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Ups, verworfen!

Hier iirrt „Mee­dia“:

Groenewold will klagen und Presserat anrufen. Fall Wulff: Recherche-Vorwürfe gegen Bild

Man kann „Bild“ ja vie­les vor­wer­fen, aber Recher­che ist erfah­rungs­ge­mäß sel­ten dabei.

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Christian Wulff schockt Redakteure

So lang­sam wird es wirk­lich eng für Chris­ti­an Wulff. „Spie­gel Online“ kann heu­te mit einer wei­te­ren Ent­hül­lung auf­war­ten, die den Rück­halt des Bun­des­prä­si­den­ten wei­ter schmä­lern dürf­te.

Für wie bri­sant die Redak­teu­re die neu­es­te Geschich­te hal­ten, zeigt schon ihre Plat­zie­rung: Auf der Start­sei­te, direkt unter dem Auf­ma­cher.

Wulffs Verhältnis zu den Medien: "Manchmal schock ich Redakteure". Der Bundespräsident hat ein schwieriges Verhältnis zu den Medien, nicht erst seit dem Anruf beim "Bild"-Chef. Schon als Ministerpräsident wetterte Christian Wulff gegen kritische Berichterstattung. Selbst bei einem Auftritt mit Kindern gab es Schelte vom damaligen Landesvater.

Mei­ne Güte, der Mann schreckt aber auch vor nichts zurück:

Selbst bei einem Auf­tritt mit Kin­dern gab es Schel­te vom dama­li­gen Lan­des­va­ter.

Das klingt, als habe der ehe­ma­li­ge Traum-Schwie­ger­sohn Kin­der vor den Augen von Jour­na­lis­ten ver­dro­schen – und ist völ­li­ger Unsinn.

Zuge­tra­gen hat­te sich bei der „Kin­der-Pres­se­kon­fe­renz“ der „Braun­schwei­ger Zei­tung“ im Jahr 2008 laut „Spie­gel Online“ fol­gen­des:

Er sagt zwar, er kön­ne mit Kri­tik gut umge­hen, aber nur, wenn er sie für berech­tigt hal­te. „Wenn Kri­tik unbe­rech­tigt ist, bin ich genau­so ärger­lich wie jeder, der sich kri­ti­siert fühlt, das aber nicht ein­se­hen will.“ Und dann wen­det er sich an sein Publi­kum, die fra­ge­stel­len­den Kin­der, damit die ver­ste­hen, dass es beim Berufs­po­li­ti­ker Wulff und der Pres­se genau­so ist wie bei ihnen, wenn sie von ihren Eltern einen Rüf­fel bekom­men. Schließ­lich wür­den die Kin­der auch schmol­len und sich zurück­zie­hen, wenn die Eltern meckern. „Inso­fern bin ich bei Kri­tik, wenn sie unbe­rech­tigt ist, manch­mal sehr grim­mig“, so Wulff.

Noch 20 Jah­re spä­ter kön­ne er sich an unlieb­sa­me Bericht­erstat­tung erin­nern, prahlt Wulff, und erzählt dann, wie er Jour­na­lis­ten direkt ange­he: „Manch­mal schock‘ ich Redak­teu­re, die was geschrie­ben haben, und sage: Damals, ’81, lin­ke Spal­te, drit­te Sei­te – und das neh­men die mir manch­mal übel!“ Denn Wulff weiß: „Wenn Jour­na­lis­ten mal kri­ti­siert wer­den, dann kann ich euch sagen, dann ist was los.“ Das könn­ten die Jour­na­lis­ten näm­lich über­haupt nicht aus­hal­ten.

(Wenn Wulff „ich bin ärger­lich“ sagt, meint er damit, dass er ver­är­gert sei. So viel zum Gerücht, die Nie­der­sach­sen hät­ten kei­ne merk­wür­di­ge Spra­che.)

Die Behaup­tung, dass (eini­ge) Jour­na­lis­ten kei­ne Kri­tik ver­trü­gen, ist – ver­gli­chen mit Wulffs stra­te­gi­schem Ver­hält­nis zur Wahr­heit und sei­nen bemer­kens­wer­ten Inter­pre­ta­ti­on von Begrif­fen wie „markt­üb­lich“ – ein beto­nier­tes Fakt. Nicht häu­fig, aber häu­fi­ger als nie, bekom­men wir beim BILD­blog E‑Mails von Jour­na­lis­ten, denen wir Feh­lern nach­ge­wie­sen oder deren Arbeit wir kri­ti­siert haben, und nicht immer sind die­se Zuschrif­ten sach­lich. In sel­te­nen Fäl­len beschimp­fen uns Chef­re­dak­teu­re in viel­far­bi­gen Tira­den, wes­we­gen ich ganz froh bin, dass ich nicht weiß, wie man die Mail­box an mei­nem Han­dy ein­schal­ten kann.

Dass Wulff vor Kin­dern damit koket­tiert, wie nach­tra­gend er angeb­lich sein kön­ne, ist natür­lich etwas besorg­nis­er­re­gend, aber es spricht doch für sich. Dass Wulff gegen kri­ti­sche Bericht­erstat­tung „wet­ter­te“, wie „Spie­gel Online“ im Vor­spann voll­mun­dig ver­spricht, lässt sich aus die­sen Zita­ten nicht ein­mal mit viel schlech­tem Wil­len her­aus­le­sen.

Im Gegen­teil: Wulff hat es sogar men­scheln las­sen.

„Wir Poli­ti­ker wer­den ja stän­dig kri­ti­siert“, sagt Wulff, „wir haben ein ganz dickes Fell.“ Er wol­le aber auch, dass Men­schen mit dün­nem Fell in der Poli­tik sein kön­nen. Das jedoch sei schwie­rig, man lese ja jeden Tag was über sich in der Zei­tung. „Das ist nicht alles nur posi­tiv.“

Nun hat sich in den letz­ten Wochen der Ein­druck auf­ge­drängt, dass Wulffs Fell in etwa so dick ist wie das eines Nackt­mulls in der Mau­ser. Inso­fern kann der Rück­blick auf die­se harm­lo­se Ver­an­stal­tung – natür­lich beglei­tet von einem 37-sekün­di­gen Video mit Wer­bung – durch­aus loh­nens­wert sein.

Aber doch bit­te nicht der­art bemüht:

Doch selbst bei die­ser harm­lo­sen Ver­an­stal­tung, fast vier Jah­re vor sei­nem umstrit­te­nen Anruf beim „Bild“-Chefredakteur, zeig­te Wulff, wie sehr ihm Jour­na­lis­ten auf die Ner­ven gehen – und wie nach­tra­gend er bei kri­ti­scher Bericht­erstat­tung ist.

Im Übri­gen schafft es der Arti­kel, Wulffs Image zumin­dest bei mir wie­der ein biss­chen auf­zu­po­lie­ren: Ein Mann, der angibt, Tapi­re und Mana­tis zu mögen, kann kein ganz schlech­ter Mensch sein.

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Digital Gesellschaft

Absolut nicht aussagekräftig

Es ist ein erschüt­tern­de Nach­richt, die „Spie­gel Online“ heu­te über­bringt:

Nir­gend­wo in Deutsch­land wer­den mehr rech­te Straf­ta­ten gezählt als in dem bevöl­ke­rungs­rei­chen Nord­rhein-West­fa­len.

Und nicht nur das: Auch die meis­ten Ver­kehrs­un­fäl­le, Ehe­schei­dun­gen und Ster­be­fäl­le wer­den im bevöl­ke­rungs­rei­chen Nord­rhein-West­fa­len gezählt. (Aber auch die meis­ten Ehe­schlie­ßun­gen und Gebur­ten.)

Tat­säch­lich bringt es erstaun­lich wenig, die abso­lu­ten Zah­len ver­schie­de­ner Bun­des­län­der zu irgend­ei­nem The­ma zu ver­glei­chen.

Im Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2010 (PDF) steht zum Bei­spiel:

Die – in abso­lu­ten Zah­len – meis­ten poli­tisch rechts moti­vier­ten Gewalt­ta­ten mit extre­mis­ti­schem Hin­ter­grund ereig­ne­ten sich mit 149 regis­trier­ten Delik­ten in Nord­rhein-West­fa­len, das aller­dings bezo­gen auf je 100.000 Ein­woh­ner im mitt­le­ren Feld der Sta­tis­tik liegt.

Jörg Diehl, Düs­sel­dor­fer Kor­re­spon­dent des Online-Maga­zins, ver­brei­tet die wenig erstaun­li­che Null­in­for­ma­ti­on schon län­ger:

Das Kli­schee besagt zwar, Skin­heads und Neo­na­zis trie­ben vor allem im Osten der Repu­blik ihr Unwe­sen, doch in Wahr­heit wer­den nir­gend­wo in Deutsch­land mehr rech­te Straf­ta­ten gezählt als in dem bevöl­ke­rungs­rei­chen Nord­rhein-West­fa­len.

(31. August 2011)

Das Kli­schee besagt zwar, Skin­heads und Neo­na­zis trie­ben vor allem im Osten der Repu­blik ihr Unwe­sen, doch in Wirk­lich­keit wer­den nir­gend­wo in Deutsch­land mehr rech­te Straf­ta­ten gezählt als in Nord­rhein-West­fa­len.

(15. Juni 2011)

Das Gute an Diehls aktu­el­lem Arti­kel aber ist, dass man bei der Lek­tü­re kaum bis zu dem unsin­ni­gen Satz durch­dringt – vor­her ist man näm­lich schon über den Ein­stieg gestol­pert und bewusst­los lie­gen geblie­ben:

Man hät­te mei­nen kön­nen, die Neo­na­zis hiel­ten sich erst ein­mal zurück. Man hät­te den­ken kön­nen, die all­ge­mei­ne Empö­rung über die der Zwi­ckau­er Zel­le zuge­schrie­be­nen Ver­bre­chen mach­te sie viel­leicht nach­denk­lich. Doch das Gegen­teil scheint der Fall zu sein: Wäh­rend die Repu­blik mit der bit­te­ren Erkennt­nis ringt, dass es hier­zu­lan­de tat­säch­lich rechts­ra­di­ka­le Ter­ro­ris­ten gibt, schla­gen die Glat­zen in Dort­mund wie­der zu.

Natür­lich: Bei all der „all­ge­mei­nen Empö­rung“ wer­den Neo­na­zis „nach­denk­lich“. Weil das, was die­se Leu­te jah­re­lang am Liebs­ten gemacht hät­ten, schon jah­re­lang gemacht wur­de.

Wer sei­ne Arti­kel in einer der­ar­ti­gen rhe­to­ri­schen und logi­schen Schief­la­ge eröff­net, kann sie auch so been­den. Bei Jörg Diehl liest sich das so:

Jetzt aller­dings könn­ten die Dort­mun­der Neo­na­zis mit Sven K. einen schlag­kräf­ti­gen Kader ver­lie­ren. Seit Sonn­tag sitzt der 24-Jäh­ri­ge in Unter­su­chungs­haft und schon macht in Jus­tiz­krei­sen ein Wort die Run­de, das eigent­lich auch von den lin­ken Akti­vis­ten sehr begrüßt wird. Es lau­tet: Siche­rungs­ver­wah­rung.

Offi­zi­ell indes mag sich die Staats­an­walt­schaft dazu nicht äußern. Noch nicht.

Lin­ke Akti­vis­ten begrü­ßen das Wort „Siche­rungs­ver­wah­rung“ (aber nur eigent­lich) und die Staats­an­walt­schaft mag sich dazu noch nicht äußern. Und das alles im bevöl­ke­rungs­rei­chen Nord­rhein-West­fa­len.

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Print Politik

Man hat sich entschuldigt

In unse­rer belieb­ten Rei­he „Öfter mal ‚man‘ sagen“ heu­te zu Gast: Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg, Ex-Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter und Ex-Dok­tor.

In dem ohne­hin hoch­gra­dig ver­stö­ren­den Gespräch, das „Zeit“-Chefredakteur Gio­van­ni di Loren­zo mit Gut­ten­berg geführt hat, ereig­net sich unter ande­rem fol­gen­der Dia­log:

ZEIT: Wel­che Fra­gen sind es denn, die Ihnen die Wohl­mei­nen­den stel­len?

Gut­ten­berg: Es ist vor allem die Fra­ge, wie es bei jeman­dem, des­sen poli­ti­sche Arbeit man sehr geschätzt hat, zu einer so unglaub­li­chen Dumm­heit wie die­ser Dok­tor­ar­beit kom­men konn­te. Und ich hat­te noch nicht die Mög­lich­keit, die­se Fra­gen in aller Offen­heit zu beant­wor­ten.

ZEIT: Was kön­nen Sie denn jetzt in aller Offen­heit sagen?

Gut­ten­berg: Es steht völ­lig außer Fra­ge, dass ich einen auch für mich selbst unge­heu­er­li­chen Feh­ler began­gen habe, den ich auch von Her­zen bedaue­re. Das ist in die­ser sehr hek­ti­schen Zeit damals auch ein Stück weit unter­ge­gan­gen. Eben­so, wie man sich damals bereits ent­schul­digt hat.

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Digital

Jetzt oder Apophänie

Täg­lich gibt es neue Erkennt­nis­se, Spe­ku­la­tio­nen und Mut­ma­ßun­gen über die rechts­ra­di­kal moti­vier­te Mord­se­rie, die die Pres­se etwas wider­wil­lig nicht mehr als „Döner-Mor­de“ zu bezeich­nen ver­sucht.

Seit Mon­tag berich­ten die Medi­en dar­über, dass es even­tu­ell eine wie auch immer gear­te­te Ver­bin­dung zwi­schen der im Rah­men der Mord­se­rie eben­falls erschos­se­nen Poli­zis­tin und den Mör­dern gege­ben haben könn­te.

Der Arti­kel bei „Spie­gel Online“ endet mit den Wor­ten:

In Poli­zei­krei­sen kur­siert inzwi­schen eine neue Theo­rie der Tat: Dem­nach könn­ten sich die abge­tauch­ten Rechts­ter­ro­ris­ten und mut­maß­li­chen Kil­ler, Uwe Mund­los und Uwe Böhn­hardt, von der Beam­tin erkannt gefühlt haben. Viel­leicht führ­ten die Neo­na­zis etwas ande­res im Schil­de, als Kie­se­wet­ter und ihr Kol­le­ge Mar­tin A. dem Duo zufäl­lig über den Weg lie­fen. Das erklär­te, war­um die Täter das Risi­ko auf sich nah­men, zwei bewaff­ne­te Poli­zis­ten am hell­lich­ten Tag auf einem beleb­ten Platz nie­der­zu­schie­ßen. Sie glaub­ten, umge­hend han­deln zu müs­sen.

Das war nicht von Anfang an der letz­te Absatz. In der ers­ten Ver­si­on folg­ten noch zwei wei­te­re Sät­ze:

Offi­zi­el­len Anga­ben zufol­ge mach­ten die Beam­ten an die­sem brül­lend hei­ßen 25. April 2007 gera­de eine Pau­se, als sie atta­ckiert wur­den. Und dem Ver­neh­men nach aßen sie dabei Döner.

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Opossum-Possen

Ich gehe zu Guns­ten der „Mit­tel­deut­schen Zei­tung“ mal davon aus, dass es sich um eine Nach­richt extra für Kin­der han­delt, die da eher ver­se­hent­lich im regu­lä­ren Online-Auf­tritt gelan­det ist:

Es gibt trau­ri­ge Nach­rich­ten aus dem Leip­zi­ger Zoo: Hei­di lebt nicht mehr! Das Opos­sum ist am Mitt­woch gestor­ben. Hei­di war wegen ihrer Augen in Deutsch­land und ande­ren Län­dern sehr bekannt gewor­den: Ihre Augen stan­den nicht ganz gera­de. Sie schiel­te. Das fan­den die Men­schen put­zig.

Aber Kin­der hin oder her – es ist schon bemer­kens­wert, wie fried­lich die­se zwei Sät­ze da ein­fach neben­ein­an­der ste­hen:

Am Mitt­woch ist Hei­di an Alters­schwä­che gestor­ben. Ein Tier­arzt hat sie ein­ge­schlä­fert.

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Gesellschaft

Wanted dead or alive

Wal­ter Krä­mer, Vor­sit­zen­der des schreck­li­chen „Ver­eins Deut­sche Spra­che“, durf­te sich in der Ruhr­ge­biets­aus­ga­be von „Bild“ mal wie­der über „Sprach­pan­scher“ und „Deng­lisch“ auf­re­gen.

Der Dort­mun­der Sta­tis­tik-Pro­fes­sor, den Bild.de irri­tie­ren­der­wei­se als „Sprach-Pro­fes­sor“ bezeich­net, erklärt in dem Inter­view:

„Inzwi­schen machen 33 000 Leu­te in unse­rem Ver­ein mit. Dar­un­ter rund 100 bekann­te Per­sön­lich­kei­ten wie Hape Ker­ke­ling, Jür­gen von der Lip­pe, Rein­hard Mey oder die kürz­lich ver­stor­be­nen Otto von Habs­burg und Gun­ter Sachs.“

Dass beim „Ver­ein Deut­sche Spra­che“ auch Tote mit­ma­chen dür­fen, erklärt natür­lich vie­les.

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Rundfunk Gesellschaft

Man wird sprachlos

In der ARD läuft heu­te um 23.30 Uhr eine Doku­men­ta­ti­on über die letzt­jäh­ri­ge Love­pa­ra­de in Duis­burg, bei der bei einer Mas­sen­pa­nik 21 Men­schen gestor­ben sind und mehr als 500 ver­letzt wur­den. Der WDR bewirbt die­se Doku, indem er seit Tagen via Pres­se­mit­tei­lung ein­zel­ne O‑Töne von Ver­ant­wort­li­chen in die Ver­wer­tungs­ket­te gibt.

Ver­gan­ge­ne Woche warf er Zita­te des Duis­bur­ger Ober­bür­ger­meis­ters Adolf Sau­er­land unters Volk:

„Ich habe mir immer gesagt: Du musst so lan­ge durch­hal­ten, bist du allen zei­gen kannst, dass die­se Kata­stro­phe nicht durch dein Ver­hal­ten ent­stan­den ist“, erklärt Adolf Sau­er­land. Er habe am Anfang das Gefühl gehabt, wenn er sich ent­schul­di­ge, wer­de er auto­ma­tisch für das Unglück ver­ant­wort­lich gemacht. „Und das hat dazu geführt, dass man sprach­los wird.“

Ges­tern kam Rai­ner Schal­ler, Ver­an­stal­ter der Love­pa­ra­de, zu Wort:

Zum ers­ten Mal äußert sich Schal­ler im Film auch zur Pro­ble­ma­tik des Tun­nels als ein­zi­gem Ein- und Aus­gang zum Ver­an­stal­tungs­ge­län­de: „Man hat Mona­te geplant, und für mich ist es natür­lich ein Rät­sel, wie man das über Mona­te gemein­sam nicht hat sehen kön­nen. Das ist etwas, was ich mich bis heu­te fra­ge: Wie konn­te man das nicht sehen?“

Ist Ihnen an der Wort­wahl der bei­den Her­ren etwas auf­ge­fal­len?

Um mal Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re zu zitie­ren:

Das ers­te, was einem ein Psy­cho­the­ra­peut bei­bringt: Sagen Sie nicht „man“, sagen Sie „ich“. Das ers­te, was man als Pro­fi­po­li­ti­ker wahr­schein­lich lernt: öfter mal „man“ sagen, dann kann nichts groß pas­sie­ren.

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Musik

Taschenspielertricks

Wenn sich ein exzen­tri­scher Pop­mu­sik­lieb­ha­ber mit zu viel Tages­frei­zeit dar­an mach­te, den dümms­ten Song­text (des Jahrzehnts/​seiner Generation/​aller Zei­ten) zu küren, wür­de er sei­ne Suche womög­lich bei der Volks­tüm­li­chen Musik begin­nen, sich durch den Schla­ger arbei­ten und es dann mal beim Kir­mes­tech­no ver­su­chen. Ver­mut­lich wür­de er bei „The Ven­ga­bus is coming /​ And everybody’s jum­ping /​ New York to San Fran­cis­co /​ An inter­ci­ty dis­co“ sei­ne Arbeit für been­det erklä­ren, die gewon­ne­nen Erkennt­nis­se ver­öf­fent­li­chen und sein Leben wei­ter­le­ben. Und auf dem Ster­be­bett, nach einem lan­gen, erfüll­ten Leben von mehr als 80 Jah­ren, wür­de er sich mit der fla­chen Hand vor die Stirn schla­gen, „Ver­dammt!“ brül­len und ver­schei­den. Und die Ange­hö­ri­gen, die mit fei­er­li­cher Mie­ne um ihn her­um­ste­hen, wür­den sich fra­gen, was das denn jetzt wie­der war, Exzen­trik hin oder her.

Unse­rem Mann wäre im letz­ten Moment „You And Me (In My Pocket)“ des bel­gi­schen Musi­kus Milow ein­ge­fal­len, das er im Jahr 2011 ein paar mal im Radio gehört hat­te. Ein net­ter, harm­lo­ser Pop­song mit Akus­tik­gi­tar­re und ein­gän­gi­ger Melo­die. Auf den Text hat frei­lich nie jemand geach­tet, was – um einen von Klaus Wowe­reit, an den sich beim Able­ben unse­res Pop­mu­sik­lieb­ha­bers nie­mand mehr erin­nern kann, gepräg­ten Aus­druck zu ver­wen­den – auch gut so war.

Der Text beginnt mit fol­gen­den Wor­ten:

I wish you smel­led a litt­le fun­ny
Not just fun­ny real­ly bad
We could roam the streets fore­ver
Just like cats but we’d never stray

Da wünscht sich also das Lyri­sche Ich die­ses Lie­des, die Ange­be­te­te röche „ein biss­chen komisch“, bes­ser aber gleich „rich­tig schlecht“, auf dass er mit ihr allein durch die Stra­ßen schlen­dern kön­ne. „Inter­es­san­ter Gedan­ke“, denkt man da. Außer­dem reimt sich das ja gar nicht.

Es ist ein Lie­bes­lied, das Herr Milow da ent­wor­fen hat – zumin­dest legt der Refrain die­sen Schluss nahe:

Oh you and me
It would be only you and me

Dann hebt er an, die nächs­te Stro­phe zu schmet­tern, in der er sich wünscht, die Adres­sa­tin sei „rich­tig fett“, damit sie nicht mehr durch Türen pas­se und den gan­zen Tag in sei­nem Bett blei­ben müs­se – ein Bett, das hof­fent­lich nicht von Ikea stammt, denn wie soll­te das eine der­art fett­lei­bi­ge Per­son tra­gen?

Außer­dem möge sie bit­te Federn haben, er wür­de sie dann in einem rie­si­gen Käfig hal­ten, den gan­zen Tag beglot­zen und – Höchst­stra­fe bei einem Kerl, der sol­che Lie­der schreibt – für sie sin­gen! „And that would be okay“, na sicher.

Wer bis hier­hin schon der Mei­nung war, der­art geis­tes­kran­ke Macht­phan­ta­sien könn­ten sich nur Öster­rei­cher aus­den­ken (also: Fal­co jetzt), der hat den Tag vor dem Abend, die Rech­nung ohne den Wirt, in jedem Fall aber den Song nicht zu Ende gehört:

I wish you were a litt­le slower
Not just slow but para­ly­zed
Then I could plug you into a socket
So you could never run away

Es kommt ent­ge­gen anders lau­ten­der Gerüch­te eher sel­ten vor, dass ich mein Radio anschreie. Aber als mein Gehirn dum­mer­wei­se im Emp­fangs­mo­dus war und die­se Zei­len rezi­pier­te, stand mei­ne Hals­schlag­ader kurz vor der Explo­si­on und ich erwog sehr ernst­haft einen Anruf bei WDR 2, jenem Sen­der der sei­nen Hörern das Wort „fuck“ nicht zumu­ten möch­te, aber offen­bar kei­ne Pro­ble­me hat, ihnen Tex­te vor­zu­spie­len, in denen sich ein Typ wünscht, eine Frau sei „gelähmt“ und an lebens­er­hal­ten­de Sys­te­me ange­schlos­sen, damit sie nicht weg­ren­nen kön­ne. Darf jemand, der sol­che Tex­te schreibt, in die Nähe von Kin­der­gär­ten, Grund­schu­len und Alten­hei­men? Dage­gen sind die Gewalt­phan­ta­sien von Ramm­stein ja der reins­te Kin­der­ge­burts­tag!

Schluss jetzt:

I real­ly wish that you were smal­ler
Not just small but real­ly real­ly short
So I could put you in my pocket
And car­ry you around all day

Mehr als hun­dert Jah­re Femi­nis­mus, damit so ein Schmu­se­bar­de daher­ge­schmust kommt und eine sehr klei­ne Frau in sei­ner Hosen­ta­sche ver­stau­en will?! Mein Erre­gungs­po­ten­ti­al ist nor­ma­ler­wei­se begrenzt, ich lache auch über Wit­ze von Jür­gen von der Lip­pe, aber was für eine sexis­ti­sche Schei­ße win­selt die­ser James Blunt für noch Ärme­re denn da unter dem Deck­män­tel­chen groß­flä­chi­ger Roman­tik? Hmmm?!

Noch beun­ru­hi­gen­der als die­ser Song ist ver­mut­lich nur die Vor­stel­lung, dass es ein­zel­ne Frau­en geben könn­te, die bei die­sem Min­ne­ge­sang dahin­schmel­zen und den Quatsch für „super-roman­tisch“ hal­ten.

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Da brat‘ mir doch einer ’ne Madonna!

Ich bin ja jetzt auch schon 27 Jah­re alt und ein paar Jah­re aus der Varie­tä­ten­lin­gu­is­tik raus, von daher muss ich die Fra­ge ein­fach stel­len: Hä?

22-jährige Sängerin aus England bricht alle Chart-Rekorde: Adele brät sogar Madonna ab!

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Digital Gesellschaft

Die Kunst des stilvollen Entkommens

Aus einer aktu­el­len Pres­se­mit­tei­lung des Ver­gleichs­por­tals fluege.de:

Wer trick­reich bucht, kann den­noch spa­ren

Japan-Rei­sen­de, die der­zeit spon­tan von Tokyo nach Deutsch­land flie­gen möch­ten, müs­sen zur­zeit viel Geld bezah­len – bis zu 8.200 Euro für ein Eco-Ticket. Das ergab eine Aus­wer­tung des größ­ten deut­schen Flug­por­tals fluege.de (2 Mio. Nut­zer im Monat, AGOF inter­net facts 2010-III). Wer Japans Kata­stro­phe lie­ber stil­voll mit einem First-Class-Ticket ent­kom­men möch­te, der muss der­zeit bei­spiels­wei­se für einen Flug von Tokyo nach Mün­chen sogar über 20.000 Euro bezah­len. (…)

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Ein exklusiver Hund

Wenn Sie unse­re Defi­ni­ti­on des Begriffs „exklu­siv“ für extra­va­gant hiel­ten, dann haben Sie noch nicht den/​die/​das aktu­el­le „Auf einen Blick“ gese­hen:

Monica Lierhaus: So stolz! So stark! So tapfer! "Auf einen Blick"-Autorin Karen Webb schreibt exklusiv über den bewegendsten TV-Auftritt des Jahres.

Noch­mal zum Mit­den­ken: Ja, die „Auf einen Blick“-Autorin Karen Webb schreibt exklu­siv für „Auf einen Blick“. Wo gibt es so etwas schon sonst?

Ande­rer­seits ist das noch ver­gleichs­wei­se harm­los, wenn man sich das voll­stän­di­ge Cover der Zeit­schrift ansieht:

Monica Lierhaus: Deutschlands schönster Hund.
[via Petra O.]