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Mein Tag als Paparazzo

Bevor es rich­tig los­geht mit den Echos, möch­te ich Ihnen ger­ne noch mei­ne per­sön­li­che Echo-Geschich­te erzäh­len. Die geht so:

Im Febru­ar 2003 weil­te ich zwecks Ber­li­na­le und Stadt­be­gut­ach­tung eine Woche in Ber­lin. In die­se Zeit fie­len aber nicht nur die Film­fest­spie­le, son­dern (so wie die­ses Jahr auch wie­der) die Echo­ver­lei­hung und eine gro­ße Demons­tra­ti­on gegen den damals unmit­tel­bar bevor­ste­hen­den Irak­krieg.

Aus der für gewöhn­lich gut infor­mier­ten Ber­li­ner Lokal­pres­se erfuhr ich, dass Rob­bie Wil­liams, damals so ziem­lich der größ­te Pop­star im Uni­ver­sum, in town erwar­tet und im „Four Sea­sons“ näch­ti­gen wer­de. Da ich nichts bes­se­res zu tun hat­te, such­te ich das Hotel auf und fand mich zwi­schen etwa einem Dut­zend Fans und genau­so vie­len Medi­en­ver­tre­tern in der Eises­käl­te wie­der. Unschlüs­sig, auf wel­che Sei­te ich mich schla­gen soll­te, pack­te ich erst mal mei­ne sehr neue Nikon F65 aus, denn ich dach­te mir „bes­ser als einen Pro­mi zu sehen ist, ihn zu foto­gra­fie­ren“. Da kam Spike Lee vor­bei und ging unbe­hel­ligt ins Hotel.

Weil ich mit der Kame­ra in der Hand für einen Fan anschei­nend zu gut aus­ge­stat­tet war, glaub­ten die war­ten­den Papa­raz­zi in mir einen jun­gen Kol­le­gen erkannt zu haben und lie­ßen mich an ihren Gesprä­chen teil­ha­ben: Grö­ne­mey­er sei schon in der Stadt, er wer­de nach der Ver­lei­hung auf der gehei­men Par­ty im leer­ste­hen­den Palast der Repu­blik erwar­tet, Wowe­reit wer­de angeb­lich auch dort sein. Dann klin­gel­ten Mobil­te­le­fo­ne: die Foto­gra­fen erfuh­ren, dass Rob­bie Wil­liams gera­de den Ber­li­ner Flug­ha­fen ver­las­sen habe, bei mir woll­te mei­ne Mut­ter wis­sen, wie es mir gin­ge. Ich erzähl­te ihr, wo ich sei und dass gera­de in die­sem Moment Tho­mas Hein­ze an mir vor­bei­ge­he. „Tho­mas Hein­ze oder Kai Wie­sin­ger?“, frag­te mei­ne Mut­ter über­ra­schen­der­wei­se nicht, obwohl sie das sonst immer tut, wenn das Gespräch auf einen der bei­den Schau­spie­ler kommt. Es war aber Tho­mas Hein­ze, der sich gera­de frag­te, ob er das jetzt gut fin­den sol­le, dass er so unbe­hel­ligt über die Stra­ße gehen konn­te, oder ob er nicht doch lie­ber wenigs­tens um ein Auto­gramm gebe­ten wor­den wäre.

Eine ZDF-Mode­ra­to­rin pos­tier­te sich mit der Hotel­fas­sa­de im Rücken vor einer ZDF-Kame­ra, in die sie etwa fünf­mal den glei­chen Auf­sa­ger sprach, bis sie damit zufrie­den war. Oli­ver Stone kam vor­bei, gab zwei Fans, die extra sei­net­we­gen aus Spa­ni­en ange­reist waren, bereit­wil­lig Auto­gram­me und ver­schwand im Hotel. Das ZDF-Team film­te die Papa­raz­zi, die das ZDF-Team foto­gra­fier­ten. Irgend­wann hieß es, Wil­liams sei durch die Tief­ga­ra­ge ins Hotel gelangt: der Fan-Andrang am Ein­gang sei ein­fach zu klein gewe­sen und wie wür­de das denn aus­se­hen, wenn jetzt Bil­der um die Welt gin­gen, auf denen der größ­te leben­de Pop­star von einem Dut­zend Fans in Ber­lin emp­fan­gen wer­de?

Ich pack­te mei­ne Kame­ra ein und fuhr zum Inter­na­tio­na­len Con­gress­cen­trum, wo die Echo­ver­lei­hung statt­fand. Hier waren schon deut­lich mehr Fans, die Mousse T., Ralph Sie­gel und den Prin­zen zuju­bel­ten. Je frü­her man bei sol­chen Events vor­ge­fah­ren wird, des­to bedeu­tungs­lo­ser ist man. Ich pos­tier­te mich mit mei­ner Kame­ra, für die ich natür­lich kein Tele­ob­jek­tiv hat­te, am Ran­de der Absper­rung und guck­te, wer da wohl noch so kom­men möge. Avril Lavi­gne kam vor­bei und ich dach­te, dass die aber wirk­lich klein sei. Dann bog ein Müll­au­to ums Eck und hielt auf den blau­en Tep­pich zu. Ord­ner war­fen sich schon bei­na­he vor den oran­ge­far­be­nen Brum­mi und zwan­gen ihn zur Umkehr. Der Fah­rer hat­te sich in der Ein­fahrt geirrt.

Schließ­lich kamen noch Klaus Wowe­reit, Her­bert Grö­ne­mey­er und Rob­bie Wil­liams – alle mit gebüh­ren­dem Abstand zuein­an­der und emp­fan­gen von einem immer fre­ne­ti­scher wer­den­den Publi­kum. „Rob­bie ist auch nicht sehr groß“, dach­te ich und mach­te Fotos, auf denen hin­ter­her ein sehr klei­ner, aber auch sehr ver­wa­ckel­ter Rob­bie Wil­liams zu erah­nen war. Wäh­rend im ICC die Preis­ver­lei­hung begann, fuhr ich zurück zum Ber­li­na­le-Palast, wo gera­de die Pre­mie­re von „Gangs Of New York“ als Abschluss­ver­an­stal­tung lief. Ein­zel­ne Leu­te ver­lie­ßen das Kino bereits und wur­den ohne Anse­hen der Per­son von den war­ten­den Pas­san­ten mit fre­ne­ti­schem Jubel bedacht. Neben zahl­rei­chen Unbe­kann­ten kamen auch Mar­ti­na Gedeck und Jana Pal­las­ke vor­bei, Die­ter Koss­lick lüpf­te im Vor­bei­ge­hen sei­nen Hut. Dann pack­te ich mei­ne Kame­ra ein und rann­te in den Schau­spie­ler und Regis­seur Sebas­ti­an Schip­per, wor­auf­hin ich ihm ein Bier aus­ge­ben woll­te. Aber das ist eine ande­re Geschich­te.