Entschuldigung, ich muss was gestehen: Ich hab’s schon wieder getan. Ich wollte ja eigentlich nicht, aber jetzt hab ich wieder auf so einen Sex-Artikel geklickt, diesmal bei Bild.de, und schon nach dem ersten Absatz fühlte ich mich einigermaßen … äh: überfahren:
Sex ist ein wunderbarer Weg, um zu sich selbst zu finden. Doch bis wir die „Auffahrt“ und den passenden Partner zu diesem Abenteuer gefunden haben, stellen wir uns vor lauter Unsicherheiten immer wieder selbst ein Bein. Wir verlieren uns in Ausreden, lassen uns von den Vorlieben anderer beirren, werden zu „Geisterfahrern“ in unserer Sex-Sackgasse. Im schlimmsten Fall resignieren wir und beobachten das Geschehen vom „Standstreifen“…
Wie man sich selbst ein Bein stellen kann, wenn der eine Fuß auf der Kupplung und der andere auf dem Gaspedal ruht, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht bei Automatikwagen. Klar ist hingegen: Wenn einem in einer Sackgasse Geisterfahrer entgegenkommen, muss es sich wohl um eine Einbahnstraße handeln. Und aus einer Sackgasse, die gleichzeitig eine Einbahnstraße ist, kommt man natürlich nie wieder raus.
Haben Sie jetzt gerade beim Wort “Sackgasse” gekichert? Na, dann gab es doch bei “Standstreifen” vermutlich kein Halten mehr, oder? In jedem Fall: Super, aber viel zu früh. Zum Lachorgasmus kommen (hihihi) wir erst später.
Bild.de-Autorin Meike Meyruhn hat die “US-Sexlehrerin” Barbara Carrellas aufgetan (nicht zu verwechseln mit den 106 “Sex-Lehrerinnen” aus der “Galerie der Schande”), die all denen die Welt erklärt, die dachten, bei Tantra handele es sich wahlweise um ein Gebirge, eine Straßenbahn oder einen Schäferhund. Falsch:
Tantra ist eine Lebensphilosophie. Wer Tantra-Sex praktiziert, liebt bewusst, strebt eine Art kosmische Vereinigung im Hier und Jetzt an. Und einen Partner brauchen Sie dazu nicht!
Nun ist das mit der Vereinigung ohne Partner so eine Sache: Die Chancen, dass Deutschland noch eine Wiedervereinigung mitmacht, sind seit dem Ende der DDR beispielsweise rapide gesunken.
Aber was komm ich jetzt mit der DDR an? Es ging ja um Sex. Bild.de empfiehlt natürlich, direkt das Buch der Sex-Lehrerin Sexlehrerin zu kaufen, aber ein paar Auszüge gibt es dann doch noch:
Plane das Date vorher oder sei spontan.
(Vermutlich abhängig davon, ob der Hahn auf dem Mist kräht oder nicht.)
Egal was du machst, stöpsle Telefon, Computer und Fernseher aus, außer du willst einen erotischen Film in deine Szene einbauen.
Der letzte Halbsatz ist sehr wichtig, denn wie oft ist die Betrachtung eines erotischen Films schon daran gescheitert, dass das Telefon ausgestöpselt war?
Erlaube dir, deine Pläne zu ändern, wenn deine Stimmung schwingt, aber bleib bei deinem Rendezvous!
Wer kennt sie nicht, die berühmten Stimmungsschwingungen beim Rendezvous ([ʀɑ̃de ˈvu], französisch: ‚Verabredung‘, wörtlich: ‚treffen Sie sich‘) mit sich selbst?
Egal was du machst, denke daran, bewusst zu atmen. Das beruhigt deinen Geist und lenkt die Aufmerksamkeit auf deinen Körper.
Gut, dass man da alleine ist: Wer hätte beim Gedanken an bewusste Atmung und der Aufmerksamkeit auf den Körper noch Zeit, sich um jemand anderen zu kümmern? Also: Frauen vielleicht, aber Männer sind ja bekanntlich nicht Multitasking-fähig. (Deswegen atmen Männer übrigens auch nie beim Sex. Jetzt wissen Sie’s!)
Nimm die Gefühle an, die hochkommen. Vielleicht verwandelt sich dein Orgasmus in einen Schrei-, Wut- oder Lachorgasmus. Erlaube dir alles, was dein Körper heute erfahren will.
Damit wären wir dann beim Lachorgasmus. Laut Google handelt es sich dabei zwar um etwas eher Unsexuelles (nämlich das, was in den 1990er Jahren am Niederrhein “schrott lachen” hieß), aber wer würde Barbara Carrellas schon widersprechen wollen? Vielleicht hat es auch was mit dem “Kitzelsex” zu tun, den Bild.de erst kürzlich gefeiert hat — faszinierenderweise ohne den sehr naheliegenden Kalauer “Werden Sie zum Kitzler!”
Jedenfalls: Wenn Lachen beim (sexuellen) Orgasmus, dann bitte allein! Ihr Partner könnte sonst ähnlich entgeistert reagieren wie wenn Sie dabei jodeln.
Wenn du dich nicht sonderlich sexy fühlst, dann nimm das wahr und respektiere es. Vielleicht willst du dich ins Bett kuscheln und endlich das Buch lesen, für das du dir nie Zeit genommen hast. Gebe dir das, was du willst. Bereite dir
Leider werden wir nie erfahren, was man sich bereiten soll, denn mit diesen Worten enden die guten Ratschläge. Aber das gehört vermutlich zum Tantra dazu: den Höhepunkt einfach … wegzulassen.
Wichtiger ist eh:
Gebe dir das, was du willst.
… aber vermeide korrekte Imperative!
Falls Ihnen dieser Artikel jetzt zu lang war (Sie wissen schon: die Kunst des Herauszögerns), hier noch einmal die Kurzform: “Hol dich doch einfach mal wieder gepflegt einen runter!”