So eine Flut von Veröffentlichungen, die mich persönlich interessiert haben, hatten wir zuletzt im … Februar.
Nee, im Ernst: Es war schon heftig, was da im März alles in die Plattenläden und Downloadstores kam — da kam es gerade recht, dass Saturn die MP3-Alben für 4,99 Euro das Stück geradezu verrammschte und ich mich entsprechend preisgünstig durch den Monat retten konnte. Es gab etliche gute Alben und je einen heißen Anwärter auf die Nummer 1 der Jahrescharts bei Alben und Songs:
Alben
Pet Shop Boys – Yes
Beim ersten Hören fand ich die Single “Love Etc.” “nicht sehr gut”, dann wurde sie immer besser. Die Musikjournalisten schrieben, es sei das beste Pet-Shop-Boys-Album seit “Very”, aber die gleichen Journalisten hatten auch die neue, irgendwie völlig egale U2-Platte gelobt. Insofern war ich nicht darauf vorbereitet, eines der besten Pop-Alben dieses gerade zu Ende gehenden Jahrzehnts zu hören — aber ich denke, genau das ist “Yes”. Das Album hat einfach alles: Party-Tracks, Melancholie, großartige Melodien und kluge Texte. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass einen eine Band, die man zwei Drittel seines Lebens schätzt, immer noch umhauen kann.
Starsailor – All The Plans
Starsailor-Fan bin ich erst seit dem Sommer 2001, als ich die Band erstmals auf dem Haldern Pop spielen sah. Ihre Alben waren vielleicht nicht so anspruchsvoll wie die von Coldplay, aber in Sachen “melancholischer Indiepop von der Insel” kommt die Band bei mir gleich hinter Travis. “All The Plans” kann ich deshalb nicht wirklich rational bewerten, aber es gibt wieder die ganz großen Hymnen, die man von den ersten drei Alben auch schon gewohnt ist. Vielleicht werden Starsailor nie alles richtig machen, aber falsch gemacht haben sie bis heute (von den Aufnahmesessions mit Phil Spector mal ab) auch noch nichts.
Empire Of The Sun – Walking On A Dream
Das sind sie also, die “neuen MGMT”. Musikalische Parallelen gibt es da durchaus, aber das ist verzeihlich. “Walking On A Dream” ist – trotz des abschreckenden Covers – ein kluges Pop-Album, das man so ähnlich schon vor 25 Jahren hätte veröffentlichen können. Macht aber auch nix.
Röyksopp – Junior
Ganz schön elektrolastig, dieser März. Auf seinem dritten Album klingt das norwegische Elektronik-Duo mitunter ein bisschen sehr nach dem französischen Elektronik-Duo (gemeint ist Air), aber die klangen ja in letzter Zeit ein bisschen sehr nach gar nichts. “Junior” ist von vorne bis hinten ausgewogen, eingängig und – je nach Einstellung – entspannend oder belebend.
The Fray – The Fray
Ja, ich mag so Musik. Und ich freue mich, dass The Fray drei Jahre nach ihrem Debüt jetzt offenbar auch in Deutschland den Durchbruch schaffen. Zwar passt ihr melancholischer (Coffee-And-TV-Trinkspiel: ein Schnaps für jedes “melancholisch” in einer Listenpanik) College-Rock besser in den Herbst als in den Hochsommer, aber der März hatte sich ja noch alle Mühe gegeben, herbstlich auszusehen.
A Camp – Colonia
Spätestens seit ich Nina Persson vor ein paar Jahren persönlich getroffen habe, hat die klügste und schönste Schwedin der Welt bei mir Narrenfreiheit: Sie dürfte so ziemlich jeden Schrott machen und ich würde es noch gut finden. Sie macht aber keinen Schrott, sondern auch ohne die Cardigans ganz hervorragende Musik, der man allenfalls vorwerfen könnte, ein bisschen zu sehr nach ihrer Hauptband zu klingen.
Olli Schulz – Es brennt so schön
Zwar habe ich alle bisherigen Olli-Schulz-Alben hier, aber wirklich gehört habe ich ehrlich gesagt nur sein Debüt “Brichst Du mir das Herz brech ich Dir die Beine”. Als ich “Mach den Bibo” zum ersten Mal beim Bundesvision Song Contest sah, dachte ich, jetzt sei es endgültig vorbei mit dem Mann, aber sogar dieser Schwachsinns-Song wächst, wenn man ihn nur oft genug hört (und weiß, dass die Musik von Walter Schreifels stammt). Der Rest von “Es brennt so schön” ist dann auch komplett anders: Eine kluge, oft nachdenkliche, musikalisch durchdachte und hin und wieder doch sehr witzige Platte, die mich aus unerklärlichen Gründen manchmal ein wenig an Bruce Springsteen erinnert.
Ben Lee – The Rebirth Of Venus
Für Ben-Lee-Platten gilt die alte Regel “Kennste eine, kennste alle”. Im Gegensatz zu Nickelback, Reamonn und ähnlichen Langweilern macht aber jedes neue Album des gebürtigen Australiers immer noch Laune — und zwar gute. Selbst wenn man das Gefühl hat, jeden Song so ähnlich schon mal gehört zu haben, kann man Lee nicht böse sein. Und dann gibt es ja auf jedem seiner Alben immer noch einen Song, der größer ist als alle anderen …
Songs
Ben Lee – Wake Up To America
Was für ein unwahrscheinlicher Song: Eine viereinhalbminütige Lobeshymne auf all das Kaputte und Wunderbare an Amerika, deren Strophen nur gesprochen werden, deren Autotune-lastiger Refrain auch eher schlicht wirkt, und deren treibender Beat einen nach wenigen Takten völlig eingelullt hat. Ich kann kaum aufhören, dieses Lied immer und immer wieder zu hören, denn es geht direkt ins Herz und bringt einen womöglich dazu, alle fünfzig Bundesstaaten zu besuchen und mit einem Ghettoblaster über dem Kopf diese Hymne abzuspielen. Ganz, ganz große Kunst! (Blöderweise gibt es den Song weder bei YouTube noch bei last.fm zu hören — wohl aber bei iTunes zu kaufen.)
Pet Shop Boys – Pandemonium
Wenn “Yes” das neue “Very” ist, ist “Pandemonium” die Neuauflage von “I Wouldn’t Normally Do That Kind Of Thing”: Ein Liebeslied, in dem alles mitschwingt, was Liebe manchmal so schwierig macht, und das doch uneingeschränkte Zuneigung zum Ausdruck bringt. Eine Hymne auf alle Chaosmädchen und -jungs dieser Welt, uplifting as hell. Was sagt es über unsere Generation aus, wenn derart großartige Songs von Männern um die fünfzig geschrieben werden müssen? Allein diese Bläser und die Chöre!
Starsailor – You Never Get What You Deserve
Bei James Walsh frage ich mich immer ein bisschen, was er uns eigentlich mit dem sagen will, was er da singt. Und dann denke ich: Ist das nicht egal, wenn es so schön klingt? Beachten Sie den Übergang von den Strophen zum Refrain — so geht Pop.
Im nächsten Monat dann: Muff Potter, Bob Dylan und natürlich Kilians.
[Listenpanik, die Serie]