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Kampagnenjournalismus

War­um musst du sprin­gen wie der Sprin­ger dich schuf
Mäd­chen, hat­test du nicht eigent­lich einen ande­ren Beruf

(Wir Sind Hel­den – Zieh Dir was an)

Wenn man Besu­cher­zah­len und Ver­lin­kun­gen als Para­me­ter für Erfolg ansieht, war es eine sehr erfolg­rei­che Woche fürs BILD­blog. Was uns aller­dings ver­wun­dert hat: Nicht einer der vie­len Arti­kel über die Son­der­be­hand­lung, die „Bild“ Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg ange­dei­hen ließ, hat letzt­lich unse­ren Ser­ver zum Knir­schen gebracht, son­dern der wüten­de, leicht hilf­lo­se Brief einer Pop­sän­ge­rin.

Die Wer­be­agen­tur Jung von Matt hat­te bei Judith Holo­fer­nes und ihrer Band Wir Sind Hel­den ange­fragt, ob die­se nicht im Rah­men einer Wer­be­kam­pa­gne „ihre of­fe­ne, ehr­li­che und un­ge­schön­te Mei­nung zur BILD“ äußern woll­ten. Das war ange­sichts der Tat­sa­che, dass Holo­fer­nes mit ihrer Mei­nung zu „Bild“ nie hin­term Berg gehal­ten hat­te, eine stei­le Anfra­ge – nach Maß­stä­ben von Wer­bern also womög­lich eine bril­lan­te Idee.

Aber Sän­ge­rin und Band woll­ten nicht auf ein Pla­kat, sie teil­ten ihre Ansich­ten der Mensch­heit lie­ber unent­gelt­lich mit: auf der eige­nen Web­site, bei uns und spä­ter, als bei­de Ser­ver am Boden waren oder in den Sei­len hin­gen, auch noch anders­wo.

Die Reak­tio­nen haben alles getoppt, was wir (und wohl auch die Band selbst) erwar­tet hät­ten. Mehr als 50.000 Men­schen haben inzwi­schen den Facebook-„Gefällt mir“-Button unter dem BILD­blog-Ein­trag geklickt, was für uns eine so unvor­stell­bar hohe Zahl ist, dass ich sie nur noch mit der Ein­woh­ner­zahl mei­ner alten Hei­mat­stadt ver­glei­chen kann. So gese­hen geht da also noch was.

Die Reak­tio­nen waren über­wie­gend, aber nicht aus­schließ­lich posi­tiv. Und sie war­fen auch Fra­gen auf, die ein Face­book-Freund von mir so auf den Punkt brach­te:

War­um ist das so ne Sen­sa­ti­on, das „Wir sind Hel­den“ nicht für BILD wer­ben? Das ist doch wohl das Min­des­te, das man von jeman­dem mit Anstand erwar­ten kann.

Ja, das stimmt natür­lich. Den­noch wer­ben Leu­te wie Hans-Diet­rich Gen­scher, Gre­gor Gysi, Jona­than Mee­se, David Gar­rett, Phil­ipp Lahm, Richard von Weiz­sä­cker, aber natür­lich auch Til Schwei­ger für das Blatt. Die dür­fen dann zwar auch ein biss­chen Kri­tik äußern, aber sie machen natür­lich trotz­dem für bun­des­wei­te Pla­ka­tie­rung und 10.000 Euro für einen guten Zweck gemein­sa­me Sache mit „Bild“. (Bemer­kens­wert übri­gens, dass der am ehes­ten „kri­tisch“ zu nen­nen­de Bei­trag aus­ge­rech­net der Radio­spot des Komi­kers Atze Schrö­der ist.) Die dama­li­ge Frau­en­recht­le­rin und heu­ti­ge „Bild“-Gerichtsreporterin Ali­ce Schwar­zer war übri­gens schon bei einer frü­he­ren „Bild“-Kampagne dabei.

Offen­bar ist der (an vie­len Stel­len rüh­rend unge­len­ke) Brief von Judith Holo­fer­nes ein biss­chen wie das Kind aus „Des Kai­sers neue Klei­der“, das „Aber der ist doch nackt!“ ruft. „End­lich sagt’s mal jemand“, lau­te­te an vie­len Stel­len der Tenor, was einen natür­lich schon ein biss­chen betrübt zurück lässt, wenn man seit Jah­ren zu bele­gen ver­sucht, was Holo­fer­nes jetzt noch mal auf­schreibt:

Die BILD –​Zei­tung ist kein au­gen­zwin­kernd zu be­trach­ten­des Trash-​Kul­­tur­­gut und kein harm­lo­ses “Guil­ty Plea­su­re” für wohl­fri­sier­te Auf­stre­ber, kei­ne wit­zi­ge so­zia­le Re­fe­renz und kein Li­­fes­­tyle-​Zi­­tat. Und schon gar nicht ist die Bild –​Zei­tung das, als was ihr sie ver­kau­fen wollt: Hass­ge­lieb­tes, aber wei­test­ge­hend harm­lo­ses In­ven­tar eines ei­gent­lich viel schlaue­ren Deutsch­lands.

Genau das war ja die Moti­va­ti­on von Ste­fan Nig­ge­mei­er und Chris­toph Schult­heis, als sie vor fast sie­ben Jah­ren BILD­blog gegrün­det haben: zu zei­gen, dass „Bild“ eben „kein lus­ti­ges Quatsch­blatt“ ist, wie Ste­fan es immer wie­der aus­ge­drückt hat.

Das scheint plötz­lich auch der „Spie­gel“ erkannt zu haben, der mor­gen – ein Zufall, tat­säch­lich – mit die­ser Geschich­te auf­macht:

Bild — Die Brandstifter

Ich habe das Heft noch nicht gele­sen, die Vor­ab­be­spre­chun­gen fal­len ziem­lich ent­täuscht aus und doch ist es bemer­kens­wert, dass sich ein gro­ßes deut­sches Medi­um so expli­zit mit „Bild“ befasst.

Den etwa 40.000 BILD­blog-Lesern an einem durch­schnitt­li­chen Tag (die­se Woche waren es meist mehr oder sehr viel mehr) und den 50.000 Face­book-Likes des Hel­den-Auf­sat­zes steht eine „Bild“-Auflage gegen­über, die zwar kon­ti­nu­ier­lich sinkt, aber immer noch bei 2,9 Mil­lio­nen liegt. Die Reich­wei­te (eine Zahl, die durch das Wer­fen von Hüh­ner­kno­chen bei Voll­mond ermit­telt wird) liegt sogar bei über elf Mil­lio­nen. Dage­gen neh­men sich selbst die Auf­la­ge und die Reich­wei­te des „Spie­gel“ (knapp eine Mil­li­on und 5,9 Mil­lio­nen) eher beschei­den aus, aber es ist eben ein Viel­fa­ches des­sen, was wir oder ein Medi­en­ma­ga­zin wie „Zapp“ erreicht. (Zumal der Anteil der Leu­te, die „Bild“ bis­her „irgend­wie ganz okay“ fan­den, unter den „Spiegel“-Lesern deut­lich grö­ßer sein dürf­te, als unter denen des BILD­blog.)

* * *

Ein Vor­wurf, der immer mal wie­der auf­kam, lau­te­te, mit ihrer Ant­wort hät­ten Wir Sind Hel­den „Bild“ nur noch mehr Auf­merk­sam­keit ver­schafft. Mit der glei­chen Logik könn­te man Green­peace vor­wer­fen, indi­rek­te PR für BP zu machen. Das alte Man­tra „Any PR is good PR“ steht im Raum, das ich für ziem­li­chen Unfug hal­te. Fra­gen Sie mal Jörg Kachelm­ann, wel­che Aus­wir­kun­gen die stän­di­ge Erwäh­nung sei­nes Namens in den Medi­en wäh­rend der letz­ten elf Mona­te auf des­sen Kar­rie­re und Leben gehabt haben! Zudem braucht die „Mar­ke“ „Bild“ unge­fähr so drin­gend wei­te­re Auf­merk­sam­keit von jun­gen, kri­ti­schen Men­schen, wie die „Mar­ke“ „Apple“ von Micro­soft-Ver­eh­ren und Linux-Fans.

Der ande­re Haupt-Kri­tik­punkt war, die Band wol­le doch nur auf sich auf­merk­sam machen. Ste­fan Win­ter­bau­er, der Blin­de unter den Ein­äu­gi­gen bei „Mee­dia“, schrieb:

Es ist bezeich­nend, dass “Wir sind Hel­den” einen sol­chen Popu­la­ri­täts­schub mit einer eher ober­fläch­li­chen und wir­ren Bild-Schel­te erreicht und nicht mit ihrer Musik. Das jüngst erschie­ne­ne Best-of-Album “Tau­send wir­re Wor­te” schaff­te es nicht mehr in die Top-Ten der Album Charts und ran­giert auch bei Down­load-Platt­for­men wie iTu­nes weit hin­ten.

Die Kom­men­ta­re bei „Mee­dia“ fie­len über­wie­gend ver­nich­tend aus, eini­ge zeig­ten sich gar „ent­täuscht“ von dem Medi­en­dienst, was inso­fern erstaun­lich ist, als das ja immer­hin eine vage posi­ti­ve Erwar­tungs­hal­tung vor­aus­set­zen wür­de.

Natür­lich kann man der Band die­sen Vor­wurf machen. Ich glau­be nur, dass er in die­sem spe­zi­el­len Fall ins Lee­re läuft: Es ist ja nicht das ers­te Mal, dass Judith Holo­fer­nes öffent­lich zu gesell­schaft­li­chen The­men Stel­lung bezieht, und auch nicht das ers­te Mal, dass sie „Bild“ schilt. Wenn eine Frau, die sonst für ihre durch­dach­ten Tex­te gelobt wird, sich regel­recht aus­kotzt und dabei ein Brief ent­steht, den man unter ästhe­ti­schen Gesichts­punk­ten eher so als „mit­tel“ bezeich­nen wür­de, neh­me ich ihr die Empö­rung wirk­lich ab.

* * *

Nun kam am Frei­tag auch die neue Sin­gle der Hel­den auf den Markt, wes­we­gen man der Akti­on ein „Geschmäck­le“ attes­tie­ren kann. Aller­dings lag uns das Ange­bot der Band, den Text zu ver­öf­fent­li­chen, schon neun Tage vor­her vor. Dass es letzt­lich so lan­ge dau­er­te, lag an der Ver­peilt­heit auf bei­den Sei­ten.

Und so rich­tig berech­nend wirkt Judith Holo­fer­nes auch nicht, wenn sie im Inter­view mit jetzt.de schon gegen die nächs­ten sti­chelt:

Also, wenn die­se E ‑Mail uns fünf schlaue, net­te Leu­te in die Arme treibt, die uns bis jetzt schei­ße fan­den, und wir die dann viel­leicht gegen die fünf Leu­te ein­tau­schen kön­nen, die uns in ihrem Plat­ten­re­gal neben den „Gra­fen“ gestellt aha­ben [sic!], weil sie „halt irgend­wie so deut­sche Tex­te mögen“, dann ist das doch ein guter Deal.

* * *

Und wäh­rend ich die­sen Ein­trag schrieb, erreich­te mich die Nach­richt, dass der Brief von Judith Holo­fer­nes mor­gen in einer ganz­sei­ti­gen Wer­be­an­zei­ge von „Bild“ in der „taz“ erschei­nen wird. Damit set­ze ich dann ger­ne auch dar­auf, wer aus die­sem Schar­müt­zel als Ver­lie­rer her­vor­ge­hen wird: die „taz“, wenn mor­gen wie­der ein paar hun­dert Abo-Kün­di­gun­gen ein­ge­hen.

Dis­clo­sure: Ich kann mit dem aktu­el­len Album von Wir Sind Hel­den nichts anfan­gen.

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Digital

Dem „Spiegel“ weht eine steife Hybrise ins Gesicht

Vor sechs Wochen schrieb ich hier im Blog, es hand­le sich bei „The Euro­pean” um ein „kon­ser­va­ti­ves Inter­net­ma­ga­zin, des­sen erklär­tes Ziel es ist, inner­halb der nächs­ten Jah­re so wich­tig zu wer­den, wie es sich selbst seit dem ers­ten Tag nimmt“.

Damit lag ich anschei­nend falsch: „The Euro­pean“ sieht sich selbst nicht als kon­ser­va­tiv, son­dern als Platt­form, auf der die „gro­ßen gesell­schaft­li­chen Debat­ten“ „dis­kur­siv“ „ver­han­delt“ wer­den, wie Chef­re­dak­teur Alex­an­der Gör­lach im Namen der Redak­ti­on klar­stell­te. Außer­dem ist „The Euro­pean“ bereits wich­tig – womög­lich sogar, und das ist die eigent­li­che Sen­sa­ti­on, noch wich­ti­ger, als es sich selbst nimmt.

Jeden­falls hat Chef­re­dak­teur Alex­an­der Gör­lach ges­tern (offen­bar nur in sei­nem eige­nen Namen) erklärt:

SPIEGEL fürchtet die Konkurrenz von The European

Huch! Ein Blatt mit mehr als 60-jäh­ri­ger Tra­di­ti­on, das von vie­len aus Gewohn­heit immer noch für ein füh­ren­des Nach­rich­ten­ma­ga­zin gehal­ten wird, hat Angst vor einem … äh: „Blog“, das seit sech­zehn Mona­ten am Start ist? Also qua­si das Face­book des Pole­mi­sie­rens Mei­nungs­jour­na­lis­mus?

Scheint so:

Gan­ze vier Kolum­nen durf­te Mat­thi­as Matus­sek für uns schrei­ben. Die Chef­re­dak­ti­on des Maga­zins hat ihm, so ver­lau­te­te aus Krei­sen des Nach­rich­ten­blat­tes, wei­te­re Publi­ka­tio­nen als Kolum­nist auf The Euro­pean ver­bo­ten. Begrün­dung: The Euro­pean sei ein direk­ter Kon­kur­rent des Ham­bur­ger Nach­rich­ten­por­tals. Das ehrt The Euro­pean natür­lich. Wir grü­ßen die Ham­bur­ger Kol­le­gen.

Das „Ver­bot“ dürf­te vor allem eine arbeits­recht­li­chen Hin­ter­grund haben: Ein Redak­teur darf nicht ein­fach für ein Medi­um arbei­ten, das ver­gleich­ba­re Inhal­te anbie­tet – egal, wie groß oder klein, wich­tig oder egal es ist. Gör­lach sieht das erwar­tungs­ge­mäß anders:

Uns zeigt die ner­vö­se Reak­ti­on des Medi­en­rie­sen, dass uns der Wurf eines Online-Maga­zins, das aus­schließ­lich auf poin­tier­ten Mei­nungs- und Debat­ten­jour­na­lis­mus setzt, gelun­gen ist.

Seit Sep­tem­ber 2010 stellt Gör­lach für Bild.de übri­gens den „Blog-Radar“ zusam­men, in dem er zusam­men­fasst, was „das Netz“ (also meis­tens die Autoren von „The Euro­pean“) von die­sem oder jenen The­ma hal­ten. So berich­te­te er im Novem­ber bei­spiels­wei­se, das „Netz“ lau­fe „Sturm gegen Abzo­cke bei Weih­nachts­lie­dern“, und schloss sich damit der erschre­cken­den Ahnungs­lo­sig­keit vie­ler Medi­en an. Sein „Blog-Radar“ vom 2. Dezem­ber war dann bis heu­te der letz­te. Womög­lich schei­nen sie bei „The Euro­pean“ Bild.de noch als Kon­kur­renz zu betrach­ten. Immer­hin.

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Print Politik

„Spiegel“-Eier

Eine Nah­tod­erfah­rung der beson­de­ren Art mach­te ich vor eini­gen Jah­ren, als ich bei der Lek­tü­re der Sati­re­sei­te schandmaennchen.de der­art hef­tig zu lachen begann, dass ich mich nach eini­gen Minu­ten nach Luft rin­gend auf mei­nem Tep­pich­bo­den wälz­te. (Einen Lust­ge­winn habe ich dabei aller­dings nicht ver­spürt.) Grund war ein angeb­li­ches Zitat aus dem „Spie­gel“ über Hel­mut Kohl, sei­ne Büro­lei­te­rin Julia­ne Weber und Früh­stücks­ei­er.

Über Jah­re habe ich ver­sucht, die­ses Zitat zu veri­fi­zie­ren und den exak­ten Wort­laut zu fin­den. Irgend­wie muss ich mich bei der Ver­wen­dung der „Spiegel“-Archivsuche sehr däm­lich ange­stellt haben.

Ges­tern jeden­falls berich­te­te das NDR-Medi­en­ma­ga­zin „Zapp“ über den uralten Arti­kel und jetzt kann ich Ihnen das Zitat end­lich im Wort­laut prä­sen­tie­ren:

Wie gewohnt serviert des Kanzlers langjährige Mitarbeiterin Juliane Weber ihrem Chef den Kaffee. Sie schlägt ihm auch die Eier auf, weil der Kanzler sie so heiß nicht anfassen mag.

Ja, zuge­ge­ben: Brüll­ko­misch fand ich es jetzt auch nicht mehr.

Dafür hat der „Spie­gel“ sich kürz­lich an einer Neu­auf­la­ge sei­ner Fips-Asmus­sen-Polit­kom­men­tie­rung ver­sucht und dabei die ohne­hin schon nied­rig lie­gen­de Lat­te geris­sen:

Die Kommunistin Sahra Wagenknecht, intime Kennerin von Lafontaines Positionen und nicht nur in Streikfragen mit ihm auf Augenhöhe, verlangt wie er regelmäßig französische Verhältnisse.

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Politik Digital

Volles Vertrauen, hier in Deutschland

In der letz­ten Zeit habe ich mit meh­re­ren Radio­leu­ten gespro­chen, die sich beklag­ten, dass vie­le Bands heut­zu­ta­ge kein Inter­view­trai­ning mehr von den Plat­ten­fir­men bekä­men und des­halb im Gespräch oft etwas kon­fus rüber­kä­men und kei­ne guten O‑Töne lie­fer­ten.

Nun könn­te man ein­wen­den, Musi­ker müss­ten ja nicht pri­mär gescheit daher reden, son­dern vor allem schö­ne Musik machen. Anders ver­hält es sich da schon bei Poli­ti­kern: Noch bevor die neue Bun­des­re­gie­rung im Amt ist, haben eini­ge Kabi­netts­mit­glie­der schon durch außer­ge­wöhn­li­che Pres­se­kon­fe­ren­zen von sich reden gemacht.

Der desi­gnier­te Außen­mi­nis­ter Gui­do Wes­ter­wel­le wei­ger­te sich, eine eng­lisch­spra­chi­ge Fra­ge eines BBC-Repor­ters anzu­hö­ren und belehr­te die­sen, dass er sich in Deutsch­land befin­de. Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel kan­zel­te einen nie­der­län­di­schen Repor­ter ab, der Zwei­fel an der Kom­pe­tenz Wolf­gang Schäubles als Finanz­mi­nis­ter wegen des­sen Ver­stri­ckung in die CDU-Par­tei­spen­den­af­fä­re äußer­te.

Bei­de Ant­wor­ten hät­ten sich vor weni­gen Jah­ren noch ver­sen­det – heut­zu­ta­ge wur­den sie inner­halb weni­ger Stun­den ein paar Tau­send Mal auf You­Tube ange­schaut und via Inter­net wei­ter­ver­brei­tet. Für vie­le User scheint sich zu bestä­ti­gen, was die Illus­trier­te „Der Spie­gel“ heu­te aus der Kris­tall­ku­gel berich­tet: Schwarz/​Gelb wird ein Desas­ter.

Ich habe Fritz Goer­gen, der frü­her Stra­te­gie­be­ra­ter füh­ren­der FDP-Poli­ti­ker war und heu­te als frei­er Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­ra­ter arbei­tet, nach sei­ner Ein­schät­zung des The­mas gefragt und er war so freund­lich, einen klei­nen Gast­bei­trag zu ver­fas­sen:

Poli­tik? Bit­te inter­net­ter.

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Rundfunk

Coffee On TV

Falls Sie dach­ten, eine Anzei­ge, die wie redak­tio­nel­ler Inhalt aus­sieht (oder anders­rum), sei der end­gül­ti­ge Aus­ver­kauf des Jour­na­lis­mus: Die Ame­ri­ka­ner sind da wie immer sehr viel wei­ter.

The Dai­ly Show With Jon Ste­wart Mon – Thurs 11p /​ 10c
Cor­po­ra­te Syn­er­Joe
thedailyshow.com
Dai­ly Show
Full Epi­so­des
Poli­ti­cal Humor Eco­no­mic Cri­sis
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Print Digital

Der „Spiegel“ muss in Zweifelhaft

Natür­lich sieht das immer ein biss­chen komisch aus, wenn man den eige­nen Arbeit­ge­ber lobt, aber die­ses Titel­bild hät­te ich auch dann gut gefun­den, wenn ich nicht stu­den­ti­sche Hilfs­kraft beim „Frei­tag“ wäre:

Merkels neues Gesicht

Frü­her hät­te man sol­che Titel­gra­fi­ken auf dem „Spie­gel“ gefun­den – und da wäre die Umset­zung zuge­ge­be­ner­ma­ßen auch noch ein biss­chen bes­ser gewe­sen.

Aber der „Spie­gel“ ist schon lan­ge das, was offen­bar jede Medi­en­le­gen­de hier­zu­lan­de („Tages­schau“, das „Mit­tags­ma­ga­zin“ auf WDR 2, Tho­mas Gott­schalk, Harald Schmidt) wer­den muss: ein Schat­ten sei­ner selbst. Und des­halb sieht sein Cover heu­te so aus:

Fremde Freunde - Vom zweifelhaften Wert digitaler Beziehungen

Ob und inwie­fern social net­works unser Leben und unse­ren Umgang mit­ein­an­der beein­flus­sen, ist ja ein The­ma, an dem ich mich das ein oder ande­re Mal abzu­ar­bei­ten ver­sucht habe.

Mein grund­sätz­li­ches Inter­es­se war aber bei der Über­schrift (ein Wun­der, dass sie nicht „Fal­sche Freun­de“ lau­te­te) recht schnell ver­raucht. Ich muss­te den Arti­kel aber gar nicht erst lesen und mich dar­über auf­re­gen, denn bei­des hat Tho­mas Knü­wer dan­kens­wer­ter­wei­se schon über­nom­men.

PS: Mar­kus Becke­dahl von netzpolitik.org hat­te schon ges­tern auf den Arti­kel ver­wie­sen und ihn für nicht ganz so schei­ße befun­den. Er ver­weist zusätz­lich auf ein Inter­view mit dem Lei­ter des „Spiegel“-Hauptstadtbüros, in dem die­ser sich mit der Aus­sa­ge zitie­ren lässt, er sei „so gut wie gar nicht im Netz unter­wegs“ und kön­ne des­halb kei­ne gute Web­site emp­feh­len.

PPS: Ich habe ges­tern mit einer Über-Sieb­zig­jäh­ri­gen Ver­wand­ten tele­fo­niert, die mei­nes Wis­sens noch nie vor einem Com­pu­ter geses­sen hat, und die trotz­dem eine sehr viel dif­fe­ren­zier­te­re und posi­ti­ve­re Mei­nung zu Blogs (sie benutz­te wirk­lich das Wort „Blog“) und Inter­net hat­te, als ich sie beim „Spie­gel“ je erlebt habe.

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Digital Fernsehen

Klickbefehl (14)

Da mögen Fans noch so sehr dar­auf schwö­ren, die „Lin­den­stra­ße“ sei heu­te ja eine gan­ze ande­re als vor 20 Jah­ren. Humor­voll, selbst­iro­nisch und der­glei­chen. In Wahr­heit ist die Klein­bür­ger-Soap immer noch ein Pan­op­ti­kum der Pie­fig­keit. Wie fast alle Soaps sind ihre Kulis­sen voll­ge­stellt mit unin­spi­rier­ten Cha­rak­te­ren und zuge­schüt­tet mit grau­en­haf­ten Dia­log­zei­len der Sor­te: „Ah, mei­ne Umwelt­pla­ket­te, end­lich!“

Mar­kus Brauck rech­net im „Spie­gel“ mit der „Lin­den­stra­ße“ ab. Dazu gibt es eine Bil­der­ga­le­rie, die dem Wort „Grau­stu­fen“ eine ganz neue Bedeu­tung zukom­men lässt. (Bit­te mar­kie­ren Sie sich die­sen Tag im Kalen­der: ich emp­feh­le eine Bil­der­ga­le­rie bei „Spie­gel Online“!)

* * *

Das ist die wohl unge­wöhn­lichs­te Mel­dung des Tages: Die ARD kauft RTL die Serie „Die Anwäl­te“ ab – also die Serie, die RTL Anfang des Jah­res nach nur einer Fol­ge, die mit 10,8 Pro­zent Markt­an­teil die Erwar­tun­gen nicht erfül­len konn­te. aus dem Pro­gramm genom­men hat. Fort­an dien­te die Serie als Mus­ter­bei­spiel für feh­len­des Ver­trau­en der Sen­der in die eige­nen Pro­duk­tio­nen.

DWDL.de berich­tet über das über­ra­schen­de Come­back einer Serie, die (also deren ers­te Fol­ge) ich eigent­lich ganz gut fand und deren Abset­zung mein Ver­hält­nis zu RTL nach­hal­tig gestört hat.

* * *

Ein­fa­cher wäre zu sagen: Ich mag ihn. Ich freue mich, dass ich neben dem Mit­glied der „Ach­se des Guten“ auch schon drei Mal dort als Gast­au­tor auf­tre­ten durf­te und dass wir nun gemein­sam ein Netz­werk Gegen­re­cher­che star­ten.

Timo Rieg erläu­tert in der „Spie­gel­kri­tik“ die Hin­ter­grün­de zu einem sehr, sehr merk­wür­di­gen „Spie­gel Online“-Artikel über einen der angeb­lich ganz weni­gen deut­schen TV-Blog­ger.

War­um die­se Geschich­te nur mit äußers­ter Vor­sicht zu genie­ßen ist (wenn über­haupt), erzäh­le ich Ihnen spä­ter steht hier.

* * *

Einen Vor­schlag zur Güte hat­te Bro­der abge­lehnt. Er wer­de sich kei­nen „Maul­korb“ ver­pas­sen las­sen, „weil sonst Anti­se­mi­ten ent­schei­den dürf­ten, was Anti­se­mi­tis­mus ist“. Nun befan­den die Rich­ter, Bro­ders Vor­wurf habe die Gren­ze zur Schmäh­kri­tik über­schrit­ten, weil „im kon­kre­ten Kon­text der Äuße­rung die Dif­fa­mie­rung der Klä­ge­rin, nicht die Aus­ein­an­der­set­zung in der Sache im Vor­der­grund“ gestan­den hät­te.

Hen­ryk M. Bro­der stand mal wie­der vor Gericht und die „taz“ ver­sucht zu erklä­ren, was los war.

Patrick Bah­ners hat­te vor eini­gen Wochen in der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Zei­tung“ eben­falls über den Pro­zess geschrie­ben und Bro­ders Lebens­werk damals beein­dru­ckend zusam­men­ge­fasst:

Sei­ne preis­ge­krön­te publi­zis­ti­sche Stra­te­gie der ver­ba­len Aggres­si­on nutzt den Spiel­raum der Mei­nungs­frei­heit, um ihn ein­zu­schrän­ken: Kri­ti­ker Isra­els sol­len ein­ge­schüch­tert wer­den.

* * *

Wei­te­re Link­tipps kön­nen Sie übri­gens seit Neu­es­tem dem deli­cious-Account von Cof­fee And TV ent­neh­men. Und falls ich end­lich raus­krie­ge, wie ich den dazu­ge­hö­ri­gen Feed hier in die Side­bar ein­ge­baut krie­ge, wird das alles viel prak­ti­scher und über­sicht­li­cher.

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Digital

Father And Son (ca. 2020)

- „Papa, Papa!“
– „Ja, mein Sohn?“
– „Ich hab gera­de in der Ency­clo­pe­dia Blo­gia gescrollt …“
– „Oh.“
– „Was ist die­ses ‚Spie­gel Online‘, von dem 2008 so vie­le Leu­te geschrie­ben haben?“
– „Das war damals ein gro­ßes Online-Maga­zin. Erst gab es über vie­le Jahr­zehn­te ein ange­se­he­nes Print­ma­ga­zin …“
– „Tote Bäu­me?“
– „Genau. Das hat­te lan­ge einen guten Ruf. Dann hat­te es irgend­wann einen unfass­bar schlech­ten Ruf – aber nicht beim ein­fa­chen Volk. Das hat sowohl die Print- als auch die Online-Ver­si­on geliebt. ‚Spie­gel Online‘ war das meist­ge­le­se­ne Online-Medi­um zu die­ser Zeit.“
– „So wie ‚Cof­fee And TV‘ heu­te?“
– (lacht) „Ja, so unge­fähr. Die Leu­te haben alles geglaubt, was bei ‚Spie­gel Online‘ stand. Nur die Medi­en­kri­ti­ker …“
– „Leu­te wie Du, Onkel Nig­gi und Onkel Knü­wi?“
– „Sol­che Leu­te, genau. Wir haben ‚Spie­gel Online‘ kri­ti­siert für schlech­te Recher­che, ein­sei­ti­ge Bericht­erstat­tung und deren Klick…“
– „Die haben noch Klick­hu­re­rei gemacht?!“
– „Wo hast Du denn das Wort schon wie­der gelernt?“
– (lacht)
– (grum­melt) „Jeden­falls: ja, haben sie.“
– „Oh Mann, wie pein­lich!“
– „Du musst wis­sen: damals gal­ten page impres­si­ons noch als hei­li­ger Gral im Inter­net.“
– (lacht)
– „Na ja, das waren jeden­falls ‚Spie­gel‘ und ‚Spie­gel Online‘. 2008 müss­te das Jahr gewe­sen sein, in dem sie gefragt haben, ob das Inter­net doof macht, und über Twit­te­rer und Blog­ger geläs­tert haben.“
– „Aber war­um das denn?“
– „Zum einen, weil sie Angst davor hat­ten – zu Recht, wie wir heu­te wis­sen – zum ande­ren, weil sie sicher­ge­hen konn­ten, dass fast alle Blog­ger und Twit­te­rer dar­über schrei­ben wür­den. Und wenn alle über den ‚Spie­gel‘ schrei­ben, sieht es noch ein biss­chen län­ger so aus, als sei der ‚Spie­gel‘ rele­vant.“
– „Hmmmm. Aber eins ver­steh ich nicht …“
– „Ja?“
– „War­um haben denn immer alle Blog­ger und Twit­te­rer dar­über geschrie­ben? Konn­te denen das nicht egal sein?“
– „Ja sicher, eigent­lich schon.“
– „Oma hat mir mal erzählt, wie sie vor vie­len Jah­ren mit ande­ren Leu­ten ein Atu … Autom …“
– „Atom­kraft­werk?“
– „Ich glau­be ja. Wie sie sowas ver­hin­dert haben. Denen war immer egal, was die ande­ren gedacht, gesagt und in der Zei­tung geschrie­ben haben.“
– „Tja. Die waren damals viel an der fri­schen Luft um zu demons­trie­ren, Sau­er­stoff beru­higt. Wir saßen schlecht gelaunt in unse­ren Büros und haben uns dann halt auf­ge­regt. Ab 2009 hat aber kei­ner – oder kaum noch einer – auf den ‚Spie­gel‘ reagiert, so dass sie 2010 auf­ge­ben muss­ten.“
– „2010? Noch vor Zoo­mer?!“
– „Ja, das ging damals ganz schnell.“
– „Und was ist aus den gan­zen Leu­ten gewor­den, die da gear­bei­tet haben?“
– „Das war das lus­tigs­te: Als ‚Spie­gel Online‘ zuge­macht hat, kam raus, dass da nur drei ver­wirr­te alte Män­ner gear­bei­tet haben: ein Taxi­fah­rer, ein Dro­gen­ab­hän­gi­ger und ein Mann, dem ein wahn­sin­ni­ger Wis­sen­schaft­ler ein Bröt­chen anstel­le sei­nes Gehirns ein­ge­pflanzt hat­te. Alles ande­re kam aus Com­pu­tern.“
– „Gru­se­lig.“
– „Ja. Aber nur halb so gru­se­lig wie deren Tex­te.“
– „Papa?“
– „Ja?“
– „Kön­nen wir noch ein biss­chen Holo­gram­me gucken?“
– „Was wills­te denn sehen?“
– „Den Film mit dem Zei­tungs­mann, der stirbt. Mit dem Schlit­ten. Das ist sooooo lus­tig!“

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Klickbefehl (13)

Hier­zu führt das Land­ge­richt aus: “‘Gefickt’, d. h. über­führt fühlt sich nur ein Täter, nicht aber ein Unschul­di­ger” (UA S. 52). Auch die­ser Satz trifft selbst in der vom Land­ge­richt ange­nom­me­nen Deu­tung in die­ser All­ge­mein­heit kaum zu; unzu­tref­fend ist aber schon die zugrun­de lie­gen­de Aus­le­gung, denn der zitier­te Begriff dürf­te im vor­lie­gen­den Zusam­men­hang in den betrof­fe­nen sozia­len Krei­sen in der Regel im Sin­ne von “Her­ein­le­gen”, “Betrü­gen”, “Aufs-Glatt­eis-Füh­ren”, nicht aber im Sin­ne von “Über­füh­ren” gebraucht wer­den.

Dass vie­le Rich­ter nicht unbe­dingt eine Zweit­kar­rie­re als Lin­gu­is­ten star­ten könn­ten, ist schon län­ger bekannt. Udo Vet­ter fügt im law­blog einen wei­te­ren Fall hin­zu.

* * *

Auch habe Krü­ger „um eine Zusam­men­stel­lung von Thea­ter- und Kon­zert­ver­an­stal­tun­gen und von Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten, ins­be­son­de­re der Schuh­ge­schäf­te“ gebe­ten. Staats­die­ner Krü­ger, der die Grup­pe beglei­te­te, ver­tei­digt sei­ne Pla­nung: „Die Leu­te wol­len sich doch vor Ort was anse­hen.“

Wie sich deut­sche Poli­ti­ker, als Volks­ver­tre­ter immer­hin unse­re (Ihre, mei­ne) Reprä­sen­tan­ten, im Aus­land auf­füh­ren, steht im aktu­el­len „Spie­gel“.

[via Tho­mas Koch]

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Neu­lich habe ich bei Ebay mei­nen gel­ben Stern bekom­men. (…) Ein gel­ber Stern!

Franz Josef Wag­ner muss befürch­ten, den Titel als Deutsch­lands wahn­sin­nigs­ter Jour­na­list zu ver­lie­ren. Das, was Mat­thi­as Hei­ne da ges­tern in der „Ber­li­ner Mor­gen­post“ geschrie­ben hat, ist schlicht unfass­ba­rer Unfug. Sowas hät­te mal ein Blog­ger schrei­ben sol­len …

[via Ste­fan Nig­ge­mei­er]

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Selbstbezogen und unprofessionell

Der „Spie­gel“ hat sich eine self-ful­fil­ling pro­phe­cy gebas­telt. „Die Beta-Blog­ger“ steht drü­ber – ein Wort­spiel, das im für schlech­te Wort­spie­le bekann­ten Blog coffeeandtv.de noch vor der End­kon­trol­le den Gna­den­schuss bekom­men hät­te – und sie füllt in der mor­gen erschei­nen­den Aus­ga­be drei Sei­ten.

Egal, was man über Blog­ger schreibt, hin­ter­her wird man von ihnen doch nur ver­dro­schen, weil man nix ver­stan­den oder mit den fal­schen Leu­ten gespro­chen hat.

steht da ziem­lich zu Beginn und damit ist eigent­lich alles gesagt.

Genau­so gut könn­te da auch ste­hen „das Gan­ze nach dem Wür­zen eine hal­be Stun­de zie­hen las­sen“, oder „Schö­nes Wet­ter drau­ßen, was?“, aber das wür­de ver­mut­lich nicht dazu füh­ren, dass die­se schreck­lich selbst­re­fe­ren­ti­el­len Blog­ger hin­ter­her schrei­ben, der „Spie­gel“ hät­te nichts ver­stan­den.

Gleich drei Autoren haben an dem „Stück“ („Spiegel“-Sprech) mit­ge­strickt, was der Kohä­renz etwas scha­det, dem Text aber ansons­ten nicht hilft. Wer sich für Blogs inter­es­siert, erfährt nichts Neu­es, und wer vor­her noch nie von Blogs gehört hat­te, wird nach­her („Ist ein biss­chen so, als wür­de man sich einer Sek­te nähern, die in inter­nen Gra­ben­kämp­fen ver­sun­ken ist.“) nichts mehr davon hören wol­len.

Der Arti­kel krankt schon an der Grund­an­nah­me, die Jour­na­lis­ten jedes Mal täti­gen, wenn sie einem soge­nann­ten Mas­sen­phä­no­men gegen­über­ste­hen, das sie nicht ver­ste­hen: sie ver­all­ge­mei­nern, sche­ren alle über einen Kamm und wol­len Zusam­men­hän­ge sehen, wo kei­ne sind. Nor­ma­ler­wei­se lau­tet das Wort, das sol­che Tex­te durch­zieht „Gene­ra­ti­on irgend­was“, dies­mal heißt es „Blogo­sphä­re“.

Dabei ist die Blogo­sphä­re weder eine Gemein­schaft von Gleich­ge­sinn­ten, noch ist sie völ­lig zer­strit­ten – sie ist eine völ­lig alber­ne Modell­vor­stel­lung, deren Sinn­lo­sig­keit einem klar wird, wenn man das Wort ein­fach mal durch „Gesell­schaft“ ersetzt. In Wahr­heit heißt Blogo­sphä­re näm­lich: die schie­re Sum­me aller Men­schen, die blog­gen.

Es gibt blog­gen­de Jour­na­lis­ten, blog­gen­de Haus­frau­en, blog­gen­de Schü­ler, blog­gen­de Bestat­ter und blog­gen­de Hartz-IV-Emp­fän­ger – man könn­te von einer blog­gen­den Gesell­schaft spre­chen. Und all die­se Men­schen haben so viel oder wenig gemein­sam, wie Jour­na­lis­ten, Haus­frau­en, Schü­ler, Bestat­ter und Hartz-IV-Emp­fän­ger im All­tag gemein­sam haben. Blogs sind ein Medi­um, ein Mit­tel zum Zweck. Man wird unter Blog­gern auf ähn­li­che vie­le net­te Men­schen, auf ähn­lich vie­le Arsch­lö­cher tref­fen, wie in der Welt da drau­ßen – viel­leicht gibt es unter Blog­gern über­durch­schnitt­lich vie­le Men­schen mit einem gewis­sen Mit­tei­lungs­be­dürf­nis, aber das ist dann auch schon alles.

Natür­lich gibt es Blog­ger, die akti­ver sind und sich bei­spiels­wei­se regel­mä­ßig tref­fen – aber auch das gibt es in Form von Stamm­ti­schen, Ver­ei­nen und Freun­des­krei­sen in der Wirk­lich­keit und hat viel­leicht mehr mit den ent­spre­chen­den Leu­ten zu tun als mit ihrer Pro­fes­si­on.

Ich kann das Bedürf­nis ver­ste­hen, all das Tol­le, Klu­ge, Beun­ru­hi­gen­de, Absto­ßen­de und Neue, das man in Blogs so fin­den kann, irgend­wie einer grö­ße­ren Leser­schaft zu vor­stel­len zu wol­len. In Blogs kann man meis­tens für eine klar umris­se­ne Ziel­grup­pe mit Vor­kennt­nis­sen schrei­ben, aber Jour­na­lis­mus braucht Pro­to­ty­pen und des­halb ist Keith Richards Rock’n’Roll, Kurt Cobain Grunge und Gerard Way Emo (wenn nicht gera­de Han­ni, Nan­ni und Kaf­fee­kan­ni Emo sind).

Also setzt man sich hin, schreibt alles auf, was einem dazu ein­fällt (BILD­blog, Don Alphon­so, Poli­ti­cal­ly Incor­rect, Huf­fing­ton Post) und guckt im Tele­fon­buch unter „B“ wie „Blog­ger“ nach. Nur wird man dem The­ma Blogs damit unge­fähr so gerecht wie ein Blog­ein­trag über Jour­na­lis­mus, der von „Bild“, „Spie­gel“ und irgend­ei­ner Schü­ler­zei­tung han­delt und bei dem Roger Wil­lem­sen, Gün­ther Jauch und Tho­mas Leif was über Jour­na­lis­mus sagen dür­fen. Es ist letzt­lich wie mit den Blin­den und dem Ele­fan­ten.

Jeder Blog­ger schreibt über die The­men, die ihn inter­es­sie­ren, und wenn sich nie­mand zur „glo­ba­len Finanz­kri­se“, dem „Min­dest­lohn“ oder der „Ver­ar­mung des Mit­tel­stands“ äußern will, dann tut das halt nie­mand. Natür­lich tut es trotz­dem jemand, denn auch in den Leser­brief­spal­ten und Call-In-Sen­dun­gen der Radio­sta­tio­nen äußern sich ja Leu­te zu die­sen The­men, von denen sie kei­ne Ahnung haben. Es braucht kei­ne Vor­schrif­ten und kei­ne Lis­ten, was in deut­schen Blogs falsch läuft.

Der Ver­gleich mit ame­ri­ka­ni­schen Blogs (also den rele­van­ten, nicht denen bei MySpace) ist natür­lich nahe­lie­gend, aber auch unfair: die Unter­schie­de zwi­schen Deutsch­land und den USA sind ein­fach zu groß. In den USA gibt es Main­stream-Medi­en mit extre­men Posi­tio­nen, die eine Gegen­öf­fent­lich­keit brau­chen. Wir könn­ten uns ja glück­lich schät­zen, wenn deut­sche Medi­en über­haupt irgend­wel­che Posi­tio­nen ver­trä­ten. Außer­dem gibt es hier­zu­lan­de ein­fach kei­ne Debat­ten­kul­tur, die man digi­tal fort­set­zen könn­te.

Für mich gilt außer­dem: Ich will gar kei­ne gesell­schaft­li­che Rele­vanz haben. Ich schrei­be, weil mir Schrei­ben Spaß macht, seit ich den­ken kann – sogar schon län­ger, als ich eigent­lich schrei­ben kann. Statt ortho­gra­phisch frag­wür­di­ger Geschich­ten über einen „Baua“, der „in Unmacht fellt“, und die mei­ne Eltern lesen (und loben) muss­ten, kann hier heu­te jeder, den es inter­es­siert, lesen, wel­che Musik mir gefällt und was mich alles am der­zei­ti­gen Zustand des deutsch­spra­chi­gen Jour­na­lis­mus stört. Ich habe auch immer schon lus­ti­ge klei­ne Video­fil­me gedreht – frü­her muss­ten die Freun­de mei­ner Eltern deren Vor­füh­rung durch­lei­den, heu­te kann das via You­Tube jeder, der will. Das Inter­net ist das ein­fachs­te Mit­tel, den Kram, den ich sonst für mich selbst machen wür­de, unver­bind­lich einem grö­ße­ren Publi­kum zur Ver­fü­gung zu stel­len. Das erfolgt für bei­de Sei­ten frei­wil­lig (wer’s nicht lesen mag, muss nicht, und wenn ich kei­nen Bock hab, schreib ich nichts) und kos­ten­los.

Und natür­lich wer­den jetzt jede Men­ge Blog­ger über den Arti­kel schrei­ben und sich aus die­sem oder jenem Grund dar­über auf­re­gen. Wer sich für Blogs inter­es­siert, erfährt dar­aus nichts Neu­es, und wer vor­her noch nie von Blogs gehört hat­te, wird es sowie­so nicht lesen. Durch die stän­di­ge Gegen­über­stel­lung der Begrif­fe „Blog­ger“ und „Jour­na­list“ ent­steht der Ein­druck, es gin­ge um zwei unver­ein­ba­re Lager und Blog­ger wür­den Jour­na­lis­ten grund­sätz­lich has­sen (was zumin­dest auf mich nicht zutrifft). Es gibt kei­nen Kampf, des­we­gen wird es auch kei­ne Gewin­ner und Ver­lie­rer geben. Außer natür­lich die „Spiegel“-Autoren, die am Ende Recht behal­ten mit ihrer Vor­her­sa­ge.

(Immer­hin steht vor dem Wort „Blog“ jedes Mal der Arti­kel „das“. Man wird ja beschei­den.)

Nach­trag, 21. Juli: Den Arti­kel gibt’s jetzt auch bei „Spie­gel Online“. Dabei hät­te ich es tau­send Mal lus­ti­ger gefun­den, einen Arti­kel über Blogs nur off­line zu ver­brei­ten.

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Frau im Spiegel

Viel­leicht wer­den wir nie genau erfah­ren, was eigent­lich vor­ge­fal­len ist in den Redak­ti­ons­räu­men von „Emma“. War­um sich Lisa Ort­gies, die gera­de als neue Chef­re­dak­teu­rin ein­ge­ar­bei­tet wer­den soll­te, nicht „für die umfas­sen­de Ver­ant­wor­tung einer Chef­re­dak­teu­rin“ „eig­net“. War­um eine Fern­seh­jour­na­lis­tin, die „bis dahin noch nie als Redak­teu­rin oder Res­sort­lei­te­rin, geschwei­ge denn als Chef­re­dak­teu­rin gear­bei­tet“ hat­te, „ganz und gar über­ra­schend für alle“ „die Fal­sche zu sein scheint“. Ob der Satz „Im Sin­ne von Lisa Ort­gies wird es hier­zu kei­ne wei­te­re Stel­lung­nah­me von EMMA geben“ viel­leicht das bös­ar­tigs­te Arbeits­zeug­nis aller Zei­ten dar­stellt. Und war­um man bei „Emma“ – ent­ge­gen der eige­nen Ankün­di­gung – immer noch nach­tre­ten muss.

Aber wenigs­tens erklärt uns Ali­ce Schwar­zer jetzt, war­um die­se Per­so­na­lie so hoch­ge­kocht wur­de:

Auf­merk­sa­men Zeit­ge­nos­sIn­nen wird es nicht ent­gan­gen sein: Im Klei­nen lau­fen die­se Hetz­kam­pa­gnen gegen Ali­ce & EMMA ritu­ell alle paar Jah­re, im Gro­ßen etwa im Zehn-Jah­res-Rhyth­mus. Der Anlass ist belie­big, jeder Vor­wand ist will­kom­men. Zum Bei­spiel eine Per­so­na­lie, die bei jedem ande­ren Ver­lag ein Drei­zei­ler oder eine ein­ma­li­ge klei­ne Glos­se wäre.

Ent­schul­di­gung. Den letz­ten Satz habe ich unvoll­stän­dig zitiert. Frau Schwar­zer hat näm­lich noch ein kna­cki­ges Bei­spiel parat:

Zum Bei­spiel eine Per­so­na­lie, die bei jedem ande­ren Ver­lag ein Drei­zei­ler oder eine ein­ma­li­ge klei­ne Glos­se wäre (wie im Fal­le Spie­gel vor eini­gen Mona­ten).

[via]

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Sie sind überall!

Ich weil­te heu­te (bzw. am Diens­tag­abend) beim „Berg­fest“ des 44. Adolf-Grim­me-Prei­ses in Marl. Im offi­zi­el­len Teil gab es unter ande­rem eine Podi­ums­dis­kus­si­on zur Fra­ge, ob im öffent­lich-recht­li­chen Fern­se­hen kei­ne Wer­bung mehr lau­fen soll­te. Wie begeis­tert ich immer von Podi­ums­dis­kus­sio­nen bin und was dabei her­um­kommt, kön­nen Sie sich hier oder hier zusam­men­rei­men.

Beim anschlie­ßen­den Bei­sam­men­sein, das soweit ich weiß nicht get tog­e­ther hieß, lern­te ich unter ande­rem Cle­mens Schön­born ken­nen, des­sen Film „Der letz­te macht das Licht aus“ in der Kate­go­rie „Fik­ti­on“ nomi­niert ist. Im Lau­fe des Gesprächs stell­ten wir fest, dass Cle­mens in Dins­la­ken auf­ge­wach­sen ist – sein Bru­der ging aufs glei­che Gym­na­si­um wie ich.

Und dann kam ich nach hau­se und fand einen Link­tipp von mei­ner Mut­ter im Post­ein­gang. Tho­mas Tuma hat­te in einen ziem­lich dada­is­ti­schen „Spiegel“-Text über Bruce Dar­nell fol­gen­den Absatz ein­ge­baut:

Aber sol­le wir ähr­lisch sein, der Wahr­heit sage wie är? Bruce als eine Typ­be­ra­ter in die Äi Ar Di … es ist, als ob Elton John gibt Jodel­kurs in die VHS Dins­la­ken.