestag, verabschiedet.

Im Jahr 2011 fuhr der frisch fusionierte Major WarnerEMI den höchsten Gewinn ein, den je ein Unterhaltungskonzern erwirtschaftet hatte. Kritiker wiesen schon damals darauf hin, dass dies vor allem auf die völlige Abschaffung von Steuern für die Musikindustrie und die Tatsache zurückzuführen sei, dass die sogenannten “Klingeltöne”, kleine Musikfragmente auf den damals so beliebten “Mobiltelefonen”, für jede Wiedergabe extra bezahlt werden mussten – eine Praxis, die WarnerEMI zwei Jahre später auch für seine MP5-Dateien einführte.

Die Anzeichen für einen Stimmungsumschwung verdichteten sich, wurden aber von den Unternehmen ignoriert: Der erfolgreichste Solo-Künstler jener Tage, Justin Timberlake, veröffentlichte seine Alben ab 2010 ausschließlich als kostenlose Downloads im Internet und als Deluxe-Vinyl-Versionen im “Apple Retro Store”. Heute fast vergessene Musiker wie Madonna, Robbie Williams oder die Band Coldplay folgten seinem Vorbild. Hohn und Spott gab es in allen Medien für den damaligen CEO von WarnerEMI, als der in einem Interview mit dem Blog “FAZ.net” hatte zugeben müssen, die Beatles nicht zu kennen.

Diese öffentliche Häme führte zu einem umfassenden Presseboykott der Musikkonzerne. Renommierte Musikmagazine in Deutschland und der ganzen Welt mussten schließen, Musikjournalisten, die nicht wie die Redakteure des deutschen “Rolling Stone” direkt in Rente – wie man es damals nannte – gehen konnten, gründeten eine Bürgerrechtsbewegung, die schnell verboten wurde. Die Lunte aber war entfacht.

Im Herbst 2012 kündigte Prof. Dieter Gorny, damals Vorsitzender der “Konsum-Agentur für Runde Tonträger, Elektrische Lieder und Lichtspiele” (K.A.R.T.E.L.L.), seine Kanzlerkandidatur an, worüber der damalige Bundeskanzler Guido Westerwelle alles andere als erfreut war. Er setzte neue Kommissionen für Medien- und Kulturindustrie ein und kündigte eine mögliche Zerschlagung der Musikkonzerne an. Diese fusionierten daraufhin in einer “freundlichen feindlichen Übernahme” am Europäischen Kartellamt vorbei zum Konzern SonyUniversalEMI und drohten mit einer Abwanderung in die Mongolei und damit dem Verlust der restlichen 300 Arbeitsplätze.

Aber weder Kanzler Westerwelle noch das deutsche Volk ließen sich erpressen: Zum 1. Januar 2013 musste MTViva den Sendebetrieb einstellen. Die neugegründete Bundesmedienaufsicht unter Führung des parteilosen Stefan Niggemeier hatte dem Fernsehsender, der als sogenannter Musikkanal galt, die Sendelizenz entzogen, da dieser weniger als die gesetzlich geforderten drei Musikvideos täglich gespielt hatte. Die Castingshow “Europa sucht den Superstar” erwies sich für SonyUniversalEMI als überraschender Mega-Flop, der Wert des Unternehmens brach um ein Drittel ein, das “EMI” verschwand aus dem Namen.

Im Berliner Untergrund gründete sich die Deutsche (heute: Europäische) Musicantengilde. Deren heutiger Ehrenvorsitzende Thees Uhlmann erinnert sich: “Es war ja damals schon so, dass die kleinen Bands ihr Geld ausschließlich über Konzerte machen konnten, die ja dann auch noch verboten werden sollten. Erst haben wir unsere CDs ja selbst rausgebracht, aber als die Musikkonzerne dann die Herstellung von CDs außerhalb ihrer Fabriken unter Strafe stellen ließen, mussten wir auf Kassetten ausweichen.” Heute kaum vorstellbar: Das Magnetband galt damals als so gut wie ausgestorben, nur die kleine Manufaktur “Telefunken” produzierte überhaupt noch Abspielgeräte, die entsprechend heiß begehrt waren.

Am 29. November 2013, heute vor 25 Jahren, war es dann soweit: Der Volkszorn entlud sich vor der SonyUniversal-Zentrale am Berliner Reichstagsufer. Das Medienmagazin “Coffee & TV” hatte kurz zuvor aufgedeckt, dass die Musikindustrie jahrelang hochrangige Mitarbeiter gedeckt hatte, die durch “Terrorkopieren” aufgefallen waren. Während der normale Bürger für solche Verbrechen bis zu sechs Jahre ins Gefängnis musste, waren die Manager und Promoter straffrei ausgegangen. Als nun die Mutter des dreijährigen Timmie zu einem halben Jahr Arbeitsdienst verurteilt werden sollte, weil sie ihrem Sohn ein Schlaflied vorgesungen hatte, ohne die dafür fälligen Lizenzgebühren von 1.800 Euro zahlen zu können, zogen die Bürger mit Fackeln und selbst gebastelten Galgen zum “Dieter-Bohlen-Haus” am Spreebogen.

Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder, dann zog der Mob unter den Augen von Feuerwehr und Polizei weiter zur Zentrale der “GEMA” am Kurfürstendamm (der heutigen Toyota-Allee). Wie durch ein Wunder wurde an diesem Tag niemand ernstlich verletzt. Die meisten Führer der Musikindustrie konnten ins nordkoreanische Exil fliehen, den “kleinen Fischen” wurde Straffreiheit zugesichert, wenn sie ein Berufsverbot akzeptierten und einer dreijährigen Therapie zustimmten.

Drei Tage später fand im Berliner Tiergarten ein großes Konzert statt, die erste öffentliche Musikaufführung in Europa seit vier Jahren. Die Kilians, heute Rocklegenden, damals noch junge Männer, spielten vor zwei Millionen Zuhörern, während die Bilder von gestürzten Dieter-Gorny-Statuen um die Welt gingen.

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Digital Politik Gesellschaft

Alles Elend dieser Welt

In den vergangenen Tagen hat die Militärjunta von Myanmar, dem früheren Burma, friedliche Proteste von buddhistisches Mönchen und Zivilisten mit aller Brutalität niedergeschlagen. Etwa 4.000 Mönche sollen in Gefängnisse im Norden des Landes verschleppt worden sein, meldet die BBC.

Es ist ein wenig überraschend, dass ein Land, in dem solche Verbrechen seit Jahrzehnten an der Tagesordnung sind, plötzlich doch noch in den Focus der Weltöffentlichkeit gerät. Und vielleicht liegt es wirklich am Internet, dass sich die Welt ein Bild von dem machen kann, was in dem südostasiatischen Land so vor sich geht. Zumindest kann man sich Bildergalerien wie diese oder jene ansehen, auch wenn das Land jetzt vom Internet abgeschnitten ist.

Für den 4. Oktober (also Donnerstag) ist im Internet eine Aktion geplant, bei der Blogs, Websites und Webforen einen Tag lang zu allen anderen Themen “schweigen” sollen und so auf die Situation in Burma aufmerksam machen wollen (alle Infos gibt’s hier).

Wie eigentlich immer bei symbolischen Aktionen, kommt sofort die Frage auf, was das bringen soll. Wenn das deutsche Volk von einer Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung der deutschen Bundesregierung in der deutschen Hauptstadt Dank der Kompetenz der deutschen Nachrichtenagenturen gleichsam nichts mitbekommt – wie beeindruckt werden dann Generäle, die auf ihr eigenes Volk schießen lassen, davon sein, dass irgendwelche Blogger in irgendwelchen Ländern einen Tag lang nichts schreiben? Nun: Dass sie die Militärjunta kaum erreichen werden, wissen die Organisatoren wohl selbst. Aber eine solche Aktion kann auch Leute, die sich bisher gar nicht mit Burma beschäftigt haben (was 95% der Weltbevölkerung sein dürften), auf das Land bzw. Thema aufmerksam machen. Sie kann Hintergründe erklären, z.B. welche Firmen mit den Militärs so Geschäfte machen und welche deutschen Unternehmen in dem Land ihr Geld verdienen. Vor allem kann sie nicht schaden, denn im schlimmsten Fall ändert sich nichts, die Generäle morden weiter wie bisher und in 41 Jahren steht vielleicht Darfur mal für zwei Wochen im Focus der Weltöffentlichkeit.

Das dämlichste und zynischste Argument gegen solche Aktionen aber lautet “Es gibt so viel Elend auf der Welt, warum konzentriert man sich ausgerechnet auf Burma?”. Konsequent zu Ende gedacht, bräuchte man dann auch kein einziges Buch mehr lesen (weil man eh nicht alle Bücher lesen kann), man bräuchte nicht mehr essen (weil Reste übrig bleiben könnten und andere Menschen gar nichts zu essen haben), ja, man bräuchte nicht einmal mehr leben (weil andere Menschen tot sind). Menschen, die so argumentieren, fragten am Morgen des 12. September 2001 “Und was ist mit den Kindern, die in Afrika verhungern?”, und vielleicht stehen sie sogar am offenen Grab ihrer Mutter und sagen etwas wie “Nun ja, jetzt isse tot, aber während wir hier stehen, sterben bei einem bewaffneten Konflikt in Südamerika vierhundert Menschen.”

Als ich Thees Uhlmann von Tomte das erste Mal interviewte, war wenige Monate zuvor sein guter Freund, der Musikjournalist Rocco Clein verstorben. Tomte und andere Bands hatten ein Benefizfestival organisiert, um Geld für Roccos Kinder einzuspielen. Natürlich gab es auch damals wieder Leute, die mit den verhungernden Negerkindern argumentierten und der Meinung waren, dass die Halbwaisen eines “Prominenten” schon genug Geld zum Leben haben müssten. Ich fragte Thees, was er auf dieses Gerede antworten würde, und Thees sagte wie so oft etwas sehr, sehr Kluges:

Menschen funktionieren so. Sie mögen das, mit dem sie zu tun haben oder hatten. Warum ist einem das World Trade Center näher, als wenn irgendwo in Ruanda 120.000 Menschen innerhalb von 90 Tagen abgemordet werden? Weil Ruanda abstrakt ist. In Amerika war jeder schon mal. Und wenn er nicht da war, dann kennt er jemanden, der da war. So funktionieren Menschen. Und das ist schlimm oder egal oder gut, aber das ist einfach so.

Ich weiß noch nicht, ob ich mich an dieser Blogger-Aktion beteiligen werde. Aber ich weiß, dass ich Respekt habe vor denen, die sowas planen, die sich Gedanken machen. Es liegt nun mal offenbar in der Natur des Menschen, dass er nicht an alles Elend der Welt gleichzeitig denken kann – aber würden wir nicht auch wahnsinnig, wenn wir es könnten? Vor zwei Wochen wussten viele nicht, dass ein Land namens Myanmar existiert, heute machen sie sich für die Menschen dort, von denen sie vermutlich keinen einzigen je kennenlernen werden, stark. Das mag man als Aktionismus sehen, aber dann dürfte man auch bei den Adventssammlungen der Kirchen kein Geld mehr geben und müsste Medikamente und Schulen verbieten, weil sie die Chancengleichheit (“Alle haben keine Chance”) der Menschen verzerren. Wer so argumentiert, verfügt über die nötige Portion Zynismus und Menschenverachtung, um einem Militärregime anzugehören.

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Musik Digital

Ratinger Hofnarren

Lukas: “Was halten wir eigentlich von den Toten Hosen?”
Imaginary Friend: “Uff! Hmmm, na ja …”
Lukas: “… damit aufgewachsen sind wa ja schon. Irgendwie. Nich?”
Imaginary Friend: “Das mag sein. Aber Campino geht doch gar nicht.”
Lukas: “Wenn wir gleich alle deutschen Bands scheiße finden würden, deren Sänger ein zu großes Mitteilungsbedürfnis haben und jede Talkshow und jede Gazette volllabern, dann könnten wa aber nur noch Kraftwerk hören. Sieh’s mal so!”
Imaginary Friend: “Warum verteidigst Du denn hier die Toten Hosen?”
Lukas: “Tu ich gar nicht. Ich wollte nur wissen, was wir von denen halten.”
Imaginary Friend: “Uff …”

Nun, wie dem auch sei: Von den Toten Hosen gibt es inzwischen – wahnsinnig Punkrock-like – eine eigene “SingStar”-Edition. Das ist … ach, das ist halt so und wäre mir sicher keine Erwähnung wert, wenn man beim Uncle-Sally’s-Magazin dieses Computer-Spiel nicht von drei fachkundigen Testern auf Herz und Leber hätte überprüfen lassen: Nagel, Thees Uhlmann und Mille von KreatorCampino bewertet das Ganze. Das alles als Video hier.

Eigentlich ist es ganz schrecklich, aber irgendwie auch sehr unterhaltsam. Anders ausgedrückt: Näher am Punk waren die Toten Hosen in den letzten fünfzehn, zwanzig Jahren nicht.

[via Tomte-Blog]

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Musik Sport

“Alles Strokes!”

Aller guten Dinge sind drei. Deswegen jetzt und hier der letzte Kilians-Content für … na ja, wir wollen nicht zu viel versprechen. Aber erst mal der letzte Kilians-Content.

In den Hauptrollen: weiterhin Simon den Hartog und ich, ein Schwedenpanzer und die Straßen von Dinslaken. Und wenn ich danach nicht “Polylux” moderieren darf, weiß ich auch nicht weiter …

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(Erst Teil 1 und 2 anschauen oder gleich die ganze Playlist)

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Musik

Im Schmelztiegel der Subkultur

Manche mögen der Meinung sein, ich hätte langsam mal genug über die Kilians, diese fantastische Nachwuchsband aus Dinslaken, deren großartiges Debütalbum letzte Woche erschienen ist, geschrieben. Das sehe ich inzwischen ähnlich – und habe schwups mal das Medium gewechselt.

Viel Spaß mit jede Menge Kilians und Dinslaken im ersten Teil unseres kleinen Interview-Specials mit Simon den Hartog:

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Sport Musik

Hardcore-Hoteliers

Tomte-Sänger, Grand-Hotel-van-Cleef-Labelchef und Kilians-Manager Thees Uhlmann hat eine neue Band entdeckt. Sie heißt Escapado, macht deutschsprachigen Hardcore und eine Hörprobe kann man sich hier herunterladen. Das neue Album erscheint dann wohl Ende September beim Grand Hotel.

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Musik Print

“Wie man’s spricht!”

Eine der wichtigsten Regeln, die man lernt, wenn man für die Lokalredaktion einer Tageszeitung erste Berichte über Kaninchenzüchtervereine und Schultheateraufführungen schreibt, lautet: “Frag lieber noch mal nach, wie man den Namen richtig schreibt!”

Das gilt natürlich hauptsächlich für Kaninchenzüchter wie Manfred Subczierczyk und Nachwuchsschauspielerinnen wie Sabina Schneyda. Bei Rockstars, die man zwecks O-Ton-Absonderung kontaktiert, muss man nicht mehr unbedingt nachfragen. Das würde ja irgendwie peinlich wirken und man kann ja zur Not im Internet nachschauen, wie der Interviewpartner richtig geschrieben wird.

Sollte man vielleicht sogar:
Wer ist Tees Ullmann?
(Screenshot: taz.de, Hervorhebung: Coffee & TV)

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Musik Film Rundfunk Fernsehen

Ein halber TV-Tipp

Heute Abend zeigt das ZDF “Keine Lieder über Liebe”. Wenn ich die Handlung noch richtig erinnere, geht es um einen Dokumentarfilmer (der großartige Florian Lukas), der die Band seines Bruders (Jürgen Vogel) auf Tour begleiten will – und irgendwie entspinnt sich dann eine Dreiecksgeschichte mit Heike Makatsch.

Warum ich mir einen Film, der ausschließlich mit Handkamera gedreht ist, der eine verworrene und pessimistische Handlung hat und in dem nicht viel mehr passiert, als das Menschen miteinander reden (oder besser noch: sich anschweigen), kurz: warum ich mir einen jungen deutschen Film überhaupt angesehen habe, liegt an der Band, der Jürgen Vogel vorsteht: Es handelt sich um die Grand-Hotel-van-Cleef-Allstar-Kapelle Hansen Band mit Marcus Wiebusch (kettcar) und Thees Uhlmann (Tomte) an den Gitarren, Felix Gebhardt (Home Of The Lame) am Bass und Max Martin Schröder (Tomte, Olli Schulz & der Hund Marie, Der Hund Marie) am Schlagzeug. Jürgen Vogel singt (sehr schön, das muss man ihm lassen) die Lieder, die ihm seine Backing Band geschrieben hat, und das Album der Hansen Band ist nach wie vor zu empfehlen.

Leider ist “Keine Lieder über Liebe” weder “This Is Spinal Tap” noch “Almost Famous” und so dienen Musik und Band allenfalls als Hintergrund für eine melodramatische Liebesgeschichte, die von den Beteiligten zwar gut vorgetragen wird (der ganze Film ist improvisiert), aber trotzdem nicht so recht über 101 Minuten tragen will.

Wer also “Keine Lieder über Liebe” noch nie gesehen hat, kann ihn sich heute Abend um 22:45 Uhr im ZDF ansehen. Ich bin ganz froh, dass ich schon was besseres vorhab.

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Musik Leben

Imagine all the people

Yoko Ono hat schon vor einiger Zeit die Rechte sämtlicher John-Lennon-Solosongs zur Verfügung gestellt, auf dass sie von namhaften Künstlern gecovert und zu Gunsten von Amnesty International online verkauft werden können. Die Idee ist natürlich insofern brillant, als durch den Onlineverkauf die ganzen Kostenfaktoren wie Presswerk, Vertrieb und Einzelhandel völlig vernachlässigt werden können. Zuletzt haben z.B. R.E.M. (in Originalbesetzung) “Dream #9” gecovert und Green Day “Working Class Hero”. Ersteres ist (wie zu erwarten war) ziemlich fantastisch geworden, letzteres eher grenzwertig. Da aber auch zuletzt schon die Manic Street Preachers an dem Song scheiterten, könnte man sich vielleicht darauf einigen, dass “Working Class Hero” schon im Original nicht zu den besten Lennon-Songs gehört.

Aus der Sicht deutscher Musikfans besonders interessant sind vielleicht die heimischen Bands, die sich an dem Projekt beteiligen: Tokio Hotel haben es tatsächlich geschafft, eine gar nicht mal so unspannende Version von “Instant Karma” aufzunehmen, und auch MIA. retteten “Mind Games” gekonnt in ihren eigenen Klangkosmos.

Ganz neu dabei sind Tomte, denen es – wie zuvor schon die Barenaked Ladies – gelang, aus der eher unspannenden Nabelschau “Oh Yoko” ein wunderbares Kleinod herauszudestillieren. Es wird vielleicht doch mal Zeit, dass Tomte ihr – seit langem immer mal wieder lose angekündigtes – englischsprachiges Album aufnehmen …

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Musik

Hype aus deutschen Landen: die Kilians klopfen an

Wenn man mich in einer fernen oder auch näheren Zukunft einmal bäte, Deutschland am Osterwochenende 2007 zusammenzufassen, so wären meine Worte wohl: “Alte Männer sagten dumme Dinge, mein Lieblingsverein stand mal wieder kurz vor dem Abstieg (ich hoffe aber immer noch, den Halbsatz “der aber mal wieder in letzter Sekunde abgewendet werden konnte” nachschieben zu können) und die wichtigste Person im ganzen Land war ein junger Eisbär. Aber ich war dennoch guter Dinge, denn ich hörte Musik, die mich sehr glücklich machte.”

Die Musik ist die “Fight The Start”-EP der Kilians, die man hier bereits jetzt (und damit zwei Wochen vor ihrer Veröffentlichung) hören kann.

Die Geschichte dazu geht so: Vor ziemlich genau anderthalb Jahren sagte mein kleiner Bruder zu mir: “Hör Dir das mal an, das sind Freunde von mir …” Ich hörte mir ein paar MP3s an und was ich hörte, machte mich schlicht und ergreifend sprachlos. Die sechs Songs klangen, als kämen sie direkt aus einem schimmligen Proberaum in London oder New York, jedenfalls überhaupt gar nicht nach einer Schülerband aus Dinslaken. Aber genau das war es.

Ein paar Wochen später hatte sich die Band endlich auf einen Namen geeinigt: The Kilians. Bei CT das radio bekamen sie mit “Jealous Lover” ihren ersten Airplay und wurden zur Abstimmung für die Campuscharts vorgeschlagen. 2006 begann mit Platz Vier in eben jenen Campuscharts und einem einseitigen Artikel im Dinslakener Lokalteil der “Rheinischen Post”. Eine Woche später ging der Song auf Platz 3 (hinter Franz Ferdinand und Tomte) und drei Wochen später hatte Thees Uhlmann das Demo gehört und für gut befunden. Für so gut, dass er seine Bandkollegen überzeugte, die fünf Jungs (einmal, ein einziges Mal darf man eine Band als “Jungs” bezeichnen – zumindest, wenn der jüngste gerade erst 18 ist), die er noch nie zuvor auf der Bühne gesehen oder auch nur getroffen hatte, für sieben Abende im Vorprogramm mitzunehmen.

Die Tour wurde ein Erfolgszug sondergleichen. Publikum und Hauptband schlossen die Frischlinge, die zuvor gerade eine Handvoll Konzerte im weiteren Bekanntenkreis gespielt hatten, sofort in ihre Herzen. Die am heimischen PC gebrannten EPs gingen noch vor der Hälfte des Wegs aus und mussten im Tourbus und noch in der Konzerthalle auf zusammengeliehenen Laptops nachgebrannt werden. Am Ende einer Woche waren über 700 Stück verkauft, was bei einer Media-Control-Erfassung locker für die deutschen Singlecharts gereicht hätte. Und Thees Uhlmann ließ kaum noch eine Gelegenheit aus, seinen neuen Freunde über den grünen Klee zu loben.

Mitte Juni, noch ehe Simon, Dominic, Arne, Gordian und Micka das einjährige Bandjubiläum feiern konnten, hatten sie Konzerte in den Epizentren Hamburg und Berlin gespielt, eine Erwähnung im Musikexpress erhalten und waren mit ihrer EP “Demo des Monats” in der Visions. Zwei Monate später waren sie in einem von Red Bull umgespritzten alten Schulbus kreuz und quer durch Deutschland unterwegs, stellten ihr Gefährt auf den Zeltplätzen der wichtigsten Musikfestivals ab und spielten auf dem Dach kleine, umfeierte Guerillakonzerte – sofern die Polizei ihnen nicht gerade den Strom abgestellt hatte.

Im Herbst ging es dann zu Swen Meyer, der zuvor schon die Grand-Hotel-van-Cleef-Klassiker von kettcar, Tomte und Marr aufgenommen hatte, ins Hamburger Studio. Die ersten Früchte dieser Arbeit sind jetzt auf der EP “Fight The Start” zu hören, die am 20. April über Vertigo Berlin, Grand Hotel van Cleef und Universal in den Handel kommen wird – und vorab auf der (obligatorischen) MySpace-Seite der Band, die sich inzwischen vom Artikel im Bandnamen getrennt hat, durchgehört werden kann.

Die Teenies rasten aus, als hätten die Arctic Monkeys und Tokio Hotel uneheliche Kinder gezeugt, die dann auch noch sofort der Pubertät entsprungen sind, und die Indienazis in den einschlägigen Foren meckern: “unglaublich öde”, “Untalentierte, und vor allem identitätslose, Görenkombo!”, “Für eine deutsche Band, die versucht englisch zu klingen, vielleicht ganz nett. Aber mehr auch nicht.”

Der Vorwurf, dass deutsche Künstler (also solche, die zufälligerweise auf dem Stück Land geboren wurde, auf dem in Erdkundeatlanten immer “Deutschland” steht), gefälligst auch danach zu klingen haben (wie auch immer man sich das vorzustellen hat), schaffte es bis in eine Arctic-Monkeys-Konzertkritik bei intro.de: “Ich hatte schon vorher Stoßgebete in den Himmel geschickt: ‘Bitte nicht schon wieder eine Dinslakener Band, die sich einbildet in Camden zu wohnen!'” Andererseits auch ein ziemlich cooler Satz, der zeigt, dass die Kilians in den Köpfen der Kritiker angekommen sind – und impliziert, dass Dinslaken noch mehr zu bieten hat.

Und in der Tat: für knapp 72.000 Einwohner hat Dinslaken eine geradezu blühende Musikszene. Mit Leo Can Dive (vgl. Miles, Chewy, Jimmy Eat World) und The Rumours (vgl. Arctic Monkeys, The Libertines, Black Rebel Motorcycle Club) stehen gleich die nächsten Indiebands zum großen Sprung bereit. Die Dorfjugend engagiert sich in Vereinen zur Szeneförderung und tut sich gegenüber den Kilians dann doch vor allem mit Neid und fast aggressiver Ablehnung hervor. Es geht ja auch nicht an, dass man Bands, die seit dem letzten Jahrtausend vor sich hinmucken, plötzlich rechts überholt – und das mit einer Professionalität und Coolness, die für die Punk- und Emokiddies in Ermangelung eines größeren Wortschatzes natürlich nur eines sein kann: “Arroganz”.

Genauso verhält es sich mit der Beschreibung der Musik: Wer den Kilians vorwirft, sie machten “Sound, Auftreten und Songwriting” der Strokes nach, der macht sich verdächtig, außer den Strokes nicht allzu viele andere Bands zu kennen. Natürlich klingen die Kilians auch nach The Strokes, aber eben auch nach mindestens zwei Dutzend anderen Bands der letzten vierzig Jahre. Das reggaeinspirierte “Inside Outside” könnte auch von The Libertines (oder wenigstens den Dirty Pretty Things) sein, “Take A Look” ist Blues, mit Mitteln des Ruhrgebiets nachempfunden, und wo “Fool To Fool” eigentlich herkommt, könnten wohl höchstens The Kooks oder – *Tadaa!* – The Beatles erklären. Und dann klingt es noch nach Franz Ferdinand, Oasis, Mando Diao und diversen weiteren Bands, aber eben immer auch eindeutig nach den Kilians, was nicht zuletzt der beeindruckenden Stimme von Simon den Hartog (“singt als hätte er schon alles erlebt”, Thees Uhlmann) liegen dürfte.

Ja, das ist eine Geschichte wie aus einem Märchen oder wenigstens aus dem Mutterland des Pop – und sie hat gerade erst angefangen. Wie die Kilians letztendlich einschlagen werden, wird sich ebenso zeigen wie was die Fachpresse davon hält. Aber schon jetzt steht fest: das ist keine alltägliche Geschichte aus einem Land, in dem sich die sozialdemokratische Partei einen “Popbeauftragten” leistete und in dem die großen Stadien seit mindestens 15 Jahren von den immergleichen Künstlern gefüllt werden.

Was man den sympathischen und kreativen jungen Männern jetzt nur noch wünschen kann ist (neben dem ganz großen Durchbruch, der eigentlich nur eine Frage der Zeit sein sollte), dass die Leute lernen, den Bandnamen richtig zu schreiben: ohne “The” und mit einem L.

Kilians - Fight The Start

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