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Leben

Was kommt

Bochum hat 374.000 Ein­woh­ner, aber bis zum letz­ten Mitt­woch gab es in der Innen­stadt kein Geschäft, in dem man Audio­kas­set­ten, höher­wer­ti­ges Dru­cker­pa­pier oder DVDs hät­te kau­fen kön­nen. Am Don­ners­tag eröff­ne­te dann end­lich der neue „Saturn“ im alten Kort­um-Haus. Zum Ver­kaufs­start um sechs Uhr mor­gens kamen sagen­haf­te fünf­hun­dert Leu­te, was nicht nur Dju­re zu der Ver­mu­tung bringt, dass das mit dem Ver­in­ner­li­chen der Metro­pol­re­gi­on Ruhr noch eini­ge Zeit dau­ern wird.

Ich selbst war Don­ners­tag­abend nach der Uni da, was inso­fern eine unbe­schreib­lich bescheu­er­te Idee war, als zur glei­chen Zeit der Weih­nachts­markt eröff­net wur­de und die Leu­te zwi­schen Glüh­wein und Brat­wurst noch Lust auf Schlan­ge­ste­hen im neu­eröff­ne­ten Elek­tro­nik­tem­pel hat­ten.

In die­sem selbst merkt man nicht mehr viel von der Geschich­te des Hau­ses, es sieht aus wie in jedem zwei­ten „Saturn“-Markt (näm­lich in den etwas edle­ren Aus­ga­ben). Das beein­dru­cken­de alte Trep­pen­haus ist ver­schwun­den, aber man muss davon aus­ge­hen, dass das Haus sonst noch hun­dert Jah­re leer gestan­den hät­te. Dafür wird deut­lich, dass sich die Macher ein paar Gedan­ken über den Ort gemacht haben: auf den Gegen­ge­wich­ten der ver­glas­ten Fahr­stüh­le fin­det sich die ers­te Stro­phe des Stei­ger­lieds.

Auch bei den Eröff­nungs-Ange­bo­ten bewies „Saturn“ ein Gespür für Lokal­ko­lo­rit: So gab es die DVD der im Kort­um-Haus gedreh­ten Mini­se­rie „Der gro­ße Bell­heim“ für 9,99 Euro und Her­bert Grö­ne­mey­ers Album „4630 Bochum“ für 4,99 Euro. Nach dem Ansturm auf die­ses 23 Jah­re alte Album dürf­te die CD jetzt in jedem Bochu­mer Haus­halt zu fin­den sein. In mei­nem übri­gens auch.

Ansons­ten gab es aber nicht all­zu viel zum Angu­cken oder Kau­fen, es war ein­fach zu voll. Schnell noch „The Spa­ghet­ti Inci­dent?“ von Guns N‘ Roses für 4,99 Euro und einen Ein-Giga­byte-USB-Stick für 6,99 Euro (auch der ging geschätz­te 374.000 Mal weg) mit­ge­nom­men und nach nur fünf Minu­ten an einer der extra ein­ge­rich­te­ten Son­der­kas­sen war ich drau­ßen. Es war voll, es war trotz Weih­nachts­markt viel zu warm und es war in der Sum­me unglaub­lich ner­vig. Ich stopf­te mir mei­ne Ohr­stöp­sel in die Hör­mu­scheln, dreh­te mei­nen MP3-Play­er etwas lau­ter als sonst üblich (und ver­mut­lich auch als schick­lich) und stapf­te von dan­nen.

Es ist gut zu wis­sen, dass ich jetzt Audio­kas­set­ten, höher­wer­ti­ges Dru­cker­pa­pier und DVDs auch in Bochum kau­fen kann und ich noch dazu in den Genuss kom­me, mei­ne CD-Samm­lung mit älte­ren Ton­trä­gern zu Ramsch­prei­sen kom­plet­tie­ren zu kön­nen.

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„Wir nennen es ‚Rad‘ …“

Sony-BMG-Chef Rolf Schmidt-Holtz erklärt in der Finan­cial Times Deutsch­land, dass sein Kon­zern, der sich bei der Fusi­on von Sony und BMG aus Wett­be­werbs­grün­den von sei­nen Musik­ver­la­gen tren­nen muss­te, einen Musik­ver­lag grün­den will.

Ganz neben­bei plau­dert der Chef des welt­weit zweit­größ­ten Musik­kon­zerns eine ech­te Inno­va­ti­on aus:

Zusätz­lich sol­len neue CD-For­ma­te den Umsatz stär­ken. „Bei jun­gen Künst­lern kann man zum Bei­spiel ein Album mit sechs Titeln machen“, so Schmidt-Holtz. Der Preis wer­de bei etwa 5 $ bis 6 $ je Album lie­gen.

Was sagt man dazu? Viel­leicht: „Herz­li­chen Glück­wunsch, Schmidt-Holtz! Sie haben soeben die EP erfun­den …“

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Lost In The Supermarket

Es kommt nicht häu­fig vor, dass mir ein Zei­tungs­ar­ti­kel aus dem Her­zen spricht. Gera­de war es aber soweit: Ralph Mar­tin, ein Ame­ri­ka­ner in Deutsch­land, fragt sich in der FAZ, war­um alle Deut­schen so begeis­tert zu Aldi ren­nen und offen­bar nie­mand in die­sem Land mehr bereit ist, für Qua­li­tät auch sog. anstän­di­ge Prei­se zu bezah­len.

Was das für die Gesamt­ge­sell­schaft bedeu­tet, wur­de mir klar, als ich las, dass die reichs­ten Deut­schen nicht die Hohen­zol­lerns oder Thurn und Taxis sind, son­dern die Brü­der Albrecht, die sich mit 32 Mil­li­ar­den Euro in der glei­chen Kate­go­rie bewe­gen wie Bill Gates oder die Erben von Sam Walt­on, der Wal-Mart grün­de­te.

Mit sei­nem lesens­wer­ten (und nur bedingt pole­mi­schen) Text haut Mar­tin in die glei­che Ker­be, die ich schon bei Eric T. Han­sen so span­nend fand: Ame­ri­ka­ner kom­men nach Deutsch­land, wun­dern sich und stel­len den Deut­schen dann ihr Land in der Außen­an­sicht vor (das mei­ne ich ganz ohne Iro­nie).
Als ich im ver­gan­ge­nen Dezem­ber nach drei Mona­ten USA nach Deutsch­land zurück­kehr­te, woll­te ich jedem Men­schen im Super­markt das zubrül­len, was Mar­tin auch schreibt:

Nur scheint es in Deutsch­land nie­mand zu mer­ken, wie beängs­ti­gend bil­lig Lebens­mit­tel hier im Ver­gleich zu ande­ren Indus­trie­län­dern sind.

Ich kam aber nicht dazu, weil ich mei­ne Ein­käu­fe sel­ber ein­pa­cken muss­te.