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Kampagnenjournalismus

War­um musst du sprin­gen wie der Sprin­ger dich schuf
Mäd­chen, hat­test du nicht eigent­lich einen ande­ren Beruf

(Wir Sind Hel­den – Zieh Dir was an)

Wenn man Besu­cher­zah­len und Ver­lin­kun­gen als Para­me­ter für Erfolg ansieht, war es eine sehr erfolg­rei­che Woche fürs BILD­blog. Was uns aller­dings ver­wun­dert hat: Nicht einer der vie­len Arti­kel über die Son­der­be­hand­lung, die „Bild“ Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg ange­dei­hen ließ, hat letzt­lich unse­ren Ser­ver zum Knir­schen gebracht, son­dern der wüten­de, leicht hilf­lo­se Brief einer Pop­sän­ge­rin.

Die Wer­be­agen­tur Jung von Matt hat­te bei Judith Holo­fer­nes und ihrer Band Wir Sind Hel­den ange­fragt, ob die­se nicht im Rah­men einer Wer­be­kam­pa­gne „ihre of­fe­ne, ehr­li­che und un­ge­schön­te Mei­nung zur BILD“ äußern woll­ten. Das war ange­sichts der Tat­sa­che, dass Holo­fer­nes mit ihrer Mei­nung zu „Bild“ nie hin­term Berg gehal­ten hat­te, eine stei­le Anfra­ge – nach Maß­stä­ben von Wer­bern also womög­lich eine bril­lan­te Idee.

Aber Sän­ge­rin und Band woll­ten nicht auf ein Pla­kat, sie teil­ten ihre Ansich­ten der Mensch­heit lie­ber unent­gelt­lich mit: auf der eige­nen Web­site, bei uns und spä­ter, als bei­de Ser­ver am Boden waren oder in den Sei­len hin­gen, auch noch anders­wo.

Die Reak­tio­nen haben alles getoppt, was wir (und wohl auch die Band selbst) erwar­tet hät­ten. Mehr als 50.000 Men­schen haben inzwi­schen den Facebook-„Gefällt mir“-Button unter dem BILD­blog-Ein­trag geklickt, was für uns eine so unvor­stell­bar hohe Zahl ist, dass ich sie nur noch mit der Ein­woh­ner­zahl mei­ner alten Hei­mat­stadt ver­glei­chen kann. So gese­hen geht da also noch was.

Die Reak­tio­nen waren über­wie­gend, aber nicht aus­schließ­lich posi­tiv. Und sie war­fen auch Fra­gen auf, die ein Face­book-Freund von mir so auf den Punkt brach­te:

War­um ist das so ne Sen­sa­ti­on, das „Wir sind Hel­den“ nicht für BILD wer­ben? Das ist doch wohl das Min­des­te, das man von jeman­dem mit Anstand erwar­ten kann.

Ja, das stimmt natür­lich. Den­noch wer­ben Leu­te wie Hans-Diet­rich Gen­scher, Gre­gor Gysi, Jona­than Mee­se, David Gar­rett, Phil­ipp Lahm, Richard von Weiz­sä­cker, aber natür­lich auch Til Schwei­ger für das Blatt. Die dür­fen dann zwar auch ein biss­chen Kri­tik äußern, aber sie machen natür­lich trotz­dem für bun­des­wei­te Pla­ka­tie­rung und 10.000 Euro für einen guten Zweck gemein­sa­me Sache mit „Bild“. (Bemer­kens­wert übri­gens, dass der am ehes­ten „kri­tisch“ zu nen­nen­de Bei­trag aus­ge­rech­net der Radio­spot des Komi­kers Atze Schrö­der ist.) Die dama­li­ge Frau­en­recht­le­rin und heu­ti­ge „Bild“-Gerichtsreporterin Ali­ce Schwar­zer war übri­gens schon bei einer frü­he­ren „Bild“-Kampagne dabei.

Offen­bar ist der (an vie­len Stel­len rüh­rend unge­len­ke) Brief von Judith Holo­fer­nes ein biss­chen wie das Kind aus „Des Kai­sers neue Klei­der“, das „Aber der ist doch nackt!“ ruft. „End­lich sagt’s mal jemand“, lau­te­te an vie­len Stel­len der Tenor, was einen natür­lich schon ein biss­chen betrübt zurück lässt, wenn man seit Jah­ren zu bele­gen ver­sucht, was Holo­fer­nes jetzt noch mal auf­schreibt:

Die BILD –​Zei­tung ist kein au­gen­zwin­kernd zu be­trach­ten­des Trash-​Kul­­tur­­gut und kein harm­lo­ses “Guil­ty Plea­su­re” für wohl­fri­sier­te Auf­stre­ber, kei­ne wit­zi­ge so­zia­le Re­fe­renz und kein Li­­fes­­tyle-​Zi­­tat. Und schon gar nicht ist die Bild –​Zei­tung das, als was ihr sie ver­kau­fen wollt: Hass­ge­lieb­tes, aber wei­test­ge­hend harm­lo­ses In­ven­tar eines ei­gent­lich viel schlaue­ren Deutsch­lands.

Genau das war ja die Moti­va­ti­on von Ste­fan Nig­ge­mei­er und Chris­toph Schult­heis, als sie vor fast sie­ben Jah­ren BILD­blog gegrün­det haben: zu zei­gen, dass „Bild“ eben „kein lus­ti­ges Quatsch­blatt“ ist, wie Ste­fan es immer wie­der aus­ge­drückt hat.

Das scheint plötz­lich auch der „Spie­gel“ erkannt zu haben, der mor­gen – ein Zufall, tat­säch­lich – mit die­ser Geschich­te auf­macht:

Bild — Die Brandstifter

Ich habe das Heft noch nicht gele­sen, die Vor­ab­be­spre­chun­gen fal­len ziem­lich ent­täuscht aus und doch ist es bemer­kens­wert, dass sich ein gro­ßes deut­sches Medi­um so expli­zit mit „Bild“ befasst.

Den etwa 40.000 BILD­blog-Lesern an einem durch­schnitt­li­chen Tag (die­se Woche waren es meist mehr oder sehr viel mehr) und den 50.000 Face­book-Likes des Hel­den-Auf­sat­zes steht eine „Bild“-Auflage gegen­über, die zwar kon­ti­nu­ier­lich sinkt, aber immer noch bei 2,9 Mil­lio­nen liegt. Die Reich­wei­te (eine Zahl, die durch das Wer­fen von Hüh­ner­kno­chen bei Voll­mond ermit­telt wird) liegt sogar bei über elf Mil­lio­nen. Dage­gen neh­men sich selbst die Auf­la­ge und die Reich­wei­te des „Spie­gel“ (knapp eine Mil­li­on und 5,9 Mil­lio­nen) eher beschei­den aus, aber es ist eben ein Viel­fa­ches des­sen, was wir oder ein Medi­en­ma­ga­zin wie „Zapp“ erreicht. (Zumal der Anteil der Leu­te, die „Bild“ bis­her „irgend­wie ganz okay“ fan­den, unter den „Spiegel“-Lesern deut­lich grö­ßer sein dürf­te, als unter denen des BILD­blog.)

* * *

Ein Vor­wurf, der immer mal wie­der auf­kam, lau­te­te, mit ihrer Ant­wort hät­ten Wir Sind Hel­den „Bild“ nur noch mehr Auf­merk­sam­keit ver­schafft. Mit der glei­chen Logik könn­te man Green­peace vor­wer­fen, indi­rek­te PR für BP zu machen. Das alte Man­tra „Any PR is good PR“ steht im Raum, das ich für ziem­li­chen Unfug hal­te. Fra­gen Sie mal Jörg Kachelm­ann, wel­che Aus­wir­kun­gen die stän­di­ge Erwäh­nung sei­nes Namens in den Medi­en wäh­rend der letz­ten elf Mona­te auf des­sen Kar­rie­re und Leben gehabt haben! Zudem braucht die „Mar­ke“ „Bild“ unge­fähr so drin­gend wei­te­re Auf­merk­sam­keit von jun­gen, kri­ti­schen Men­schen, wie die „Mar­ke“ „Apple“ von Micro­soft-Ver­eh­ren und Linux-Fans.

Der ande­re Haupt-Kri­tik­punkt war, die Band wol­le doch nur auf sich auf­merk­sam machen. Ste­fan Win­ter­bau­er, der Blin­de unter den Ein­äu­gi­gen bei „Mee­dia“, schrieb:

Es ist bezeich­nend, dass “Wir sind Hel­den” einen sol­chen Popu­la­ri­täts­schub mit einer eher ober­fläch­li­chen und wir­ren Bild-Schel­te erreicht und nicht mit ihrer Musik. Das jüngst erschie­ne­ne Best-of-Album “Tau­send wir­re Wor­te” schaff­te es nicht mehr in die Top-Ten der Album Charts und ran­giert auch bei Down­load-Platt­for­men wie iTu­nes weit hin­ten.

Die Kom­men­ta­re bei „Mee­dia“ fie­len über­wie­gend ver­nich­tend aus, eini­ge zeig­ten sich gar „ent­täuscht“ von dem Medi­en­dienst, was inso­fern erstaun­lich ist, als das ja immer­hin eine vage posi­ti­ve Erwar­tungs­hal­tung vor­aus­set­zen wür­de.

Natür­lich kann man der Band die­sen Vor­wurf machen. Ich glau­be nur, dass er in die­sem spe­zi­el­len Fall ins Lee­re läuft: Es ist ja nicht das ers­te Mal, dass Judith Holo­fer­nes öffent­lich zu gesell­schaft­li­chen The­men Stel­lung bezieht, und auch nicht das ers­te Mal, dass sie „Bild“ schilt. Wenn eine Frau, die sonst für ihre durch­dach­ten Tex­te gelobt wird, sich regel­recht aus­kotzt und dabei ein Brief ent­steht, den man unter ästhe­ti­schen Gesichts­punk­ten eher so als „mit­tel“ bezeich­nen wür­de, neh­me ich ihr die Empö­rung wirk­lich ab.

* * *

Nun kam am Frei­tag auch die neue Sin­gle der Hel­den auf den Markt, wes­we­gen man der Akti­on ein „Geschmäck­le“ attes­tie­ren kann. Aller­dings lag uns das Ange­bot der Band, den Text zu ver­öf­fent­li­chen, schon neun Tage vor­her vor. Dass es letzt­lich so lan­ge dau­er­te, lag an der Ver­peilt­heit auf bei­den Sei­ten.

Und so rich­tig berech­nend wirkt Judith Holo­fer­nes auch nicht, wenn sie im Inter­view mit jetzt.de schon gegen die nächs­ten sti­chelt:

Also, wenn die­se E ‑Mail uns fünf schlaue, net­te Leu­te in die Arme treibt, die uns bis jetzt schei­ße fan­den, und wir die dann viel­leicht gegen die fünf Leu­te ein­tau­schen kön­nen, die uns in ihrem Plat­ten­re­gal neben den „Gra­fen“ gestellt aha­ben [sic!], weil sie „halt irgend­wie so deut­sche Tex­te mögen“, dann ist das doch ein guter Deal.

* * *

Und wäh­rend ich die­sen Ein­trag schrieb, erreich­te mich die Nach­richt, dass der Brief von Judith Holo­fer­nes mor­gen in einer ganz­sei­ti­gen Wer­be­an­zei­ge von „Bild“ in der „taz“ erschei­nen wird. Damit set­ze ich dann ger­ne auch dar­auf, wer aus die­sem Schar­müt­zel als Ver­lie­rer her­vor­ge­hen wird: die „taz“, wenn mor­gen wie­der ein paar hun­dert Abo-Kün­di­gun­gen ein­ge­hen.

Dis­clo­sure: Ich kann mit dem aktu­el­len Album von Wir Sind Hel­den nichts anfan­gen.

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Print Gesellschaft

Schreipflicht

Ken­nen Sie das? Man fährt gemüt­lich in sei­nem Dienst­wa­gen an der Spree ent­lang, hört ein biss­chen Radio, und ab und an kriegt man die Schei­ben an den Ampeln geputzt. Manch­mal sagt man „Nein“, dann machen die Damen und Her­ren das trotz­dem, man gibt fünf­zig Cent, kein Pro­blem, schließ­lich ist man ja Gesund­heits­mi­nis­te­rin, und schwupps hat man die Zeit ver­ges­sen und sitzt irgend­wo in Spa­ni­en und das Auto ist einem unter dem Aller­wer­tes­ten weg geklaut wor­den. So schnell kann’s gehen. Erst­mal zum zwei­ten The­ma:

Dienst­wa­gen im Som­mer­loch – das ist ganz und gar brand­ge­fähr­lich. Die Gedan­ken­ver­bin­dung von „Dienst­wa­gen“ zu „Affä­re“ ist eine der kür­zes­ten über­haupt.

Das steht heu­te auf Zeit Online und auch im Online-Ange­bot des „Tages­spie­gel“. Man kann jetzt ver­su­chen, sich zu erin­nern, wann man das letz­te Mal die­se kür­zes­te aller Gedan­ken­brü­cken schla­gen muss­te. Und wenn das über­ra­schen­der­wei­se noch nie der Fall gewe­sen sein soll­te, setzt man alles dar­an, die Asso­zia­ti­ons­ket­te genu­in und neu nach­zu­ver­fol­gen, aber wenn ich das tue, kom­me ich von „Dienst­wa­gen“ immer nur bei „Ben­zin“ vor­bei zu „Tank­stel­le“ und dann viel­leicht noch zu „Schei­ße, EC-Kar­te nicht dabei“, aber das ist ja schon eine rela­tiv lan­ge Ver­bin­dung. Und wie man von „Schei­ße, EC-Kar­te nicht dabei“ so flugs zu „Affä­re“ kommt, ist mir in dem Zusam­men­hang eher schlei­er­haft. Ver­mut­lich ist es eher so, dass da ein­mal wie­der jemand dach­te, dass man durch mög­lichst unei­gent­li­chen Schreib­stil beson­ders leicht zu knüp­pel­har­ten Apho­ris­men kommt. Das sei so sicher wie die Ren­te.

Per­sön­lich, und das muss natür­lich nichts hei­ßen, bin ich der Mei­nung, dass es nicht unbe­dingt nötig war, so eine Pan­zer­li­mou­si­ne mit in den Urlaub zu neh­men, aber die paar Tau­send Euro hät­te man auch ohne Dienst­wa­gen gut ander­wei­tig los­wer­den kön­nen. Muss man sich also nicht drü­ber auf­re­gen. Aber: Wer bin ich schon, um so eine Behaup­tung auf­zu­stel­len?

Auf­re­gen kann man sich näm­lich auch über weit gerin­ge­re Din­ge, womit wir beim eigent­lich ers­ten The­ma ange­langt wären. Die „Süd­deut­sche Zei­tung“ druckt heu­te (wie an jedem Tag seit 1946) auf ihrer Titel­sei­te die Glos­se mit dem Namen „Streif­licht“. Die ist manch­mal ziem­lich wit­zig, oft ziem­lich bemüht, wit­zig zu sein und in den gott­lob sel­tens­ten Fäl­len irgend­wie ein Griff ins Klo. Heu­te geht es um besag­te Fens­ter­put­zer an Ber­li­ner Ampel­kreu­zun­gen:

Bis vor kur­zem han­del­te es sich bei die­sen Ser­vice­leu­ten um Punks. Sie waren sehr freund­lich, denn an jeder Kreu­zung des Lebens, an der es links zur Anar­chie geht und rechts zur Schrank­wand aus Eiche, waren sie ein­fach geade­aus wei­ter­ge­trot­tet […]. Lehn­te also der gemei­ne Ber­li­ner ihre Offer­te ab, etwa mit den Wor­ten „Solan­ge ick dir hier­durch erken­nen kann, läss­te dei­ne Fin­ger von“, troll­ten sich die arti­gen Punks. Was ihre dem Aus­se­hen und Ver­neh­men nach aus Süd­ost­eu­ro­pa kom­men­den Nach­fol­ger nicht tun. Sie wischen trotz­dem. Dann hal­ten sie die nas­se Hand auf.

Dann wird sich da noch ein biss­chen über ein paar Auf­kle­ber aus­ge­las­sen und geen­det wird mit der unspe­zi­fi­schen Aus­sa­ge, dass nicht jeder gleich ein Schwein sei, der an der Ampel nein sagt. Zunächst war ich mir nicht so ganz sicher, was ich davon zu hal­ten hat­te. Ich ken­ne lei­der nie­man­den per­sön­lich, der sich durch sei­ne finan­zi­el­len Umstän­de irgend­wie dazu gezwun­gen sieht, den hal­ben Tag mit Schwimm­fin­gern auf der Fried­rich­stra­ße her­um­zu­ste­hen, aber ich kann mir vor­stel­len, dass die­ser jemand, läse er die­se Kolum­ne, sich ein biss­chen füh­len wür­de wie der, über den man in der ach­ten Klas­se geläs­tert hat, ohne zu bemer­ken, dass er hin­ter einem stand. Auf der Titel­sei­te ist das Ding jeden­falls irgend­wie frech, auf der Mei­nungs­sei­te wäre es auf­grund der feh­len­den Rele­vanz sowie­so nicht auf­ge­taucht, und wenn man es in die Pan­ora­ma-Ecke stellt, wüss­te der Leser ja sowie­so gleich, was Pha­se ist. Hät­te man man bes­ser abge­bü­gelt.

Den­noch gibt es heu­te auch eine fro­he Bot­schaft: Die „taz“ hat begrif­fen, dass die Wahr­heit manch­mal ein­fach schö­ner und leich­ter ver­dau­lich ist als die Wahr­heit.

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Politik Digital

Internet Gaga

Wer sich zag­haft der ganz eige­nen Welt von Poli­ti­kern annä­hern will, soll­te fol­gen­de Wor­te ein paar Mal im Kopf hin- und her­schie­ben:

Ich hal­te es für falsch und nicht mach­bar, im Inter­net unlieb­sa­me Inhal­te durch Sper­ren oder das Kap­pen von Ver­bin­dun­gen zu unter­drü­cken.

Das hat nicht etwa irgend­ein Kri­ti­ker der vor einer Woche beschlos­se­nen Inter­net­sper­ren gegen Kin­der­por­no­gra­phie gesagt, son­dern Dr. Mar­ti­na Krog­mann, Ver­hand­lungs­füh­re­rin der CDU/​CSU bei genau die­sem Gesetz.

Aller­dings jetzt und zu einem etwas ande­ren The­ma.

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Digital

Kelvin & Hops

Man kann über „RP Online“, Deutsch­lands füh­ren­des Regio­nal­zei­tungs-Por­tal, län­ge­re Tex­te schrei­ben, wie es Dani­el Bouhs für die „taz“ getan hat.

Aber im Prin­zip lässt sich die gan­ze Klick­schin­de­rei, die Bou­le­vard-Sucht und die gan­ze Scheiß­egal-Hal­tung auch noch knap­per zusam­men­fas­sen:

CK-Werbespot zu sexy für US-Fernsehen. Foto: Screenshot Calvin Klein. Kelvin Klein hat schon öfter mit seinen Werbespots Staub aufgewirbelt.

Aber weil sich „RP Online“-Chefredakteur Rai­ner Kur­le­mann im „taz“-Artikel beklagt, „Hein­ser und Nig­ge­mei­er wür­den sich ‚an eini­gen, weni­gen Fäl­len‘ abar­bei­ten, die ‚Leis­tun­gen‘ aber nicht wür­di­gen“, wür­di­ge ich hier ger­ne mal wie­der eine Leis­tung und emp­feh­le Ihnen die Kolum­ne „About a Boy“, die mein frü­he­rer plattentests.de-Kollege Sebas­ti­an Dal­kow­ski für „RP Online“ schreibt.

Nach­trag, 7. Febru­ar: „RP Online“ hat Cal­vin Kleins Vor­na­men inzwi­schen kor­ri­giert. (Das hebt sie auch von ande­ren Por­ta­len ab.)

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Print Digital

Brüste – Jetzt auch in Deutschland!

Face­book fin­det stil­len­de Müt­ter obs­zön und löscht Bil­der von Brust und Baby.

schrieb die „taz“ ges­tern. Aus­lö­ser war ver­mut­lich eine Pro­test­ak­ti­on von stil­len­den Müt­tern vor der Haupt­ver­wal­tung von Face­book, die von etwa 11.000 Men­schen online beglei­tet wur­de, indem die­se Still­fo­tos zu ihren User­bild­chen mach­ten. Face­book hat­te näm­lich immer mal wie­der Fotos, auf denen zu viel Brust zu sehen gewe­sen war, ein­fach gelöscht. Und in die­sem „immer mal wie­der“ liegt der Knack­punkt, den der „taz“-Artikel ver­schweigt.

Anders als bei­spiels­wei­se heise.de am 31. Dezem­ber 2008 schrieb, hat­te die Platt­form damit näm­lich nicht „im Herbst die­ses Jah­res ange­fan­gen“, son­dern bereits im Jahr 2007 – ein Blick in die Face­book-Grup­pe „Hey, Face­book, breast­fee­ding is not obs­ce­ne!“ hät­te da aus­ge­reicht.

Aber „taz“ und Hei­se sind nicht die ein­zi­gen deut­schen Medi­en, die erst durch die Berich­te eng­lisch­spra­chi­ger Medi­en über die Pro­test­ak­ti­on auf­ge­wacht sind: Stern.de, das „Netz­ge­flüs­ter“ der „Han­no­ver­schen All­ge­mei­nen Zei­tung“, der Medi­en­dienst Mee­dia, „RP Online“ natür­lich und Zoomer.de („Doch was sich die inter­ne Zen­sur des Online­netz­wer­kes jetzt geleis­tet hat, geht über­haupt nicht“) – sie alle tun so, als sei der Umstand, dass Face­book sol­che Bil­der löscht, eine Neu­ig­keit.

Bild.de, wo es natür­lich eine Bil­der­ga­le­rie mit stil­len­den Müt­tern gibt, schreibt:

Aus­ge­löst hat den Wir­bel Kel­li Roman (23) aus Kali­for­ni­en.

Gemeint ist damit jene Kel­li Roman, die das „Time“-Magazin kürz­lich zu der gan­zen Sache inter­viewt hat­te, und neben deren Foto die „Time“-Redakteure fol­gen­den Satz geschrie­ben hat­ten:

This pho­to­graph of Kel­li Roman breast­fee­ding her baby was remo­ved from Face­book a year and a half ago.

Und wenn Sie das Gefühl haben, über die­se gan­ze Face­book-löscht-Still­fo­tos-Num­mer schon mal vor län­ge­rer Zeit gele­sen zu haben: das kann natür­lich sein …

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Politik Print

War was?

Wie es der Zufall so will, hat sich die gro­ße Koali­ti­on in Deutsch­land­üb­ri­gens ges­tern dar­auf ver­stän­digt, wie das BKA-Gesetz aus­se­hen soll. Der Weg zu heim­li­chen Online-Durch­su­chun­gen ist damit frei.

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Digital Fernsehen

Klickbefehl (14)

Da mögen Fans noch so sehr dar­auf schwö­ren, die „Lin­den­stra­ße“ sei heu­te ja eine gan­ze ande­re als vor 20 Jah­ren. Humor­voll, selbst­iro­nisch und der­glei­chen. In Wahr­heit ist die Klein­bür­ger-Soap immer noch ein Pan­op­ti­kum der Pie­fig­keit. Wie fast alle Soaps sind ihre Kulis­sen voll­ge­stellt mit unin­spi­rier­ten Cha­rak­te­ren und zuge­schüt­tet mit grau­en­haf­ten Dia­log­zei­len der Sor­te: „Ah, mei­ne Umwelt­pla­ket­te, end­lich!“

Mar­kus Brauck rech­net im „Spie­gel“ mit der „Lin­den­stra­ße“ ab. Dazu gibt es eine Bil­der­ga­le­rie, die dem Wort „Grau­stu­fen“ eine ganz neue Bedeu­tung zukom­men lässt. (Bit­te mar­kie­ren Sie sich die­sen Tag im Kalen­der: ich emp­feh­le eine Bil­der­ga­le­rie bei „Spie­gel Online“!)

* * *

Das ist die wohl unge­wöhn­lichs­te Mel­dung des Tages: Die ARD kauft RTL die Serie „Die Anwäl­te“ ab – also die Serie, die RTL Anfang des Jah­res nach nur einer Fol­ge, die mit 10,8 Pro­zent Markt­an­teil die Erwar­tun­gen nicht erfül­len konn­te. aus dem Pro­gramm genom­men hat. Fort­an dien­te die Serie als Mus­ter­bei­spiel für feh­len­des Ver­trau­en der Sen­der in die eige­nen Pro­duk­tio­nen.

DWDL.de berich­tet über das über­ra­schen­de Come­back einer Serie, die (also deren ers­te Fol­ge) ich eigent­lich ganz gut fand und deren Abset­zung mein Ver­hält­nis zu RTL nach­hal­tig gestört hat.

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Ein­fa­cher wäre zu sagen: Ich mag ihn. Ich freue mich, dass ich neben dem Mit­glied der „Ach­se des Guten“ auch schon drei Mal dort als Gast­au­tor auf­tre­ten durf­te und dass wir nun gemein­sam ein Netz­werk Gegen­re­cher­che star­ten.

Timo Rieg erläu­tert in der „Spie­gel­kri­tik“ die Hin­ter­grün­de zu einem sehr, sehr merk­wür­di­gen „Spie­gel Online“-Artikel über einen der angeb­lich ganz weni­gen deut­schen TV-Blog­ger.

War­um die­se Geschich­te nur mit äußers­ter Vor­sicht zu genie­ßen ist (wenn über­haupt), erzäh­le ich Ihnen spä­ter steht hier.

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Einen Vor­schlag zur Güte hat­te Bro­der abge­lehnt. Er wer­de sich kei­nen „Maul­korb“ ver­pas­sen las­sen, „weil sonst Anti­se­mi­ten ent­schei­den dürf­ten, was Anti­se­mi­tis­mus ist“. Nun befan­den die Rich­ter, Bro­ders Vor­wurf habe die Gren­ze zur Schmäh­kri­tik über­schrit­ten, weil „im kon­kre­ten Kon­text der Äuße­rung die Dif­fa­mie­rung der Klä­ge­rin, nicht die Aus­ein­an­der­set­zung in der Sache im Vor­der­grund“ gestan­den hät­te.

Hen­ryk M. Bro­der stand mal wie­der vor Gericht und die „taz“ ver­sucht zu erklä­ren, was los war.

Patrick Bah­ners hat­te vor eini­gen Wochen in der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung“ eben­falls über den Pro­zess geschrie­ben und Bro­ders Lebens­werk damals beein­dru­ckend zusam­men­ge­fasst:

Sei­ne preis­ge­krön­te publi­zis­ti­sche Stra­te­gie der ver­ba­len Aggres­si­on nutzt den Spiel­raum der Mei­nungs­frei­heit, um ihn ein­zu­schrän­ken: Kri­ti­ker Isra­els sol­len ein­ge­schüch­tert wer­den.

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Wei­te­re Link­tipps kön­nen Sie übri­gens seit Neu­es­tem dem deli­cious-Account von Cof­fee And TV ent­neh­men. Und falls ich end­lich raus­krie­ge, wie ich den dazu­ge­hö­ri­gen Feed hier in die Side­bar ein­ge­baut krie­ge, wird das alles viel prak­ti­scher und über­sicht­li­cher.

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Musik Digital

Über das Saugen (Over The Rainbow)

Die MCPS-PRS Alli­ance, das bri­ti­sche Äqui­va­lent zur GEMA, hat gemein­sam mit dem ame­ri­ka­ni­schen Markt­for­schug­nsun­ter­neh­men Big­Cham­pa­gne eine Stu­die über das Down­load­ver­hal­ten der User beim letz­ten Radio­head-Album „In Rain­bows“ her­aus­ge­ge­ben. Und die kommt zu inter­es­san­ten Ergeb­nis­sen.

Wir erin­nern uns: Radio­head hat­ten im ver­gan­ge­nen Okto­ber ihr Album „In Rain­bows“ für zwei Mona­te zum Down­load ange­bo­ten und die Hörer konn­ten dafür so viel Geld bezah­len, wie sie woll­ten – auch nichts. Weil Radio­head sich immer noch aus­schwei­gen, wie vie­le Leu­te das Album auf der offi­zi­el­len Sei­te her­un­ter­ge­la­den haben, kann Big­Cham­pa­gne nur Zah­len zu den Tor­rent-Down­loads prä­sen­tie­ren: 2,3 Mil­lio­nen Mal wur­de das Album zwi­schen dem 10. Okto­ber und dem 3. Novem­ber 2007 dort (ille­gal) her­un­ter­ge­la­den, 400.000 Mal allein am ers­ten Tag. Ande­re Alben nam­haf­ter Künst­ler kom­men auf Wer­te von bis zu 150.000 pro Woche.

Bei der „taz“ hat man die Stu­die ent­we­der nicht ganz gele­sen oder falsch ver­stan­den, denn der Arti­kel zur Stu­die ist mit „Expe­ri­ment geschei­tert“ über­schrie­ben. Klar: Wenn die Leu­te das Album lie­ber Klau­en, als es geschenkt zu neh­men, könn­te man das so sehen.

Die Macher der Stu­die Stu­die aller­dings wol­len das längst nicht so ver­stan­den wis­sen:

[A]nyone who has made it to the end of this paper and assu­mes that the pro­ject was a fail­ure has missed two cri­ti­cal points: first­ly, lots of peo­p­le bought the album in any one of its three for­mats and lots of peo­p­le went to see the show – and the word ‚lots‘ is robust no mat­ter which com­pa­ra­ti­ve mea­su­re you use. Second­ly, the wider pur­po­se of this paper is in many ways echo­ing the tone of the recent artic­le in The Eco­no­mist: ‚Pira­cy is a bad thing. But some­ti­mes com­pa­nies can use it to their advan­ta­ge‘.

[Der „Vor­teil“ war unter ande­rem, dass die Band ein zusätz­li­ches Kon­zert im Lon­do­ner Vic­to­ria Park anset­zen muss­te, weil der Andrang der Fans so groß war.]

Als Grund, war­um die Leu­te das Album lie­ber per Tor­rent gezo­gen haben als von der offi­zi­el­len Sei­te, gibt die Stu­die neben den tech­ni­schen Pro­ble­men am ers­ten Tag (Ser­ver­aus­fall, etwas umständ­li­cher Bestell­vor­gang) vor allem einen wei­te­ren an: die Leu­te ken­nen ihre Tor­rent­tra­cker, weil sie sie täg­lich nut­zen, und kamen gar nicht auf die Idee, es woan­ders zu ver­su­chen (auch wenn bzw. gera­de weil es das Album auch auf offi­zi­el­lem Weg für umsonst gab).

It is even less popu­lar to use phra­ses like ‚brand repu­ta­ti­on‘ when tal­king about the same sites the music indus­try cha­rac­te­ri­ses as shady, fly-by-night, and out­right cri­mi­nal. Make no mista­ke: The Pira­te Bay is a powerful brand with a ster­ling repu­ta­ti­on in the minds of mil­li­ons of young music fans.

Die Autoren zie­hen dann die Nine Inch Nails hin­zu, die ihr letz­tes Album „The Slip“ eben­falls zum kos­ten­lo­sen Down­load ange­bo­ten hat­ten – aller­dings in bes­se­rer Qua­li­tät und mit einem viel ein­fa­che­ren Pro­ze­de­re als Radio­head. Und sie­he da: die Mehr­heit der Leu­te lud das Album von der offi­zi­el­len Sei­te her­un­ter, nicht als Tor­rent. Das heißt also: Wenn man mit den bekann­ten Sys­te­men kon­kur­rie­ren will, muss man vor allem leicht zu bedie­nen sein – was im Übri­gen für das Prin­zip iTu­nes sprä­che.

Der span­nends­te Absatz der Stu­die indes sagt noch etwas ganz ande­res aus:

Fre­quent­ly, music indus­try pro­fes­sio­nals sug­gest that an increase in legi­ti­ma­te sales must neces­s­a­ri­ly coin­ci­de with a com­men­su­ra­te reduc­tion in pira­cy, as if this were a fact. Yet, the com­pa­ny Big­Cham­pa­gne has made no such con­sis­tent obser­va­ti­on in near­ly a deca­de of ana­ly­sing the­se data. Rather, it finds that pira­cy rates fol­low awa­re­ness and inte­rest. In other words, if you do a good job cul­ti­vat­ing a legi­ti­ma­te sales sto­ry, you must also expect a simi­lar up-tick in grey mar­ket acti­vi­ty. The big­gest sel­ling albums and songs are near­ly always the most wide­ly-pira­ted, regard­less of all the ‚anti-pira­cy‘ tac­tics employ­ed by music com­pa­nies.

Gut, dafür hät­te es jetzt nicht unbe­dingt eine Stu­die gebraucht, aber dass die­se Fak­ten mal in einer Ver­öf­fent­li­chung ste­hen, die die MCPS-PRS Alli­ance unter „Inde­pen­dent Stu­dies“ ver­öf­fent­licht (und an der ihr Chef-Öko­nom Will Page mit­ge­schrie­ben hat), das ist doch mal zumin­dest ein biss­chen inter­es­sant.

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Klickbefehl (12)

Es ist ein trau­ri­ges Schau­spiel, das online zu beob­ach­ten ist. Titel: Wie nut­ze ich das Inter­net, um mei­ne Wut zu offen­ba­ren. In einer der Haupt­rol­len: Udo Ulfkot­te, pro­mi­nen­ter Ver­tre­ter der ver­netz­ten Islam­kri­ti­ker, ver­ant­wort­lich für die Sei­te „akte-islam“ und Grün­der der Bür­ger­be­we­gung pax-euro­pa samt dazu­ge­hö­ri­ger Home­page.

Die „taz“ (seit Mon­tag übri­gens mit RSS-Feed und daher inzwi­schen auch von mir regel­mä­ßig gele­sen) schaut sich in den isla­mo­pho­ben Hass­blogs von „Poli­ti­cal­ly Incor­rect“ bis „Akte Islam“ um und ver­linkt sogar eini­ge davon.

* * *

Autor Leif ver­tei­digt sich. Zu SPIEGEL ONLINE sagt er: „Ich wür­de ent­schie­den bestrei­ten, the­sen­ori­en­tiert zu arbei­ten.“ Schließ­lich sei­en in sei­nem Film auch der Chef des Bun­des der Zei­tungs­ver­le­ger in Deutsch­land und ande­re Ver­le­ger zu Wort gekom­men.

„Spie­gel Online“ berich­tet, dass sich der Fern­seh­aus­schuss des SWR-Rund­funk­rats mit Beschwer­den über Tho­mas Leifs unfass­bar pein­li­chen Pro­pa­gan­da­film „Quo­ten, Klicks und Koh­le“ befas­sen muss.

* * *

As more and more Ame­ri­cans weigh can­ce­ling their sum­mer vaca­ti­on becau­se of the hig­hest gaso­li­ne pri­ces sin­ce the dino­saurs gave their lives to form the stuff, while airlines–charging to check a bag, inter­minable delays, pla­nes as packed as the Tokyo subway–seem deter­mi­ned to make get­ting away as unp­lea­sant as pos­si­ble, psy­cho­lo­gists recom­mend doing all you can to pre­ser­ve at least a short geta­way.

Sharon Begley erklärt in „News­week“, war­um Sex im Urlaub bes­ser ist als zuhau­se. Das klingt weder nach neu­en, noch nach spek­ta­ku­lä­ren Erkennt­nis­sen, aber der Text ist (s.o.) durch­aus gewitzt for­mu­liert.

* * *

Why? Why the huge respon­se? Some of it was the topic — so many peo­p­le wro­te me of their expe­ri­en­ces. This has con­tin­ued right up until this past weekend, when a teen­aged girl told me she had been a vic­tim of child abu­se and that she real­ly iden­ti­fied with the cha­rac­ter. This was asto­nis­hing to me — that so many peo­p­le from so many cul­tures from all over the world, inclu­ding here in Ame­ri­ca, iden­ti­fied with the cha­rac­ter. I had belie­ved it was about a small per­so­nal issue, but Ron had been cor­rect: it was about a huge social one.

Suzan­ne Vega erklärt im „Mea­su­re For Mea­su­re“-Blog der „New York Times“, wie es zu ihrem Welt­erfolg „Luka“ kam, und war­um sie mit dem Ruf eines two-hit won­ders leben kann.

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Fischen im Netz

Das Inter­net hat die Arbeit von Jour­na­lis­ten erheb­lich ver­ein­facht: Bin­nen weni­ger Sekun­den kann man Agen­tur­mel­dun­gen auf ihren Wahr­heits­ge­halt über­prü­fen (vor­aus­ge­setzt, man will), uralte Tex­te aus obsku­ren Archi­ven her­aus­su­chen und per E‑Mail Ansprech­part­ner in aller Welt kon­tak­tie­ren. Vor allem aber hat man blitz­schnell Infor­ma­tio­nen über jun­ge Leu­te zur Hand, über die zuvor noch nie­mand geschrie­ben hat – außer sie selbst.

Das fiel mir ges­tern wie­der auf, als ich auf der Inter­net­sei­te des „San Fran­cis­co Chro­nic­le“ einen Arti­kel über einen Stu­den­ten aus Ber­ke­ley las, der am frü­hen Sams­tag­mor­gen ersto­chen wur­de. Schon ohne die Fami­lie des Opfers heim­ge­sucht zu haben, konn­ten die Autoren am Sams­tag­abend eine eini­ger­ma­ßen leben­di­ge Cha­rak­te­ri­sie­rung des Toten abge­ben:

Chris­to­pher W.*, who loved ’80s music, poker, base­ball and foot­ball, accor­ding to his MySpace page, would have recei­ved his under­gra­dua­te degree later this month and was going to begin gra­dua­te school in nuclear engi­nee­ring at UC Ber­ke­ley in the fall.

[…]

W.* was acti­ve in his fra­ter­ni­ty, ser­ving as vice pre­si­dent and pledge edu­ca­tor.

„Nobo­dy can have a bet­ter set of fri­ends than I do,“ he wro­te on his MySpace page. „I’m a Sig­ma Pi for life.“

W.* lis­ted on MySpace the Bible as one of his favo­ri­te books and Jesus as one of his top inte­rests.

Among his heroes, he lis­ted „Jesus, my mom, my dad, my big brot­her, real­ly wise peo­p­le.“

* Anony­mi­sie­rung von mir

Exkurs: Dass die Opfer eines Ver­bre­chens (eben­so wie die Täter) meist mit vol­lem Namen genannt und auf Fotos gezeigt wer­den, ist im angel­säch­si­schen Jour­na­lis­mus nor­mal. Anders als in Deutsch­land, wo „Bild“ und Kon­sor­ten häu­fig die unrühm­li­che Aus­nah­me dar­stel­len, sind die Prot­ago­nis­ten von Kri­mi­nal­fäl­len in Groß­bri­tan­ni­en und den USA oft auch in den soge­nann­ten Qua­li­täts­me­di­en voll­stän­dig iden­ti­fi­zier­bar. Ent­spre­chend war es lei­der wenig über­ra­schend, dass BBC und CNN im „Fall Amstet­ten“ zu den ers­ten Medi­en gehör­ten, die Täter und Opfer bei vol­lem Namen nann­ten, bevor deutsch­spra­chi­ge Medi­en nach­zo­gen (lesen Sie dazu auch die­sen sehr klu­gen Ein­wurf bei medienlese.com). Exkurs Ende.

Doch zurück zum Toten von Ber­ke­ley und sei­nem MySpace-Pro­fil: Immer­hin hat man beim „Chro­nic­le“ (vor­erst) dar­auf ver­zich­tet, auch Fotos von sei­ner Sei­te zu ver­öf­fent­li­chen. Es ist nicht unwahr­schein­lich, dass sie noch zum Ein­satz kom­men wer­den, denn nie war es ein­fa­cher, an per­sön­li­che Bil­der und Infor­ma­tio­nen von Betrof­fe­nen zu kom­men – „Wit­wen­schüt­teln“, ganz ohne anstren­gen­de Haus­be­su­che, bei denen man Gefahr lau­fen könn­te, im Ange­sicht der Hin­ter­blie­be­nen doch noch Gewis­sens­bis­se zu bekom­men.

Als im Janu­ar eine Bie­le­fel­der Schü­le­rin beim Ski­fah­ren töd­lich ver­un­glück­te, nutz­ten „Bild am Sonn­tag“ (s. BILD­blog) und RTL (s. Indis­kre­ti­on Ehren­sa­che) Pri­vat­fo­tos aus dem Schue­lerVZ-Pro­fil der Toten zur Illus­tra­ti­on ihrer Arti­kel und Bei­trä­ge. Bei Schue­lerVZ muss man sich – anders als bei MySpace – erst ein­mal anmel­den, um die Pro­fi­le der ande­ren Mit­glie­der ein­se­hen zu kön­nen.

Im März brach­te die „New York Times“ ein gro­ßes Por­trät über das Call­girl, das die poli­ti­sche Kar­rie­re des New Yor­ker Gou­ver­neurs Eli­ot Spit­zer been­det hat­te – wei­te Tei­le stamm­ten aus Tele­fon­in­ter­views, die die Redak­teu­re mit der jun­gen Frau geführt hat­ten, ande­re Details und Fotos waren direkt ihrer MySpace-Sei­te ent­nom­men. Patri­cia Drey­er, „Panorama“-Chefin von „Spie­gel Online“ und Ex-Unter­hal­tungs­chefin bei „Bild“, muss­te wenig mehr machen, als den „New York Times“-Artikel noch zu über­set­zen und mit indi­rek­ter Rede zu ver­se­hen, um bei „Spie­gel Online“ einen „eige­nen“ gro­ßen Arti­kel dar­aus zu machen. Wie­der inklu­si­ve aller MySpace-Fotos, die dort plötz­lich mit den Quel­len­hin­wei­sen „AP“ und „AFP“ ver­se­hen waren.

Ende März brach­te die „taz“ einen län­ge­ren Arti­kel dar­über, wie sich „Bild“ immer wie­der bei Stu­diVZ bedient und frag­te auch in der Pres­se­stel­le von Stu­diVZ nach, wie man dort eigent­lich zu dem The­ma ste­he. Die Ant­wort fiel wenig über­ra­schend schwam­mig aus:

Die jour­na­lis­ti­sche Ver­wer­tung von Bil­dern aus Stu­diVZ ist nicht in unse­rem Inter­es­se. Das steht auch ein­deu­tig in unse­ren AGB. Wird den­noch ein Foto von einem unse­rer Nut­zer zu die­sem Zweck unau­to­ri­siert ver­wen­det, so han­delt es sich hier­bei um eine Ver­let­zung der Urhe­ber­rech­te. Der Nut­zer kann gegen das ent­spre­chen­de Medi­um vor­ge­hen.

Doch noch ein­mal zurück zum „San Fran­cis­co Chro­nic­le“, der – das muss man viel­leicht noch mal erwäh­nen – durch­aus zu den ame­ri­ka­ni­schen Qua­li­täts­zei­tun­gen zählt und des­sen Redak­teu­re regel­mä­ßig mit Jour­na­lis­mus­prei­sen geehrt wer­den: In einem wei­te­ren Arti­kel auf der heu­ti­gen Titel­sei­te wer­den dort Aus­sa­gen vom Bru­der des Opfers mit Zita­ten aus dem MySpace-Blog des Toten gegen­über­ge­stellt. Die Aus­sa­ge, der Ver­stor­be­ne sei ein fried­li­cher und reli­giö­ser Mensch gewe­sen, wer­den mit hor­mon- und alko­hol­ge­schwän­ger­ten Par­ty­ge­schich­ten ver­schnit­ten, die für jeden „Chronicle“-Leser drei Maus­klicks weit ent­fernt sind.

Ich muss also mei­ne eige­ne Mei­nung zur infor­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mung, die ich hier schon ein­mal aus­ge­brei­tet habe, etwas ein­schrän­ken: Zwar glau­be ich nach wie vor, dass per­sön­li­che Blog­ein­trä­ge und Par­ty­fo­tos eines Tages für Per­so­nal­chefs wie­der völ­lig irrele­vant sein wer­den (ein­fach, weil es sie von jedem Bewer­ber und dem Per­so­nal­chef selbst geben wird), aber es besteht eben immer die Gefahr, unfrei­wil­lig zum Gegen­stand pseu­do-jour­na­lis­ti­scher Bericht­erstat­tung zu wer­den.

Ich wür­de nicht wol­len, dass, soll­te ich mor­gen unter einem LKW lie­gen, die Zei­tun­gen über­mor­gen mein Leben und Wesen so zusam­men­fass­ten: „Lukas moch­te, wie er auf sei­nem MySpace-Pro­fil schrieb, Acht­zi­ger-Jah­re-Komö­di­en und Musik von Oasis und Phil Coll­ins.“

Nach­trag, 6. Mai: BILD­blog gibt Tipps, wie man sich halb­wegs gegen die Ver­wen­dung von Fotos schüt­zen kann.

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Digital Gesellschaft

Angie, they can’t say we never tried

Kön­nen Sie sich die Ver­zweif­lung vor­stel­len, die in Men­schen vor­herr­schen muss, damit sie sich in ihrer Not aus­ge­rech­net an Ange­la Mer­kel wen­den? Dann ahnen Sie, was in Leu­ten wie Götz Als­mann, Hein­rich Bre­lo­er, Till Brön­ner, Det­lev Buck, Roger Cice­ro, Samy Delu­xe, Hel­mut Dietl, DJ Ötzi, Klaus Dol­din­ger, Bernd Eichin­ger, Die­ter Falk, Ame­lie Fried, Hans W. Gei­ßen­dör­fer, Her­bert Grö­ne­mey­er, Max Her­re, Höh­ner, Juli, Udo Jür­gens, Klaus&Klaus, Alex­an­der Klaws, René Kol­lo, Mickie Krau­se, Joa­chim Król, LaFee, Udo Lin­den­berg, Annett Loui­san, Peter Maf­fay, Mar­quess, Rein­hard Mey, MIA, Micha­el Mit­ter­mey­er, Mon­ro­se, Oomph!, Frank Ramond, Revol­ver­held, Bar­ba­ra Schö­ne­ber­ger, Atze Schrö­der, Til Schwei­ger, Scoo­ter, Ralph Sie­gel, Tokio Hotel, Peter Wackel und Sön­ke Wort­mann (um nur eini­ge zu nen­nen) vor­ge­hen muss: die haben näm­lich der deut­schen Bun­des­kanz­le­rin einen offe­nen Brief geschrie­ben, der ges­tern als ganz­sei­ti­ge Anzei­ge in der Süd­deut­schen Zei­tung (59.900 Euro), der FAZ (37.590 Euro) und der taz (8.064 Euro) erschie­nen ist.

In die­sem Stoß­ge­bet an St. Ange­la heißt es unter ande­rem:

Vor allem im Inter­net wer­den Musik, Fil­me oder Hör­bü­cher mil­lio­nen­fach unrecht­mä­ßig ange­bo­ten und her­un­ter­ge­la­den, ohne dass die Krea­ti­ven, die hin­ter die­sen Pro­duk­ten ste­hen, dafür eine fai­re Ent­loh­nung erhal­ten.

Klar, auch ich wür­de nicht wol­len, dass jemand mei­ne Tex­te aus dem Blog klaut und irgend­wo kos­ten­los anbie­tet … Moment, das Bild ist schief. Jeden­falls: Natür­lich kann man ver­ste­hen, dass der­je­ni­ge, der ein Lied schreibt, dafür genau­so ent­lohnt wer­den will, wie der­je­ni­ge, der einen Tisch baut. Dar­über soll­te auch all­ge­mei­ner Kon­sens herr­schen. Um das Pro­blem in den Griff zu krie­gen, braucht man aber offen­bar mehr als zwei­hun­dert Krea­ti­ve (oder zumin­dest ande­re Krea­ti­ve), denn kon­kre­te Ideen haben die Damen und Her­ren Kul­tur­schaf­fen­de nicht.

Dafür aber eine ordent­li­che Por­ti­on Ahnungs­lo­sig­keit und Arro­ganz:

Ohne Musik und Hör­bü­cher bräuch­ten wir kei­ne iPods, ohne Fil­me kei­ne Flach­bild­fern­se­her, ohne Breit­band­in­hal­te kei­ne schnel­len Inter­net­zu­gän­ge.

Gemeint ist wohl eher so etwas wie „Ohne Musik, die über die Musik­in­dus­trie ver­trie­ben und über die GEMA abge­wi­ckelt wird, sowie ohne Hör­bü­cher von Autoren, die bei der VG Wort ange­mel­det sind, …“ – und das ist natür­lich Quark, denn selbst wenn sich mor­gen alle Wer­ke aller Unter­zeich­ner und ande­rer Rock­be­am­ten (War­um steht eigent­lich Heinz Rudolf Kun­ze nicht auf der Lis­te?) in Luft auf­lö­sen soll­ten, gäbe es ja immer noch genug Musik, Fil­me und Tex­te unter Crea­ti­ve-Com­mons-Lizenz, die so eine Breit­band­lei­tung ver­stop­fen könn­ten.

Es geht aber noch düm­mer:

Auf euro­päi­scher Ebe­ne erken­nen immer mehr Län­der, dass die mas­sen­haf­te indi­vi­du­el­le Rechts­ver­fol­gung im Inter­net nur eine Zwi­schen­lö­sung sein kann und tech­no­lo­gi­scher Fort­schritt und der Schutz geis­ti­gen Eigen­tums nicht im Wider­spruch zuein­an­der ste­hen dür­fen. Frank­reich und Eng­land gehen hier mit bei­spiel­haf­ten Initia­ti­ven vor­an. Dort sind Inter­net­pro­vi­der sowie die Musik- und Film­in­dus­trie auf­ge­for­dert, unter staat­li­cher Auf­sicht gemein­sam mit Ver­brau­cher- und Daten­schüt­zern Ver­fah­ren zum fai­ren Aus­gleich der Inter­es­sen aller Betei­lig­ten zu ent­wi­ckeln.

Die ver­meint­lich leuch­ten­den Bei­spie­le Frank­reich und Eng­land ste­hen für Plä­ne, nach denen Inter­net­pro­vi­der ihren Kun­den den Zugang abklem­men sol­len, wenn die­se drei Mal urhe­ber­recht­lich geschütz­tes Mate­ri­al ille­gal her­un­ter­ge­la­den haben. Mal davon ab, dass ich die tech­ni­sche Durch­führ­bar­keit die­ses Unter­fan­gens bezweif­le, ent­stam­men sol­che Plä­ne doch den sel­ben hilf­lo­sen Hir­nen, die schon kopier­ge­schütz­te CDs, das Digi­tal Rights Manage­ment und ähn­li­che … äh, ja, doch: Flops her­vor­ge­bracht haben.

Tim Ren­ner, dem ich bekannt­lich die Ret­tung der Musik­in­dus­trie im Allein­gang zutraue, schrieb schon letz­te Woche zu dem The­ma:

Ver­steht mich nicht falsch, ich fin­de über­aus legi­tim, dass Künst­ler und Indus­trie ver­lan­gen, in irgend­ei­ner wei­se vom Staat geschützt zu wer­den. Ich glau­be jedoch nicht, dass dabei pri­mär die Bestra­fung, son­dern die Beloh­nung im Vor­der­grund ste­hen soll­te. Der Staat soll­te hell­hö­rig wer­den, wenn die Indus­trie durch Flat­rates für Musik ver­sucht, ille­ga­le Pra­xis zu lega­li­sie­ren.

Wäh­rend also eini­ge ech­te Krea­ti­ve gera­de Kon­zep­te für ein kul­tu­rel­les „All you can eat“-Büffet ent­wi­ckeln, stel­len „rund 200 teil­wei­se pro­mi­nen­te Künst­ler“ (sen­sa­tio­nel­le For­mu­lie­rung von heise.de) an höchs­ter Stel­le einen Antrag auf Haus­ver­bot wegen Laden­dieb­stahls.

Noch mal: Die sol­len sowas ruhig for­dern. Die sol­len ruhig besorgt sein, wie der kul­tu­rel­le Nach­wuchs in die­sem Land an sein Geld für But­ter, Brot und Fleisch­wurst kommt (wobei das ein Pro­blem des gesam­ten Nach­wuch­ses wer­den könn­te). Aber: Gin­ge es nicht ’ne Num­mer klei­ner? Wie wäre es mit eige­nen Ideen? Und vor allem: Mit weni­ger Arro­ganz?

Lang­fris­tig wird so die kul­tu­rel­le und krea­ti­ve Viel­falt in unse­rem Land abneh­men und wir ver­spie­len eine unse­rer wich­tigs­ten Zukunfts­res­sour­cen.

Da kann man ja regel­recht froh sein, dass es zu Zei­ten von Goe­the und Beet­ho­ven noch kein böses, böses Inter­net gab. Das gab es erst bei DJ Ötzi, Mickie Krau­se, Atze Schrö­der und Peter Wackel.

Mehr zum The­ma bei Nerd­core, gulli.com, Netz­wer­tig, Myoon oder Ciga­ret­tes and Cof­fee.

Nach­trag 20:25 Uhr: Frau Mer­kel hat auf den pein­li­chen Bet­tel­brief reagiert.

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Radio Rundfunk Gesellschaft

Der Unratskübel auf dem anti-anglistischen Schutzwall

Das Schö­ne an getrof­fe­nen Hun­den ist ja, dass sie durch ihr Bel­len häu­fig schla­fen­de Hun­de wecken. Äh …

Die Wochen­zei­tung „Neue Soli­da­ri­tät“, Zen­tral­or­gan des „Schil­ler-Insti­tuts“ und der „Bür­ger­rechts­be­we­gung Soli­da­ri­tät“ (mit der wir uns schon das ein oder ande­re Mal beschäf­tigt haben), ließ sich in ihrer Aus­ga­be vom 30. Janu­ar in einem „Zwi­schen­ruf“ über den WDR und zwei sei­ner Mit­ar­bei­te­rin­nen aus:

Dort [in Köln, Anm. d. Blog­gers] befin­det sich näm­lich der WDR (West­deut­scher Rund­funk), der sich am 24. Janu­ar in sei­nem Radio­pro­gramm WDR5 bemü­ßigt fühl­te, zwan­zig Minu­ten lang einen Unrats­kü­bel über die BüSo, das Schil­ler-Insti­tut und vor allem natür­lich Lyn­don LaRou­che aus­zu­schüt­ten.

Ein Unrats­kü­bel, den man zwan­zig Minu­ten über zwei Orga­ni­sa­tio­nen und einen alten Mann aus­schüt­ten kann, muss natür­lich gewal­tig groß sein. Und was war drin?

Der betref­fen­de Bei­trag, der am 24. Janu­ar in der WDR-5-Sen­dung „Neu­gier genügt“ lief und den man hier nach­hö­ren kann, beschäf­tig­te sich mit dem bis heu­te unge­lös­ten Todes­fall Jere­mi­ah Dug­gan. Der 22-jäh­ri­ge Eng­län­der war in der Nacht zum 27. März 2003 in Wies­ba­den ums Leben gekom­men, nach­dem er kurz zuvor zwei tele­fo­ni­sche Hil­fe­ru­fe an sei­ne Mut­ter in Lon­don abge­setzt hat­te.

Jere­mi­ah hat­te in der Nähe von Wies­ba­den eine Tagung des „Schil­ler-Insti­tuts“ besucht und soll sich dann mit­ten in der Nacht auf einer Schnell­stra­ße vor ein Auto gewor­fen haben. Die deut­schen Behör­den haben den Fall trotz eini­ger Unge­reimt­hei­ten schnell als Selbst­mord abge­hakt und lie­ßen sich weder durch einen Auf­ruf des renom­mier­ten Simon-Wie­sen­thal-Zen­trums (Jere­mi­ah war Jude) noch durch einen Appell von 96 bri­ti­schen Abge­ord­ne­ten zu einer Wie­der­auf­nah­me bewe­gen. Genaue­res zum Fall Jere­mi­ah Dug­gan ent­neh­men Sie bit­te der „taz“, der „Ber­li­ner Zei­tung“, „Tele­po­lis“ oder dem „Dai­ly Tele­graph“, die­sem Bei­trag des Hes­si­schen Rund­funks (von dem ich lei­der nicht weiß, wann und in wel­cher Sen­dung er gelau­fen ist) und der Web­site „Jus­ti­ce For Jere­mi­ah“.

Und damit zurück zum WDR-Bas­hing der „Neu­en Soli­da­ri­tät“:

Allen Erklä­run­gen und Ent­schei­dun­gen der deut­schen Staats­an­walt­schaft, des Frank­fur­ter Ober­lan­des­ge­richts und den mitt­ler­wei­le frei­ge­ge­be­nen Akten der Lon­do­ner Metro­po­li­tan Poli­ce zuwi­der brach­te die Sen­dung, in rei­ße­ri­scher Manier und gegen bes­se­res Wis­sen, die BüSo und das Schil­ler-Insti­tut wie­der in Zusam­men­hang mit die­sem Selbst­mord.

Wer den Bei­trag gehört hat, wird wenig fin­den, was als „rei­ße­risch“ durch­ge­hen könn­te. Auch scheint mir das Haupt­in­ter­es­se der WDR-Autorin auf dem Ver­hal­ten der deut­schen Behör­den zu lie­gen:

Der zustän­di­ge Beam­te der Wies­ba­de­ner Poli­zei erklärt den Dug­gans,
man behand­le den Fall als Selbst­mord. Ein Fremd­ver­schul­den sei aus­zu­schlie­ßen. Eine Ver­si­on, die Hart­mut Fer­se, Pres­se­spre­cher der Wies­ba­de­ner Staats­an­walt­schaft auch mir gegen­über tele­fo­nisch bestä­tigt. Eine von der am Unfall­ort anwe­sen­den Not­ärz­tin emp­foh­le­ne Obduk­ti­on unter­blieb, wie aus den Unter­la­gen her­vor­geht.

Der deut­sche Poli­zei­be­am­te wuss­te offen­bar, dass Jere­mi­ah im Alter von sie­ben Jah­ren nach der Tren­nung sei­ner Eltern bei einer Fami­li­en­be­ra­tung in der Lon­do­ner
Tavi­stock-Kli­nik war, und schloss dar­aus, dass er auch mit 22 noch „Psych­ia­trie-
Pati­ent“ sei.

Im Bei­trag heißt es wei­ter:

O‑Ton Eri­ca Dug­gan: „And then the poli­ce offi­cer said: Lyn­don LaRou­che… And then we asked more ques­ti­ons and he said: No com­ment.“
Autorin: Lyn­don LaRou­che?
Spre­cher: Lyn­don LaRou­che, ame­ri­ka­ni­scher Polit-Akti­vist, der poli­ti­sche und kul­tu­rel­le Orga­ni­sa­tio­nen in den USA und in Euro­pa, auch in Deutsch­land, auf­ge­baut
hat? Lyn­don LaRou­che, heu­te 85 Jah­re alt, in der Ver­gan­gen­heit mehr­mals selbst­er­nann­ter Kan­di­dat für das Amt des Prä­si­den­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten? Lyn­don LaRou­che, der von ame­ri­ka­ni­schen und deut­schen Jour­na­lis­ten und Sek­ten­ex­per­ten als „Extre­mist“ und „gefähr­li­cher Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker“ bezeich­net wird?
Autorin: Die Eltern Dug­gan for­schen nach und kom­men zu dem Schluß, dass ihr Sohn in die Fän­ge einer Orga­ni­sa­ti­on gera­ten sein muss­te, die etwa der „Spie­gel“ als eine der umstrit­tens­ten „Welt­ver­schwö­rungs­sek­ten“ bezeich­net: in die von Lyn­don LaRou­che. Klar wird ihnen, dass der Schlüs­sel zu all den Ereig­nis­sen dem Anschein nach bei den Orga­ni­sa­to­ren des von Jer­ry besuch­ten Semi­nars lie­gen muss­te.

Angeb­lich habe sogar ein Poli­zei­be­am­ter gesagt:

Wir wol­len kei­ne Ermitt­lun­gen gegen die LaRou­che-Orga­ni­sa­ti­on ein­lei­ten …

Inter­es­san­ter­wei­se wirft „BüSo“ der Autorin des WDR-Bei­trags eine Men­ge, nicht aber Ein­sei­tig­keit vor. Das wäre ja auch etwas lächer­lich, sagt sie doch selbst:

Alle Ver­su­che mei­ner­seits, Stel­lung­nah­men von LaRou­che-Orga­ni­sa­tio­nen zu bekom­men, ver­lau­fen im San­de. Ange­ge­be­ne Tele­fon­num­mern exis­tie­ren nicht oder nicht mehr. Bei einem kur­zen tele­fo­ni­schen Kon­takt mit der Pres­se­agen­tur der Orga­ni­sa­ti­on in Wies­ba­den, wird mir erklärt, mit dem Fall Dug­gan habe man „nichts zu tun.“

Wer sich den­noch für den Stand­punkt von „BüSo“, „Schil­ler-Insti­tut“ und/​oder LaRou­che inter­es­siert, bekommt auf deren Web­site ein paar Infor­ma­tio­nen und einen Auf­satz von Lyn­don LaRou­che aus dem Novem­ber 2006, in dem die­ser inter­es­san­te Schlüs­se zieht:

Lon­do­ner Quel­len, die eng mit US-Vize­prä­si­dent Dick Che­ney und des­sen Ehe­frau Lyn­ne Che­ney ver­bun­den sind, haben erneut eine Pres­se­kam­pa­gne in Gang gesetzt, um eine wie­der­holt dis­kre­di­tier­te Lügen­ge­schich­te hin­sicht­lich der Ursa­chen und Umstän­de des Selbst­mords eines emo­tio­nal gestör­ten jun­gen Bri­ten, Jere­my Dug­gan, wie­der auf­zu­wär­men, der sich, wie der offi­zi­el­le foren­si­sche Bericht zwei­fels­frei ergab, an einer Schnell­stra­ße bei Wies­ba­den mehr­fach gegen vor­bei­fah­ren­de Fahr­zeu­ge gewor­fen hat.

Der Grund für die ursprüng­li­che und nun wie­der­hol­te Ver­brei­tung die­ses Pres­se­schwin­dels war und ist der per­sön­li­che Haß Che­neys und sei­ner Ehe­frau gegen eine Per­son – mich – , die sie wei­ter­hin als beun­ru­hi­gen­den poli­ti­schen Geg­ner betrach­ten, der mit einer füh­ren­den, hoch­ran­gi­gen Frak­ti­on in der Demo­kra­ti­schen Par­tei der USA ver­bun­den ist.

Die Vor­stel­lung, der US-Vize­prä­si­dent habe weni­ge Tage nach der ver­lo­re­nen mid­term elec­tion nichts bes­se­res zu tun, als einem als Witz­fi­gur gel­ten­den Greis schlech­te Schlag­zei­len anzu­hän­gen, ist irgend­wie rüh­rend. In Wahr­heit dürf­te die Geschich­te im Herbst 2006 noch ein­mal durch die Pres­se gegan­gen sein, weil Eri­ca Dug­gan zu die­ser Zeit vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt Beschwer­de ein­ge­reicht, um eine Wie­der­auf­nah­me der Unter­su­chun­gen zu erzwin­gen. Die Ent­schei­dung dazu steht bis heu­te aus.

Doch zurück zur „Neu­en Soli­da­ri­tät“:

War­um, so möch­te man erfah­ren, da es doch kei­ner­lei neue Erkennt­nis­se gibt? Die Ant­wort ist sim­pel, aber fun­da­men­tal, und sie liegt in der Geschich­te des WDR. Die­ser erhielt bekann­ter­ma­ßen sei­ne Lizenz durch die bri­ti­sche Besat­zungs­macht, wor­an er sich immer, wenn es dar­auf ankommt, treu­lich erin­nert hat.

Mit dem WDR hat sich die LaRou­che-Bewe­gung noch nie gut ver­stan­den, wie man z.B. in „Deck­na­me Schil­ler“, einem Buch von Hel­mut Lor­scheid und Leo A. Mül­ler aus dem Jahr 1986 nach­le­sen kann. Damals warf man dem Sen­der zwar noch „Goeb­bels-Metho­den“ vor, aber die Zei­ten ändern sich und so kann sich der West­deut­sche Rund­funk natür­lich auch in einen heim­li­chen Feind­funk ver­wan­delt haben. Dazu muss man wis­sen, dass Lyn­don LaRou­che und sei­ne Anhän­ger bei jeder sich bie­ten­den (also viel mehr: bei jeder) Gele­gen­heit eine bri­ti­sche Ver­schwö­rung ver­mu­ten: Der Bom­ben­an­schlag in Okla­ho­ma City 1995, die ver­such­te Amts­ent­he­bung von Bill Clin­ton, selbst Kom­men­ta­re in kana­di­schen Bou­le­vard­zei­tun­gen sol­len auf das Kon­to „der Bri­ten“ gehen – kein Wun­der, dass LaRou­che „die ame­ri­ka­ni­sche Repu­blik vor der Zer­stö­rung durch ihren Erz­feind, das bri­ti­sche Empire“ bewah­ren will.

Statt also Pro­pa­gan­da für die bösen, bösen Bri­ten zu betrei­ben, so der wei­te­re Tenor in der „Neu­en Soli­da­ri­tät“, hät­te der WDR mal lie­ber über die wirk­lich wich­ti­gen The­men spre­chen sol­len. Natür­lich mit jeman­dem, der sich damit aus­kennt:

Man fra­ge sich doch ein­mal ganz unvor­ein­ge­nom­men: Wäre es im gegen­wär­ti­gen finan­zi­el­len Zusam­men­bruchs­pro­zeß, der spä­tes­tens seit Mon­tag, dem 21. Janu­ar, jedem deut­lich gewor­den ist, nicht „nor­ma­ler“ gewe­sen, wenn der WDR Hel­ga Zepp-LaRou­che ange­ru­fen und sie zu ihren Lösungs­vor­schlä­gen für die Kri­se („Neu­es Bret­ton Woods“, Schutz­wall für das Gemein­wohl) und zu den Initia­ti­ven ihres Man­nes in Ame­ri­ka befragt und dar­über eine Sen­dung gemacht hät­te? Das sind die The­men, die gegen­wär­tig die Men­schen bren­nend inter­es­sie­ren, vor allem, weil die poli­ti­sche Füh­rung offen­bar bis­her kom­plett ver­sagt! Als öffent­lich-recht­li­cher Rund­funk wäre das die Auf­ga­be des WDR, statt die Gel­der der Bür­ger dazu zu ver­geu­den, die ein­zi­ge gegen­wär­tig in Deutsch­land sicht­ba­re Per­sön­lich­keit, die kom­pe­ten­te Initia­ti­ven zum Schutz des Gemein­wohls prä­sen­tiert, anzu­grei­fen. Es sei denn, man fühlt sich ande­rem ver­pflich­tet… und da liegt wohl „der Hase im Pfef­fer“, wie man so schön sagt.

Ein­mal in Rage geschrie­ben macht die stell­ver­tre­ten­de Bun­des­vor­sit­zen­de der „BüSo“, die die­sen „Zwi­schen­ruf“ ver­fasst hat, noch einen etwas wir­ren Schlen­ker zu dem Ver­lag, in dem die Autorin die­ser „Sen­dung“ (da steht wirk­lich Sen­dung in Anfüh­rungs­stri­chen) ihre Bücher ver­öf­fent­licht, und greift dann zum Schlimms­ten: Namens­wit­zen.

Die ver­ant­wort­li­che Redak­teu­rin heißt übri­gens Frau Dreck­mann – kein Kar­ne­vals­scherz.

Eben­falls kein Scherz: Die aus­gie­big zitier­te „Neue Soli­da­ri­tät“ wird bei „Goog­le News“ als Nach­rich­ten­quel­le geführt. Zwei Anfra­gen mei­ner­seits (eine im Janu­ar, eine letz­te Woche), ob man bei Goog­le eigent­lich wis­se, um was für eine Publi­ka­ti­on es sich bei der „Neu­en Soli­da­ri­tät“ han­de­le, sind bis heu­te unbe­ant­wor­tet geblie­ben.