Kategorien
Musik

Gesammelte Platten Januar 2010

Die­ser Ein­trag ist Teil 1 von bis­her 8 in der Serie Gesam­mel­te Plat­ten

Nach gut drei Jah­ren Cof­fee And TV dach­ten wir, es sei mal an der Zeit, irgend­was anders zu machen. Nach­dem die Kate­go­rie „Lis­ten­pa­nik“ (deren Titel sich übri­gens exakt nie­mand mehr erklä­ren kann) im ver­gan­ge­nen Jahr von ihrer Rang­lis­ten­haf­tig­keit befreit wor­den war, haben wir sie jetzt end­gül­tig in die Ton­ne getre­ten. Und durch etwas – wie wir fin­den – viel Bes­se­res ersetzt:

Ab jetzt wird nicht mehr Herr Hein­ser allei­ne erzäh­len, wel­che neu­en Plat­ten sei­nen „schon arg main­strea­mi­gen Geschmack“ (O‑Ton gute Freun­din) getrof­fen haben – Nein: Das gan­ze Team darf ran.

Es wird wei­ter­hin grob nach Ver­öf­fent­li­chungs­ter­mi­nen gestaf­felt (wes­we­gen wir über­ra­schen­der­wei­se mit den emp­feh­lens­wer­ten Ver­öf­fent­li­chun­gen des Monats Janu­ar begin­nen) und dann ein­fach alpha­be­tisch sor­tiert.

Beach House – Teen Dream
Beach House sind angeb­lich Dream Pop, was auch immer das sein mag. Ihre letz­te Plat­te „Devo­ti­on“ kann­te ich nur, weil ich mich nach ihrem Erschei­nen ein paar­mal dazu gezwun­gen hat­te, sie neben­her lau­fen zu las­sen, wenn ich gera­de den Abwasch mach­te oder staub­saug­te. Irgend­wann muss sie dann aber doch hän­gen­ge­blie­ben sein, denn als ich davon hör­te, dass es einen Nach­fol­ger geben wür­de, stie­gen unge­kann­te Affekt­a­tio­nen für die­se Band in mir her­auf, und seit­her freue ich mich über die­se Plat­te wie ein klei­nes Kind, das sich wahr­schein­lich über etwas ande­res freut als eine Plat­te. Ver­träumt ist sie ja nun auch schon, aber das als kon­sti­tu­ie­ren­des Merk­mal zu bezeich­nen, wür­de ich viel­leicht unter­las­sen ange­sichts der durch­aus auch tonal inno­va­ti­ven Songs, die sich nur auf den ers­ten Blick wie Scha­blo­nen­pop zei­gen. (MS)

Eels – End Times
Das letz­te Eels-Album „Hombre Lobo“ ist gera­de ein hal­bes Jahr alt, da kommt auch schon der Nach­fol­ger. Die rich­tig rum­peln­den Songs sind dies­mal nicht dabei, E hat min­des­tens einen Gang zurück­ge­schal­tet, so unge­fähr „Dai­sies Of The Gala­xy“ mit weni­ger Zucker­guss. „End Times“ erin­nert mal wie­der an eine The­ra­pie­sit­zung, Dra­ma­tik und Humor prü­geln sich um die Vor­herr­schaft und am Ende sagt die ers­te Stro­phe von „A Line In The Dirt“ wahr­schein­lich alles: „She locked hers­elf in the bath­room again /​ So I am pis­sing in the yard /​ I have to laugh when I think how far it’s gone /​ But things are­n’t fun­ny any more“. Man möch­te Mark Oli­ver Ever­ett am liebs­ten in den Arm neh­men – um ihn zu trös­ten und sich zu bedan­ken. (LH)

Tom­my Fin­ke – Poet der Affen/​Poet Of The Apes
Natür­lich kann man es etwas über­am­bi­tio­niert fin­den, ein Dop­pel­al­bum zu ver­öf­fent­li­chen, bei dem jeder Song ein­mal auf Deutsch und ein­mal auf Eng­lisch ent­hal­ten sind. Und tat­säch­lich wäre „Poet der Affen“ ohne eng­li­sche Zuga­be schon eine run­de Sache gewe­sen – aber man muss ja nicht bei­de Sei­ten hören. Aber zwei CDs zum Preis von einer sind ers­tens was net­tes (Nicht wahr, Axl Rose und Con­nor Oberst?) und zwei­tens ent­wi­ckeln Songs wie das famo­se „Bor­der­line Bet­ty“, die wun­der­ba­re Sin­gle „Halt‘ alle Uhren an“ (die irri­tie­ren­der­wei­se jetzt in bei­den Ver­sio­nen „Stop The Clocks“ heißt) oder das schwer trau­ri­ge „Die Tie­re suchen Fut­ter“ noch ein­mal eine ganz ande­re Bedeu­tung, wenn man auch ihre eng­lisch­spra­chi­gen Geschwis­ter hin­zu­zieht. „Poet der Affen“ hat das an Gefühl, was dem letz­ten kett­car-Album fehl­te. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

First Aid Kit – The Big Black And The Blue
Es war mit Sicher­heit eines der außer­ge­wöhn­lichs­ten Kon­zer­te des Jah­res, als die­se zwei jun­gen schwe­di­schen Schwes­tern da letz­tes Jahr am hel­lich­ten Tag in einem Zelt auf einem zen­tra­len Oslo­er Platz spiel­ten und die Kie­fer der Zuschau­er rei­hen­wei­se run­ter­klapp­ten: First Aid Kit hat­ten das by:larm im Sturm erobert. Jetzt ist ihr Debüt­al­bum erschie­nen, das ohne Fleet-Foxes-Cover­ver­sio­nen aus­kom­men muss, aber trotz­dem wun­der­voll gewor­den ist. Kla­ra und Johan­na Söder­berg sin­gen immer noch über The­men, von denen sie alters­be­dingt eigent­lich gar kei­ne Ahnung haben dürf­ten, und sie tun das nach wie vor ger­ne zwei­stim­mig und Gän­se­haut ver­ur­sa­chend. Den spar­sa­men Folk-Arran­ge­ments ame­ri­ka­ni­scher Prä­gung merkt man nicht an, dass sie in Euro­pas Pop-Nati­on Num­mer 2 ent­stan­den sind – das klingt schon sehr nach wei­ter Prä­rie und schnee­be­deck­ten Ber­gen. Aber letz­te­re hat man ja im Moment sowie­so über­all. (LH)

Owen Pal­lett – Heart­land
War­um Owen Pal­lett nun auch offi­zi­ell Owen Pal­lett heißt und nicht mehr Final Fan­ta­sy, könn­te vie­ler­lei Grün­de haben. Gehen wir davon aus, dass man als erwach­se­ner Mann nicht mit einer eher mit­tel­mä­ßi­gen Video­spiel­rei­he ver­wech­selt wer­den will, dar­auf immer­hin kön­nen wir uns sicher eini­gen, alles ande­re wäre auch Spe­ku­la­ti­on und außer­dem der kla­ren Sicht auf das Hör­ergeb­nis völ­lig im Weg. Das ist näm­lich ziem­lich schön, mei­nes Erach­tens im Gegen­satz zu älte­ren Final-Fan­ta­sy-Pro­duk­ten, bei denen ich mich meis­tens nach der Hälf­te nur noch beim unwill­kür­li­chen Durch­skip­pen erwisch­te. Hier aller­dings wur­de gut gespielt, gut arran­giert und mit Span­nung gear­bei­tet. Das Durch­hö­ren eines Albums, ohne weg­schal­ten zu müs­sen, ist zwar im Nor­mal­fall kein hoch­gra­dig qua­li­ta­ti­ves Merk­mal, aber weil mir das bei dem jun­gen Mann hier zum ers­ten Mal pas­siert, las­sen Sie mir doch bit­te die Freu­de das abzu­fei­ern und Herrn Pal­lett schul­ter­klop­fend gra­tu­lie­ren zu wol­len. (MS)

Sur­fer Blood – Astro Coast
Her­vor­ra­gen­des Album, dem man es (natür­lich auf Auto­sug­ges­ti­on begrün­det) durch­aus anhö­ren kann, dass es nicht in einem Stu­dio, son­dern kom­plett in einem Stock­bett­schlaf­zim­mer auf­ge­nom­men wor­den ist. Dass ver­stärk­te Gitar­ren und ein ech­tes Schlag­zeug invol­viert waren, min­dert den meter­ho­hen Stoß Ruhe­stö­rungs­be­schwer­den der Nach­barn an den zustän­di­gen Uni­ver­si­täts­de­kan sicher­lich nicht. Ver­hal­ten­heit und schlech­tes Gewis­sen hört man hier aber trotz­dem äußerst sel­ten. (MS)

Toco­tro­nic – Schall & Wahn
Um Toco­tro­nic zu ver­ste­hen sind mut­maß­lich bedeu­tend mehr Semes­ter Ger­ma­nis­tik von­nö­ten, als ich jemals aus­ge­hal­ten hät­te. So kann ich sie also nur hören, was aber auch wie üblich ein Erleb­nis ist: So laut und gitar­ren­be­tont klang schon lan­ge kein Toco­tro­nic-Album mehr. So düs­ter aller­dings auch nicht – bei den ers­ten vier Songs deu­ten schon die Titel an, wohin die Rei­se geht: „Eure Lie­be tötet mich“, „Ein lei­ser Hauch von Ter­ror“, „Die Fol­ter endet nie“, „Das Blut an mei­nen Hän­den“. Aber spä­tes­tens wenn Graf Mac­beth zur Halb­zeit mit „Bit­te oszil­lie­ren Sie“ den größ­ten Toco-Unter­hal­tungs­schla­ger seit unge­fähr „Die Welt kann mich nicht mehr ver­ste­hen“ anstimmt und Jour­na­lis­ten den Text im Inter­view sehr ernst­haft zu ent­schlüs­seln ver­su­chen, klopft die Fra­ge an, wie viel die Band eigent­lich noch ernst meint und wie viel Spaß am Vor­füh­ren von Feuil­le­to­nis­ten dabei ist. Die Ant­wort könn­te aller­dings auch total egal sein, denn man kann Toco­tro­nic ja auch ganz wun­der­bar hören ohne sie ver­ste­hen zu wol­len. (LH)

Mit­ar­beit an die­ser Aus­ga­be:
LH: Lukas Hein­ser
MS: Mar­kus Steidl