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Listenpanik 01/08

Mit diesen Listen ist das ja so eine Sache: Die Jahreslisten wollte ich schon am 2. Januar wieder umwerfen und um wenigstens zwei Künstler (M.I.A. und Band Of Horses) ergänzen. Trotzdem versuche ich mich auch in diesem Jahr wieder an einer monatlichen Rückschau auf die musikalischen Veröffentlichungen. Der Januar wirft dabei erschreckend wenige neue Alben ab, was aber auch ganz gut ist, denn ich höre eh die meiste Zeit den ersten großen Favoriten auf das Album des Jahres 2008:

Alben
1. Slut – StillNo1
Nach ihrem ordentlichen, insgesamt aber eher unspektakulären letzten Album “All We Need Is Silence” betätigten sich Slut als Theaterkapelle für die “Dreigroschenoper” und nahmen eine ordentliche Portion Kurt Weill mit ins Studio, wo sie ihr sechstes Album aufnahmen. “StillNo1” steht in einer Linie zu ihrem Opus Magnum “Lookbook”, ist dann aber doch ganz anders geworden: Slut klingen plötzlich nach Sigur Rós, Peter Gabriel den Shout Out Louds und Dresden Dolls und wären Beatles-Vergleiche nicht verboten, drängten sich auch noch gewisse Parallelen zu “Sgt. Pepper” auf. So klingt eine Band, die zwischen Melancholie und Euphorie ganz bei sich ist, und die deshalb mal eben ein Meisterwerk aus dem Ärmel schütteln kann. Und über das … eigenwillige Plattencover schweigen wir uns einfach mal aus.

2. Cat Power – Jukebox
Wenn Musiker Cover-Alben veröffentlichen, muss man immer ein bisschen Angst haben, ihnen seien die Ideen ausgegangen. Bei Cat Power ist das nicht der Fall. Dass sie sensationelle Coverversionen vollbringen kann, wissen wir spätestens seit ihrer Interpretation von “(I Can’t Get No) Satisfaction”. Auf “Jukebox” spielt sie nun eigene und andererleuts Lieder neu ein. Von “New York” (ja, dem Frank-Sinatra-Evergreen) bleibt außer dem Text nicht mehr viel übrig und auch die Songs von Hank Williams, Billie Holiday, Bob Dylan und Joni Mitchell klingen überraschend anders, aber toll.

3. Get Well Soon – Rest Now, Weary Head
Der Hype der Stunde, die deutsche Band des Monats. Da ich Hypes hasse und mir die Nationalität von Leuten grundsätzlich egal ist, zählt die Musik: Eine charmante Mischung aus orchestralem Pop, melancholischen Folklore-Einflüssen und verhaltener Elektronik. Das erinnert mal an Beirut, mal an Pulp oder The Divine Comedy und immer wieder auch an die neue Slut-Platte. Leider sind einige Stücke zu verspielt und eklektisch geraten und die Stimme von Konstantin Gropper ist nicht so meins. Bei manchen Songs wie der Single “If This Hat Is Missing I Have Gone Hunting” bereitet sie mir gar körperliche Schmerzen. Auch ein wenig kompakter hätte das Album (14 Songs in 60 Minuten) sein können, aber für ein Debüt ist es schon ganz ordentlich und das “Born Slippy”-Cover ist in der Tat fantastisch geraten.

4. The Magnetic Fields – Distortion
Ist es eigentlich noch “Pop”, wenn man seine Popsongs so aufnimmt, dass sie klingen, als höre man die Beach Boys über Telefon? Mit einem zwischengeschalteten Effektpedal? Live übertragen aus einem unbetonierten Erdloch? Egal, wie man’s nennt: Das neue Album der Magnetic Fields trägt seinen Titel durchaus zu Recht und auch als Warnung. Man muss sowas mögen, um es grandios zu finden, aber das gilt ja für alles.

5. The Hoosiers – The Trick To Life
“Worried About Ray” ist und bleibt ein charmanter Popsong, das Album kann aber noch mehr als Indie-Disco. In den ruhigen Momenten klopft gar Jeff Buckley an. Nicht alles ist komplett ausgereift und meiner Meinung nach könnte jetzt mal wirklich Schluss mit dieser Welle sein, aber bitte: “The Trick To Life” ist ein okayes Album für Menschen, die gerade erst anfangen, Platten zu sammeln.

Songs
1. Slut – Wednesday
Ein Klavier, die immer wieder berührende Stimme von Chris Neuburger, eine Akustikgitarre, ein paar Streicher und Störgeräusche – mehr braucht es nicht, um Gänsehaut zu buchstabieren und die vielleicht unwahrscheinlichste (Promo-)Single der letzten Monate zu werden.

2. Nada Surf – Whose Authority
Jetzt müsste ich überlegen, ob Nada Surf je einen Song gemacht haben, der nicht wenigstens okay war, sondern wirklich schlecht. Mir fiele so spontan keiner ein. “Whose Authority” gehört aber eh zum oberen Drittel der Nada-Surf-Lieder und er wird mit jedem Hören besser. So euphorisch klingt ein sich langsam ankündigender Frühling und wenn nichts mehr dazwischen kommt, wird das dazugehörige Album “Lucky” hier im Februar die Bestenliste anführen.

3. Fettes Brot – Bettina (Zieh dir bitte etwas an)
Fettes Brot klauen sich Versatzstücke aus 15 Jahren deutschem Hip-Hop zusammen und bauen daraus einen Track, der einen sicher in einem halben Jahr tierisch nerven wird. Im Moment ist er aber die beste Brote-Single seit “Schwule Mädchen”, von dem er musikalisch auch gar nicht so weit entfernt ist. Der Text ist natürlich Gesellschaftskritik in Reinform.

4. Gregor Meyle – Niemand
Damit hätte ich auch nicht gerechnet, dass mal ein Castingshow-Teilnehmer auf meiner Liste landen würde. Aber “SSDSDSSWEMUGABRTLAD” war ja keine herkömmliche Castingshow und Gregor Meyle ist jemand ganz anderes als verdammt, ich hab die ganzen Namen vergessen und bin zu faul, sie nachzugoogeln. “Niemand” ist ein sehr guter Song, auch wenn das Video so typisch deutsch geraten ist.

5. Nick Cave & The Bad Seeds – Dig, Lazarus, Dig!!!
So richtig Zugang habe ich zu Nick Cave nie gefunden. Einzelne Songs finde ich sehr gut, aber zur tiefergehenden Auseinandersetzung mit seinem Werk fehlte mir immer die Muße. Jetzt gibt es eine neue Single, die ordentlich rockt und auf eine angenehme Art überdreht ist.

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Listenpanik 11/07: Torschlusspanik

Der Dezember ist erfahrungsgemäß der Monat, in dem die Plattenfirmen mit Best Ofs, Livealben und Raritätensammlungen am Weihnachtsgeschäft partizipieren wollen. Die letzten normalen Alben erscheinen deshalb meist im November. Und selbst in meine wie üblich subjektive und willkürliche Liste haben sich die Geldmacherplatten geschoben, die eben nicht immer Geldmacherplatten sind:

Alben
1. The Wombats – A Guide To Love, Loss & Desperation
Kurz vor Ende des Musik-Jahres und dem damit verbundenen Listenschluss schiebt sich noch eine Band recht weit nach vorne ins Getümmel und brüllt “Hier sind wir!” bzw. “Let’s Dance To Joy Division”. Wer hätte gedacht, dass die elfmillionste Indiepopband mit tanzbaren Rhythmen und lustigen Texten noch einmal eine sein würde, die richtig gut ist? The Wombats klingen wie eine Mischung aus viel Rakes und etwas Weezer und haben mit besagtem “Let’s Dance To Joy Division” und “Backfire At The Disco” zwei brillante Singles auf dem Album. Manchmal lohnt es sich eben zu warten.

2. The Killers – Sawdust
Die Raritäten-Sammlung der größten Entertainer im heutigen Popbusiness braucht ein wenig Zeit, ist aber toll. [ausführliche Besprechung folgt]

3. Beirut – The Flying Club Cup
Ehrlich gesagt bedurfte es erst eines Kommentars von Daniel und eines Einsatzes bei “Weeds”, ehe ich mich mich Beirut beschäftigt habe. Inzwischen liebe ich diese Mischung aus Indiepop und verschiedensten Folklore-Einflüssen. Deshalb weise ich auch gerne auf dieses famose zweite Album hin, das eigentlich schon im Oktober erschienen ist.

4. Sigur Rós – Hvarf-Heim
Die Isländer beglücken uns in diesem Jahr nicht nur mit der sicher phantastischen, aber leider noch nicht gesehenen Tour-Dokumentation “Heima”, sie werfen auch noch ein Doppelalbum mit unveröffentlichten Songs und Akustikversionen auf den Markt. Das unterscheidet sich musikalisch nicht allzu sehr von den letzten Alben, aber das macht ja nichts, denn es ist natürlich trotzdem toll. Genau die richtige Musik, um an einem nasskalten Dezembernachmittag auf dem Bett zu liegen, die Decke anzustarren und von besseren Tagen zu träumen.

5. New Young Pony Club – Fantastic Playroom
Die (durchaus charmante) Single “Ice Cream” hatte ich irgendwie immer für was neues von Peaches gehalten. Das Album vom New Young Pony Club klingt insgesamt nach Talking Heads und Blondie (oder in heutigen Dimensionen The Sounds oder eben Peaches) und ist eben ziemlich genau das, was man von New Wave mit Sängerin erwartet. Mein Gott, das klingt wie ein Verriss, ist aber durchaus nett gemeint. Reinhören lohnt sich!

Songs
1. The Wombats – Let’s Dance To Joy Division
Hatte ich nicht oben schon geschrieben, wie toll das Album ist und wie positiv es sich auf meine Laune auswirkt? “Let’s Dance To Joy Division” ist die Essenz des Ganzen und passt natürlich nur rein zufällig zum aktuellen Joy-Devision-ReHype.

2. Bloc Party – Flux
Es scheint dann wohl Tradition werden zu sollen, dass Bloc Party ihren Alben immer noch eine Non-Album-Track-Single hinterherschmeißen. War es vor zwei Jahren das gefällige “Two More Years”, ist es diesmal das erheblich sperrigere “Flux”, das man so irgendwie nicht erwartet hätte und das einen trotzdem nicht groß verwundert. Bei Bloc Party muss man anscheinend mit allem rechnen, vor allem aber mit durchweg guten Songs.

3. Nada Surf – See These Bones
Der erste Vorbote des neuen Nada-Surf-Albums, den man sich hier kostenlos herunterladen kann, blieb letzte Woche leider ungespielt (in Bielefeld war er hingegen zu hören). Das Lied macht da weiter, wo die Band auf “The Weight Is A Gift” aufhörte und überbrückt die Wartepause bis zum neuen Album “Lucky” im Februar.

4. Linkin Park – Shadow Of The Day
Als ich die Single zum ersten Mal hörte (passenderweise auf WDR 2), dachte ich, Bono von U2 habe sich irgendwie die Stimme ruiniert. Es waren aber faszinierenderweise Linkin Park, von denen ich nie so recht weiß, wie ich sie finden soll. Das Video sieht auch verdächtig nach U2 aus, aber ich glaube, das macht den Charme dieses Songs aus.

5. The Hoosiers – Worried About Ray
Zugegeben: Eigentlich ist das Video mit seiner großartigen Hommage an Ray Harryhausen ein Stück besser als der Song selbst. Trotzdem haben wir es auch hier wieder mit einem Zwei-Minuten-Fünfzig-Indieschlager zu tun, der niemandem weh tut und die Tanzflächen füllen dürfte. Das Lied auf dem Radiowecker und der Tag begönne gut.