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Wenn Lieder explodieren

Für Popmusikfans mit einem Interesse, das nicht nur über Frisuren und Beziehungsstatus eines Musikers, sondern auch über Akkordfolgen und Harmonien hinausgeht, gibt es einen neuen Podcast: Bei “Song Exploder” aus dem Hause Maximum Fun werden einzelne Musikstücke auseinandergenommen wie edle Sportwagen in der Autowerkstatt.

In der ersten Folge stellt Jimmy Tamborello von The Postal Service einzelne Sounds, Beats und Gesangsspuren aus “The District Sleeps Alone Tonight” (ein Song, den ich etwa 10.000 Mal gehört habe) vor und erklärt, dass er sich bei den Beats sowohl an Björk als auch am deutschen Label Morr Music (und dabei besonders an Lali Puna) orientiert habe:

Hier klicken, um den Inhalt von maximumfun.org anzuzeigen

In der zweiten Ausgabe ist dann “Outer Banks” von The Album Leaf dran — ein Song, den ich bisher gar nicht kannte, in dessen dichter Klangtextur aber unter anderem das quietschende Pedal eines Fender Rhodes zu hören ist.

“Song Exploder” bei Maximum Fun.

[via Linda Holmes]

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Gesammelte Platten Februar 2010

Dieser Eintrag ist Teil 2 von bisher 8 in der Serie Gesammelte Platten

Die Idee, eine neue Serie zu starten, war ja gut. Der Gedanke, dass man aus Gründen des Gruppenzwangs eher versucht sein könnte, sich an Abgabetermine zu halten, war auch nicht schlecht. Und dann war’s natürlich wieder der (eigentlich nie) so genannte Chef, der am Längsten gebraucht hat.

Dafür haben wir jetzt eine (wie wir finden) ansehnliche Liste beisammen mit Platten aus dem Monat Februar (oder so — die Veröffentlichungstermine in Deutschland scheinen immer willkürlicher, absurder und mehrfacher zu werden). Und März kommt dann hoffentlich auch recht bald!

The Album Leaf – A Chorus Of Storytellers
Der Titel des fünften Album von The Album Leaf wundert mich überhaupt nicht. Er passt sogar wunderbar, denn das neue Werk aus der Feder von Jimmy LaValle und seinem Team hat mich wirklich beeindruckt. Atmosphärischer Post-Rock, der beim Hören Klangwelten aufbaut, die einen hinwegtragen und zu einem Soundtrack des Moments werden lassen, wenn man denn will. “Momentaufnahmen” beschreibt das Werk ziemlich nah, ohne es zu sehr einzugrenzen. Kohäsiv sind die Songs und fügen sich in das Bild von Geschichten sehr gut. Clever verknüpfte Geigen mit pulsierenden Melodien.
Liegt vielleicht auch daran, dass LaValle “A Chorus Of Storytellers” wie seine Vorgänger auf Island aufgenommen hat. Passen die Songs doch perfekt zu Landschaften, die man mit Island in Verbindung bringt, in denen Zeit in anderen Einheiten gezählt wird. An manchen Liedern bleibt man hängen und Zeit spielt keine Rolle, bis man weitergetragen wird und die Zeit rennt. Texte verteilt Jimmy LaValle auf dieser Platte nicht viele, wenn er es dennoch tut, bleibt viel Platz für Möglichkeiten: “There’s a wind behind everyone / That takes us through our lives / I wish I could have stayed / But this wind takes me away.” Vielleicht ist das Album auch ein wenig die Entdeckung der Langsamkeit. (AK)

The Blue Van – Man Up
Können wir offen sprechen? Ich bin in letzter Zeit ein bisschen genervt bis enttäuscht von Gitarrenrockbands. Die Sachen, die mich im letzten Jahr wirklich gekickt haben, waren meist Hip-Hop oder Elektro, gerne auch irgendwas mit viel Klavier, Glockenspielen und Xylophonen. Nicht die beste Voraussetzung also, um sich mit einer skandinavischen Indierockband zu befassen. Und doch hat das dritte Album von The Blue Van aus Dänemark einiges von dem Schwung der Debüts von Mando Diao und Franz Ferdinand und erinnert darüber hinaus an Bands wie The Hives, Jet und The Alexandria Quartet. Also: Definitiv nix Neues, aber durchaus druckvoll und unterhaltsam. (LH, Rezensionsexemplar)

Enno Bunger – Ein bisschen mehr Herz
Es braucht in der Regel nicht viel mehr als ein Klavier, um mich zu begeistern. Enno Bunger, der Frontmann von Enno Bunger, spielt Klavier, also sieht es mit Anleihen bei Keane, Coldplay und Straylight Run schon mal ganz gut aus. Bei den Texten bin ich durchaus zu Diskussionen bereit, denn deutschsprachiges Gesinge über Gefühle läuft ja schnell Gefahr, schlageresk zu klingen. In der Tat sind manche Texte selbst für mich als Virginia-Jetzt!-Gutfinder hart an der Grenze, aber wenn man das Trio aus Leer erst mal live gesehen hat, erschließt sich einem das Werk sehr viel besser. Ich kann verstehen, wenn man Enno Bunger nicht mag, aber ich mag sie. (LH, Rezensionsexemplar)

Lightspeed Champion – Life Is Sweet! Nice To Meet You.
Nach dem Ende der Test Icicles machte Dev Hynes (der, wie ich gerade erschrocken feststelle, auch jünger ist als ich selbst) plötzlich Folkmusik und veröffentlichte mit “Falling Off The Lavender Bridge” vor zwei Jahren ein Album, das nach Wüstenstaub klang. Davon verabschiedet sich das Zweitwerk schon relativ früh und schwankt dann durch die verschiedenen Spielarten von Indiepop. Das Album erinnert an WHY?, We Are Scientists und die Shout Out Louds, dann bricht plötzlich (“The Big Guns Of Highsmith”) ein Männerchor hervor, wie man ihn seit “Sam’s Town” von den Killers nicht mehr gehört hat. Das ist manchmal ein bisschen zu eklektisch (und mit 15 Songs auch etwas zu viel), aber insgesamt immer noch sehr schön. (LH)

Local Natives – Gorilla Manor
Verkürzt könnte man diese Platte folgendermaßen beschreiben: Ein Bisschen wie Vampire Weekend, nur eben ohne fürchterlich zu sein. Dass da Resterklärungsbedarf zurückbleibt, ist zumindest vorstellbar. Local Natives kommen aus Silver Lake (oder Silverlake?), worüber ich mir einmal (mit etwa 700 anderen zusammen) auf einem “Konzert” von Henry Rollins persönlich erklären lassen durfte, dass das eine ziemlich üble Ecke in Los Angeles ist (oder war, der Herr Rollins hat da wohl um 1840 mal gewohnt). Der Herkunftsort ist natürlich völlig irrelevant, aber man soll ja persönliche oder geographische Bezüge zu seinem Untersuchungsobjekt herstellen. Jedenfalls war mein erster Gedanke beim Hören dieser Platte: “Hui. Klingt wie Vampire Weekend, nur nicht so fürchterlich.” Tut es ja aber gar nicht. “Gorilla Manor” ist halt eigentlich ganz schön Indie-Rock, aber eben mit dem Extra-Meter Spaß (Ah, Rezensionsplattitüden!), den man gemeinhin als den “The-Blood-Arm-Effekt” kennt: Auf den ersten Blick sehr direkter Schubladenrock, der es aber aus bestimmten, unvorhersehbaren Gründen schafft, zu wachsen und Bedeutung zu erlangen. Insofern sind Referenzen auch deplaziert, wer aber trotzdem welche braucht: Ein wenig Grizzly Bear (wegen der Chöre), ein bisschen Animal Collective (wegen der sporadischen Buschtrommeln) und ein wenig The National (wegen der konventionellen Machart). Gefällt mir sehr gut! Objektiver wird es nicht. (MS)

Massive Attack – Heligoland
Kein Mann ist eine Insel. Stimmt. Heligoland ist in dem Fall das fünfte Studioalbum des britischen Trip-Hop-Duos Massive Attack. Nach einiger Wartezeit, in der die Beiden sich mit Soundtracks und anderen ambitionierten Projekten beschäftigt haben, war ein komplettes Album fertig, was jedoch wieder verworfen wurde. Für Heligoland haben sich die Beiden den wunderbaren Tunde Adebimpe von TV On The Radio, Damon Albarn von Blur, Adrian Utley von Portishead, Guy Garvey von Elbow und etliche andere Künstler an Bord geholt, die durchaus charmant für “Heligoland” kollaborierten und man kann sagen, es ist eine eindringliche Platte geworden. Nicht ganz bequem beim ersten Mal hören, aber die Kanten, an die man beim Hören aneckt, sind sehr sehr gut konzipiert. Vor allem “Babel” und “Paradise Circuits” sind für mich Highlights. Düster, wabernde Beats, ein wenig losgelöste Melodien. Massive Attack wie man Sie kennt. Ich bin dann mal auf Heligoland. Inselurlaub. (AK)

Joanna Newsom – Have One On Me
Was diese Frau auch immer macht. Da bringt sie zuletzt ein Album auf den Markt, das mit “Ys” einen doch eher undurchsichtigen Titel sein Eigen nennt. Wird man dann allerdings des Covers angesichtig, verschlägt es einem fast die Sprache ob des ganzen Mittelalter-Klimbims, den man da vor sich hat. Ein Hören der Musik kann einen dann sofort eines Besseren belehren, wenn man sich nicht schon zu arg darauf eingeschossen hat, das als Herr-der-Ringe-Soundtrack abtun zu wollen. Aber um “Ys” geht es ja nicht. Es geht darum, was sie jetzt schon wieder gemacht hat, die gute Frau Newsom. In Zeiten der nachhaltigen Fürtoterklärung der haptischen Komponente von Musik entscheidet sie sich dafür, eine Dreifach-CD / LP herauszubringen. Natürlich ist da durchaus einiges an Booklet und Artwork dabei, um den tatsächlichen Hardcover-Käufer für seine anachronistische Tat zu entlohnen, aber dennoch: Produktionskosten und so, Sperrigkeit etc. pp. Apropos: Nicht einer dieser ganzen Songs hat konventionelle Popsonglänge (ob das generell gut oder generell schlecht ist, steht in einem anderen Pamphlet, das selbst schon müde geworden ist; auch eine herausragende Leistung für etwas aus Papier, nicht wahr?). Darüberhinaus wurde hier mit einer derartigen instrumentalen Opulenz ans Werk gegangen, dass man sich allein im Opener “Easy” verlieren kann und beständig Neues hört, und das vor allem (jetzt kommt fast der wichtigste Punkt), ohne sich auch nur einmal zu fragen, warum man das jetzt irgendwie gut finden soll. Es fehlt also quasi der Moderne-Kunst-Moment, in dem man vor einem Triptychon von Miró mit dem Titel “Gefängnis aus der Sicht eines Insassen” oder so ähnlich steht und denkt: “Hm, das ist jetzt also diese Kunst, von der immer alle sprechen”. Natürlich ist Miró super, keine Sorge, und so schön bunt und so. Aber “Have One On Me” könnte tatsächlich so in etwa die Analogie zu Pieter Brueghels des Älteren “Landschaft mit dem Sturz des Ikarus” sein: Handwerklich hervorragend, aber darüberhinaus so allegorien- und bildreich, dass man sich noch Jahrhunderte lang darüber den Kopf zerbrechen kann. Wenn man das mag. Ansonsten ist es auch einfach so ziemlich schön! (MS)

Scary Mansion – Make Me Cry
Manchmal ist es gut, dass Albumcover in Zeiten von MP3s eine eher untergeordnete Rolle spielen, denn das zu “Make Me Cry” hätte mich dann doch nicht unbedingt zum Hören eingeladen. Da wäre mir doch glatt was entgangen, denn der Indierock dieser Band aus Brooklyn gefällt mir ausgesprochen gut. Mein Musikgenrebenennrobotor hat grad den Dienst quittiert, also versuche ich mich lieber an Vergleichen: The Pains Of Being Pure At Heart, Yo La Tengo, The Sounds … Na ja, so ungefähr. Jedenfalls: Liebreizender Gesang einer Sängerin über verzerrte Gitarren, die mal Uptempo, mal epischer sind. Das wird mich im kommenden Frühling sicher noch länger begleiten. (LH, Rezensionsexemplar)

Seabear – We Built A Fire
Seabear, das sind sieben auf einen Streich. Was als Soloprojekt von Sindri Már Sigfússon aus Island begann, ist jetzt eine siebenköpfige musizierende Band, die mit ihrem Indie-Folk einen gelungen Nachfolger zu ihrem Debutalbum “The Ghost That Carried Us Away” abliefert. “We Built A Fire” kann sich auf jeden Fall hören lassen, egal zu welcher Jahreszeit. Es ist alles dabei: Hörner, Geigen, unaufdringliches Schlagzeug, tolle Melodien und diese besonderen isländischen Emotionen, oder was die sonst noch in ihre Songs reinmischen, dass man einfach gebannt vor dem Lautsprecher sitzt. Von leisen Tönen (“Cold Summer”) bis hin zu frechen Tönen (“Wolfboy”, “Wodden Teeth”) ist auf “We Built A Fire” alles vorhanden. Vor allem aber ist nichts vorraussehbar, außer dass Seabear wirklich ein gelungenes Werk geschaffen haben, das die leichten Melodien auch immer mit der dazugehörigen Tiefe verbindet. Was es deshalb so empfehlenswert macht. (AK)

Shout Out Louds – Work
Ist das Konzept dieser Serie hier eigentlich, nur Empfehlungen auszusprechen? Dann hat die neue Shout-Out-Louds-Platte hier eigentlich nicht viel verloren, denn sie ist schon eine ziemliche Enttäuschung. Dass sie etwas ruhiger ist als die beiden Vorgänger, ist an sich ja nichts schlimmes, aber leider bleibt außer der Single “Fall Hard” einfach nicht viel hängen. Nach einigen Durchgängen kommt dann zwar ein bisschen Atmosphäre auf, aber bis dahin hat man eigentlich schon lieber zu “Our Ill Wills” oder “Howl Howl Gaf Gaff” gegriffen. Schade! (LH)

Yeasayer – Odd Blood
Irgendwann vor zwei Wochen habe ich eine Sammel-Mail bekommen mit der Frage, ob jemand mit aufs Yeasayer-Konzert im Friedrichshainer Postbahnhof gehen würde. Habe dann ganz schnell Yea gesagt. Hätte ich vielleicht nicht tun sollen, denn es war eins der langweiligsten Konzerte, an die ich mich erinnern kann. Nicht, dass es schlecht gewesen wäre, dann hätte man ja einfach gehen können. Es war im Gegenteil immer mal wieder ganz gut, vielversprechend, sodass man ständig darauf gewartet hat, dass es endlich mal richtig los geht. Das ist dann leider den ganzen Abend lang nicht passiert, was allerdings seltsam ist, in Anbetracht dessen, dass es auf diesem Album eigentlich die ganze Zeit, Verzeihung, so richtig los geht. Von diesem irreführenden, genialen Opener mit der effektverzierten und hunderte Oktaven nach unten gedrückten Stimme über den, Verzeihung nochmals, Hit “Ambling Alp” bis zum Schluss ist das durchweg interessante Kost, die durchaus gewöhnungsbedürftig ist, aber doch – auf die gute Art! – Hippiemusik mit Techno und total übertriebenem Latinokitsch vermischt. Eigentlich überhaupt nicht mein Ding, wäre es aber sicherlich geworden und hätte “Odd Blood” zu einem dieser gebetsmühlenartig beschworenen “frühen Anwärter” auf mein Album des Jahres werden lassen. Wäre nicht dieses Konzert so vermaledeit öde gewesen. Schade! Anhören lohnt sich wohl aber trotzdem. (MS)

Mitarbeit an dieser Ausgabe:
AK: Annika Krüger
LH: Lukas Heinser
MS: Markus Steidl