Kategorien
Digital

Das drittelleere Glas des Kulturpessimismus

Die Lübe­cker Gra­tis­zei­tung „Sams­tag Aktu­ell“ hat nicht unbe­dingt die nöti­ge Fall­hö­he, um im BILD­blog erwähnt zu wer­den.

Ande­rer­seits ist das, was uns unser Leser Flo­ri­an H. geschickt hat, dann doch zu schön, um es nicht irgend­wo zu doku­men­tie­ren:

Eine neue Studie hat es mal wieder belegt: Die meisten Deutschen sind Pessimisten! Nur 68 Prozent der deutschen Bevölkerung blickt positiv ins Jahr 2013. Und wie schaut es bei den Lübeckern aus?

PS: Fro­hes neu­es Jahr!

Kategorien
Print Digital Gesellschaft

Armut und Irrtum

Wal­ter Krä­mer hat Bücher geschrie­ben, die „Lexi­kon der popu­lä­ren Irr­tü­mer“, „Lexi­kon der Städ­te­be­schimp­fun­gen“, „Die Ganz­jah­res­to­ma­te und ande­res Plas­tik­deutsch – Ein Lexi­kon der Sprach­ver­ir­run­gen“, „Modern Tal­king auf deutsch – Ein popu­lä­res Lexi­kon“ oder „Die bes­ten Geschich­ten für Bes­ser­wis­ser“ hei­ßen. Er grün­de­te den „Ver­ein Deut­sche Spra­che“, eine Art Bür­ger­wehr gegen den Sprach­wan­del, des­sen Arbeit wenig mit Lin­gu­is­tik und viel mit popu­lä­ren Irr­tü­mern zu tun hat. Von Jour­na­lis­ten muss­te er sich als „Viel­schrei­ber“ und „Prof. Bes­ser­wis­ser“ titu­lie­ren las­sen, er selbst klagt auch ger­ne mal gegen Jour­na­lis­ten oder sagt, er könn­te sie „erwür­gen und an die Wand klat­schen“.

Eigent­lich ist Wal­ter Krä­mer aber Lei­ter des Insti­tut für Wirt­schafts- und Sozi­al­sta­tis­tik an der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Dort­mund.

Mit dem Ber­li­ner Psy­cho­lo­gen Gerd Gige­renz­er und dem Bochu­mer Öko­nom Tho­mas Bau­er hat Krä­mer die­ses Jahr die Akti­on „Unsta­tis­tik des Monats“ ins Leben geru­fen, was eigent­lich ein Fall für den „Ver­ein deut­sche Spra­che“ wäre.

Über ihr Pro­jekt schrei­ben die drei:

Sie wer­den jeden Monat sowohl jüngst publi­zier­te Zah­len als auch deren Inter­pre­ta­tio­nen hin­ter­fra­gen. Die Akti­on will so dazu bei­tra­gen, mit Daten und Fak­ten ver­nünf­tig umzu­ge­hen, in Zah­len gefass­te Abbil­der der Wirk­lich­keit kor­rekt zu inter­pre­tie­ren und eine immer kom­ple­xe­re Welt und Umwelt sinn­vol­ler zu beschrei­ben.

Die „Unsta­tis­tik des Monats Okto­ber“ wur­de ges­tern gekürt (Pres­se­mit­tei­lung als PDF):

Die Unsta­tis­tik des Monats Okto­ber heißt 15,8% und kommt vom Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt in Wies­ba­den: „15,8 % der Bevöl­ke­rung waren 2010 armuts­ge­fähr­det“ mel­de­ten die Amts­sta­tis­ti­ker am 17. Okto­ber 2012 (zur Pres­se­mit­tei­lung).

Die Zahl ist kor­rekt, nicht aber deren Inter­pre­ta­ti­on. Als „armuts­ge­fähr­det“ gilt, wer jähr­lich net­to weni­ger als 11.426 Euro zur Ver­fü­gung hat. Der Haupt­kri­tik­punkt ist die Berech­nung die­ser Armuts­gren­ze. Dazu nimmt man euro­pa­weit 60 % des Durch­schnitts­ein­kom­mens. Wenn sich also alle Ein­kom­men ver­dop­peln, ver­dop­pelt sich auch die Armuts­gren­ze, und der Anteil der Armen ist der glei­che wie vor­her.

Nun kann man die Defi­ni­ti­on des Begriffs „armuts­ge­fähr­det“ durch­aus kri­ti­sie­ren, dafür soll­te man sie nur kor­rekt wie­der­ge­ben kön­nen: Es geht näm­lich nicht um das Durch­schnitts­ein­kom­men (die Sum­me aller Ein­kom­men geteilt durch deren Anzahl), son­dern um das mitt­le­re Ein­kom­men, den soge­nann­ten Medi­an. Man erhält die­sen Wert, indem man alle Bür­ger sor­tiert nach Ein­kom­men in einer Rei­he auf­stellt und den­je­ni­gen, der dann genau in der Mit­te steht, fragt, was er ver­dient.

Im kon­kre­ten Fall hat das kei­ne Aus­wir­kun­gen auf die wei­te­re Argu­men­ta­ti­on (das kennt man ja auch anders), aber als Pro­fes­sor für Wirt­schafts- und Sozi­al­sta­tis­tik soll­te man den Unter­schied schon ken­nen.

Wal­ter Krä­mer kennt ihn offen­bar nicht.

[via Peter K.]

Nachtrag/​Korrektur, 2. Novem­ber: Offen­sicht­lich ist der Begriff „Durch­schnitt“ unter Sta­tis­ti­kern all­ge­mei­ner gefasst als in der Umgangs­spra­che, wo er das Arith­me­ti­sche Mit­tel bezeich­net. Inso­fern meint Wal­ter Krä­mer womög­lich tat­säch­lich den Medi­an, wenn er vom „Durch­schnitt“ spricht, und ich muss den Vor­wurf, er ken­ne den Unter­schied nicht, zurück­neh­men. (Zumin­dest weit­ge­hend.)

Krä­mer steht ja nur dem „Ver­ein Deut­sche Spra­che“ vor und nicht dem „Ver­ein für Nicht­ma­the­ma­ti­ker und Jour­na­lis­ten ver­ständ­li­che Spra­che“.