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Musik Leben

25 Jahre „Reload“

Dieser Eintrag ist Teil 8 von bisher 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschienen jede Menge Alben, die für unsere Autor*innen prägend waren. Zu ihrem 25. Jubiläum wollen wir sie der Reihe nach vorstellen.

Tom Jones - Reload (abfotografiert von Lukas Heinser)

Zum ersten Mal von Tom Jones gehört habe ich, wie vermutlich die meisten Menschen meiner Generation, in „Mars Attacks!“, dem übersehenen Meisterwerk von Tim Burton. In dem Film greifen Marsianer die Erde an und sie tun das unter anderem in Las Vegas, während Tom Jones auf der Bühne eines Casino-Hotels steht und – natürlich – „It’s Not Unusual“ singt. Jones spielt sich selbst, er wird im weiteren Verlauf des Films mit Annette Bening und Janice Rivera zu den Tahoe-Höhlen fliehen und, nachdem die Marsianer besiegt sind und ein Falke auf seinem Arm gelandet ist, erneut „It’s Not Unusual“ anstimmen. Eines der Top-10-Enden der Filmgeschichte. (Falls Ihr „Mars Attacks!“ noch nie gesehen habt: Es ist, seit ich mit 13 im Kino war, einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Auch mehr als 25 Jahre später muss ich immer noch sagen: 10/10, ein Meisterwerk für alle Zeiten. Guckt ihn Euch an!)

Für meine Eltern und ihre Generation war Tom Jones damals im Wesentlichen eine etwas abgehalfterte Witzfigur, nicht unähnlich den ehemaligen Schlagerstars, die bei Baumartkeröffnungen sangen. Es waren die zynischen 1990er und die Qualitäten, die es braucht, um Las Vegas residencies und Baumartkeröffnungen zu bestehen, wurden allenfalls von Götz Alsmann gewürdigt. Da konnte auch sein Mini-Comeback von 1994 nichts dran ändern, als er gemeinsam mit The Art Of Noise „Kiss“ von Prince coverte und mit seiner Version für nicht wenige Kritiker das Original übertraf.

Womöglich war es eine Mischung aus 1990er-„Ironie“ und Teenager-Trotz, aber irgendwie fand ich Tom Jones cool. Entsprechend überrascht war ich, als ich im Herbst 1999 in einem Elektronikmarkt ein neues Album von ihm sah, gemeinsam mit Gaststars wie The Cardigans, Robbie Williams, Natalie Imbruglia und Simply Red, die mir natürlich etwas sagten. Irgendwie muss ich auch erkannt haben, dass es sich um jede Menge Coverversionen und Neueinspielungen handelte, denn ich war enttäuscht, dass „It’s Not Unusual“ nicht dabei war, und so habe ich die CD zu diesem Zeitpunkt nicht gekauft.

Doch dann kam der Auftritt bei „Wetten, dass ..?“: Nina Persson und die Jungs hatten sich trotz aller eigenen Charterfolge vermutlich nie vorgestellt, einmal in dieser seltsamen deutschen Fernsehsendung, von der sich internationale Stars in first class lounges, Festival-Backstage-Bereichen und bei Preisverleihung fassungslos erzählen, vor einem sprechenden Bühnenbild (ja, in der Tat: ein brennendes Haus) einen Auftritt mit dem „Tiger“ zu absolvieren, bei dem sie so tun, als würden sie gerade ihre Version von „Burning Down The House“ live performen. Ich kannte das Original von den Talking Heads nicht (und war, als ich es dann endlich irgendwann mal hörte, nicht sonderlich beeindruckt), aber dieser Auftritt ließ mich direkt am darauffolgenden Montag zu R&K in Dinslaken fahren und „Reload“ doch noch kaufen.

Das Album war für mich der Erstkontakt mit Acts wie The Divine Comedy, Barenaked Ladies, Portishead, Catatonia und Stereophonics und die erste CD in meiner Sammlung, auf der The Cardigans und James Dean Bradfield von den Manic Streets Preachers zu hören waren — Acts, bei denen ich, wie auch bei Robbie Williams, in der Folge einen gewissen Hang zum Komplettismus entwickeln sollte. Es machte mich nicht nur mit „Burning Down The House“ bekannt, sondern auch mit Songs wie „All Mine“ (Portishead), „Never Tear Us Apart“ (INXS) und wahrscheinlich auch „Lust For Life“ (Iggy Pop). Kurzum: Es war ein Crashkurs in Sachen Popkultur der vorangegangenen Jahrzehnte und der Gegenwart.

„Are You Gonna Go My Way“ (Lenny Kravitz) mit Robbie Williams wirkte nicht nur wegen des Titels wie die Übergabe eines Staffelstabs. „Sometimes We Cry“ von und mit Van Morrison, der als Einziger einen seiner eigenen Songs sang, rührt mich bis heute. James Dean Bradfield von den Manic Streets Preachers liefert bei „I’m Left, You’re Right, She’s Gone“ (Elvis Presley) eine der besten Gesangsleistungen seiner Karriere ab (Tom Jones schreibt, wenn ich das richtig erinnere, in seiner Autobiographie, dass er Angst hatte, ein Duett mit einem so begnadeten Sänger zu singen, und ganz ehrlich: Wenn Ihr keine Gänsehaut bekommt, wenn JDBs Stimme zum ersten Mal in den Song reingrätscht, kann ich Euch auch nicht helfen!). Selbst die Ideen, die auf dem Papier schlecht wirken, funktionieren im (hoffentlich weit aufgedrehten) Lautsprecher: Sollte man Iggy Pops „Lust For Life“ covern? Nein. Außer, wenn Chrissie Hynde von The Pretenders und Tom Jones singen. Dann unbedingt.

Dass ein Album mit 17 Tracks so seine Längen hat, lässt sich schwer vermeiden: „Ain’t That A Lot Of Love“ mit fucking Simply Red? „She Drives Me Crazy“ mit Zucchero? Ist doch schön, wenn Tom Jones so viele angesagte Acts zum Mitwirken bewegen konnte!

Der große Hit, der zu einem späten signature song werden sollte, war indes ein anderer: „Sex Bomb“, die einzige Neukomposition des Albums, aus der Feder des Hannoveraner Musikproduzenten Mousse T., der mit seinem Debüt-Hit „Horny ’98“ bereits gezeigt hatte, dass er stumpfes Rumpf-Gemumpf extrem cool und clubtauglich klingen lassen konnte. Heute würde man anders darüber denken, wenn ein 59-jähriger Mann mit gefärbtem Haupthaar einer mutmaßlich sehr viel jüngeren Frau den Refrain „Sexbomb, sexbomb you’re a sexbomb / You can give it to me, when I need to come along / Sexbomb, sexbomb you’re my sexbomb / And baby you can turn me on“ angedeihen lassen wollte, aber man muss Popkultur immer aus ihrem Zeitgeist lesen, wenn man sie irgendwie verstehen will, und der Zeitgeist der ausgehenden 1990er Jahre war eben so, dass ich ihn auf einer Website, die auch Minderjährige besuchen können, schlecht ausformulieren kann.

Einmal angefixt, tauchte ich natürlich in das Gesamtwerk des walisischen Tigers ein — und, meine Güte, waren da Hits, Hits, Hits! Gut: Die Mörderballade „Delilah“ wurde in den letzten Jahren von Sportveranstaltungen verbannt und auch die Sujets manch anderer Songs sind schlecht gealtert, aber diese Stimme, die immer über irgendwelchen State-of-the-art-Arrangements schwebte, lässt zumindest mich einen Tacken mehr durchgehen lassen als es bei anderen Acts der Fall wäre.

Tom Jones war – nach den Prinzen 1994 – tatsächlich das zweite große Popkonzert, das ich in meinem Leben besuchte (im Mai 2000 mit meinen Eltern und meinem Bruder in der Arena Oberhausen; das Konzertplakat, das mein Vater auf dem Heimweg von einem Maschendrahtzaun abmontierte, könnte immer noch im Keller meiner Eltern stehen) und auch wenn natürlich keiner der „Reload“-Gäste dabei war, war es ein Erlebnis. Jones legte in der weiteren Folge einen beeindruckenden dritten (oder vierten oder fünften) Karriere-Akt hin, indem er aufhörte, seine Haare zu färben, und begann, Folk- und Americana-Alben aufzunehmen (ich habe im letzten Jahr zufällig festgestellt, dass er eine Version von „Charlie Darwin“ von The Low Anthem veröffentlicht hat!). Das hatte Folgen, denn als ich ihn zum zweiten Mal live sah, spielte er die meisten seiner Klassiker in kaum wiederzuerkennenden Arrangements. Das Publikum wirkte ein bisschen enttäuscht, aber mit damals schon 79 Jahren hatte er sich das Recht erarbeitet, seine Songs derart zu dylanisieren. Der überraschende Ort dieses überraschenden Auftritts: das Burgtheater Dinslaken.

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Tom Jones – Reload
(Gut/V2, 16. September 1999)
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Musik Leben

25 Jahre „Performance And Cocktails“

Dieser Eintrag ist Teil 2 von bisher 10 in der Serie 1999

Im Jahr 1999 erschienen jede Menge Alben, die für unsere Autor*innen prägend waren. Zu ihrem 25. Jubiläum wollen wir sie der Reihe nach vorstellen.
Stereophonics - Performance And Cocktails (abfotografiert von Lukas Heinser)

Zum ersten Mal gehört habe ich von den Stereophonics auf „Reload“, jenem Tom-Jones-Album von 1999, mit dem der „Tiger“ den dritten oder vierten Frühling seiner Karriere einleitete, indem er mit jungen, angesagten Acts der Gegenwart Songs coverte, die allesamt jünger waren als seine eigenen ersten Hits. (Das Album war auch mein Erstkontakt mit The Divine Comedy, Barenaked Ladies, Catatonia und Portishead und es ist mir genau gerade aufgefallen, dass es eigentlich ungewöhnlich ist, dass sich ein 16-Jähriger das Spätwerk eines damals nur halbherzig als „Kult“ bezeichneten Crooners gekauft und darüber zeitgenössische Acts kennengelernt hat, aber ich war glühender Tom-Jones-Verehrer, seit ich ihn in „Mars Attacks!“ als nur halbherzig als „Kult“ zu bezeichnende Version seiner Selbst gesehen hatte.) Mit den Stereophonics sang der Waliser damals eine recht drängende Version von Randy Newmans „Mama Told Me Not To Come“, die bei mir so viel Eindruck machte, dass ich mich der Band selbst in der Folgezeit näherte.

Als wir im Juni 2000 mit unserem Lateinkurs eine Exkursion nach Köln unternahmen und nach Besuch des Doms und des Römisch-Germanischen Museums noch Zeit zur freien Verfügung hatten, überredete ich meine Freunde, mit mir zum Saturn-Stammhaus am Hansaring zu laufen, um dort nach CDs zu gucken. Das war damals angeblich der größte Plattenladen Deutschlands mit zahlreichen Etagen, Zwischen- und Kellergeschossen, in denen es kein Tageslicht gab, und jedes Mal, wenn die S-Bahn vorbeifuhr, vibrierten der Boden und die Regale voller CDs und Schallplatten. Und dort habe ich mir an jenem Tag die „Performance und Cocktails“ der Stereophonics gekauft.

Wenn man erstmal ca. 30 D-Mark in ein Album investiert hatte, hörte man es damals sehr intensiv für die nächsten Monate — meine CD-Sammlung war ja auch noch im Aufbau und so viel Auswahl hatte ich gar nicht, wenn ich den ganzen Tag Musik hören wollte. Es wäre übertrieben zu behaupten, dass die Stereophonics damals zu mir gesprochen hätten, aber ich mochte die energetischen Rocksongs, von denen es auf diesem Album nur so wimmelte, und die etwas ruhigeren Midtempo-Nummern und Balladen. Die Songs klangen alle, als hätten der Band beim Schreiben und Aufnehmen ein bisschen mehr als die üblichen 230 Volt zur Verfügung gestanden, und über die Stimme von Sänger Kelly Jones konnte man eigentlich nicht schreiben oder sprechen, ohne ein „Reibeisen-“ davor zu setzen. Wichtig war mir aber auch, dass die Musik, die ich hörte, in meiner Klassenstufe ansonsten eher unbekannt war — und die Stereophonics verkauften im Vereinigten Königreich und vor allem in ihrer Heimat Wales zwar Stadien aus, liefen in Deutschland aber weder bei Einslive noch bei Viva, was ich immer als gutes Zeichen betrachtete.

So wurde „Performance And Cocktails“ zum Soundtrack eines Sommers; als einzelne Songs auf Mixtapes und in voller Länge in meinem Discman, zum Beispiel an diesem einen Abend im Sommerurlaub, als ich mit meiner Familie ein Picknick am Strand von Domburg machte und die ganze Zeit einen Stöpsel im Ohr hatte. „The Bartender And The Thief“ hat mich gelehrt, wie man Uptempo-Nummern schreibt, „I Stopped To Fill My Car Up“, wie man Geschichten erzählt. „Just Looking“ mochte ich schon immer, aber ich habe erst mit zunehmendem Alter verstanden, worum es in diesem Lied ging und wie sehr es von mir handelte: „There’s things I want / There’s things I think I want“, beginnt der Erzähler, um sich dann zu fragen, was er eigentlich will — und zwar vom Leben. Daneben stehen, beobachten, lächeln, später davon berichten, aber nie aktiv Teil des Geschehens sein (wollen) — das hat lange einen großen Teil meines Lebens ausgemacht: „I’m just looking, I’m not buying / I’m just looking, keeps me smiling“.

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Ein paar Lebenskrisen und eine Therapie später weiß ich heute sehr viel besser, was ich will — und vor allem, was nicht. Wenigstens meistens. „You said that life is what you make of it / Yet most of us just fake“ soll nicht für mich gelten. Schon wegen dieses kathartischen Songs mittendrin wird „Performance And Cocktails“ immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben.


Stereophonics – Performance And Cocktails
(V2 Music; 8. März 1999)
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Musik Digital

Word Gets Around

2010 scheint sich unerfreulicherweise als Jahr des großen Musikersterbens in die Geschichtsbücher brennen zu wollen: Stuart Cable, der frühere Schlagzeuger der Stereophonics, ist tot.

Wie mittlerweile eigentlich üblich, erreichte mich die traurige Nachricht per Facebook.

Ich hätte es aber auch zufällig auf der Startseite von – hold your breathBild.de erfahren können:

Stereophonics:
Ex-Drummer Stuart Cable ist tot

Nicht erfahren hätte ich es hingegen (Stand 14.55 Uhr) auf den “News”-Seiten der Musikzeitschriften “Visions”, “Musikexpress” und “Rolling Stone”. Aber was hätte ich auch da gewollt?

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Musik

The Class of ’99

New Radicals hören im ICE (Szene nachgestellt)

Heute vor zehn Jahren saß ich in einem Zug nach Berlin, hörte “You Get What You Give” von den New Radicals und damit begann dann meine Musikbegeisterung (nachzulesen hier). ((Mir fiel gerade erst auf, dass ich den Song vermutlich nur deshalb im Bordradio gehört habe, weil ich den ursprünglichen ICE verpasst hatte. Nach all diesen Jahren stelle ich fest, dass ausgerechnet eine Regionalbahn-Verspätung mein Leben verändert hat!))

In der Folgezeit fing ich an, Gitarre zu lernen, in Bands zu spielen, Festivals zu besuchen, über Musik zu schreiben und irgendwann sogar Radiosendungen darüber zu moderieren. Am Jahr 1999 führt auch heute noch kein Weg dran vorbei: Ein großer Teil meiner Lieblingsalben und -songs erschien in eben diesem Jahr.

Mit ein wenig kulturwissenschaftlichem Übermut könnte man vielleicht sogar das Fin de siècle bemühen um zu erklären, warum ausgerechnet kurz vor dem Jahrhundertende plötzlich reihenweise große Kunst entstand. Denn selbst wenn man zugute hält, dass 15, 16 immer ein besonders prägendes Alter ist und Menschen, die heute in diesem Alter sind, vermutlich in zehn Jahren das Gleiche über 2009 sagen werden: Vor zehn Jahren war eine ganze Reihe von Bands und Künstlern auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.

Da waren längst nicht nur die New Radicals mit ihrem einzigen Album: Ben Folds Five verausgabten sich mit ihrem Meisterwerk “The Unauthorized Biography Of Reinhold Messner” derart, dass sie sich ein Jahr später auflösten; Travis haben viele gute Alben aufgenommen, aber so dicht wie “The Man Who” klang keines mehr; Moby errichtete sich mit “Play” sein eigenes Denkmal, von dessen Lizensierungen für Spielfilme und Werbespots er sich einen kleinen Staat kaufen könnte. Und selbst, wenn ich einige der ’99er Alben erst Jahre entdeckte: Das war schon ein ganz besonderer Jahrgang.

Und damit Sie wissen, wovon zum Henker ich eigentlich rede, hier eine unsortierte Liste von Alben aus besagtem Jahr:

Travis – The Man Who
Anspieltipp: Driftwood
Ben Folds Five – The Unauthorized Biography Of Reinhold Messner
Anspieltipp: Your Redneck Past
New Radicals – Maybe You’ve Been Brainwashed Too ((Dass das Album bereits im Oktober 1998 auf den Markt kam, ist ein Detail, durch das ich mir nicht meine Geschichte kaputt machen lasse.))
Anspieltipp: Flowers
Foo Fighters – There Is Nothing Left To Lose
Anspieltipp: Next Year
Jimmy Eat World – Clarity
Anspieltipp: Blister
Stereophonics – Performance And Cocktails
Anspieltipp: Just Looking
Moby – Play
Anspieltipp: Porcelain
Red Hot Chili Peppers – Californication
Anspieltipp: Scar Tissue
Tocotronic – K.O.O.K.
Anspieltipp: Jackpot
The Get Up Kids – Something To Write Home About
Anspieltipp: I’ll Catch You
Sigur Rós – Ágætis Byrjun
Anspieltipp: Svefn-G-Englar
Wilco – Summerteeth
Anspieltipp: Nothing’severgonnastandinmyway(again)
3 Colours Red – Revolt
Anspieltipp: Beautiful Day
Blink-182 – Enema Of The State
Anspieltipp: What’s My Age Again?
Blur – 13
Anspieltipp: Coffee And TV

Natürlich erschienen danach noch viele großartige Alben (ein Jahr später beispielsweise “Kid A” von Radiohead und das Coldplay-Debüt “Parachutes”), aber ein Jahr wie 1999 habe ich seitdem nicht mehr erlebt.

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Musik

Müssen alle mit

Wenn das Jahr so weiter geht, wird am Ende fast jeder meiner Lieblingskünstler ein neues Album veröffentlicht haben. Bereits erschienen sind ja schon die Alben von R.E.M., kettcar, Coldplay, Death Cab For Cutie, Sigur Rós und Nizlopi, von Travis gab es die (recht gelungene) “J. Smith EP”, das Album dazu kommt im Herbst. Ebenfalls bereits erschienen ist das Solodebüt von Jakob Dylan (The Wallflowers).

Neue Alben veröffentlichen werden noch Ben Folds (“Way To Normal”, September – noch ohne deutsches Label), Stereophonics (jetzt zu viert), Oasis (“Dig Out Your Soul”, 6. Oktober), The Verve (“Forth”, 18. August), Starsailor (“All The Plans”) und Tomte (irgendwann im Herbst).

Einen neuen Song haben Bloc Party gestern vorgestellt. Er hört auf den Namen “Mercury” und klingt … etwas anstrengend.

Das wird ganz schön hart für mögliche Newcomer, sich bei mir überhaupt Gehör zu verschaffen.

Nachtrag, 23:55 Uhr: Ich hab Hotel Lights vergessen. Deren neues Album “Firecracker People” erscheint im August in den USA.

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Musik

What’s new to you?

Männer tun ja manchmal merkwürdige Dinge. Frauen heiraten, zum Beispiel, oder achteinhalb Stunden unterwegs sein für 75 Minuten Konzert. Ich habe gestern letzteres gemacht und mir die Stereophonics angesehen.

Erst muss man nach Köln fahren, was ja für sich genommen schon schlimm genug ist, und dann steht man auch noch inmitten von angetrunkenen Briten und alten Leuten, die aussehen, als hätten sie eigentlich zu Bryan Adams gehen wollen, und wird mit dem Gesamtwerk der überaus schrecklichen Band Live beschallt. Das allerdings war, wie sich bald herausstellen sollte, eine gute Vorbereitung auf die Vorband Hero. Die vereinten nämlich auf beeindruckende Weise so ziemlich alles, was ich an Bands wie Status Quo, Bush, Simple Minds und INXS nicht ausstehen kann, und hatten einen Sänger der aussah wie der von Right Said Fred. Danach liefen zum Glück die größten Hits von The Clash.

Nach schier endlosem und wiederholtem Gitarrenstimmen auf der Bühne (das ist so nicht Rock’n’Roll) gingen die Stereophonics nebst Zusatzgitarrist und -keyboarder um Punkt 22:00 Uhr auf die Bühne. Da ich noch den letzten Zug nach Bochum erwischen musste, wusste ich schon, dass ich nicht das ganze Konzert würde sehen können. Das war aber erst mal egal, als die ersten Takte von “Bank Holiday Monday” erklangen und die Band loslegte wie ein Haufen junger Hunde.

Die Setlist war eine ausgewogene Zusammenstellung aus nahezu allen Schaffensperioden der Band, nur “You Gotta Go There To Come Back” blieb komplett außen vor. Am meisten gefeiert wurden die ganz neuen Songs von “Pull The Pin” und die Hits der ersten beiden Alben – “Superman”, “Devil” und “Doorman” von “Language. Sex. Violence. Other?” liefen irgendwie ins Leere. Leider gab es nach dem furiosen Auftakt immer wieder Hänger, “Pick A Part That’s New” drohte gar völlig auseinander zu fallen, so erschreckend lahmarschig geriet der Refrain. “Traffic” stand ähnlich auf der Kippe, aber “Mr. Writer” und mein Phonics-Liebling “Just Looking” waren dafür makellos.

Die Band war bestens gelaunt (ich glaube, ich habe Kelly Jones vorher noch nie lachen gesehen) und ließ sich das auch nicht vom bisweilen etwas leblosen Publikum kaputt machen. Mitsingen tut man in Deutschland halt nur bei Pur, kettcar und Oasis und groß Bewegen ging in der gut gefüllten und auf Saunatemperaturen aufgeheizten Live Music Hall auch nicht so gut. Zwischen “It Means Nothing”, der ersten Single aus “Pull The Pin”, und dem Klassiker “Local Boy In The Photograph”, der das reguläre Set abschloss, gab es mit “My Own Worst Enemy” einen neuen Song, der auch fürs nächste Album wieder Mut macht: Die Stereophonics haben eben auf jedem Album eine Handvoll wirklich guter Songs, wie es eine Konzertbesucherin auf dem Weg nach draußen präzise zusammenfasste.

Wegen des oben beschriebenen Zeitdrucks (Konzerte um 21:00 Uhr sollten unter der Woche verboten werden), musste ich die Halle leider vor den Zugaben verlassen. Wenn sich die Band an den Setlisten der anderen Deutschland-Konzerte orientiert hat, habe ich “Roll Up And Shine” und leider auch “Dakota” verpasst. Letzteres konnte ich aber dank YouTube heute früh noch nachholen.

Mein erstes Stereophonics-Konzert seit sechseinhalb Jahren war ein bisschen wie ein Treffen mit alten Freunden: Man erinnert sich gemeinsam an die schönen Zeiten, als man noch jung war und durch die Gegend hüpfte, hört interessiert, was die anderen jetzt so machen, denkt sich zwischendurch “Ich sollte sowas nicht mehr machen” und geht dann doch mit einem wohligen Gefühl nach hause.

Setlist:

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Musik

Listenpanik: Songs 2007

Niemand weiß so recht, warum man sich ausgerechnet immer den doch recht beliebigen Zeitraum eines Kalenderjahres aussucht, um Listen zu erstellen von den Dingen, die da waren und über die Highlights abstimmen zu lassen. Aber es ist nun mal seit längerem so, dass im Dezember zurückgeblickt, unvergleichliches verglichen und unbeschreibliches beschrieben wird. Und diesem heidnischen Brauch schließe ich mich gerne an und eröffne mit der Liste meiner Songs Hymnen des Jahres:

1. Shout Out Louds – Tonight I Have To Leave It
Der “Ach, das sind gar nicht The Cure?”-Song des Jahres. Die Hymne des Haldern Pop Festivals. Das Lied des Jahres.

2. Kaiser Chiefs – Ruby
Wie lang ist die Mindesthaltbarkeit für Mitgrölhymnen? Erstaunlicherweise doch schon fast ein ganzes Jahr. Wenn man das Lied auch nach hundert Mal hören und im nüchternen Zustand noch gut findet, ist das schon die Silbermedaille wert.

3. Kilians – When Will I Ever Get Home
Let me introduce you to some friends of mine. Gute Freunde zu haben, die tolle Musik machen, und sich mit ihnen über ihren Erfolg zu freuen, ist das eine. Das andere ist, immer noch aufrichtig begeistert zu sein von einer mörderguten Stadionrock-Hymne wie die Kilians diese hier aus dem Ärmel geschüttelt haben.

4. Wir Sind Helden – The Geek (Shall Inherit)
Nicht, dass ich Wir Sind Helden nicht generell für eine tolle Band halten würde, deren Aufstieg ich seit beinahe dem ersten Tag mit Freuden verfolge. Aber dass sie auf jedem ihrer guten bis sehr guten Alben immer noch einen Song drauf haben, der alle anderen um Meilen überragt, macht sie noch ein bisschen toller. Nach “Denkmal” und “Wenn es passiert” jetzt also “The Geek (Shall Inherit)”, die Außenseiter-Hymne des Jahrzehnts.

5. Justice – D.A.N.C.E.
Vielleicht der Konsens-Song des Jahres: Ob Rocker, Hip-Hopper oder Elektriker – auf “D.A.N.C.E.” konnten sich (fast) alle einigen. Ein Tanzbodenfüller sondergleichen und vermutlich eine der Nummern, die man unseren Kindern in dreißig Jahren auf einem Sampler der “größten Hymnen der Nuller Jahre” im Teleshop (bzw. dessen Nachnachfolger) verkaufen wird.

6. Just Jack – Starz In Their Eyes
Hip-Hop? Disco? Ein unglaublich gut gemachter Song mit einem sehr klugen Text und immensem Mitwippfaktor. Und jetzt lassen Sie mich endlich als Werbetexter arbeiten!

7. Modest Mouse – Dashboard
Nach 14 Jahren Bandgeschichte gelang Modest Mouse mit der ersten Single aus ihrem fünften Album doch noch so etwas wie ein Durchbruch. Mit dieser Indiepop-Perle, einem Ex-Schmitz an der Gitarre und dem völlig überdrehten Piraten-Video.

8. Bloc Party – I Still Remember
Bloc Party haben mich mit ihrem Zweitwerk “A Weekend In The City” so sehr überzeugt, dass sie – so viel sei schon verraten – zum zweiten Mal mein persönliches Album des Jahres stellen. “I Still Remember” ist unter den allesamt großen Songs der Platte der größte, weil er trotz des eher traurigen Textes eine Euphorie verbreitet, die einen für 3:50 Minuten alles vergessen lässt.

9. Travis- Selfish Jean
Wer hätte gedacht, dass Travis zehn Jahre nach ihrem Debüt doch noch mal den Rock für sich entdecken würden? Mit dem charmantesten “Lust For Life”-Ripoff seit … äh: “Lust For Life” tanzen sich die sympathischsten Schotten im Musikgeschäft in die Top 10.

10. Little Man Tate – European Lover
Wenn es die Kilians nicht gäbe, hätten Little Man Tate gute Chancen auf meinen Titel “Newcomer des Jahres”. “European Lover” ist dabei der eingängigste, charmanteste Song ihres Debütalbums “About What You Know”.

11. Beatsteaks – Cut Off The Top
Zu den Beatsteaks muss man nicht mehr viel sagen, die haben immer schon fast alles richtig gemacht und mit “Limbo Messiah” ist ihnen wieder ein Top-Album gelungen. “Cut Off The Top” besticht durch seinen treibenden Beat und den phantastischen Mitgröl-Refrain: “Damage, damage!”

12. Muff Potter – Die Guten
Warum gibt es eigentlich so viele gute deutschsprachige Songs über Beziehungsenden? Vielleicht, weil es so viele deutschsprachige Songs über Beziehungsenden gibt und wenn man den ganzen Müll von Revolverheld, Juli oder Silbermond weglässt, bleiben eben die guten über. Oder, haha: “Die Guten”. Mit gewohnt tollem Text und schönen Jimmy-Eat-World-Gitarren erreichen Muff Potter ihre inzwischen schon traditionelle Erwähnung auf meinen Bestenlisten.

13. Rihanna feat. Jay-Z – Umbrella
Wenn ich an Kategorien wie “Peinlichstes Lieblingslied” glauben würde, stünde dieses Lied dieses Jahr unangefochten auf Platz 1. Aber warum sollten einem Lieder, die man toll findet, peinlich sein? Deshalb: “Umbrella” ist ein toller Song, der auch dann noch gut wäre, wenn Rihanna eine dicke, alte Frau wäre. Punkt.

14. Babyshambles – Delivery
Wer Pete Doherty nur als Ex-Freund und Drogenopfer aus der Boulevardpresse kennt, ist doof mag erstaunt sein, dass der Mann auch Musik macht – und zwar richtig gute. Mit der besten Post-Libertines-Single ever hat der Mann wieder ein bisschen an seinem Denkmal gebaut, an dessen Demontage er sonst so eifrig arbeitet.

15. The Blood Arm – Suspicious Character
Der Refrain des Jahres: “I like all the girls and all the girls like me”, so lange wiederholt, bis es der Dümmste glaubt. Oder der Sänger selbst. Wenn man solche Rocksongs dann auch noch mit Klavieren aufhübscht, kann man sich meiner Begeisterung sicher sein.

16. Kate Nash – Foundations
Irgendwie scheine ich eine Schwäche für Frauen mit außergewöhnlichem britischen Akzent zu haben. Was letztes Jahr Lily Allen war, ist dieses Jahr Kate Nash. “Foundations” hat darüber hinaus einen charmanten Text, ein Klavier (s.o.) und ist sowieso ein rundherum toller Song.

17. The Wombats – Let’s Dance To Joy Division
Erstaunlich, dass es immer noch Bands gibt, die im Prinzip genau die gleiche Musik wie alle anderen machen und trotzdem viel, viel toller sind. The Wombats sind so ein Fall einer mich überraschenderweise begeisternden Kapelle, “Let’s Dance To Joy Division” eine äußerst gelungene Single.

18. Lady Sovereign – Love Me Or Hate Me
Dass dieser Song in Deutschland kein Hit wurde und Lady Sovereign kein Star, hat mich dann doch überrascht. Vielleicht ist weiblich, britisch und rappen dann doch keine Kombination für “Bravo”-Leser. Schade eigentlich, denn “Love Me Or Hate Me” ist mein Hip-Hop-Song des Jahres.

19. Stars – The Night Starts Here
Und hier die bei Coffee And TV am sträflichsten vernachlässigte Band des Jahres: Stars. “In Our Bedroom After The War” ist eine wahnsinnig gute Platte, die uns in der Liste der besten Alben noch einmal recht weit vorne begegnen wird; “The Night Stars Here” ist bester orchestraler Indiepop.

20. Maxïmo Park – Girls Who Play Guitars
Maxïmo Park waren neben Bloc Party die spannendste Band der Class of 2005 und wie Bloc Party haben auch sie dieses Jahr ein überzeugendes Zweitwerk herausgebracht. “Girls Who Play Guitars” ist dabei noch einen Tacken besser als die anderen Songs.

21. Bruce Springsteen – Radio Nowhere
Und hier der Alterspräsident meiner diesjährigen Bestenliste, der Mann, den sie “Boss” nennen. Wenn ich mit 56 noch Blogeinträge schreibe wie Bruce Springsteen Songs, werde ich mich sehr, sehr glücklich schätzen.

22. Mika – Grace Kelly
Wann fingen Mika und dieser Song eigentlich an zu nerven? Irgendwann im Sommer dürfte es gewesen sein, weswegen sich “Grace Kelly” in der kontinuierlich aktualisierten Bestenliste beständig nach unten kämpfte. Mit etwas Abstand betrachtet ist das Lied dann aber immer noch ganz gut. Das können wir ja in zehn Jahren noch mal überprüfen.

23. Crowded House – Don’t Stop Now
Wen interessieren Led Zeppelin, die vor 20 Millionen Zuschauern hätten spielen können? Das Comeback des Jahres gelang Crowded House, die genau da weitermachen, wo sie vor elf Jahren aufgehört haben: mit zeitlos-tollen Popsongs.

24. Tocotronic – Imitationen
Tocotronic darf man jetzt wohl auch ruhigen Gewissens auf die Liste der Bands setzen, die wohl nichts mehr falsch machen werden in ihrer Karriere. “Kapitulation” ist wieder ein herausragendes, sehr kluges Album geworden, “Imitationen” eines der Highlights. “Dein gut ist mein gut / Dein schön ist mein schön.”

25. Stereophonics – Daisy Lane
Selbst auf ihren schwächeren Alben hatten die Stereophonics immer mindestens einen Song, den ich noch gut fand. “Pull The Pin” ist aber noch nicht mal ein schwaches Album. Das hypnotische “Daisy Lane” ist dennoch das Highlight der Platte und perfekt geeignet, diese Liste zu beschließen.

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Musik

Listenpanik 10/07: Ein wenig unentschlossen

Eigentlich mache ich diese Bestenlisten ja nur, damit ich am Ende des Jahres weiß, welche Platten und Songs ich bei diversen Jahrespolls, Abstimmungen und Leserumfragen in die Formulare eintragen muss. Gucken wir also mal, was im Oktober so auf dem Schreibtisch liegen- und im Ohr hängengeblieben ist. Sie finden mich ein wenig unentschlossen vor, manches Lob mag auch als Verriss durchgehen und vice versa. Bei einigen Punkten werde ich wohl Vorwürfe der Wankelmütigkeit über mich ergehen lassen müssen. Aber egal: Man sollte Musik meine Meinung ja eh nicht so ernst nehmen.

Alben
1. Kate Nash – Made Of Bricks
Es wurde auch mal langsam Zeit für eine “neue Lily Allen”, die alte ist schließlich schon seit mehr als einem Jahr dabei. Ja, Kate Nash ist tatsächlich erst 20 Jahre alt und bastelt ihre Songs zuhause am Laptop zusammen. Das an sich ist aber noch keine Sensation, liebe Musikjournalisten! “Made Of Bricks” ist auch keine, aber dennoch ein über weite Strecken gutes, in einigen Momenten gar brillantes Album. So klingt im Jahr 2007 von Frauen gemachte Popmusik, wenn es wirklich um die Musik und nicht um Fotostrecken geht.

2. Radiohead – In Rainbows
Hatte ich nicht geschrieben, das neue Radiohead-Album sei sehr gut, gebe mir persönlich aber nichts? Doch, das hatte ich. Aber außerhalb der eigenen vier Wände, in einer regnerischen, kalten Oktobernacht, bekam ich dann doch plötzlich eine Gänsehaut bei “All I Need”. So ganz warm geworden mit “In Rainbows” bin ich immer noch nicht, aber es ist schon ein beeindruckendes Album.

3. Jimmy Eat World – Chase This Light
Hatte ich nicht geschrieben, das Album wäre eigenschaftslos und “irgendwie egal”? Natürlich hatte ich das. Aber irgendeinen Grund muss es ja geben, dass ich “Chase This Light” in den letzten Wochen trotzdem beinage täglich gehört habe. Möglicherweise gefällt es mir also doch, obwohl es dafür eigentlich gar keinen Grund gäbe. Aber man muss ja nicht immer für alles einen Grund haben.

4. Underworld – Oblivion With Bells
Ich kann nicht über elektronische Musik schreiben. Es würde wirres Zeug dabei rauskommen mit verunglückten Metaphern und bedeutungslosen Worten wie “pluckern”, “urban” oder “sphärisch”. Also schwärme ich lieber davon, wie toll es ist, zu den Klängen von Underworlds neuer CD durch dunkle Großstädte zu laufen oder U-Bahn zu fahren. “Oblivion With Bells” ist für mich die beste Elektro-Platte seit dem Postal-Service-Debüt, aber was weiß ich von Elektro?

5. Mando Diao – Never Seen The Light Of Day
Weil sie den Vertrag mit ihrer Plattenfirma möglichst schnell erfüllen wollten, haben Mando Diao innerhalb von zwei Wochen mit Björn Olsson von The Soundtrack Of Our Lives ein Album angenommen, das betont unkommerziell und verstörend sein soll. Diese Vorgeschichte zu kennen ist wichtig, weil man ansonsten hochgradig verwirrt sein könnte. Herausgekommen ist eine erstaunlich akustische, melancholische, erwachsene, mitunter auch einfach kranke Platte, die in ihren besten Momenten an die Shout Out Louds erinnert, in ihren schwächeren an die üblichen Mando-Diao-Nummern.

Songs (inkl. YouTube-Links)
1. Kate Nash – Foundations
Wenn Sie mal gezwungen werden sollten, zu erklären, warum englischsprachige Popmusik im Zweifelsfalle besser ist als deutschsprachige, verweisen Sie auf “Foundations”: So einen charmanten Text über eine desolate Beziehung würden Silbermond, Juli oder Yvonne Catterfeld im Leben nicht hinkriegen. Und dann ist da noch dieser großartige Refrain und dieser wundervolle Akzent. Verweisen Sie einfach auf “Foundations”, wenn Sie irgendwas im Bezug auf Popmusik erklären sollen.

2. Bruce Springsteen – Radio Nowhere
Sagen Sie nichts gegen Bruce Springsteen! Wirklich: Nichts!
Der große alte Mann (inzwischen auch schon 58) des amerikanischen Stadionrocks hat es nach wie vor raus und zeigt dem Nachwuchs mal kurz, wie man eine catchy Radio-Single schreibt, die trotzdem richtig gut ist.

3. Babyshambles – Delivery
Menschlich wäre es tragisch, wenn Pete Doherty wieder rückfällig würde. Musikalisch aber auch, denn das neue Babyshambles-Album, das er angeblich clean aufgenommen hat, ist ganz ausgezeichnet geworden. “Delivery” ist besser als alles, was die Babyshambles bisher veröffentlicht haben, der Song kommt sogar an die besten Libertines-Sachen heran. Was will man mehr? Außer, dass Doherty sauber bleibt …

4. Stereophonics – Daisy Lane
Ein bezauberndes, vor sich hin schlurfendes Lied über alltägliche Gewalt. Das deutliche Highlight der auch ansonsten recht gelungenen neuen Stereophonics-Platte “Pull The Pin”.

5. Common feat. Lily Allen – Drivin’ Me Wild
Bevor sie knapp die Hälfte ihres Körpersgewichts abnahm und Unterwäsche-Model wurde, war Lily Allen für etwa ein Jahr auch mal als Musikerin bekannt. Vermutlich wird sie bald auf jedem zweiten Hip-Hop-Album als Gaststar zu hören sein, aber wenn das immer so … äh: charmant klingt wie die Zusammenarbeit mit dem Chicagoer Rapper Common, geht auch das völlig in Ordnung.

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Vom Ziehen und Jagen der alten Liebe

Musikalisch ist das Jahr 2007 für mich bisher eine andauernde Zeitreise zurück in die Tage, als ich Rockmusik für mich entdeckte. Zahlreiche Bands, die mich seit Beginn dieses Jahrzehnts (oder noch länger) begleiten, haben neue Alben veröffentlicht, darunter Travis, Manic Street Preachers, Smashing Pumpkins, Foo Fighters und Weakerthans, Radiohead und Crowded House. Dazu noch Air und The Ataris und bevor ich mich bis zu Joni Mitchell und Bruce Springsteen rüberhangel, krieg ich mal besser die Kurve und sage: Wirklich viele Bands.

In den letzten Wochen kamen noch zwei Bands mit ihrem jeweils sechsten Album dazu: Stereophonics mit “Pull The Pin” am 12. Oktober und Jimmy Eat World mit “Chase This Light” am letzten Freitag.

Ich hatte es schon mal erwähnt: Mit den Stereophonics verbindet mich eine ganz besondere Hassliebe. Als die letzten beiden Studioalben erschienen, konnte ich damit überhaupt nichts anfangen und schrieb jeweils recht harsche Verrisse. Inzwischen habe ich mir beide Alben einigermaßen schöngehört, zumindest habe ich auf beiden noch Songs entdecken können, die für mich inzwischen beinahe in einer Liga mit “A Thousand Trees”, “Traffic” oder “Just Looking” spielen.

Auch “It Means Nothing”, die Vorabsingle aus “Pull The Pin”, brauchte einige Durchläufe, aber sie wuchs mit jedem Mal und ist inzwischen auch in meinem Herzen angekommen – allerdings nur auf Platz 2 hinter “Daisy Lane”. Beide Songs folgen der gleichen Blaupause, die auch schon “Maybe Tomorrow”, “I’m Alright” und “Rewind” so unwiderstehlich machten: Hypnotischer Breitwandrock in Endlosschleife, U2 und Rollingstones im Quadrat. Dass “Daisy Lane” nicht mal einen Refrain, sondern nur ein langgezogenes “Babadabada ba ba ba” hat, macht den Song eigentlich nur noch schöner.

Aber auch auf der anderen Seite, dem deutlichen Rocksong, haben die Phonics endgültig wieder Boden unter den Füßen: “Bank Holiday Monday” mag ein bisschen schlicht, “Ladyluck” ein bisschen zu kalkuliert Snow-Patrolig sein, aber allein ein Stampfer wie “Lose Ya”, der mit herrlich schlichtem Inhalt und gradlinigem Geschrammel an die Anfangstage der Band erinnert, gleicht das wieder aus.

Die Stereophonics werden wohl nie wieder so gut sein wie auf ihren ersten beiden Alben, aber nach den insgesamt doch recht schwachen letzten Werken ist ihnen mit “Pull The Pin” endlich mal wieder ein Album gelungen, das man von beruhigt durchhören kann.

Durchhören kann man sicherlich auch “Chase This Light” von Jimmy Eat World, allerdings frage ich mich auch mehreren Tagen des intensiven Hörens, was man davon hat. Zwölf gefällige Rocksongs, glattpoliert bis alles glitzert und nichts mehr hängen bleibt – so kannte man das Quartett aus Arizona eigentlich gar nicht. Zwar hatten sie sich nach ihrem Überalbum “Clarity”, das heute zu den Meilensteinen des Emo zählt, den etwas poppigeren Songs zugewendet – diese waren aber wenigstens eingänglich. “Futures” vor drei Jahren gefiel nicht allen, aber ich mochte es. Bei “Chase This Light” bin ich mir immer noch nicht sicher.

Vielleicht liegt es an Executive Producer Butch Vig, der seit mehr als zehn Jahren kein gutes Album mehr produziert hat, vielleicht liegt es am Songwriting, dass Jimmy Eat World inzwischen wie Vega4, The Upper Room oder The Feeling klingen – oder mindestens wie Weezer ab dem grünen Album. Schlecht ist das Album deshalb nicht unbedingt, aber irgendwie egal. “Let It Happen” und “Gotta Be Somebody’s Blues” wären auf früheren Alben Beiwerk gewesen, hier zählen sie schon zu den Highlights.

Das merkwürdige daran: Einerseits tut es weh, eine ehemals so spannende Band so zu hören, andererseits sind es die immer mal wieder durchschimmernden Überreste der alten Jimmy Eat World (bzw. die wachgerufene Erinnerung an alte Großtaten), die das Album überhaupt erst hörenswert machen. Ich weiß nicht, ob ich “Chase This Light” als Werk einer anderen (neuen) Band besser fände – oder wirklich langweilig. “Here It Goes” wäre ein charmanter Popsong, wenn er von einer jungen britischen Band käme, aber zu Jimmy Eat World passen Handclaps und “Hey, hey, hey!”-Chöre irgendwie nur bedingt. Der Titeltrack macht es deutlich: Die Ideen, die sie auf “Chase This Light” verarbeitet haben, hatten Jimmy Eat World alle schon mal – und früher klangen sie besser.

Eigentlich ist es aber fast egal, wie “Pull The Pin” und “Chase This Light” klingen: Beide Bands stehen auf der Liste meiner Teenage-Lieblinge. Und so, wie man die Mädchen, für die man zu Schulzeiten schwärmte, nie richtig doof finden können wird, so findet man halt auch bei Bands, die einen schon so lange begleiten, immer irgendwas zum Mögen.

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Listenpanik 09/07: Sie sind wieder da-ha!

Wie mir erst sehr spät auffiel, gab es im September gar keine Bestenliste für den August. Das lag wohl daran, dass mir zwischenzeitlich mein Arbeits- und Musikabspielgerät abhanden gekommen war. Egal, dann starten wir eben jetzt frisch in die neue Runde mit einer neuen, wie immer streng subjektiven Bestenliste.

Dabei gibt es noch eine Neuerung: Weil ich am Ende des Jahres eh immer meine liebsten Songs zusammenfasse und das nicht zwangsläufig Singles sein müssen, werde ich ab jetzt hier die schönsten Songs des Vormonats vorstellen. Das hat mehrere Vorteile: Die besten Songs eines Albums erscheinen nicht immer auch als Single, ich muss mich nicht mehr durch Listen mit Single-VÖ-Daten quälen und ich kann auch schon ruhigen Gewissens Songs nennen, die erst im Radio laufen, aber noch nicht als Single erschienen sind.

Jetzt aber wirklich los:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. The Weakerthans – Reunion Tour
Über meinem Schreibtisch hängt ein signiertes Weakerthans-Poster, muss ich da noch mehr sagen?
Na gut: Die Kanadier waren natürlich nie derart “weg”, dass das Gerede von einer “Reunion Tour” gerechtfertigt wäre. Trotzdem sind sie jetzt eben wieder da und machen nahtlos da weiter, wo sie mit “Reconstruction Site” (dem ja auch kein Abriss vorausging) aufgehört haben: Wunderschöner Indiepop mit Folkeinflüssen, lieblichen Harmonien und sehr klugen Texten von John K. Samson. Ich habe das Gefühl, diesmal ein paar mehr Beatles-Einflüsse erkannt zu haben, als man bei den Weakerthans sonst erwarten würde, aber welcher Band hätte solches schon geschadet?
Ich möchte mich bereits jetzt festlegen und sagen: Das Herbstalbum des Jahres!

2. Kilians – Kill The Kilians
“Wie? Nicht auf der 1?!” Zugegeben: Das wäre nach allem Theater hier naheliegend gewesen. Aber ich will mal so fair sein und sagen, dass ich mir bei meiner Nähe zu der Band eh kein richtiges Urteil erlauben könnte (“objektiv” wäre eh das denkbar falsche Wort für Musikbesprechungen). Also habe ich lieber den Weakerthans den Vorzug gegeben, bei denen ich mir sicher bin, dass ich das Album liebe. Lieben tue ich “Kill The Kilians” natürlich auch, aber eben eher so wie ein Geschwisterkind, mit dem man zusammen aufgewachsen ist.
Ich war immer etwas in Sorge, ob man die Live-Energie dieser Band auf Platte würde bannen können. Swen Meyer hat es nicht ganz geschafft, aber er war klug genug, den Sound deshalb etwas zu polieren, damit es wirklich wie ein Album klingt und nicht wie ein missglückter Konzertmitschnitt. Klingt zu kompliziert? Dann hören Sie mal die ersten beiden Travis-Alben hintereinander und Sie verstehen, wie ich das meine.
Ansonsten natürlich: Großes Songwriting, saubere Arbeit, eigentlich alles richtig gemacht. Nuff said!

3. Foo Fighters – Echoes, Silence, Patience & Grace
Willkommen im Monat der Lieblingsband-Veröffentlichungen!
Dave Grohl ist natürlich die coolste Sau im Rockgeschäft, darüber muss man nicht diskutieren. Seine Foo Fighters sind auch immer schon groß gewesen, aber bis auf “There Is Nothing Left To Lose” fand ich die Alben immer schwer durchhörbar. Das ändert sich jetzt mit dem neuen Album, dessen Namen ich jedes Mal nachgucken muss: Hier stimmt das Gleichgewicht von laut und leise, von Brett und Hymne.
Näher werden die Foo Fighters ihren Vorbildern von Led Zeppelin vielleicht nie kommen, was aber wohl auch ganz gut ist.

4. Kanye West – Graduation
Ich habe keine Ahnung, warum ich in den letzten anderthalb Jahren eine solche Begeisterung für HipHop und R’n’B entwickelt habe, aber vielleicht liegt es einfach daran, dass man mit zunehmendem Alter auf Schubladendenken verzichtet, und an der zunehmenden Qualität der entsprechenden Alben.
Nehmen wir Kanye West: Sampelt rotzfrech Daft Punk und Steely Dan (Steely Dan, meine Damen und Herren!!!!1) und arbeitet mit der neuen HipHop-Ikone Chris Martin zusammen. Allein aus den Zutaten muss jeder, der kein absoluter Vollidiot ist, doch ein brauchbares Album zusammenbauen. Und da diese Namen bei Mr. West wirklich nur die Spitze des Eisbergs bilden, ist “Graduation” ein wirklich gelungenes Album geworden.
Dass der Release des Albums einen Oasis-vs-Blur-mäßigen Showdown mit 50 Cent bedeutete, könnte natürlich ein weiterer Coolness-Faktor für mich sein …

5. The Robocop Kraus – Blunders And Mistakes
The Robocop Kraus schrappten irgendwie immer haarscharf an dem vorbei, was man “Zeitgeist” nennt. Das ist aber erstaunlicherweise gar nicht schlimm, im Gegenteil: Würden sie heute noch so abgehackte Rhythmen und hart angeschlagene Gitarren verwenden wie vor zwei Jahren auf “They Think They Are The Robocop Kraus”, so wäre das erstaunlich langweilig. Deshalb spielen sie lieber – Achtung! – gutgelaunten Indiepop, den man zwar – festhalten! – von der Insel kennt, aber eben nicht aus Nürnberg (mehr zum Thema Provinz und Rock finden Sie hier).
Außerdem sollte noch irgendjemand dieses wirklich außergewöhnlich charmante Cover-Artwork loben …

Songs (inkl. iTunes-Links)
1. Kilians – When Will I Ever Get Home
Da hat man eine Band fünfzehn Mal live gesehen, glaubt alle ihre Songs zu kennen, und dann legt man die CD zum ersten Mal ein und sieht seinem Unterkiefer gerade noch dabei zu, wie er auf den Fußboden aufschlägt. So und nicht anders klingt Stadionrock, der sich einen Scheiß um die Multifunktionsarenen dieser Welt schert. Selbst U2 und die Stereophonics sehen gegen diese Gitarrenwände alt aus – die haben allerdings auch jeweils nur einen Gitarristen und nicht derer drei.
Das ist die Musik, die man hören will, wenn man nachts betrunken mit dem Fahrrad nach Hause fährt: Arme ausbreiten, mitsingen und dann gegen den Bordstein fahren und auf die Fresse fliegen.

2. The Weakerthans – Civil Twilight
So müssen Alben beginnen: Genug Schwung in den Strophen aufnehmen und dann im Refrain zur großen Hymne öffnen. Dazu ein Text, in dem es ums Golfen, Hollywoodschauspielerinnen und Risse in Mietshäusern geht.
Hatte ich schon erwähnt, wie sehr ich die Weakerthans verehre?

3. Shout Out Louds – Impossible
Die Nichterwähnung des großartigen Albums “Our Ill Wills” ist jetzt schon einer der gröbsten Schnitzer der Listenpanik-Serie. Immerhin “Tonight I Have To Leave It” hatte ich abgefeiert, deshalb soll auch die zweite Single aus dem zweiten Shout-Out-Louds-Album ihre Würdigung erfahren. Nicht zuletzt deshalb, weil die Liste der Popsongs mit Xylophon-Begleitung immer noch viel zu kurz ist.

4. Stereophonics – It Means Nothing
Aus mir selbst nicht ganz verständlichen Gründen haben mich die Stereophonics auch nach sieben Jahren Fandom und mehreren mediokren Alben nicht losgelassen. “It Means Nothing” ist eine dieser schleichenden Nummern voller Endlosschleifen, die Kelly Jones seit ein paar Jahren so gerne schreibt. Der Song braucht Zeit, man muss ihn ziemlich oft hören, bis einem (vielleicht) die Schönheit dahinter auffällt.
Sehr empfehlenswert beim S-Bahn-Fahren im strömenden Regen.

5. Rihanna – Don’t Stop The Music
Eigentlich ist es zu spät, um die Brillanz des Überhits “Umbrella” zu würdigen, oder auch nur das überraschend eingängige Album “Good Girl Gone Bad” zu loben. Beide sind schon Monate alt, im schnelllebigen Musikbiz eine halbe Ewigkeit. Aber weil mich beides so begeistert hat, dass ich das sogar öffentlich zugebe, wollte ich noch irgendwas gutes über Frau und Musik schreiben und nutze die Gelegenheit, dass “Don’t Stop The Music”, ein ebenfalls sehr gelungener (wenn auch natürlich nicht an “Umbrella” heranreichender) Tanzbodenstampfer, im September als Single veröffentlicht wurde.

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Have A Nice Day

In England und Wales ist soeben der Summer Bank Holiday zu Ende gegangen. Das nutze ich als scham- und sinnlosen Aufhänger, um darauf hinzuweisen, dass man auf der Seite von V2 Records den neuen Stereophonics-Song “Bank Holiday Monday” kostenlos herunterladen kann. Und zwar genau hier.

Die Stereophonics haben ja schon musikalische Höhen wie Tiefen erlebt, aber irgendwie bin ich dieser Band immer treu geblieben und hatte irgendwann auch den größten Schmu liebgewonnen. Deswegen bin ich auch gespannt, wie das neue Album “Pull The Pin”, das in Deutschland – *tadaa!* – an meinem Geburtstag erscheinen soll, wohl so klingt. Das recht oldschoolig rockende “Bank Holiday Monday” wird mit drauf sein, die Vorab-Single “It Means Nothing”, die ein bisschen langweiliger hypnotischer geraten ist, kann man jetzt schon bei MySpace hören.