Kaum weist der Kalender zwei fußballfreie Tage auf, haben RTL und ProSieben ihren ganzen Mut in die Waagschale geworfen ((Es handelt sich um eine sehr fein justierte Waage aus dem Betäubungsmittelzubehörfachgeschäft.)) und etliche Serien- und Staffelstarts auf diese zwei Abende gelegt.
“24” habe ich nie gesehen und wenn ich den Menschen, denen ich in solchen Belangen blind vertraue, vertrauen darf, sollte ich besser die erste Staffel sehen. “Moonlight” interessiert mich nicht die Bohne und “Dr. Psycho” habe ich zu Beginn ziemlich genau anderthalb Folgen ertragen, dann war für mich Schluss. Die Serie wurde hoch gelobt, mit Grimmepreisen ausgezeichnet und trotzdem fortgesetzt, aber sie ist nichts für mich – aus den gleichen Gründen, warum ich mir “Stromberg” und “Dittsche” nicht ansehen kann: dieses ganz offensichtliche Scheitern, das sich aus zweihundert Metern Entfernung mit Leuchtfeuern ankündigt, macht mich wahnsinnig. Ich habe es als Kind im Kindertheater gehasst ((Falls Sie sich fragen, ob ein Kind überhaupt hassen kann, hatten Sie offenbar das Glück, dass ich fern von Ihnen aufgewachsen bin.)), wenn ein Stück nur allzu deutlich auf eine Katastrophe zusteuerte und das alle außer den Akteuren bemerkten, und ich hasse es noch heute.
Demnach müsste ich auch “Doctor’s Diary” hassen, die neue Serie, mit der RTL gerade den letzten Versuch unternimmt, eine deutsche Serie im Abendprogramm zu platzieren. Und in der Tat gab es in den ersten beiden Folgen, die am Montag liefen, einige Szenen, in denen dieser Wegschau-Reflex aus dem Kindertheater wieder aufkam: “Gleich wird dieses und jenes passieren, das sieht jeder, der nicht gerade als Schiedsrichter bei der Fußball-EM arbeitet, Ihr braucht es nicht auch noch zu zeigen.” Manchmal passierte es dann, manchmal aber auch nicht. Und es passierte noch so viel mehr, dass das Vorhersehbare sehr schnell egal war angesichts der witzigen Einfälle. Es war, als hätte jemand “Scrubs” und “Mein Leben und ich” bei hoher Temperatur zu amalgamieren versucht – und der Versuch war gelungen. Ganz nebenbei schaffte es die Serie mit Verweisen auf die “Schwarzwaldklinik” und “Dr. Stefan Frank”, meiner festen Überzeugung, es gäbe in Deutschland keine Popkultur, leichte Kratzer beizubringen.
Gescheitert wird auch bei ProSieben am Dienstag, zum Beispiel in “Gülcan und Collien ziehen aufs Land”, der möglicherweise dämlichst betitelten Serie seit … “Doctor’s Diary”. Andererseits erklärt der Titel, worum es geht, so dass man nicht einschalten muss. Ich habe auch nur ein paar Minuten gesehen, die mir wiederum gereicht haben: zwei Viva-Starlets, die beide unheimlich nerven, tun so, als wären sie Paris Hilton und Nicole Richie, was sie aber nicht sind, weswegen jede (von mir gesehene) Szene der Serie künstlich und auf Konflikt gebürstet wirkte. Doku-Soaps sind eh ein Genre, das mich – so es sich nicht um “Toto und Harry”, “Das perfekte Promi-Dinner” oder irgendwas mit kleinen Eichhörnchen und Katzen handelt – nur äußerst peripher tangiert. Mir fehlt einfach das, was Hans Hoff die “Lust am Unfall” nennt. ((Es wäre für mich kein Problem, mich 24 Stunden am Tag mit dem Schlager-Grand-Prix zu beschäftigen, bei dem alles immer eine Nummer größer und oft genug zum Scheitern verdammt ist. Der Grand Prix ist camp, ist eine eigene Welt, in der allen Beteiligten klar ist, dass es sich um ein Paralleluniversum handelt. Aber “Schwiegertochter gesucht”, “Bauer sucht Frau” oder das Bügelbegleitprogramm am Vormittag erzeugen in mir eine Mischung aus Mitleid, Fremdschämen und Fluchtinstinkt, die ich außerhalb von Familienfeiern nicht erleben muss.))
Unfälle gab es hingegen bei “Elton vs. Simon – Die Show”, die ich auch ungefähr zehn Minuten ausgehalten habe. Das Amalgam besteht hier aus “Schlag den Raab” und “Jackass” und bringt mit Elton und Simon Gosejohann gleich zwei gute Abschaltargumente mit. Dass die Sendung auch noch von Johanna Klum “moderiert” wird, die laut einhelliger, von mir geteilter Medienjournalistenmeinung zwar “süüüüüß” ist, aber laut ebenso einhelliger, von mir nicht minder geteilter Medienjournalistenmeinung fast so schlecht moderiert wie Marco Schreyl, macht die Sache nicht besser. Ich mochte die pubertären “Wer kann länger/schneller/lauter $eklige_Sache machen”-Spiele nicht, als die Sendung noch keine “Show” war und ich mag sie auch nicht vor Publikum.
An den zwei Tagen fiel für mich außer “Doctor’s Diary” und der neuen Staffel von “Kalkofes Mattscheibe” also nicht all zuviel ab, aber allein der Umstand, dass mir mal wieder eine deutsche Fiction gefallen hat, ist einen kleinen Freudentanz und einen ausufernden Blog-Eintrag wert. Ich bin daher sehr gespannt, wie RTL trotz guter Quoten ein Argument für eine Absetzung finden will. Vielleicht diesmal ganz aufrichtig: “Uns ist zu Ohren gekommen, dass Herr Lukas Heinser diese Serie gut findet. Wir werden sie deshalb mit sofortiger Wirkung aus dem Programm verbannen.”