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Musik

Zwischen Indie, R’n’B und Pop-Schlager: Dinslaken, Rock City

Dins­la­ken hat rund 72.000 Ein­woh­ner, von denen schät­zungs­wei­se knapp die Hälf­te Musik machen. Ich hat­te mich hier bereits mehr­fach und über­schwäng­lich zu den Kili­ans geäu­ßert und dro­he hier schon mal für die Zukunft eine lose Serie an, in der ich sämt­li­che loka­len Bands, denen ich Poten­ti­al unter­stel­le, vor­stel­len wer­de.

Zuvor erfor­dert es aber die Aus­ge­wo­gen­heit, noch auf ein paar ande­re … äh: Acts ein­zu­ge­hen, die eben­falls aus der Stadt kom­men, in der ich die wei­tes­ten Tei­le mei­ner Kind­heit und Jugend ver­brach­te:

Urba­ni­ze
Deutsch­spra­chi­ges R’n’B-Pro­jekt, des­sen eine Hälf­te für meh­re­re Jah­re in mei­ner Jahr­gangs­stu­fe war. Schon damals hat er im elter­li­chen Kel­ler eige­ne Tracks zusam­men­ge­baut und hat dafür von sei­nen punk­so­zia­li­sier­ten Mit­schü­lern (also uns) Hohn und Spott geern­tet. Als er an der RTL-2-Cas­ting­show „Teen­star“ (die so sehr in Ver­ges­sen­heit gera­ten ist, dass es noch nicht mal einen Wiki­pe­dia-Ein­trag zu ihr gibt) teil­nahm, war er für 15 Sekun­den der Star auf dem Schul­hof – dann schaff­te er es nicht in die nächs­te Run­de. Aber weder sol­che Rück­schlä­ge, noch die Bos­hei­ten sei­ner Kri­ti­ker konn­ten ihn auf­hal­ten. Mit der Aus­dau­er, mit der er über vie­le Jah­re hin­weg sei­nen Träu­men nicht nur nach­hing, son­dern auch aktiv an ihnen arbei­te­te, erkämpf­te er sich den Respekt der frü­he­ren Spöt­ter.
Mit­te April erschien „War­ten auf dich“ von Urba­ni­ze, eine … nun ja: zeit­ge­mä­ße, ein­ge­deutsch­te Bear­bei­tung von „Right Here Wai­ting“ von Richard Marx. Wer Oli P.s Ver­si­on von „Flug­zeu­ge im Bauch“ gut fand, und auf hoch­g­e­pitch­te Stim­men nicht mit kör­per­li­cher Abnei­gung reagiert, wird auch hier­an Gefal­len fin­den – und dass das nicht eben weni­ge sind, zeigt ein Blick auf die aktu­el­len deut­schen Sin­gle­charts:

Urbanize in den deutschen Singlecharts
(Screen­shot: mtv.de)

Micha­el Wend­ler
Seit vie­len Jah­ren hän­gen ein­mal jähr­lich Pla­ka­te in Dins­la­ken, die ver­kün­den, dass Wend­ler kom­me. Weil auch mei­ne Begeis­te­rung für Pop- und Mas­sen­kul­tur Gren­zen und blin­de Fle­cken kennt, inter­es­sier­te mich weder, wer „Wend­ler“ war, noch was er wo tue. Aus den Lokal­zei­tun­gen erfuhr ich spä­ter, dass es sich um den „König des Pop-Schla­gers“ han­de­le und die­ser bei sei­nen Kon­zert erst die Stadt­hal­le in Duis­burg-Wal­sum und dann die Are­na Ober­hau­sen mit begeis­ter­ten Fan­in­nen füll­te.
Seit letz­ter Woche hängt im Dins­la­ke­ner Bahn­hof ein Pla­kat, das die Ver­öf­fent­li­chung von Wend­lers Sin­gle „Sie liebt den DJ“ bei SonyBMG ankün­digt (mit Urba­ni­ze und Kili­ans kom­men wir somit auf drei deutsch­land­wei­te Sin­gle-VÖs Dins­la­ke­ner Künst­ler inner­halb von zehn Tagen – dodge this, Oma­ha, Nebras­ka!).
Mei­ne jour­na­lis­ti­sche Gründ­lich­keit erfor­dert es jetzt von mir, dass ich auch in die­sen Song mal rein­hö­re. Geht ja alles ganz ein­fach mit iTu­nes. Aaaal­so, hier und jetzt das 30-Sekun­de-Live-Hör­erleb­nis in einem Nicht-Live-Medi­um: öh, ja – „Pop-Schla­ger“ trifft es wohl ganz gut. Ich per­sön­lich grif­fe für mei­ne Par­ty­be­schal­lung zu The Smit­hs, bei denen der DJ nicht geliebt, son­dern gehängt wird, aber die Zei­ten, in denen ich kate­go­risch ein Ver­bot von allem for­der­te, was mir nicht gefiel, sind (wie all­ge­mein üblich) mit dem Ende mei­ner Puber­tät ver­gan­gen, so dass ich heu­te in aller Gelas­sen­heit sagen kann: „Bit­te, wem’s gefällt und wem es beim Erwerb guter Lau­ne auf Groß­ver­an­stal­tun­gen hilft, der soll bit­te auch sol­che Musik mit der glei­chen Hin­ga­be hören, wie ich gera­de Get Cape. Wear Cape. Fly. Aber bit­te in einer Laut­stär­ke, die kei­ne Nach­bar­schafts­pro­zes­se vor tat­säch­li­chen und TV-Gerich­ten nach sich zieht!“

Und nach­dem wir Dins­la­ken – ver­mut­lich zur gro­ßen Über­ra­schung sei­ner Ein­woh­ner – der­art als Kul­tur­stadt gefei­ert haben, müs­sen wir nur noch raus­krie­gen, wel­che genaue Bedeu­tung eigent­lich das Pro­mi­nen­ten­ren­nen auf der dor­ti­gen Trab­renn­bahn für die ZDF-Sen­dung „Nase vorn“ hat­te …