Kategorien
Digital

Klickbefehl (13)

Hier­zu führt das Land­ge­richt aus: “‘Gefickt’, d. h. über­führt fühlt sich nur ein Täter, nicht aber ein Unschul­di­ger” (UA S. 52). Auch die­ser Satz trifft selbst in der vom Land­ge­richt ange­nom­me­nen Deu­tung in die­ser All­ge­mein­heit kaum zu; unzu­tref­fend ist aber schon die zugrun­de lie­gen­de Aus­le­gung, denn der zitier­te Begriff dürf­te im vor­lie­gen­den Zusam­men­hang in den betrof­fe­nen sozia­len Krei­sen in der Regel im Sin­ne von “Her­ein­le­gen”, “Betrü­gen”, “Aufs-Glatt­eis-Füh­ren”, nicht aber im Sin­ne von “Über­füh­ren” gebraucht wer­den.

Dass vie­le Rich­ter nicht unbe­dingt eine Zweit­kar­rie­re als Lin­gu­is­ten star­ten könn­ten, ist schon län­ger bekannt. Udo Vet­ter fügt im law­blog einen wei­te­ren Fall hin­zu.

* * *

Auch habe Krü­ger „um eine Zusam­men­stel­lung von Thea­ter- und Kon­zert­ver­an­stal­tun­gen und von Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten, ins­be­son­de­re der Schuh­ge­schäf­te“ gebe­ten. Staats­die­ner Krü­ger, der die Grup­pe beglei­te­te, ver­tei­digt sei­ne Pla­nung: „Die Leu­te wol­len sich doch vor Ort was anse­hen.“

Wie sich deut­sche Poli­ti­ker, als Volks­ver­tre­ter immer­hin unse­re (Ihre, mei­ne) Reprä­sen­tan­ten, im Aus­land auf­füh­ren, steht im aktu­el­len „Spie­gel“.

[via Tho­mas Koch]

* * *

Neu­lich habe ich bei Ebay mei­nen gel­ben Stern bekom­men. (…) Ein gel­ber Stern!

Franz Josef Wag­ner muss befürch­ten, den Titel als Deutsch­lands wahn­sin­nigs­ter Jour­na­list zu ver­lie­ren. Das, was Mat­thi­as Hei­ne da ges­tern in der „Ber­li­ner Mor­gen­post“ geschrie­ben hat, ist schlicht unfass­ba­rer Unfug. Sowas hät­te mal ein Blog­ger schrei­ben sol­len …

[via Ste­fan Nig­ge­mei­er]

Kategorien
Rundfunk Gesellschaft

Herdenprämie

Frü­her, als Fuß­bäl­le noch aus Schwei­ne­bla­sen her­ge­stellt wur­den und das ein­zi­ge Bild­schirm­emp­fangs­ge­rät einer Gemein­de in der ört­li­chen Gast­stät­te stand, traf sich die Dorf­ge­mein­schaft zu wich­ti­gen Ereig­nis­sen wie dem Gewinn einer Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft in der voll­ge­qualm­ten Gast­stu­be und schau­te sich die Über­tra­gung im Kol­lek­tiv und im Schwarz-Weiß-Fern­se­her an. Spä­ter hat­ten immer mehr Men­schen einen eige­nen Fern­se­her, der sogar Farb­bil­der dar­stel­len konn­te, und man guck­te den Gewinn von Welt- und Euro­pa­meis­ter­schaf­ten im hei­mi­schen Wohn­zim­mer.

Vor zwei Jah­ren fin­gen die Deut­schen dann wie­der an, sich in gro­ßen Grup­pen auf öffent­li­chen Plät­zen zu ver­sam­meln und ihre Natio­nal­flag­ge zu schwen­ken. Sehr zur Freu­de der rest­li­chen Welt ver­zich­te­ten sie dabei aber auf die gan­zen ande­ren Ele­men­te ihres merk­wür­di­gen Brauch­tums. Statt­des­sen guck­ten sie auf eine Groß­bild­lein­wand und lausch­ten sogar den Aus­füh­run­gen der Sport­jour­na­lis­ten­dar­stel­ler Rein­hold Beck­mann, Johan­nes B. Ker­ner und Bèlá Rêthý, ohne dadurch zum maro­die­ren­den Mob zu wer­den. Vor allem das muss man den Deut­schen sehr hoch anrech­nen.

Die­ses öffent­li­che Gucken nann­ten die glei­chen Mar­ke­ting­ex­per­ten, die sich so genia­le phan­ta­sie­sprach­li­che For­mu­lie­run­gen wie „Han­dy“, „Powered by emo­ti­on“ oder jetzt „We love the new“ aus der Nase gezo­gen haben, „Public Vie­w­ing“. Zyni­ker über­setz­ten das mit „Völ­ki­scher Beob­ach­ter“, ande­re wuss­ten zu berich­ten, dass man die öffent­li­che Auf­bah­rung von Toten in den USA so nen­ne (was natür­lich stimmt, aber genau­so wie das gemein­sa­me Fern­se­hen nur einen klei­nen Teil der Bedeu­tung des Begriffs aus­macht).

Im Vor­feld der Fuß­ball-Euro­pa­meis­ter­schaft bat der Jugend­ra­dio­sen­der Eins­li­ve sei­ne Hörer um Alter­na­tiv­vor­schlä­ge zum Begriff „Public Vie­w­ing“ und bekam eini­ges an Zusen­dun­gen. In einer Abstim­mung ent­schied sich das Publi­kum für den Begriff „Rudel­gu­cken“, der seit­dem bei Eins­li­ve mit an Bru­ta­li­tät gren­zen­der Vehe­menz pro­mo­tet wird. Irgend­wie mag ich den Klang des Wor­tes nicht – es erin­nert pho­ne­tisch viel zu sehr an „Rudel­bum­sen“ und hat auch sonst einen nega­ti­ven Bei­klang.

Ana­tol vom sehr emp­feh­lens­wer­ten Bre­mer Sprach­blog fasst die­sen ganz gut in Wor­te:

da klingt doch über­all die Ver­ach­tung der­je­ni­gen durch, die Fuß­ball lie­ber gepflegt zu Hau­se, oder, noch bes­ser, gar nicht gucken.

Das wirk­lich Inter­es­san­te ist aber: im Gegen­satz zu den pein­li­chen Aktio­nen, die die gru­se­li­ge „Stif­tung deut­sche Spra­che“ regel­mä­ßig durch­führt (im Moment sucht sie übri­gens ein deut­sches Pen­dant für … äh: „Public Vie­w­ing“) scheint der Begriff „Rudel­gu­cken“ sofort Ein­zug in die All­tags­spra­che vie­ler (vor allem jun­ger) Men­schen gefun­den zu haben. Goog­le fin­det der­zeit 71.000 Such­ergeb­nis­se, fragt aber auch, ob man nicht „rudel gur­ken“ gemeint haben könn­te. Die­ser Vor­gang ist durch die geziel­te Plat­zie­rung durch einen Radio­sen­der zwar eini­ger­ma­ßen unna­tür­lich, aber das war die Ver­brei­tung von „Public Vie­w­ing“ ja auch.

Kategorien
Leben Digital

Teil einer Jugendbewegung

Am Wochen­en­de fand – wie bereits erwähnt – das ers­te Bar­camp Ruhr statt. Da das ange­kün­dig­te Video noch ein wenig auf sich war­ten las­sen wird ((Ich muss erst noch neu­en Arbeits­spei­cher kau­fen.)), woll­te ich das Erleb­te vor­ab schon mal in rela­tiv unge­fil­ter­te Wor­te fas­sen:

Was genau ein Bar­camp ist, wuss­te ich vor dem Wochen­en­de selbst nicht so genau. Man sag­te mir stets, es han­de­le sich um eine „Unkon­fe­renz“, was in etwa so hilf­reich ist, wie der Ver­such, Quan­ten­phy­sik mit Hil­fe japa­ni­scher Voka­beln erklä­ren zu wol­len. In Wahr­heit ist es ein betont locke­res Zusam­men­tref­fen von Men­schen, die irgend­was mit Inter­net zu tun haben. Zu Beginn des jewei­li­gen Ver­an­stal­tungs­ta­ges stel­len die Teil­neh­mer ((Exter­ne Refe­ren­ten sind nicht vor­ge­se­hen.)) The­men vor, über die sie ger­ne spre­chen wür­den. Per Hand­zei­chen wird abge­stimmt, wie vie­le Leu­te sich für das The­ma inter­es­sie­ren – dar­aus ergibt sich dann, in wel­chem Raum und zu wel­cher Uhr­zeit der Vor­trag statt­fin­det.

„Vor­trag“ ist im Übri­gen falsch. Es han­delt sich um soge­nann­te „Ses­si­ons“ und deren sprach­li­che nähe zur jam ses­si­on in der Musik kommt nicht von unge­fähr: „Einer redet, die ande­ren hören zu“ gibt’s nicht und ist angeb­lich auch nicht erwünscht.

Exkurs: Ich habe in der Schu­le immer Fron­tal­un­ter­richt gemocht, weil ich nie ver­ste­hen wer­de, war­um ein Leh­rer, der die Fak­ten kennt und auf­sa­gen könn­te, erst mal eine Drei­vier­tel­stun­de lang auf­schreibt, was die Schü­ler, denen er etwas bei­brin­gen soll, denn bis­her zum The­ma wis­sen. „Hit­ler war böse“ ist zwar eine rich­ti­ge Fest­stel­lung, als Ein­stieg ins The­ma „Zwei­ter Welt­krieg“ aber irgend­wie dürf­tig. Der Geschichts­un­ter­richt der Ober­stu­fe ist des­halb auch heu­te noch dafür ver­ant­wort­lich, dass ich beim Wort „Mind­map“ kalt­schwei­ßig wer­de und unkon­trol­lier­te Lau­te aus­sto­ße. Auch in der Uni sind mir Vor­le­sun­gen hun­dert Mal lie­ber als Dis­kus­sio­nen. Ande­rer­seits sind mir Dis­kus­sio­nen immer noch hun­dert Mal lie­ber als schlech­te Refe­ra­te. Exkurs Ende.

Die Qua­li­tät der Ses­si­ons bei einem Bar­camp hängt des­halb nicht nur von den Kom­pe­ten­zen des Vor­tra­gen­den ((Kei­ne Ahnung, wie der rich­ti­ge Begriff lau­tet, ver­mut­lich „Ses­si­on Lea­der“ oder so.)) ab, son­dern auch von der Grup­pe der Zuhö­rer. Da kann es schon mal vor­kom­men, dass span­nen­de Aus­füh­run­gen abge­würgt wer­den und ein Zuhö­rer ohne vor­he­ri­ge Mel­dung ein­fach vor sich hin doziert. Auch wenn ich mich an sol­che Umgangs­for­men im Lau­fe des Wochen­en­des gewöh­nen konn­te, wird die­ses Ver­fah­ren nie zu mei­ner favo­ri­sier­ten Art der Wis­sens­ver­mitt­lung zäh­len. Um ver­schie­de­ne Ansich­ten zu einem The­ma ken­nen zu ler­nen, ist es aber ganz hilf­reich.

The­ma­tisch sind den Ses­si­ons kei­ne Gren­zen gesetzt, alles, was auch nur im Ent­fern­tes­ten mit Inter­net zu tun haben könn­te, kommt dar­in vor. Damit stand ich per­sön­lich vor einem wei­te­ren Pro­blem: Wirt­schaft ist zum Bei­spiel ein The­ma, dass mich noch nie inter­es­siert hat – null. Ich könn­te auch unter Andro­hung von kör­per­li­cher Gewalt kei­ne zehn DAX-Unter­neh­men auf­lis­ten – geschwei­ge denn fünf Start­ups. ((Ein Start­up ist eine Exis­tenz­neu­grün­dung im Inter­net. Da gibt es alles von social net­works (MySpace oder Face­book waren mal Start­ups) bis hin zu Inter­net­sei­ten, auf denen man sein Müs­li oder sei­nen Kaf­fee indi­vi­du­ell zusam­men­stel­len kann.))

Ich fin­de es fas­zi­nie­rend, auf wel­che Ideen Leu­te kom­men, deren krea­ti­ve Hirn­hälf­te auch Syn­ap­sen zu dem Teil, der ans Geld­ver­die­nen denkt, auf­ge­baut hat, aber ich will kein Unter­neh­men grün­den. Die Wor­te „busi­ness plan“, „crowd sourcing“ oder „break even“ erschei­nen mir immer wie Par­odien auf die Wirt­schaft und laden mich allen­falls zum Bull­shit-Bin­go ein. Da fällt es schwer, ernst zu blei­ben, und die Leu­te, die sicher­lich alle total nett sind und tol­le Ideen haben, nicht für den glei­chen schreck­li­chen Men­schen­schlag zu hal­ten, wie die Inves­to­ren, denen sie Geld für ihre Pro­jek­te abrin­gen wol­len.

Ein Schwer­punkt des Bar­camps Ruhr lag auf Musik im Inter­net, was mich als Musik­fan und Gele­gen­heits­mu­si­ker schon inter­es­sier­te. Ent­spre­chend irri­tiert war ich aber, als in dies­be­züg­li­chen Ses­si­ons plötz­lich von „con­tent“, statt von „Musik“ die Rede war. Das ist für mich dann auch kein gro­ßer Unter­schied mehr zu dem bösen, bösen Major­la­bel, wo alle stän­dig von „Pro­duk­ten“ faseln.

Über­haupt: Für Mit­glie­der des unsäg­li­chen „Ver­eins Deut­sche Spra­che“ wäre ein Bar­camp das, was Sodom und Gomor­rha für einen guten Katho­li­ken sind. Wer schon tech­ni­sche Begrif­fe wie „Lap­top“ oder „Brow­ser“ gei­ßelt, der wird inmit­ten von „Ses­si­ons“, „Start­ups“ und „Back Offices“ foam vor dem mouth bekom­men und im tri­ang­le sprin­gen. Das Unper­fekt­haus in Essen ((Eine Art Hip­pie­kom­mu­ne mit kur­zen Haa­ren, in der man sich ganz rüh­rend um uns küm­mer­te.)) wur­de übri­gens stets als „Loca­ti­on“ bezeich­net, was dann unge­fähr der Punkt war, an dem es selbst mir ein biss­chen too much wur­de. „Schlim­mer als die wahl­lo­se Ver­wen­dung fremd­sprach­li­cher Begrif­fe ist aber immer noch die fal­sche Aus­spra­che der­sel­ben“, dach­te ich, wäh­rend ich gedan­ken­ver­lo­ren in mei­nem Tsch­appu­ki­no rühr­te.

Was mich auch eini­ger­ma­ßen ver­stör­te, war die Ein­stel­lung man­cher Leu­te. Bis­her hat­te ich den unend­li­chen Reiz des Inter­nets unter ande­rem dar­in gese­hen, dass dort jeder tun und las­sen kann, was er ganz allei­ne will, maxi­mal begrenzt durch Geset­ze, die bit­te nicht zu streng sind. Plötz­lich kamen Leu­te an, die von einer „Blog­ger­kul­tur“ spra­chen und Sät­ze sag­ten wie: „Wer nicht auf Bar­camps geht, ist für mich kein Blog­ger“, „Jour­na­lis­ten sind kei­ne Blog­ger“ oder „Ein Blog ohne Kom­men­ta­re ist kein Blog“. Da waren sie wie­der, die Leu­te, die man im Bereich der Musik „Indi­en­a­zis“ nennt, und die in Schub­la­den den­ken, die ihnen „Spex“, „Intro“ und „Visi­ons“ aus dem Holz eines abge­bro­che­nen Sozio­lo­gie­stu­di­ums gezim­mert haben. Men­schen, die im Use­net und in Web­fo­ren schrei­ben, war­um die­se oder jene Band ein­fach schei­ße sein muss und nicht Indie sein kann, und die sich selbst vor allem über die Abgren­zung zu ande­ren und die Aus­gren­zung der­sel­ben defi­nie­ren. Sol­che gibt es also auch im Web 2.0. Für den unwahr­schein­li­chen Fall, dass ihre Inter­pre­ta­ti­on des Kon­zepts „Blog“ irgend­wann ein­mal tat­säch­lich zu einer Defi­ni­ti­on wer­den soll­te, wer­de ich mir schon mal einen neu­en Begriff über­le­gen, unter dem die­se lose Text­samm­lung im Inter­net dann fir­mie­ren wird.

Jetzt habe ich alles auf­ge­schrie­ben, was ich merk­wür­dig bis abschre­ckend fand, und es wirkt, als sei das Bar­camp Ruhr für mich eine ganz und gar schreck­li­che Ver­an­stal­tung gewe­sen. Das ist falsch. Zwar war der Sams­tag wirk­lich ver­wir­rend und anstren­gend, aber der Sonn­tag hat viel wie­der wett­ge­macht. Es waren sehr vie­le net­te Leu­te da und bei rund 120 Teil­neh­mern ist auch bei opti­mis­tischs­ter Welt­an­schau­ung rein sta­tis­tisch klar, dass dar­un­ter min­des­tens eine Hand­voll sein wird, deren Bekannt­schaft man lie­ber nie gemacht hät­te. Die Atmo­sphä­re war die gan­ze Zeit über sehr ange­nehm und dass ich vor grö­ße­ren Grup­pen ((„grö­ßer“ = „mehr als fünf Leu­te“.)) Angst habe und kein gro­ßer Freund von Small­talk und ziel­lo­sen Dis­kus­sio­nen bin, ist ja letzt­lich mein per­sön­li­ches Pro­blem.

Ich habe in der Tat noch eini­ge inter­es­san­te Din­ge erfah­ren ((So habe ich zum Bei­spiel qik.com ken­nen­ge­lernt, eine Inter­net­sei­te, die mei­ner Mei­nung nach für den end­gül­ti­gen Unter­gang des Abend­lan­des und das Ende der Mensch­heit ver­ant­wort­lich sein könn­te.)) und eini­ge span­nen­de Gesprä­che geführt. Die Alters­span­ne der Teil­neh­mer reich­te von 18 bis 57, wobei ich es vor allem groß­ar­tig fin­de, wenn auch Men­schen im fort­ge­schrit­te­nen Alter mit mehr Offen­heit auf neue Sachen zuge­hen als ich selbst mit mei­nen 24 Jah­ren.

Über­all erwähnt wur­de die über­aus unschö­ne Tat­sa­che, dass wäh­rend des Bar­camps zwei iPods ((Mobi­le Musikab­spiel­ge­rä­te der Fir­ma Apple.)) (ein Nano, ein Touch), eine Kame­ra, ein Asus Eee ((Eine Art Lap­top, aber noch klei­ner.)) und ein iBook gestoh­len wur­den. Das war im Nach­hin­ein lei­der fast abzu­se­hen bei den unzäh­li­gen Leu­ten, die zusätz­lich zu den Teil­neh­mern noch durchs Haus lie­fen. Ich bin aber über­zeugt davon, dass dem Dieb sei­ne Hän­de, sei­ne Zun­ge und sein Glied abfau­len wer­den. Wenn Sie also dem­nächst in der Esse­ner Innen­stadt einen stum­men Mann mit Arm­stümp­fen sehen, soll­ten Sie ihm noch kurz die Hose run­ter­zie­hen und ihn dann zur Poli­zei schlei­fen.

Vor Mona­ten hat­te ich gemut­maßt, ein Bar­camp sei „eine Art Kir­chen­tag“. Jetzt habe ich bei­des ein­mal mit­ge­macht und muss sagen, dass die­se Ein­schät­zung gera­de­zu pro­phe­tisch war. Bei­de Male blieb trotz einer Men­ge Skep­sis und Ärger ein ziem­lich posi­ti­ver Ein­druck – und die Fra­ge, ob ein Mal nicht aus­reicht.

Dem­nächst dann: Die gan­ze Grüt­ze noch mal in Ton und Bild.

Nach­trag, 21. März: JETZT! Grüt­ze gibt’s hier.

Kategorien
Leben

Scheiße zum Quadrat

Aus Düs­sel­dorf kommt nichts Gutes: Stu­di­en­ge­büh­ren, Alt-„Bier“ und die Toten Hosen, zum Bei­spiel. Oder der neue Slo­gan fürs Ruhr­ge­biet, den sich die Wer­be­agen­tur Grey ent­we­der aus Unkennt­nis oder rei­ner Ver­ach­tung für die dort leben­den Men­schen aus­ge­dacht hat:

Ruhrn Team-Work-Capi­tal

So wird das nie was mit der Metro­po­le. Oder auch nur mit dem ernst genom­men wer­den.

[via blog.50hz.de]

Kategorien
Politik

Die Normalität des Bösen

Udo Vet­ter hat im Law­blog eine sehr inter­es­san­te MP3 ver­linkt. Zu hören ist Ange­la Mer­kel bei ihrem gest­ri­gen Auf­tritt in der Stadt­hal­le Osna­brück, wo sie den nie­der­säch­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Chris­ti­an Wulff im Wahl­kampf unter­stütz­te.

Die­ser gut ein­mi­nü­ti­ge Aus­schnitt ist bemer­kens­wert – sprach­lich wie inhalt­lich. Und des­halb gehen wir die wesent­li­chen Stel­len mal gemein­sam durch.

Sie wer­den sich erin­nern, die Älte­ren unter Ihnen, wie vie­le Schlach­ten wir schon geschla­gen haben.

War­um aus­ge­rech­net Frau­en immer so eine mar­tia­li­sche Spra­che an den Tag legen müs­sen, habe ich mich schon bei Eva Her­man gefragt. Aber das ist hier nur ein unwich­ti­ges Detail …

Heu­te hät­ten wir weder die liba­ne­si­schen Kof­fer­bom­ber gefun­den, noch hät­ten wir die Schlä­ge­rei­en des alten Man­nes in der U‑Bahn in Mün­chen so schnell auf­klä­ren kön­nen, und heu­te fin­det jeder Video­über­wa­chung auf gro­ßen Plät­zen, öffent­li­chen Plät­zen ganz nor­mal.

Mit den „Kof­fer­bom­bern“, die auch von seriö­sen Medi­en nur unter Auf­bie­tung von Anfüh­rungs­zei­chen so genannt wer­den, war es so: Der ers­te Ver­däch­ti­ge wur­de nach Hin­wei­sen des liba­ne­si­schen Geheim­diens­tes fest­ge­nom­men, der zwei­te stell­te sich im Liba­non selbst. Und die bei­den jun­gen Män­ner, die in Mün­chen einen Rent­ner zusam­men­ge­schla­gen haben (Ist die For­mu­lie­rung „die Schlä­ge­rei­en des alten Man­nes“ nicht irgend­wie drol­lig?) wur­den mit­hil­fe eines kurz zuvor gestoh­le­nen Mobil­te­le­fons über­führt.

Auch die Behaup­tung, „jeder“ fän­de die Video­über­wa­chung „nor­mal“, hal­te ich für sehr gewagt – Frau Mer­kel aber bekannt­lich nicht.

Wenn es die Uni­on nicht gewe­sen wäre, die dafür gekämpft hät­te, dass das not­wen­dig ist, hät­ten wir heu­te noch kei­ne Video­über­wa­chung.

Es mag eine leich­te Unsi­cher­heit in der frei­en Rede sein, aber fin­den Sie es nicht auch irgend­wie merk­wür­dig, dass die Uni­on dafür „kämpft“, dass etwas „not­wen­dig“ ist? Ent­we­der etwas ist not­wen­dig, oder es ist es nicht.

Wir wer­den nicht zulas­sen, dass tech­nisch man­ches mög­lich ist, aber der Staat es nicht nutzt, dafür aber die Ver­bre­cher und Täter und Ter­ro­ris­ten es nut­zen, das ist nicht unser Staat, der Staat muss hier hart sein.

„Tech­nisch mög­lich“ sind auch die Fol­ter mit Elek­tro­schocks, die geziel­te Tötung von Ver­däch­ti­gen oder ande­re, gegen die UN-Anti­fol­ter­kon­ven­ti­on ver­sto­ßen­de Maß­nah­men. Will der Staat die zukünf­tig auch nut­zen?

Wie weit will „der Staat“ (Wer soll das über­haupt sein? Sie? Ich? Mer­kel­schäub­le­zy­pries?) beim Wett­rüs­ten mit den bösen Jungs gehen? „Die machen das, also machen wir das auch“, hal­te ich für eine sehr gefähr­li­che Argu­men­ta­ti­on, mit der man den Boden des Rechts­staats schon nach kur­zer Zeit ver­lässt.

Und: Wer sind „die Ver­bre­cher und Täter und Ter­ro­ris­ten“? Ab dem Ver­dacht zu wel­cher Straf­tat will Frau Mer­kel da wel­che tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten aus­rei­zen? Wirk­lich erst ab Ter­ro­ris­mus, oder viel­leicht doch schon bei Laden­dieb­stahl? Sicher doch auch gegen Kin­der­por­no­gra­phie, nicht? Da war die Staats­an­walt­schaft doch erst kürz­lich so mega-erfolg­reich.

Frau Mer­kels Ansich­ten sind beun­ru­hi­gend, ihre Spra­che ver­rä­te­risch.

Kategorien
Leben Digital

Vater „werden“ ist nicht schwer

Jetzt fra­ge ich mich doch wirk­lich, ob man etwas wer­den kann, das man bereits ist.

Wird Pete Doherty Vater?
[Aus­ris­se: mtv.de]

Ich wün­sche mir eine Dis­kus­si­ons­run­de mit Bas­ti­an Sick und Peter Slo­ter­di­jk, die die­ser Fra­ge auf den Grund geht.

Noch frag­li­cher ist aller­dings, wie mtv.de zu die­sem Satz kam:

Die Ein­ser-Schü­le­rin, die einen Platz an der Eli­te­uni­ver­si­tät Har­vard in Aus­sicht hat, sei sich ganz sicher, so ihr Vater der bri­ti­sche Fuß­ball-Boss Sir Alex Fer­gu­son: ‚Das Baby ist von Pete, da besteht gar kein Zwei­fel!‘

Denn ers­tens ist Fer­gu­son nicht der Vater (father), son­dern der Paten­on­kel (god­fa­ther) der schwan­ge­ren Frau und zwei­tens hat sich der Fuß­ball­ma­na­ger noch gar nicht zu dem The­ma geäu­ßert – und wird es wohl auch blei­ben las­sen, wenn er eini­ger­ma­ßen klug ist.

Kategorien
Politik Gesellschaft

Grün+Roth=Braun?

Herz­lich will­kom­men zurück bei „Der lus­ti­ge Nazi-Ver­gleich“.

Unse­re Gäs­te heu­te: In der rech­ten Ecke … Bischof Wal­ter „Reimt sich auf … Fal­ter“ Mixa, in der ande­ren rech­ten Ecke … Grü­nen-Che­fin Clau­dia Roth.

Und das kam so: Der Augs­bur­ger Bischof sprach am 2. Okto­ber beim Diö­ze­san­ko­mi­tee in Regens­burg und sag­te unter ande­rem Fol­gen­des:

Hin­ter einer fami­li­en­freund­li­chen Pro­pa­gan­da, bei der von Wahl­frei­heit und Kin­des­wohl die Rede ist, ver­birgt sich in Wirk­lich­keit ein staat­li­ches Umer­zie­hungs­pro­gramm für Frau­en und Müt­ter, mit dem jun­ge Frau­en in ers­ter Prio­ri­tät auf exter­ne Erwerbs­tä­tig­keit und Berufs­kar­rie­re statt auf Fami­li­en­ar­beit und ihre Beru­fung als Mut­ter ein­ge­stellt wer­den sol­len.

*RINGELINGELING!*

Er hat „Umer­zie­hung“ gesagt, er hat „Umer­zie­hung“ gesagt! Das ist bestimmt wie­der so ein Nazi-Begriff!

Oh, ist es nicht.

Aber Clau­dia Roth wäre nicht Clau­dia Roth, wenn ihr nicht spon­tan doch noch etwas dazu ein­ge­fal­len wäre:

Wenn Mixa mit Blick auf die drin­gend nöti­ge Ver­bes­se­rung des Krip­pen­an­ge­bots von einem ‚Umer­zie­hungs­pro­gramm’ redet, dann spielt er mit der sprach­li­chen Nähe zu Ver­bre­chen von Gulag bis Pol Pot. Er ver­höhnt Men­schen, die Opfer von schlim­men Unta­ten wur­den und dis­kre­di­tiert das Enga­ge­ment für bes­se­re Kin­der­be­treu­ung auf abso­lut uner­träg­li­che Wei­se.

Die Rus­sen! Kam­bo­dscha! Mal eine völ­lig neue Rich­tung.

Was kommt wohl als nächs­tes?

Nun, zunächst ein­mal kam zwei Wochen lang gar nichts. Dann sprach Clau­dia Roth ges­tern beim bay­ri­schen Lan­des­par­tei­tag der Grü­nen und die Medi­en kol­por­tie­ren wie folgt:

Bischof Wal­ter Mixa sei ein „durch­ge­knall­ter, spal­te­ri­scher Ober­fun­di aus Augs­burg“, sag­te die Bun­des­vor­sit­zen­de der Grü­nen.

(Quel­le: sueddeutsche.de)

Sie hat tat­säch­lich „Spal­ter!“ gesagt. Höre ich ein „Jeho­va!“?

Foul in Augs­burg:

Ein Spre­cher des Bischofs erwi­der­te, die­se Wort­wahl Roths erin­ne­re „in erschre­cken­der Wei­se an die Pro­pa­gan­da-Het­ze der Natio­nal­so­zia­lis­ten gegen die Katho­li­sche Kir­che und ihre Reprä­sen­tan­ten“.

Und gleich noch mehr:

Der Öffent­lich­keits­re­fe­rent der Diö­ze­se Augs­burg, Dirk Her­mann Voß, hat­te zuvor gesagt, er erken­ne in den per­sön­li­chen Atta­cken Roths gegen Ver­tre­ter der Kir­che und in ihrem Ver­such, sich selbst zur „Zen­sur­be­hör­de“ der gesell­schafts­po­li­ti­schen Dis­kus­si­on in Deutsch­land zu machen, „seit lan­gem schon beun­ru­hi­gen­de faschis­to­ide Züge“. Die Grü­nen sei­en damit „auf allen Ebe­nen für Chris­ten nicht wähl­bar“.

Oha, da wurd’s aber schnell all­ge­mein: „für Chris­ten nicht wähl­bar“. Und nu? Alle Grü­nen-Wäh­ler kom­men in die Höl­le? Exkom­mu­ni­ka­ti­on für Grü­nen-Wäh­ler? Und was sagen die ande­ren christ­li­chen Ver­ei­ne dazu, dass der Öffent­lich­keits­re­fe­rent der Diö­ze­se Augs­burg gleich für ihre Leu­te mit­spricht?

Leu­te, mal im Ernst: Geht’s nicht ’ne Num­mer klei­ner? Ihr seid nicht das Use­net oder die Blogo­sphä­re, Ihr seid Poli­ti­ker und Kir­chen­leu­te. Ihr müsst nicht sofort mit völ­li­ger rhe­to­ri­scher Ohn­macht reagie­ren, wenn jemand mal ande­rer Mei­nung ist als ihr – was ziem­lich genau immer der Fall sein dürf­te. Ihr redet über Fami­li­en­po­li­tik und benehmt Euch so, wie sich Drei­jäh­ri­ge im Sand­kas­ten beneh­men wür­den.

Dabei kann ich nur wenig Unter­schie­de fest­stel­len zwi­schen

Roth for­der­te in ihrer Rede beim baye­ri­schen Grü­nen-Lan­des­par­tei­tag in Deg­gen­dorf, Fami­li­en bräuch­ten end­lich eine ech­te Wahl­frei­heit, ob sie ihre Kin­der selbst beauf­sich­ti­gen woll­ten oder sie in Kin­der­krip­pen zur Betreu­ung geben.

und

Statt­des­sen müs­se staat­li­che Fami­li­en­po­li­tik die Ent­schei­dung von Eltern, ihre Kin­der selbst zu erzie­hen und nicht in staat­li­che Betreu­ungs­ein­rich­tun­gen zu geben, in glei­cher Wei­se för­dern wie den Aus­bau von Krip­pen­plät­zen, for­dert der Bischof.

Die wol­len doch bei­de das Glei­che, oder nicht?

Kategorien
Gesellschaft

Im Stechschritt in den Fettnapf

Ich woll­te nichts mehr über Eva Her­man schrei­ben, wirk­lich nicht. Die Frau war für mich unter DBDDHKPUAKKU1 ein­sor­tiert und ich woll­te zum Tages­ge­schäft über­ge­hen. Doch dann stol­per­te ich bei den Ost­hes­sen News über einen Ton­mit­schnitt ihrer Rede beim Forum Deut­scher Katho­li­ken, die ja auch schon für etwas Wir­bel gesorgt hat­te.

Um nicht als bös­wil­lig, sinn­ent­stel­lend und gleich­ge­schal­tet zu gel­ten, habe ich mir mit den Zäh­nen in der Tisch­plat­te die gan­ze Rede ange­hört. Danach wuss­te ich zumin­dest, war­um sie bei Ker­ner nicht auf die Argu­men­te der ande­ren Gesprächs­part­ner ein­zu­ge­hen ver­moch­te: Sie woll­te gera­de ihre Rede vom Wochen­en­de aus­wen­dig auf­sa­gen und war nicht auf Impro­vi­sa­tio­nen ein­ge­stellt.

Aus der Rede wird eines deut­lich, noch deut­li­cher als aus ihrem Auf­tritt bei Ker­ner: Eva Her­man wird nie als gro­ße Rhe­to­ri­ke­rin in die Geschich­te ein­ge­hen. Da beschwert sie sich erst, ein Halb­satz von ihr sei falsch und sinn­ent­stel­lend zitiert wor­den und sie wür­de ja eh immer schnell in die rech­te Ecke gerückt, und dann sagt sie allen Erns­tes Sät­ze wie die­se:

„Wir mar­schie­ren im Stech­schritt durch einen anstren­gen­den All­tag vol­ler Wider­sprü­che. Wir seh­nen uns ver­zwei­felt nach Gebor­gen­heit, Heim und Fami­lie, und kämp­fen täg­lich unser ein­sa­mes Gefecht in der männ­lich gepräg­ten Arbeits­welt.“

„Mar­schie­ren“! „Im Stech­schritt“! „Ein­sa­mes Gefecht“! Wer auch immer der Frau sei­nen Meta­phern-Duden gelie­hen hat: Er soll­te ihn schnells­tens zurück­for­dern.

Kei­ne zwei Minu­ten spä­ter:

„Sofern jemand das Wort erhebt und sich für die­se Wer­te ein­setzt, wird er bom­bar­diert, es wird Nazi­lob in ihn pro­je­ziert und gleich­zei­tig wird er als Sym­pa­thi­sant die­ser Ideo­lo­gie öffent­lich ver­ur­teilt.“

Er wird „bom­ba­diert“? Ja hal­lo, geht’s denn noch? Muss sich eine Frau, der die brau­ne Kacke nur so am Schuh klebt, denn auch noch hin­stel­len und aus dem rie­si­gen Strauß sprach­li­cher Bil­der aus­ge­rech­net die­je­ni­gen her­aus­pi­cken, auf denen „Explo­si­ve devices, do not touch“ steht?

Ali­ce Schwar­zer bezeich­net sie als „Chef-Femi­nis­tin“, die mit­ver­ant­wort­lich sei für eine der „bei­spiel­lo­ses­ten Abtrei­bungs­kam­pa­gnen auf die­ser Erde“ und man freut sich, dass man sich an dem Super­la­tiv der Bei­spiel­lo­sig­keit fest­bei­ßen kann und gar nicht erst auf die inhalt­li­che Ebe­ne hin­un­ter­klet­tern muss.

Frau Her­man fürch­tet allen Erns­tes, dass „wir“ aus­ster­ben und ange­sichts der immer schnel­ler wach­sen­den Welt­be­völ­ke­rung müss­te sie sich eigent­lich fra­gen las­sen, wer zum Hen­ker denn da aus­ster­ben soll. Sie kann von Glück reden, dass gera­de kein böser, gleich­ge­schal­te­ter Jour­na­list vor­bei­kam, der ihr zyni­scher­wei­se „das deut­sche Volk“ unter­stel­len woll­te.

Bald sieht sie sich und die Ihri­gen gar ver­folgt und spä­tes­tens in die­sem Moment wäre ich wohl auf­ge­sprun­gen und hät­te sie los­ge­schickt, mal fünf Minu­ten mit jeman­dem zu reden, der wirk­lich ver­folgt wur­de oder wird. Egal ob im Drit­ten Reich, in der DDR oder in Chi­na.

Noch was rich­tig unglück­lich For­mu­lier­tes? Bit­te­schön:

„Die Sta­tis­ti­ken, die ernüch­ternd sind, die Dis­kus­si­on, die Ursa­chen und die Fol­gen der heu­ti­gen Kin­der­lo­sig­keit wer­den mich auch wei­ter­hin dazu bewe­gen, die­se Dis­kus­si­on zu füh­ren – da hilft auch kein Berufs­ver­bot.“

„Berufs­ver­bot“?! Nee, sicher: Gab’s auch alles schon vor den Nazis und hin­ter­her natür­lich auch. Zum Bei­spiel für die viel­ge­schol­te­nen Acht­und­sech­zi­ger.

In den USA wür­de man spä­tes­tens hier den Umstand beto­nen, wie toll es doch sei, in einem frei­en Land leben zu kön­nen, wo jeder frei spre­chen kön­ne – auch Eva Her­man. Und viel­leicht soll­te man wirk­lich mal die Gold­waa­ge weg­pa­cken, die sprach­li­che Ebe­ne auf der eh nichts mehr zu holen ist, ver­las­sen und sich dem Inhalt­li­chen zuwen­den.

So erzählt Eva Her­man die Geschich­te, wie sehr die Geburt ihres Kin­des ihr Leben ver­än­dert habe, und wie unver­ein­bar Fami­lie für sie plötz­lich mit einem Beruf schien. Man glaubt ihr das ja, man ahnt, dass man hier ganz nah dran ist an dem Knacks, den die­se Frau irgend­wann mal erlit­ten haben muss. Nur schließt sie dabei wie so oft von ihrer per­sön­li­chen Erfah­rung auf ande­re und selbst, wenn ihr statt 700 Katho­li­ken 700.000 zuge­ju­belt hät­ten, wür­den mir immer noch genug Frau­en ein­fal­len, die Beruf und Fami­lie unter einen Hut bekom­men haben – offen­bar ohne dar­an zu zer­bre­chen.

Man soll­te ihre Mei­nung und vor allem ihren Glau­ben respek­tie­ren, soll­te sie bemit­lei­den für die Kar­rie­re, die sie tra­gi­scher­wei­se gemacht hat, und sie beglück­wün­schen dafür, dass sie für sich die „Wahr­heit“ ent­deckt hat – so, wie man jedem Men­schen wünscht, dass er nach sei­ner Fas­son glück­lich wer­de. Aber sie macht es einem so schwer, indem sie ihre Ansich­ten als unum­stöß­li­che Fak­ten dar­stellt, das Sin­gle­da­sein als unvoll­ende­ten Schöp­fungs­wil­len betrach­tet und in einer Tour von einem „Wir“ spricht, ohne je zu sagen, wer das sein soll: Alle Frau­en, alle kon­ser­va­ti­ven Frau­en, alle para­no­iden Ex-Fern­seh­mo­de­ra­to­rin­nen?

Eva Her­mans Welt­sicht ist eine der­art ver­quas­te­te Melan­ge aus Kapi­ta­lis­mus­kri­tik, Schöp­fungs­leh­re und Fort­schritts­feind­lich­keit, dass ich mir dage­gen wie ein neo­li­be­ra­ler Athe­ist vor­kom­me – und so will ich mich nie wie­der füh­len. Fast wäre man geneigt zu sagen, sie habe einen Urknall, wenn man sich nicht sicher sein könn­te, dass sie genau den nicht hat.

1 Doof bleibt doof, da hel­fen kei­ne Pil­len und auch kei­ne kal­ten Umschlä­ge.

Nach­trag 13:14 Uhr: Irgend­wie scheint der gan­ze The­men­kom­plex ver­un­glück­te Meta­phern regel­recht anzu­zie­hen. Dies­mal ist es Franz Josef Wag­ner, der Ker­ner vor­wirft, mit Her­man über­haupt über das The­ma Natio­nal­so­zia­lis­mus gespro­chen zu haben.

Mit die­sen Wor­ten:

Das Mons­ter Hit­ler sprengt unse­re Tafel­run­de.

Kategorien
Digital

Turbojugend Amazonas

Ja, bei Namen, die auf „S“ enden, ist es in der deut­schen Spra­che gera­de­zu unmög­lich, einen halb­wegs ansehn­li­chen Geni­tiv zu bil­den. Gera­de, wenn es auto­ma­tisch erfol­gen soll.

Ich glau­be zwar, dass ein Inter­net­händ­ler, der mir auf­grund mei­ner bis­he­ri­gen Bestel­lun­gen Vor­schlä­ge unter­brei­ten kann, was mir noch so gefal­len könn­te, auch in der Lage sein soll­te, Namen, die auf „S“ enden, ein ein­fa­ches Apo­stroph anzu­hän­gen, aber viel­leicht erwar­te ich auch zu viel von Amazon.de.

Und ohne die­sen char­man­ten Feh­ler hät­te es heu­te gar kei­nen Blog­post gege­ben:

“Lukass Shop” bei amazon.de

P.S.: Soll­te sich Ihnen ein mög­li­cher Witz über­haupt nicht erschlie­ßen und soll­ten Sie die Über­schrift allen­falls als ver­wir­rend emp­fin­den: Igno­rie­ren Sie die­sen Bei­trag ein­fach. Der nächs­te all­ge­mein­ver­ständ­li­che kommt bestimmt.

Kategorien
Politik Gesellschaft

Stopf den Tisch oder ich butter dir die Bremen

Auch wenn uns poli­tisch wenig bis gar nichts ver­band, war Hel­mut Kohl immer „mein“ Kanz­ler. Er war schon Kanz­ler, als ich auf die Welt kam, und als er es plötz­lich (nach 16 Jah­ren!) nicht mehr war, war ich ver­wirrt. Sag­te der Nach­rich­ten­spre­cher „Bun­des­kanz­ler“, ver­voll­stän­dig­te ich im Geis­te „Hel­mut Kohl“. In mei­ner Erin­ne­rung wird Kohl immer zu glei­chen Tei­len die „Hur­ra Deutschland“-Gummipuppe und der Fels in der Bran­dung sein. Er war der gro­ße „Aus­sit­zer“, die sprich­wört­li­che deut­sche Eiche, die es nicht im min­des­ten inter­es­sier­te, wel­che Sau sich gera­de wie­der an ihr rieb. Kohl hat sie alle über­stan­den: Schmidt, Strauß, Möl­le­mann. Es gab Bücher vol­ler Kohl-Wit­ze und ich wür­de ihm zutrau­en, dass er, wenn ihm mal jemand ein sol­ches Buch geschenkt hät­te, die­ses demons­tra­tiv auf dem Fens­ter­brett der Gäs­te­toi­let­te sei­nes Oggers­hei­mer Bun­ga­lows plat­ziert hät­te, um zu zei­gen, wie wenig ihn das alles anfocht. Wenn er doch mal die Con­ten­an­ce ver­lor, wie als er sich in Hal­le auf einen Mann stürz­te, der ihn mit Eiern bewor­fen hat­te, dann zeig­te er in einer sol­chen Sze­ne Mensch­lich­keit, phy­si­sche Prä­senz und den Wil­len, sich not­falls selbst zu ver­tei­di­gen. Die Hal­len­ser Eier­wurf-Geschich­te ist eine Epi­so­de in der an Epi­so­den nicht armen Außen­wir­kung Kohls. Sei­ne inne­re Ruhe geht so weit, dass ihn auch die Bon­ner Staats­an­walt­schaft nicht davon über­zeu­gen kann, sein Ehren­wort zu bre­chen.

Kohls Nach­fol­ger als Bun­des­kanz­ler war Ger­hard Schrö­der, der unter ande­rem dadurch in die Geschich­te und das kol­lek­ti­ve Gedächt­nis ein­ging, dass er gericht­lich gegen die Behaup­tung vor­ging, sein gleich­mä­ßig dunk­les Haupt­haar sei gefärbt. Etwa fünf Jah­re spä­ter setz­te Schrö­ders Gat­tin gericht­lich durch, dass der „Stern“ nicht behaup­ten darf, sie habe die Idee gehabt, eine Neu­wahl des Bun­des­tags mit­tels Ver­trau­ens­fra­ge zu erwir­ken. Hel­mut Kohl wur­de zu die­ser Zeit, allen Ehren­wor­ten zum Trotz, als Kan­di­dat für den Frie­dens­no­bel­preis gehan­delt.

Eben­falls einen Pro­zess gewann im Jahr 2005 Schrö­ders dama­li­ger Ver­kehrs­mi­nis­ter Man­fred Stol­pe. Er darf seit­dem nicht mehr als „ehe­ma­li­ger Sta­si-Mit­ar­bei­ter“ oder „IM“ bezeich­net wer­den, auch wenn Stol­pe selbst sagt, er habe als Sekre­tärs des Bun­des der Evan­ge­li­schen Kir­che der DDR „zu vie­len staat­li­chen Stel­len Kon­takt gehal­ten, dar­un­ter auch zur Staats­si­cher­heit“, und der Birth­ler-Behör­de Akten vor­lie­gen, die den Ver­dacht erhär­ten, Stol­pe sei als Infor­mel­ler Mit­ar­bei­ter „gewor­ben“ wor­den. Die soge­nann­te „Stol­pe-Ent­schei­dung“ des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts besagt im Kern, dass es bei einer mehr­deu­ti­gen Äuße­rung aus­rei­che, wenn nur eine mög­li­che Inter­pre­ta­ti­on die­ser Äuße­rung die Per­sön­lich­keits­rech­te des Klä­gers ver­let­ze.

Natür­lich möch­te nie­mand Unwahr­hei­ten oder Belei­di­gun­gen über sich selbst lesen und selbst­ver­ständ­lich gibt es einen Unter­schied zwi­schen der Aus­sa­ge „Lukas hat­te Kon­tak­te zu Apfel­die­ben (weil er in der Grund­schu­le neben einem saß)“ (Saß ich nicht, bzw. ich wüss­te nichts davon. Es ist ein Bei­spiel, lie­be frü­he­ren Mit­schü­ler!) und „Lukas war/​ist ein Apfel­dieb“. Nur haben die Ver­fas­sungs­rich­ter mit die­sem Grund­satz­ur­teil die Büch­se der Pan­do­ra geöff­net, denn mehr­deu­tig und inter­pre­tier­bar ist eine gan­ze Men­ge: Eine ver­ul­ken­de Berufs­be­zeich­nung für Fern­seh­an­sa­ge­rin­nen, die auch als abwer­ten­de Bezeich­nung für das weib­li­che Geschlecht ver­stan­den wer­den könn­te? Die „Stol­pe-Ent­schei­dung“ ist mit Euch (und sorgt dafür, dass sowohl die ver­ul­ken­de Berufs­be­zeich­nung, als auch die Fern­seh­an­sa­ge­rin erst­mals einem grö­ße­ren Publi­kum bekannt wer­den). Eine Beschrei­bung für Men­schen, die im Fern­se­hen anru­fen, dann aber nichts oder völ­lig unpas­sen­des Zeug sagen, die auch als Unter­stel­lung den Ange­ru­fe­nen gegen­über ver­stan­den wer­den könn­te? Die „Stol­pe-Ent­schei­dung“ hilft.

Ich bin kein Jurist und juris­tisch mögen die­se Urtei­le auch völ­lig logisch begründ­bar sein. Lin­gu­is­tisch sind sie es nicht. Wer sagt, dass eine Wort­neu­schöp­fung irgend­et­was bedeu­ten könn­te, und ein Wort syn­onym für ein ande­res ste­hen könn­te (das aber wohl in kaum einem Fall sinn­voll), stellt die Grund­kon­ven­ti­on in Fra­ge, auf der jede Spra­che auf­baut. Es besteht zum Bei­spiel die Kon­ven­ti­on, dass das Ding mit der Plat­te aus Holz und den vier Bei­nen unten­drun­ter „Tisch“ genannt wird. Nur so weiß der klei­ne Peter, was die Leh­re­rin meint, wenn sie sagt „Peter, kle­be doch bit­te Dein Kau­gum­mi nicht unter Dei­nen Tisch“. Und das gilt – Sie haben es bereits erra­ten – nicht nur für das Wort bzw. das Kon­zept „Tisch“, son­dern für jedes Wort des Sat­zes und der gesam­ten Spra­che. Für die Wis­sen­schaft, die sich mit der Bedeu­tung von Wor­ten befasst, gibt es, welch Iro­nie, zwei ver­schie­de­ne Begrif­fe: Wort- oder lexi­ka­li­sche Seman­tik. Wer tie­fer in die­se Mate­rie ein­stei­gen will, kommt bei­spiels­wei­se um Fer­di­nand de Sauss­u­re kaum her­um.

Die Annah­me, ein Wort kön­ne auch für etwas völ­lig ande­res ste­hen (und wir reden hier natür­lich nicht über Hom­ony­me, sog. „Tee­kes­sel­chen“ wie „Ball“ [run­des Sportobjekt/​Tanzveranstaltung] oder „Bank“ [Geldinstitut/​Sitzmöbel]), hat etwas post­struk­tu­ra­lis­ti­sches. Denkt man den Gedan­ken zu Ende, könn­te alles buch­stäb­lich alles bedeu­ten. Nicht weni­ge Leu­te, die regel­mä­ßig Brie­fe schrei­ben oder erhal­ten (z.B. Leser­brief­schrei­ber), wis­sen, dass die Gruß­for­mel „Hoch­ach­tungs­voll“ auch etwas ganz ande­res bedeu­ten kann. Etwas, bei des­sen öffent­li­cher Aus­spra­che man immer beto­nen muss, Goe­thes „Götz von Ber­li­chin­gen“ zu zitie­ren. Kann ich also jedes alte Ömma­cken, das noch gelernt hat, was sich gehört und wie man Brie­fe schreibt, ver­kla­gen, weil sie mich mit ihrem „Hoch­ach­tungs­voll“ belei­digt haben könn­te?

Ja, wie­so denn eigent­lich nicht? Ich kann doch auch sagen, das Ding mit der Plat­te aus Holz und den vier Bei­nen drun­ter nen­ne ich jetzt „Brot“, und das Zeugs aus Kör­nern, wo man sich mor­gen sei­ne Nuss­nou­gat­creme draufstreicht, nen­ne ich „Wal­de­mar“. Wenn ich das kon­se­quent durch­zie­he, ver­steht mich bald nie­mand mehr, aber ich habe eine neue inter­es­san­te Frei­zeit­be­schäf­ti­gung, näm­lich Wor­te durch ande­re zu erset­zen. Und da eini­ge Per­so­nen die inter­es­san­te Frei­zeit­be­schäf­ti­gung, ande­re Leu­te juris­tisch zu belan­gen, aus den USA impor­tiert haben, ist nicht aus­ge­schlos­sen, dass es in Zei­tungs­ar­ti­keln, Blog­ein­trä­gen und auch in der All­tags­spra­che bald von „Du weißt schon wer„s und „He who must not be named„s wim­meln könn­te. („Wobei das natür­lich gar nichts bräch­te, weil man ja anneh­men könn­te, wer mit die­sen Chif­fren gemeint sein soll­te“, sag­te das Uni­ver­sum und lös­te sich in einem Logik­wölk­chen auf.)

Spra­che ist etwas, mit dem jeder jeden Tag zu tun hat. Wirk­lich jeder und über­all (die Aus­nah­men müss­ten so kon­stru­iert sein, dass man ihnen schon wie­der Bos­haf­tig­keit unter­stel­len könn­te), des­we­gen denkt offen­bar auch jeder, er ken­ne sich damit aus. Nur von Fuß­ball haben noch mehr Deut­sche Ahnung (näm­lich alle außer dem jeweils aktu­el­len Bun­des­trai­ner) als von Spra­che. Wer­den Lin­gu­is­ten um Gut­ach­ten gebe­ten, wer­den die­se meist schlicht igno­riert. Man stel­le sich nur mal vor, ein Rich­ter sage dem Dekra-Sach­ver­stän­di­gen, der gera­de erklärt hat, ein Auto kön­ne nicht inner­halb von 1,8 Sekun­den von 250 km/​h zum Still­stand gebracht wer­den (und das in einem Ver­kehrs­be­ru­hig­ten Bereich), es sei ja ganz schön, was er da gera­de von sei­ner put­zi­gen Wis­sen­schaft aus sei­nem schmu­cken Elfen­bein­turm berich­tet habe, aber er fah­re ja sel­ber Auto und kön­ne daher durch­aus befin­den, dass das sehr wohl gehe. Mit Geis­tes­wis­sen­schaft­lern, die­sem Pack, das nur Bücher liest und kei­ne neu­en Auto­mo­to­ren oder Atom­bom­ben ent­wi­ckelt, und auch kei­ne Kon­zep­te zur Ein­spa­rung von 30.000 Arbeits­kräf­ten bei gleich­zei­ti­ger Stei­ge­rung der Pro­duk­ti­vi­tät erar­bei­ten kann, mit denen kann man offen­bar alles machen.

Was? Ich schwei­fe ab, ich ertrin­ke in Wel­ten­schmerz und wer­de über Gebühr sar­kas­tisch? Nein, das müs­sen Sie irgend­wie falsch inter­pre­tiert haben.

Kategorien
Digital

Spiegelkinder

Im letz­ten Jahr­tau­send, als ich noch die „Com­pu­ter Bild“ gele­sen habe (die mir erklär­te, wie man unter „Word 97“ einen Flip­per star­ten kann, und dass man das Wort „Brow­ser“ als „Brau­ser“ aus­spricht), zeich­ne­ten sich deren Arti­kel durch teils erschüt­tern­de „Wort­spie­le“ in der Über­schrift aus. Ich erin­ne­re mich an „Brenn­punkt CD“, „Eulen nach Daten“ und „Han­dy hoch“ oder sowas in der Art.

Heu­te brau­che ich kei­ne „Com­pu­ter Bild“ mehr. Heu­te habe ich „Spie­gel Online“:

“Fluch der Karibit” bei “Spiegel Online”

Kategorien
Print Leben

Übliches Ableben

Am Flug­ha­fen von San Fran­cis­co ist ein toter Chi­ne­se im Bauch eines Flug­zeugs ent­deckt wor­den – offen­bar ein blin­der Pas­sa­gier aus Shang­hai.

Für die Art, wie der „San Fran­cis­co Chro­nic­le“ die­sen und ver­gleich­ba­re Fäl­le beschreibt, müss­te man eigent­lich eine Stei­ge­rungs­form von „lako­nisch“ erfin­den:

Bodies are peri­odi­cal­ly found in the wheel wells of air­planes, usual­ly after peo­p­le seek covert ent­ry into the United Sta­tes or Euro­pe. Such sto­wa­ways usual­ly die during the flight.