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Gesammelte Platten Februar 2010

Die­ser Ein­trag ist Teil 2 von bis­her 8 in der Serie Gesam­mel­te Plat­ten

Die Idee, eine neue Serie zu star­ten, war ja gut. Der Gedan­ke, dass man aus Grün­den des Grup­pen­zwangs eher ver­sucht sein könn­te, sich an Abga­be­ter­mi­ne zu hal­ten, war auch nicht schlecht. Und dann war’s natür­lich wie­der der (eigent­lich nie) so genann­te Chef, der am Längs­ten gebraucht hat.

Dafür haben wir jetzt eine (wie wir fin­den) ansehn­li­che Lis­te bei­sam­men mit Plat­ten aus dem Monat Febru­ar (oder so – die Ver­öf­fent­li­chungs­ter­mi­ne in Deutsch­land schei­nen immer will­kür­li­cher, absur­der und mehr­fa­cher zu wer­den). Und März kommt dann hof­fent­lich auch recht bald!

The Album Leaf – A Cho­rus Of Sto­rytel­lers
Der Titel des fünf­ten Album von The Album Leaf wun­dert mich über­haupt nicht. Er passt sogar wun­der­bar, denn das neue Werk aus der Feder von Jim­my LaVal­le und sei­nem Team hat mich wirk­lich beein­druckt. Atmo­sphä­ri­scher Post-Rock, der beim Hören Klang­wel­ten auf­baut, die einen hin­weg­tra­gen und zu einem Sound­track des Moments wer­den las­sen, wenn man denn will. „Moment­auf­nah­men“ beschreibt das Werk ziem­lich nah, ohne es zu sehr ein­zu­gren­zen. Kohä­siv sind die Songs und fügen sich in das Bild von Geschich­ten sehr gut. Cle­ver ver­knüpf­te Gei­gen mit pul­sie­ren­den Melo­dien.
Liegt viel­leicht auch dar­an, dass LaVal­le „A Cho­rus Of Sto­rytel­lers“ wie sei­ne Vor­gän­ger auf Island auf­ge­nom­men hat. Pas­sen die Songs doch per­fekt zu Land­schaf­ten, die man mit Island in Ver­bin­dung bringt, in denen Zeit in ande­ren Ein­hei­ten gezählt wird. An man­chen Lie­dern bleibt man hän­gen und Zeit spielt kei­ne Rol­le, bis man wei­ter­ge­tra­gen wird und die Zeit rennt. Tex­te ver­teilt Jim­my LaVal­le auf die­ser Plat­te nicht vie­le, wenn er es den­noch tut, bleibt viel Platz für Mög­lich­kei­ten: „There’s a wind behind ever­yo­ne /​ That takes us through our lives /​ I wish I could have stay­ed /​ But this wind takes me away.“ Viel­leicht ist das Album auch ein wenig die Ent­de­ckung der Lang­sam­keit. (AK)

The Blue Van – Man Up
Kön­nen wir offen spre­chen? Ich bin in letz­ter Zeit ein biss­chen genervt bis ent­täuscht von Gitar­ren­rock­bands. Die Sachen, die mich im letz­ten Jahr wirk­lich gekickt haben, waren meist Hip-Hop oder Elek­tro, ger­ne auch irgend­was mit viel Kla­vier, Glo­cken­spie­len und Xylo­pho­nen. Nicht die bes­te Vor­aus­set­zung also, um sich mit einer skan­di­na­vi­schen Indierock­band zu befas­sen. Und doch hat das drit­te Album von The Blue Van aus Däne­mark eini­ges von dem Schwung der Debüts von Man­do Diao und Franz Fer­di­nand und erin­nert dar­über hin­aus an Bands wie The Hives, Jet und The Alex­an­dria Quar­tet. Also: Defi­ni­tiv nix Neu­es, aber durch­aus druck­voll und unter­halt­sam. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

Enno Bun­ger – Ein biss­chen mehr Herz
Es braucht in der Regel nicht viel mehr als ein Kla­vier, um mich zu begeis­tern. Enno Bun­ger, der Front­mann von Enno Bun­ger, spielt Kla­vier, also sieht es mit Anlei­hen bei Kea­ne, Cold­play und Stray­light Run schon mal ganz gut aus. Bei den Tex­ten bin ich durch­aus zu Dis­kus­sio­nen bereit, denn deutsch­spra­chi­ges Gesin­ge über Gefüh­le läuft ja schnell Gefahr, schla­ge­resk zu klin­gen. In der Tat sind man­che Tex­te selbst für mich als Virginia-Jetzt!-Gutfinder hart an der Gren­ze, aber wenn man das Trio aus Leer erst mal live gese­hen hat, erschließt sich einem das Werk sehr viel bes­ser. Ich kann ver­ste­hen, wenn man Enno Bun­ger nicht mag, aber ich mag sie. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

Lightspeed Cham­pi­on – Life Is Sweet! Nice To Meet You.
Nach dem Ende der Test Ici­c­les mach­te Dev Hynes (der, wie ich gera­de erschro­cken fest­stel­le, auch jün­ger ist als ich selbst) plötz­lich Folk­mu­sik und ver­öf­fent­lich­te mit „Fal­ling Off The Laven­der Bridge“ vor zwei Jah­ren ein Album, das nach Wüs­ten­staub klang. Davon ver­ab­schie­det sich das Zweit­werk schon rela­tiv früh und schwankt dann durch die ver­schie­de­nen Spiel­ar­ten von Indiepop. Das Album erin­nert an WHY?, We Are Sci­en­tists und die Shout Out Louds, dann bricht plötz­lich („The Big Guns Of High­s­mith“) ein Män­ner­chor her­vor, wie man ihn seit „Sam’s Town“ von den Kil­lers nicht mehr gehört hat. Das ist manch­mal ein biss­chen zu eklek­tisch (und mit 15 Songs auch etwas zu viel), aber ins­ge­samt immer noch sehr schön. (LH)

Local Nati­ves – Goril­la Man­or
Ver­kürzt könn­te man die­se Plat­te fol­gen­der­ma­ßen beschrei­ben: Ein Biss­chen wie Vam­pi­re Weekend, nur eben ohne fürch­ter­lich zu sein. Dass da Res­t­erklä­rungs­be­darf zurück­bleibt, ist zumin­dest vor­stell­bar. Local Nati­ves kom­men aus Sil­ver Lake (oder Sil­ver­la­ke?), wor­über ich mir ein­mal (mit etwa 700 ande­ren zusam­men) auf einem „Kon­zert“ von Hen­ry Roll­ins per­sön­lich erklä­ren las­sen durf­te, dass das eine ziem­lich üble Ecke in Los Ange­les ist (oder war, der Herr Roll­ins hat da wohl um 1840 mal gewohnt). Der Her­kunfts­ort ist natür­lich völ­lig irrele­vant, aber man soll ja per­sön­li­che oder geo­gra­phi­sche Bezü­ge zu sei­nem Unter­su­chungs­ob­jekt her­stel­len. Jeden­falls war mein ers­ter Gedan­ke beim Hören die­ser Plat­te: „Hui. Klingt wie Vam­pi­re Weekend, nur nicht so fürch­ter­lich.“ Tut es ja aber gar nicht. „Goril­la Man­or“ ist halt eigent­lich ganz schön Indie-Rock, aber eben mit dem Extra-Meter Spaß (Ah, Rezen­si­ons­plat­ti­tü­den!), den man gemein­hin als den „The-Blood-Arm-Effekt“ kennt: Auf den ers­ten Blick sehr direk­ter Schub­la­den­rock, der es aber aus bestimm­ten, unvor­her­seh­ba­ren Grün­den schafft, zu wach­sen und Bedeu­tung zu erlan­gen. Inso­fern sind Refe­ren­zen auch depla­ziert, wer aber trotz­dem wel­che braucht: Ein wenig Grizz­ly Bear (wegen der Chö­re), ein biss­chen Ani­mal Coll­ec­ti­ve (wegen der spo­ra­di­schen Busch­trom­meln) und ein wenig The Natio­nal (wegen der kon­ven­tio­nel­len Mach­art). Gefällt mir sehr gut! Objek­ti­ver wird es nicht. (MS)

Mas­si­ve Attack – Heli­go­land
Kein Mann ist eine Insel. Stimmt. Heli­go­land ist in dem Fall das fünf­te Stu­dio­al­bum des bri­ti­schen Trip-Hop-Duos Mas­si­ve Attack. Nach eini­ger War­te­zeit, in der die Bei­den sich mit Sound­tracks und ande­ren ambi­tio­nier­ten Pro­jek­ten beschäf­tigt haben, war ein kom­plet­tes Album fer­tig, was jedoch wie­der ver­wor­fen wur­de. Für Heli­go­land haben sich die Bei­den den wun­der­ba­ren Tun­de Adeb­im­pe von TV On The Radio, Damon Albarn von Blur, Adri­an Utley von Port­is­head, Guy Gar­vey von Elbow und etli­che ande­re Künst­ler an Bord geholt, die durch­aus char­mant für „Heli­go­land“ kol­la­bo­rier­ten und man kann sagen, es ist eine ein­dring­li­che Plat­te gewor­den. Nicht ganz bequem beim ers­ten Mal hören, aber die Kan­ten, an die man beim Hören aneckt, sind sehr sehr gut kon­zi­piert. Vor allem „Babel“ und „Para­di­se Cir­cuits“ sind für mich High­lights. Düs­ter, wabern­de Beats, ein wenig los­ge­lös­te Melo­dien. Mas­si­ve Attack wie man Sie kennt. Ich bin dann mal auf Heli­go­land. Insel­ur­laub. (AK)

Joan­na News­om – Have One On Me
Was die­se Frau auch immer macht. Da bringt sie zuletzt ein Album auf den Markt, das mit „Ys“ einen doch eher undurch­sich­ti­gen Titel sein Eigen nennt. Wird man dann aller­dings des Covers ange­sich­tig, ver­schlägt es einem fast die Spra­che ob des gan­zen Mit­tel­al­ter-Klim­bims, den man da vor sich hat. Ein Hören der Musik kann einen dann sofort eines Bes­se­ren beleh­ren, wenn man sich nicht schon zu arg dar­auf ein­ge­schos­sen hat, das als Herr-der-Rin­ge-Sound­track abtun zu wol­len. Aber um „Ys“ geht es ja nicht. Es geht dar­um, was sie jetzt schon wie­der gemacht hat, die gute Frau News­om. In Zei­ten der nach­hal­ti­gen Für­to­t­er­klä­rung der hap­ti­schen Kom­po­nen­te von Musik ent­schei­det sie sich dafür, eine Drei­fach-CD /​ LP her­aus­zu­brin­gen. Natür­lich ist da durch­aus eini­ges an Book­let und Art­work dabei, um den tat­säch­li­chen Hard­co­ver-Käu­fer für sei­ne ana­chro­nis­ti­sche Tat zu ent­loh­nen, aber den­noch: Pro­duk­ti­ons­kos­ten und so, Sper­rig­keit etc. pp. Apro­pos: Nicht einer die­ser gan­zen Songs hat kon­ven­tio­nel­le Pop­son­glän­ge (ob das gene­rell gut oder gene­rell schlecht ist, steht in einem ande­ren Pam­phlet, das selbst schon müde gewor­den ist; auch eine her­aus­ra­gen­de Leis­tung für etwas aus Papier, nicht wahr?). Dar­über­hin­aus wur­de hier mit einer der­ar­ti­gen instru­men­ta­len Opu­lenz ans Werk gegan­gen, dass man sich allein im Ope­ner „Easy“ ver­lie­ren kann und bestän­dig Neu­es hört, und das vor allem (jetzt kommt fast der wich­tigs­te Punkt), ohne sich auch nur ein­mal zu fra­gen, war­um man das jetzt irgend­wie gut fin­den soll. Es fehlt also qua­si der Moder­ne-Kunst-Moment, in dem man vor einem Tri­pty­chon von Miró mit dem Titel „Gefäng­nis aus der Sicht eines Insas­sen“ oder so ähn­lich steht und denkt: „Hm, das ist jetzt also die­se Kunst, von der immer alle spre­chen“. Natür­lich ist Miró super, kei­ne Sor­ge, und so schön bunt und so. Aber „Have One On Me“ könn­te tat­säch­lich so in etwa die Ana­lo­gie zu Pie­ter Brueg­hels des Älte­ren „Land­schaft mit dem Sturz des Ika­rus“ sein: Hand­werk­lich her­vor­ra­gend, aber dar­über­hin­aus so alle­go­rien- und bild­reich, dass man sich noch Jahr­hun­der­te lang dar­über den Kopf zer­bre­chen kann. Wenn man das mag. Ansons­ten ist es auch ein­fach so ziem­lich schön! (MS)

Sca­ry Man­si­on – Make Me Cry
Manch­mal ist es gut, dass Album­co­ver in Zei­ten von MP3s eine eher unter­ge­ord­ne­te Rol­le spie­len, denn das zu „Make Me Cry“ hät­te mich dann doch nicht unbe­dingt zum Hören ein­ge­la­den. Da wäre mir doch glatt was ent­gan­gen, denn der Indie­rock die­ser Band aus Brook­lyn gefällt mir aus­ge­spro­chen gut. Mein Musik­gen­re­be­nenn­ro­bo­tor hat grad den Dienst quit­tiert, also ver­su­che ich mich lie­ber an Ver­glei­chen: The Pains Of Being Pure At Heart, Yo La Ten­go, The Sounds … Na ja, so unge­fähr. Jeden­falls: Lieb­rei­zen­der Gesang einer Sän­ge­rin über ver­zerr­te Gitar­ren, die mal Upt­em­po, mal epi­scher sind. Das wird mich im kom­men­den Früh­ling sicher noch län­ger beglei­ten. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

Seabear – We Built A Fire
Seabear, das sind sie­ben auf einen Streich. Was als Solo­pro­jekt von Sin­dri Már Sig­fús­son aus Island begann, ist jetzt eine sie­ben­köp­fi­ge musi­zie­ren­de Band, die mit ihrem Indie-Folk einen gelun­gen Nach­fol­ger zu ihrem Debut­al­bum „The Ghost That Car­ri­ed Us Away“ ablie­fert. „We Built A Fire“ kann sich auf jeden Fall hören las­sen, egal zu wel­cher Jah­res­zeit. Es ist alles dabei: Hör­ner, Gei­gen, unauf­dring­li­ches Schlag­zeug, tol­le Melo­dien und die­se beson­de­ren islän­di­schen Emo­tio­nen, oder was die sonst noch in ihre Songs rein­mi­schen, dass man ein­fach gebannt vor dem Laut­spre­cher sitzt. Von lei­sen Tönen („Cold Sum­mer“) bis hin zu fre­chen Tönen („Wolf­boy“, „Wod­den Tee­th“) ist auf „We Built A Fire“ alles vor­han­den. Vor allem aber ist nichts vorraus­seh­bar, außer dass Seabear wirk­lich ein gelun­ge­nes Werk geschaf­fen haben, das die leich­ten Melo­dien auch immer mit der dazu­ge­hö­ri­gen Tie­fe ver­bin­det. Was es des­halb so emp­feh­lens­wert macht. (AK)

Shout Out Louds – Work
Ist das Kon­zept die­ser Serie hier eigent­lich, nur Emp­feh­lun­gen aus­zu­spre­chen? Dann hat die neue Shout-Out-Louds-Plat­te hier eigent­lich nicht viel ver­lo­ren, denn sie ist schon eine ziem­li­che Ent­täu­schung. Dass sie etwas ruhi­ger ist als die bei­den Vor­gän­ger, ist an sich ja nichts schlim­mes, aber lei­der bleibt außer der Sin­gle „Fall Hard“ ein­fach nicht viel hän­gen. Nach eini­gen Durch­gän­gen kommt dann zwar ein biss­chen Atmo­sphä­re auf, aber bis dahin hat man eigent­lich schon lie­ber zu „Our Ill Wills“ oder „Howl Howl Gaf Gaff“ gegrif­fen. Scha­de! (LH)

Yea­say­er – Odd Blood
Irgend­wann vor zwei Wochen habe ich eine Sam­mel-Mail bekom­men mit der Fra­ge, ob jemand mit aufs Yea­say­er-Kon­zert im Fried­richs­hai­ner Post­bahn­hof gehen wür­de. Habe dann ganz schnell Yea gesagt. Hät­te ich viel­leicht nicht tun sol­len, denn es war eins der lang­wei­ligs­ten Kon­zer­te, an die ich mich erin­nern kann. Nicht, dass es schlecht gewe­sen wäre, dann hät­te man ja ein­fach gehen kön­nen. Es war im Gegen­teil immer mal wie­der ganz gut, viel­ver­spre­chend, sodass man stän­dig dar­auf gewar­tet hat, dass es end­lich mal rich­tig los geht. Das ist dann lei­der den gan­zen Abend lang nicht pas­siert, was aller­dings selt­sam ist, in Anbe­tracht des­sen, dass es auf die­sem Album eigent­lich die gan­ze Zeit, Ver­zei­hung, so rich­tig los geht. Von die­sem irre­füh­ren­den, genia­len Ope­ner mit der effekt­ver­zier­ten und hun­der­te Okta­ven nach unten gedrück­ten Stim­me über den, Ver­zei­hung noch­mals, Hit „Ambling Alp“ bis zum Schluss ist das durch­weg inter­es­san­te Kost, die durch­aus gewöh­nungs­be­dürf­tig ist, aber doch – auf die gute Art! – Hip­pie­mu­sik mit Tech­no und total über­trie­be­nem Lati­no­kitsch ver­mischt. Eigent­lich über­haupt nicht mein Ding, wäre es aber sicher­lich gewor­den und hät­te „Odd Blood“ zu einem die­ser gebets­müh­len­ar­tig beschwo­re­nen „frü­hen Anwär­ter“ auf mein Album des Jah­res wer­den las­sen. Wäre nicht die­ses Kon­zert so ver­ma­le­deit öde gewe­sen. Scha­de! Anhö­ren lohnt sich wohl aber trotz­dem. (MS)

Mit­ar­beit an die­ser Aus­ga­be:
AK: Anni­ka Krü­ger
LH: Lukas Hein­ser
MS: Mar­kus Steidl

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Listenpanik: Alben 2007

So ein Jahr geht ja dann doch schnel­ler zu Ende als man denkt: Zwar ist es irgend­wie absurd, noch vor Sil­ves­ter zurück­zu­bli­cken, aber unse­re hek­ti­sche, durch­or­ga­ni­sier­te Welt lässt sich von Logik nicht auf­hal­ten. Des­halb habe ich nach den Songs (bei denen ich am liebs­ten schon wie­der mit­tel­gro­ße Kor­rek­tu­ren vor­neh­men wür­de) jetzt mei­ne Alben des Jah­res 2007 sor­tiert, abge­packt und nie­der­ge­schrie­ben.

Zwar hat­te ich nach der Lek­tü­re der Jah­res­rück­schau im „Musik­ex­press“, des­sen Posi­ti­on als letz­tes von mir gele­se­nes Papier­ma­ga­zin damit auch stark ins Wan­ken gera­ten ist, kei­ne gro­ße Lust mehr, über die­ses mir plötz­lich belie­big und unspan­nend erschei­nen­de Musik­jahr zu schrei­ben, aber dann beguck­te ich mein CD-Regal und dach­te: „Jetzt erst recht!“

Und weil so vie­le Künst­ler auch in der Song-Lis­te ver­tre­ten waren, hab ich mir als Anspiel­tipps für die Alben mal ande­re Stü­cke aus­ge­sucht.

1. Bloc Par­ty – A Weekend In The City
Wo anfan­gen? Viel­leicht mit dem Erstau­nen dar­über, dass Bloc Par­ty ihr Erst­werk top­pen konn­ten. Oder doch damit, dass kein Pop-Album der letz­ten fünf Jah­re einen bes­se­ren Span­nungs­bo­gen hat­te? Mit der groß­ar­ti­gen Mischung aus Hoff­nung und Resi­gna­ti­on, Poli­tik und Lie­be, Tanz­bo­den und Kuschel­ecke? Die tol­len Rhyth­men loben, die wun­der­ba­ren Gitar­ren, die ast­rei­ne Pro­duk­ti­on von Jack­kni­fe Lee oder die über allem thro­nen­de Stim­me von Kele Oke­re­ke?
Bull­shit: Wenn einen ein Album am 30. Dezem­ber noch so begeis­tert wie am 2. Febru­ar, dann ist es wohl das Album des Jah­res.
Anspiel­tipp: „Sun­day“

2. Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chro­nic­les Of A Bohe­mi­an Teen­ager
Ken­nen Sie Sam Duck­worth? Ich muss­te den Namen auch gera­de erst mal wie­der nach­schla­gen. Aber sei­ne Band Get Cape. Wear Cape. Fly soll­ten Sie ken­nen. So außer­ge­wöhn­lich, dass mir dazu nur so sinn­lo­se Beschrei­bun­gen wie „Akus­ti­ke­molek­tro“ ein­fal­len. Klingt tau­send­mal tol­ler als es sich anhört. Ein biss­chen froh bin ich aber schon, dass das Album erst nach den gro­ßen Sinn­kri­sen mei­ner Teen­ager-Jah­re erschie­nen ist.
Anspiel­tipp: „War Of The Worlds“

3. Kili­ans – Kill The Kili­ans
Es wäre eine schö­ne Gele­gen­heit, mit die­ser 35. Erwäh­nung der Band in die­sem Blog eine klei­ne dies­be­züg­li­che Pau­se ein­zu­le­gen. Ich glau­be, es ist schon alles gesagt, gesun­gen und gefilmt wor­den. Aber toll ist die Plat­te immer noch
Anspiel­tipp: „Some­thing To Arri­ve“

4. Stars – In Our Bed­room After The War
Die­se Kana­di­er: 33 Mil­lio­nen Ein­woh­ner, von denen etwa die Hälf­te in jeweils min­des­tens zwei Bands musi­ziert. Nicht alle sind so erfolg­reich wie Bryan Adams und Avril Lavi­gne, aber auch nicht alle machen so schlech­te Musik. Stars machen zum Bei­spiel ganz wun­der­ba­ren Indiepop, der zwi­schen Kon­zert­saal und Dis­co schwankt und sich mit gro­ßer Freu­de gleich­zei­tig bei The Smit­hs, Bee Gees und Phil Spec­tor bedient. Toll!
Anspiel­tipp: „Take Me To The Riot“

5. Shout Out Louds – Our Ill Wills
Das sel­be in grün schwe­disch. The Cure statt The Smit­hs und Abba statt Bee Gees, sonst aber genau­so gelun­ge­ner Indiepop wie bei Stars. Die Shout Out Louds lie­fer­ten mit „Tonight I Have To Lea­ve It“ mei­nen Song des Jah­res und sind auch bei den Alben wie­der ganz vor­ne mit dabei.
Anspiel­tipp: „Par­ents Livin­g­room“

6. The Wea­k­erthans – Reuni­on Tour
Schon wie­der Kana­di­er. Na ja, das Land habe ich ja oben schon aus­führ­lichst *hüs­tel* vor­ge­stellt, da freu­en wir uns lie­ber noch ein paar Zei­len über die­ses tol­le Album und wun­dern uns, dass kein Song in mei­ner Jah­res­bes­ten­lis­te gelan­det ist. Pein­lich, pein­lich. Wie’s klingt? Na ja, wenn ich jetzt wie­der „Indiepop“ schrei­be, glaub ich es mir ja lang­sam sel­ber nicht mehr. „Toll“ war auch schon zu oft, dann klingt es halt ein­fach so, wie ein Wea­k­erthans-Album im Jahr 2007 klin­gen soll­te. Logik­schlei­fe geschlos­sen, Zei­len gefüllt!
Anspiel­tipp: „Civil Twi­light“

7. Tra­vis – The Boy With No Name
Ja, gut: Ich bin Fan, Tra­vis wer­den wohl nie ein Album machen, das ich wirk­lich doof fin­de. Viel­leicht war es des­halb der doch eher irgend­wie ein biss­chen ent­täu­schen­de Vor­gän­ger „12 Memo­ries“, der mich „The Boy With No Name“ umso mehr mögen ließ. Aber was will man machen? Jede Men­ge schö­ne Melo­dien mit klu­gen Tex­ten, viel mehr braucht’s halt auch nicht für ein gutes Album.
Anspiel­tipp: „Col­der“

8. Toco­tro­nic – Kapi­tu­la­ti­on
Toco­tro­nic sind ein­fach mit jedem Album gut. Viel­leicht nicht so gut, dass man „Kapi­tu­la­ti­on“ gleich kra­kee­lend zum Album des Jah­res ernen­nen und der Band eine Vor­rei­ter­stel­lung in Wasauch­im­mer unter­stel­len muss, aber eben schon bes­ser als jedes ande­re deutsch­spra­chi­ge Album in die­sem Jahr. Freu­en wir uns auch auf das nächs­te Album und hof­fen, dass es nicht aus­ge­rech­net in einem Jahr mit den neu­en Wer­ken von Ele­ment Of Crime und Tom­te erscheint, was zu einem unnö­ti­gen Show­down füh­ren wür­de.
Anspiel­tipp: „Ver­schwör dich gegen dich“

9. The Wom­bats – A Gui­de To Love, Loss & Despe­ra­ti­on
Ja, was machen die denn da? Ich woll­te doch nie mehr „jun­ge fre­che bri­ti­sche Bands“ hören. Sie ste­hen mir sowas von bis hier, dass ich das zwei­te Arc­tic-Mon­keys-Album bis heu­te nicht gehört habe. Ein Feh­ler? Mir egal. Ich hab ja The Wom­bats und die sind bes­ser als alle ande­ren Bands, die ich alle nicht ken­ne.
Anspiel­tipp: „Kill The Direc­tor“

10. Under­world – Obli­vi­on With Bells
Ber­lin, Fried­rich­stra­ße. Okto­ber, Abend, Regen. Under­world machen aus dem Tou­ris­ten­tram­pel­pfad vor­bei an Luxus­kauf­häu­sern für ein, zwei Momen­te New York. Ralph Fien­nes wird in einem Auto an mir vor­bei gezo­gen. Alles fühlt sich so urban an – und das liegt ver­dammt­noch­mal nicht an der „Arm, aber sexy“-Metropole, son­dern an die­sem atem­be­rau­bend guten Elek­tro-Album.
Neu­lich sah ich das Video zu „Beau­tiful Burn­out“ im Fern­se­hen (GoTV, natür­lich): Über acht Minu­ten, über­haupt nicht welt­städ­tisch, son­dern klein, bil­lig, schmud­de­lig. Und trotz­dem hat­te ich wie­der ein Gefühl wie auf dem Gip­fel der Welt.
Anspiel­tipp: „Beau­tiful Burn­out“

11. The Blood Arm – Lie Lover Lie
Wie man sich mei­ne Gunst erspielt: Kla­vier neh­men, drauf­hau­en, semi-alber­ne Tex­te mehr­stim­mig anstim­men. So sind Ben Folds Five damals mei­ne Lieb­lings­band gewor­den, so ähn­lich haben sich The Blood Arm einen Platz in mei­ner Lis­te erkämpft.
Anspiel­tipp: „The Cha­sers“

12. Jus­ti­ce – †
Es ist mir bei­na­he unan­ge­nehm, die­se Plat­te zu nen­nen. Da könn­te man ja gleich Grö­ne­mey­er oder … äh: Bloc Par­ty neh­men, wenn man Kon­sens haben will. Egal, was die Musik­feuil­le­to­nis­ten jetzt schon wie­der für einen Trend her­bei­schrei­ben wol­len: Das Album mit dem Kreuz im Titel ist und bleibt super. Bit­te tan­zen Sie N.O.W.
Anspiel­tipp: „Tth­hee Ppaarrt­tyy“

13. Wir Sind Hel­den – Sound­so
Die ganz gro­ße Auf­merk­sam­keit in den Medi­en hat etwas nach­ge­las­sen, viel­leicht hat „Poly­lux“ nicht mal mehr einen Bei­trag über Judith Holo­fer­nes als „Stim­me ihrer Gene­ra­ti­on“ gebracht. Wir Sind Hel­den haben ihr Leben zurück und sind so gut wie am ers­ten Tag. Bei fast jeder Band hät­te ich Angst, dass sie einen Song wie „The Geek (Shall Inhe­rit)“ nicht mehr top­pen kön­nen wird, aber Wir Sind Hel­den machen seit „Denk­mal“ ja nichts ande­res. Also: Wei­ter­ma­chen!
Anspiel­tipp: „Sound­so“

13. The Kil­lers – Saw­dust
„Ey, Alter, das ist doch nur eine Rari­tä­ten­samm­lung! Was soll die denn bei den Alben des Jah­res? ‚Alben‘, hörst Du?“ Also bit­te, lie­be Stim­men in mei­nem Kopf: Seid still! Natür­lich ist das „nur“ eine Rari­tä­ten­samm­lung. Aber so man­che Band wäre froh, das als Album hin­zu­krie­gen! Man­che Sachen sind natür­lich etwas sehr absei­tig und wür­den auf einem „nor­ma­len“ Album viel­leicht über­for­dern, aber auf die­sem Zwi­schen­ding dür­fen sich The Kil­lers aus­to­ben. Mit Joy-Divi­si­on-Cover, Wes­tern­gi­tar­ren und Lou Reed. Mei­ne Pro­gno­se fürs drit­te Album: Da geht noch eini­ges!
Anspiel­tipp: „Move Away“

14. Jim­my Eat World – Cha­se This Light
Lie­be Kin­der, wenn Ihr nicht wollt, dass Ihr auch mal eher so mit­tel­mä­ßi­ge Alben so lan­ge hört, bis Ihr sie toll fin­det, dann wer­det bes­ser nie Fan!
Ratio­nal betrach­tet ist „Cha­se This Light“ immer noch ein rela­tiv unbe­deu­ten­des Album, das eine gan­ze Spur zu pop­pig pro­du­ziert wur­de. Tat­säch­lich ist es aber genau die Musik, die ich mor­gens auf dem Weg zur Uni hören möch­te. Oder nachts, wenn ich betrun­ken nach hau­se tau­me­le. Oder dazwi­schen. Also muss man ein­fach zu dem ste­hen, was man mag, und sagen: „Cha­se This Light“ ist doch ein ganz schö­nes Album, irgend­wie.
Anspiel­tipp: „Here It Goes“

15. Muff Pot­ter – Ste­ady Fremd­kör­per
Wie­so ist mir „Ste­ady Fremd­kör­per“ eigent­lich nie so ein treu­er Freund und Beglei­ter gewor­den wie die bei­den Vor­gän­ger­al­ben? Ver­mut­lich, weil das Album im Som­mer raus­kam, viel zu früh für kah­le Bäu­me und Blät­ter­matsch. Natür­lich ist es trotz­dem wie­der ein sehr gutes Album gewor­den, was ich mit einem sehr okay­en fünf­zehn­ten Platz in mei­ner Jah­res­hit­pa­ra­de noch ein­mal her­vor­he­ben möch­te.
Anspiel­tipp: „Das seh ich erst wenn ich’s glau­be“

16. Manic Street Pre­a­chers – Send Away The Tigers
Die Manics nach der Frisch­zel­len­kur: Zurück auf Anfang „Ever­y­thing Must Go“, zurück zu Pathos, gro­ßer Ges­te, Melan­cho­lie und Paro­len­dre­sche­rei. Es hielt sich letzt­lich nicht ganz so gut wie das inter­ne Vor­bild, aber „Send Away The Tigers“ ist trotz­dem ein gelun­ge­nes Album und ein guter Aus­gangs­punkt für einen Neu­an­fang.
Anspiel­tipp: „Indi­an Sum­mer“

17. Foo Figh­ters – Echo­es, Silence, Pati­ence And Grace
Und noch eine Band, die schon vor zehn Jah­ren hät­te auf die­ser Lis­te ste­hen kön­nen. Lang­sam wer­den die Hel­den unse­rer Jugend eben auch älter und wir somit offen­bar auch. Auf dem Album mit dem unmerk­bars­ten Titel der Sai­son merkt man davon aber noch nix, die Foo Figh­ters rocken so, als woll­ten sie Fall Out Boy, Good Char­lot­te und Kon­sor­ten zei­gen, wo die Gitar­re hängt. Dabei weiß das doch jedes Kind: tief.
Anspiel­tipp: „Long Road To Ruin“

18. Rihan­na – Good Girl Gone Bad
Tja, da müs­sen wir jetzt gemein­sam durch. Oder ich muss das erklä­ren, irgend­wie. „Umbrel­la“ ist halt ein Über­song, der über­wie­gen­de Rest ist auch recht gelun­gen und wenn schon irgend­was Mas­sen­taug­li­ches im Radio lau­fen muss, dann doch bit­te cle­ver pro­du­zier­te Songs mit einer char­man­ten Sän­ge­rin.
Anspiel­tipp: „Shut Up And Dri­ve“

19. Mari­ti­me – Here­sy And The Hotel Choir
Mari­ti­me gin­gen hier im Blog auch irgend­wie völ­lig unter, was sehr scha­de ist, weil sie mit ihrem drit­ten Album wie­der an die Qua­li­tät ihres Debüts anknüp­fen konn­ten. Viel­leicht wür­den die Beach Boys so klin­gen, wenn sie heu­te jung wären. (In Wahr­heit wäre Bri­an Wil­son wohl schon lan­ge völ­lig wahn­sin­nig oder tot, wenn er heu­te jung wäre.)
Anspiel­tipp: „Guns Of Nava­ro­ne“

20. Maxï­mo Park – Our Earth­ly Plea­su­res
Mit dem ers­ten Maxï­mo-Park-Album bin ich ja irgend­wie nie so ganz warm gewor­den: Natür­lich waren die Sin­gles super, aber so wirk­lich vom Hocker hau­en konn­te mich „A Cer­tain Trig­ger“ nie. Da ist „Our Earth­ly Plea­su­res“ eher ein Album zum Durch­hö­ren und Mögen. Dass Franz Fer­di­nand auch 2007 kaum ver­misst wur­den könn­te an Maxï­mo Park lie­gen.
Anspiel­tipp: „Pari­si­an Ski­es“

21. Crow­ded House – Time On Earth
Stel­len Sie sich vor, Ihr Kind wür­de sich in zwan­zig Jah­ren über eine Come­back von … sagen wir mal: Star­sail­or freu­en. Wür­den Sie da sagen „Aber Kind­chen, dafür bist Du doch trotz eige­ner Woh­nung, Rücken­lei­den und Uni-Abschluss viel zu jung“, oder wür­den Sie sich freu­en, dass er/​sie/​es gute Musik zu schät­zen weiß?
War­um habe ich eigent­lich immer das Gefühl, mich für mei­nen Musik­ge­schmack recht­fer­ti­gen zu müs­sen? „Time On Earth“ wäre doch auch toll, wenn die Musi­ker in mei­nem Alter wären.
Anspiel­tipp: „Eng­lish Trees“

22. Die Ärz­te – Jazz ist anders
Das soll­te man viel­leicht auch mal erwäh­nen, dass „Jazz ist anders“ das ers­te Album von Die Ärz­te ist, das ich wirk­lich gehört habe. Es ist aber auch ein sehr gelun­ge­nes Album, denn Bel­a­Fa­rin­Rod agie­ren sehr klug und fügen die ver­schie­dens­ten Musik­sti­le kunst­voll zu einem wirk­lich fei­nen Gesamt­bild, das mit „Spaß­punk“ oder ähn­li­chem wenig am Hut hat. Nur: „Jun­ge“ nervt inzwi­schen dann doch. Gewal­tig.
Anspiel­tipp: „Him­mel­blau“

23. Smas­hing Pump­kins – Zeit­geist
Sagt mal, wo kommt Ihr denn her? „Aus Dei­ner tris­ten, teil­zeit-depres­si­ven Teen­ager­zeit, bit­te sehr!“
Von mir aus hät­te es das Come­back der Smas­hing Pump­kins nicht gebraucht, zu pass­ge­nau war ihr Auf­tau­chen in und Ver­schwin­den aus mei­nem Leben damals gewe­sen. Jetzt sind sie (zur Hälf­te) aber doch wie­der da und wo sie sich schon mal die Mühe gemacht haben, kann man natür­lich das eigent­lich gar nicht mal schlech­te Album „Zeit­geist“ erwäh­nen, das irgend­wie aber auch sagen­haft unter­ging. Offen­bar war mein Leben nicht das ein­zi­ge, aus dem die Pump­kins zur rech­ten Zeit ver­schwun­den waren.
Anspiel­tipp: „Doomsday Clock“

24. Mika – Life In Car­toon Moti­on
Als Mika in Deutsch­land sei­nen ver­dien­ten Durch­bruch fei­er­te und kei­ne Stun­de mehr ver­ging, in der er nicht im Radio, Fern­se­hen oder in der Wer­bung zu hören war, war ziem­lich genau der Punkt erreicht, an dem ich sei­ne zucker­sü­ßen Pop­songs nicht mehr hören konn­te. Dabei war „My Inter­pre­ta­ti­on“, der bes­te von ihnen, doch gar nicht aus­ge­kop­pelt wor­den.
Anspiel­tipp: „My Inter­pre­ta­ti­on“

25. Bei­rut – The Fly­ing Club Cup
Auch Bei­rut sol­len in die­ser Lis­te nicht uner­wähnt blei­ben. Zwar fin­de ich das Debüt „Gulag Orke­star“, das ich auch erst in die­sem Jahr ent­deckt habe, ein biss­chen bes­ser, aber „The Fly­ing Club Cup“ ist mit sei­nem folk­lo­ris­ti­schen … äh: Indiepop auch ein sehr schö­nes Album. Der Tag, an dem ich die­ses Album hörend durch eine in mil­chig-röt­li­ches Licht getauch­te Nach­bar­schaft zur Uni stapf­te, wäre mit „sur­re­al“ recht pas­send umschrie­ben.
Anspiel­tipp: „The Penal­ty“

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Musik

Listenpanik: Songs 2007

Nie­mand weiß so recht, war­um man sich aus­ge­rech­net immer den doch recht belie­bi­gen Zeit­raum eines Kalen­der­jah­res aus­sucht, um Lis­ten zu erstel­len von den Din­gen, die da waren und über die High­lights abstim­men zu las­sen. Aber es ist nun mal seit län­ge­rem so, dass im Dezem­ber zurück­ge­blickt, unver­gleich­li­ches ver­gli­chen und unbe­schreib­li­ches beschrie­ben wird. Und die­sem heid­ni­schen Brauch schlie­ße ich mich ger­ne an und eröff­ne mit der Lis­te mei­ner Songs Hym­nen des Jah­res:

1. Shout Out Louds – Tonight I Have To Lea­ve It
Der „Ach, das sind gar nicht The Cure?“-Song des Jah­res. Die Hym­ne des Hald­ern Pop Fes­ti­vals. Das Lied des Jah­res.

2. Kai­ser Chiefs – Ruby
Wie lang ist die Min­dest­halt­bar­keit für Mit­gröl­hym­nen? Erstaun­li­cher­wei­se doch schon fast ein gan­zes Jahr. Wenn man das Lied auch nach hun­dert Mal hören und im nüch­ter­nen Zustand noch gut fin­det, ist das schon die Sil­ber­me­dail­le wert.

3. Kili­ans – When Will I Ever Get Home
Let me intro­du­ce you to some fri­ends of mine. Gute Freun­de zu haben, die tol­le Musik machen, und sich mit ihnen über ihren Erfolg zu freu­en, ist das eine. Das ande­re ist, immer noch auf­rich­tig begeis­tert zu sein von einer mör­der­gu­ten Sta­di­on­rock-Hym­ne wie die Kili­ans die­se hier aus dem Ärmel geschüt­telt haben.

4. Wir Sind Hel­den – The Geek (Shall Inhe­rit)
Nicht, dass ich Wir Sind Hel­den nicht gene­rell für eine tol­le Band hal­ten wür­de, deren Auf­stieg ich seit bei­na­he dem ers­ten Tag mit Freu­den ver­fol­ge. Aber dass sie auf jedem ihrer guten bis sehr guten Alben immer noch einen Song drauf haben, der alle ande­ren um Mei­len über­ragt, macht sie noch ein biss­chen tol­ler. Nach „Denk­mal“ und „Wenn es pas­siert“ jetzt also „The Geek (Shall Inhe­rit)“, die Außen­sei­ter-Hym­ne des Jahr­zehnts.

5. Jus­ti­ce – D.A.N.C.E.
Viel­leicht der Kon­sens-Song des Jah­res: Ob Rocker, Hip-Hop­per oder Elek­tri­ker – auf „D.A.N.C.E.“ konn­ten sich (fast) alle eini­gen. Ein Tanz­bo­den­fül­ler son­der­glei­chen und ver­mut­lich eine der Num­mern, die man unse­ren Kin­dern in drei­ßig Jah­ren auf einem Sam­pler der „größ­ten Hym­nen der Nuller Jah­re“ im Tele­shop (bzw. des­sen Nach­nach­fol­ger) ver­kau­fen wird.

6. Just Jack – Starz In Their Eyes
Hip-Hop? Dis­co? Ein unglaub­lich gut gemach­ter Song mit einem sehr klu­gen Text und immensem Mit­wipp­f­ak­tor. Und jetzt las­sen Sie mich end­lich als Wer­be­tex­ter arbei­ten!

7. Mode­st Mou­se – Dash­board
Nach 14 Jah­ren Band­ge­schich­te gelang Mode­st Mou­se mit der ers­ten Sin­gle aus ihrem fünf­ten Album doch noch so etwas wie ein Durch­bruch. Mit die­ser Indiepop-Per­le, einem Ex-Schmitz an der Gitar­re und dem völ­lig über­dreh­ten Pira­ten-Video.

8. Bloc Par­ty – I Still Remem­ber
Bloc Par­ty haben mich mit ihrem Zweit­werk „A Weekend In The City“ so sehr über­zeugt, dass sie – so viel sei schon ver­ra­ten – zum zwei­ten Mal mein per­sön­li­ches Album des Jah­res stel­len. „I Still Remem­ber“ ist unter den alle­samt gro­ßen Songs der Plat­te der größ­te, weil er trotz des eher trau­ri­gen Tex­tes eine Eupho­rie ver­brei­tet, die einen für 3:50 Minu­ten alles ver­ges­sen lässt.

9. Tra­vis- Sel­fi­sh Jean
Wer hät­te gedacht, dass Tra­vis zehn Jah­re nach ihrem Debüt doch noch mal den Rock für sich ent­de­cken wür­den? Mit dem char­man­tes­ten „Lust For Life“-Ripoff seit … äh: „Lust For Life“ tan­zen sich die sym­pa­thischs­ten Schot­ten im Musik­ge­schäft in die Top 10.

10. Litt­le Man Tate – Euro­pean Lover
Wenn es die Kili­ans nicht gäbe, hät­ten Litt­le Man Tate gute Chan­cen auf mei­nen Titel „New­co­mer des Jah­res“. „Euro­pean Lover“ ist dabei der ein­gän­gigs­te, char­man­tes­te Song ihres Debüt­al­bums „About What You Know“.

11. Beat­steaks – Cut Off The Top
Zu den Beat­steaks muss man nicht mehr viel sagen, die haben immer schon fast alles rich­tig gemacht und mit „Lim­bo Mes­siah“ ist ihnen wie­der ein Top-Album gelun­gen. „Cut Off The Top“ besticht durch sei­nen trei­ben­den Beat und den phan­tas­ti­schen Mit­gr­öl-Refrain: „Dama­ge, dama­ge!“

12. Muff Pot­ter – Die Guten
War­um gibt es eigent­lich so vie­le gute deutsch­spra­chi­ge Songs über Bezie­hungs­en­den? Viel­leicht, weil es so vie­le deutsch­spra­chi­ge Songs über Bezie­hungs­en­den gibt und wenn man den gan­zen Müll von Revol­ver­held, Juli oder Sil­ber­mond weg­lässt, blei­ben eben die guten über. Oder, haha: „Die Guten“. Mit gewohnt tol­lem Text und schö­nen Jim­my-Eat-World-Gitar­ren errei­chen Muff Pot­ter ihre inzwi­schen schon tra­di­tio­nel­le Erwäh­nung auf mei­nen Bes­ten­lis­ten.

13. Rihan­na feat. Jay‑Z – Umbrel­la
Wenn ich an Kate­go­rien wie „Pein­lichs­tes Lieb­lings­lied“ glau­ben wür­de, stün­de die­ses Lied die­ses Jahr unan­ge­foch­ten auf Platz 1. Aber war­um soll­ten einem Lie­der, die man toll fin­det, pein­lich sein? Des­halb: „Umbrel­la“ ist ein tol­ler Song, der auch dann noch gut wäre, wenn Rihan­na eine dicke, alte Frau wäre. Punkt.

14. Babysham­bles – Deli­very
Wer Pete Doh­erty nur als Ex-Freund und Dro­gen­op­fer aus der Bou­le­vard­pres­se kennt, ist doof mag erstaunt sein, dass der Mann auch Musik macht – und zwar rich­tig gute. Mit der bes­ten Post-Liber­ti­nes-Sin­gle ever hat der Mann wie­der ein biss­chen an sei­nem Denk­mal gebaut, an des­sen Demon­ta­ge er sonst so eif­rig arbei­tet.

15. The Blood Arm – Sus­pi­cious Cha­rac­ter
Der Refrain des Jah­res: „I like all the girls and all the girls like me“, so lan­ge wie­der­holt, bis es der Dümms­te glaubt. Oder der Sän­ger selbst. Wenn man sol­che Rock­songs dann auch noch mit Kla­vie­ren auf­hübscht, kann man sich mei­ner Begeis­te­rung sicher sein.

16. Kate Nash – Foun­da­ti­ons
Irgend­wie schei­ne ich eine Schwä­che für Frau­en mit außer­ge­wöhn­li­chem bri­ti­schen Akzent zu haben. Was letz­tes Jahr Lily Allen war, ist die­ses Jahr Kate Nash. „Foun­da­ti­ons“ hat dar­über hin­aus einen char­man­ten Text, ein Kla­vier (s.o.) und ist sowie­so ein rund­her­um tol­ler Song.

17. The Wom­bats – Let’s Dance To Joy Divi­si­on
Erstaun­lich, dass es immer noch Bands gibt, die im Prin­zip genau die glei­che Musik wie alle ande­ren machen und trotz­dem viel, viel tol­ler sind. The Wom­bats sind so ein Fall einer mich über­ra­schen­der­wei­se begeis­tern­den Kapel­le, „Let’s Dance To Joy Divi­si­on“ eine äußerst gelun­ge­ne Sin­gle.

18. Lady Sove­reign – Love Me Or Hate Me
Dass die­ser Song in Deutsch­land kein Hit wur­de und Lady Sove­reign kein Star, hat mich dann doch über­rascht. Viel­leicht ist weib­lich, bri­tisch und rap­pen dann doch kei­ne Kom­bi­na­ti­on für „Bravo“-Leser. Scha­de eigent­lich, denn „Love Me Or Hate Me“ ist mein Hip-Hop-Song des Jah­res.

19. Stars – The Night Starts Here
Und hier die bei Cof­fee And TV am sträf­lichs­ten ver­nach­läs­sig­te Band des Jah­res: Stars. „In Our Bed­room After The War“ ist eine wahn­sin­nig gute Plat­te, die uns in der Lis­te der bes­ten Alben noch ein­mal recht weit vor­ne begeg­nen wird; „The Night Stars Here“ ist bes­ter orches­tra­ler Indiepop.

20. Maxï­mo Park – Girls Who Play Gui­tars
Maxï­mo Park waren neben Bloc Par­ty die span­nends­te Band der Class of 2005 und wie Bloc Par­ty haben auch sie die­ses Jahr ein über­zeu­gen­des Zweit­werk her­aus­ge­bracht. „Girls Who Play Gui­tars“ ist dabei noch einen Tacken bes­ser als die ande­ren Songs.

21. Bruce Springsteen – Radio Nowhe­re
Und hier der Alters­prä­si­dent mei­ner dies­jäh­ri­gen Bes­ten­lis­te, der Mann, den sie „Boss“ nen­nen. Wenn ich mit 56 noch Blog­ein­trä­ge schrei­be wie Bruce Springsteen Songs, wer­de ich mich sehr, sehr glück­lich schät­zen.

22. Mika – Grace Kel­ly
Wann fin­gen Mika und die­ser Song eigent­lich an zu ner­ven? Irgend­wann im Som­mer dürf­te es gewe­sen sein, wes­we­gen sich „Grace Kel­ly“ in der kon­ti­nu­ier­lich aktua­li­sier­ten Bes­ten­lis­te bestän­dig nach unten kämpf­te. Mit etwas Abstand betrach­tet ist das Lied dann aber immer noch ganz gut. Das kön­nen wir ja in zehn Jah­ren noch mal über­prü­fen.

23. Crow­ded House – Don’t Stop Now
Wen inter­es­sie­ren Led Zep­pe­lin, die vor 20 Mil­lio­nen Zuschau­ern hät­ten spie­len kön­nen? Das Come­back des Jah­res gelang Crow­ded House, die genau da wei­ter­ma­chen, wo sie vor elf Jah­ren auf­ge­hört haben: mit zeit­los-tol­len Pop­songs.

24. Toco­tro­nic – Imi­ta­tio­nen
Toco­tro­nic darf man jetzt wohl auch ruhi­gen Gewis­sens auf die Lis­te der Bands set­zen, die wohl nichts mehr falsch machen wer­den in ihrer Kar­rie­re. „Kapi­tu­la­ti­on“ ist wie­der ein her­aus­ra­gen­des, sehr klu­ges Album gewor­den, „Imi­ta­tio­nen“ eines der High­lights. „Dein gut ist mein gut /​ Dein schön ist mein schön.“

25. Ste­reo­pho­nics – Dai­sy Lane
Selbst auf ihren schwä­che­ren Alben hat­ten die Ste­reo­pho­nics immer min­des­tens einen Song, den ich noch gut fand. „Pull The Pin“ ist aber noch nicht mal ein schwa­ches Album. Das hyp­no­ti­sche „Dai­sy Lane“ ist den­noch das High­light der Plat­te und per­fekt geeig­net, die­se Lis­te zu beschlie­ßen.

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Musik

Listenpanik 09/​07: Sie sind wieder da-ha!

Wie mir erst sehr spät auf­fiel, gab es im Sep­tem­ber gar kei­ne Bes­ten­lis­te für den August. Das lag wohl dar­an, dass mir zwi­schen­zeit­lich mein Arbeits- und Musikab­spiel­ge­rät abhan­den gekom­men war. Egal, dann star­ten wir eben jetzt frisch in die neue Run­de mit einer neu­en, wie immer streng sub­jek­ti­ven Bes­ten­lis­te.

Dabei gibt es noch eine Neue­rung: Weil ich am Ende des Jah­res eh immer mei­ne liebs­ten Songs zusam­men­fas­se und das nicht zwangs­läu­fig Sin­gles sein müs­sen, wer­de ich ab jetzt hier die schöns­ten Songs des Vor­mo­nats vor­stel­len. Das hat meh­re­re Vor­tei­le: Die bes­ten Songs eines Albums erschei­nen nicht immer auch als Sin­gle, ich muss mich nicht mehr durch Lis­ten mit Sin­gle-VÖ-Daten quä­len und ich kann auch schon ruhi­gen Gewis­sens Songs nen­nen, die erst im Radio lau­fen, aber noch nicht als Sin­gle erschie­nen sind.

Jetzt aber wirk­lich los:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. The Wea­k­erthans – Reuni­on Tour
Über mei­nem Schreib­tisch hängt ein signier­tes Wea­k­erthans-Pos­ter, muss ich da noch mehr sagen?
Na gut: Die Kana­di­er waren natür­lich nie der­art „weg“, dass das Gere­de von einer „Reuni­on Tour“ gerecht­fer­tigt wäre. Trotz­dem sind sie jetzt eben wie­der da und machen naht­los da wei­ter, wo sie mit „Recon­s­truc­tion Site“ (dem ja auch kein Abriss vor­aus­ging) auf­ge­hört haben: Wun­der­schö­ner Indiepop mit Folk­ein­flüs­sen, lieb­li­chen Har­mo­nien und sehr klu­gen Tex­ten von John K. Sam­son. Ich habe das Gefühl, dies­mal ein paar mehr Beat­les-Ein­flüs­se erkannt zu haben, als man bei den Wea­k­erthans sonst erwar­ten wür­de, aber wel­cher Band hät­te sol­ches schon gescha­det?
Ich möch­te mich bereits jetzt fest­le­gen und sagen: Das Herbst­al­bum des Jah­res!

2. Kili­ans – Kill The Kili­ans
„Wie? Nicht auf der 1?!“ Zuge­ge­ben: Das wäre nach allem Thea­ter hier nahe­lie­gend gewe­sen. Aber ich will mal so fair sein und sagen, dass ich mir bei mei­ner Nähe zu der Band eh kein rich­ti­ges Urteil erlau­ben könn­te („objek­tiv“ wäre eh das denk­bar fal­sche Wort für Musik­be­spre­chun­gen). Also habe ich lie­ber den Wea­k­erthans den Vor­zug gege­ben, bei denen ich mir sicher bin, dass ich das Album lie­be. Lie­ben tue ich „Kill The Kili­ans“ natür­lich auch, aber eben eher so wie ein Geschwis­ter­kind, mit dem man zusam­men auf­ge­wach­sen ist.
Ich war immer etwas in Sor­ge, ob man die Live-Ener­gie die­ser Band auf Plat­te wür­de ban­nen kön­nen. Swen Mey­er hat es nicht ganz geschafft, aber er war klug genug, den Sound des­halb etwas zu polie­ren, damit es wirk­lich wie ein Album klingt und nicht wie ein miss­glück­ter Kon­zert­mit­schnitt. Klingt zu kom­pli­ziert? Dann hören Sie mal die ers­ten bei­den Tra­vis-Alben hin­ter­ein­an­der und Sie ver­ste­hen, wie ich das mei­ne.
Ansons­ten natür­lich: Gro­ßes Song­wri­ting, sau­be­re Arbeit, eigent­lich alles rich­tig gemacht. Nuff said!

3. Foo Figh­ters – Echo­es, Silence, Pati­ence & Grace
Will­kom­men im Monat der Lieb­lings­band-Ver­öf­fent­li­chun­gen!
Dave Grohl ist natür­lich die cools­te Sau im Rock­ge­schäft, dar­über muss man nicht dis­ku­tie­ren. Sei­ne Foo Figh­ters sind auch immer schon groß gewe­sen, aber bis auf „The­re Is Not­hing Left To Lose“ fand ich die Alben immer schwer durch­hör­bar. Das ändert sich jetzt mit dem neu­en Album, des­sen Namen ich jedes Mal nach­gu­cken muss: Hier stimmt das Gleich­ge­wicht von laut und lei­se, von Brett und Hym­ne.
Näher wer­den die Foo Figh­ters ihren Vor­bil­dern von Led Zep­pe­lin viel­leicht nie kom­men, was aber wohl auch ganz gut ist.

4. Kanye West – Gra­dua­ti­on
Ich habe kei­ne Ahnung, war­um ich in den letz­ten andert­halb Jah­ren eine sol­che Begeis­te­rung für Hip­Hop und R’n’B ent­wi­ckelt habe, aber viel­leicht liegt es ein­fach dar­an, dass man mit zuneh­men­dem Alter auf Schub­la­den­den­ken ver­zich­tet, und an der zuneh­men­den Qua­li­tät der ent­spre­chen­den Alben.
Neh­men wir Kanye West: Sam­pelt rotz­frech Daft Punk und Stee­ly Dan (Stee­ly Dan, mei­ne Damen und Herren!!!!1) und arbei­tet mit der neu­en Hip­Hop-Iko­ne Chris Mar­tin zusam­men. Allein aus den Zuta­ten muss jeder, der kein abso­lu­ter Voll­idi­ot ist, doch ein brauch­ba­res Album zusam­men­bau­en. Und da die­se Namen bei Mr. West wirk­lich nur die Spit­ze des Eis­bergs bil­den, ist „Gra­dua­ti­on“ ein wirk­lich gelun­ge­nes Album gewor­den.
Dass der Release des Albums einen Oasis-vs-Blur-mäßi­gen Show­down mit 50 Cent bedeu­te­te, könn­te natür­lich ein wei­te­rer Cool­ness-Fak­tor für mich sein …

5. The Robo­cop Kraus – Blun­ders And Mista­kes
The Robo­cop Kraus schrapp­ten irgend­wie immer haar­scharf an dem vor­bei, was man „Zeit­geist“ nennt. Das ist aber erstaun­li­cher­wei­se gar nicht schlimm, im Gegen­teil: Wür­den sie heu­te noch so abge­hack­te Rhyth­men und hart ange­schla­ge­ne Gitar­ren ver­wen­den wie vor zwei Jah­ren auf „They Think They Are The Robo­cop Kraus“, so wäre das erstaun­lich lang­wei­lig. Des­halb spie­len sie lie­ber – Ach­tung! – gut­ge­laun­ten Indiepop, den man zwar – fest­hal­ten! – von der Insel kennt, aber eben nicht aus Nürn­berg (mehr zum The­ma Pro­vinz und Rock fin­den Sie hier).
Außer­dem soll­te noch irgend­je­mand die­ses wirk­lich außer­ge­wöhn­lich char­man­te Cover-Art­work loben …

Songs (inkl. iTu­nes-Links)
1. Kili­ans – When Will I Ever Get Home
Da hat man eine Band fünf­zehn Mal live gese­hen, glaubt alle ihre Songs zu ken­nen, und dann legt man die CD zum ers­ten Mal ein und sieht sei­nem Unter­kie­fer gera­de noch dabei zu, wie er auf den Fuß­bo­den auf­schlägt. So und nicht anders klingt Sta­di­on­rock, der sich einen Scheiß um die Mul­ti­funk­ti­ons­are­nen die­ser Welt schert. Selbst U2 und die Ste­reo­pho­nics sehen gegen die­se Gitar­ren­wän­de alt aus – die haben aller­dings auch jeweils nur einen Gitar­ris­ten und nicht derer drei.
Das ist die Musik, die man hören will, wenn man nachts betrun­ken mit dem Fahr­rad nach Hau­se fährt: Arme aus­brei­ten, mit­sin­gen und dann gegen den Bord­stein fah­ren und auf die Fres­se flie­gen.

2. The Wea­k­erthans – Civil Twi­light
So müs­sen Alben begin­nen: Genug Schwung in den Stro­phen auf­neh­men und dann im Refrain zur gro­ßen Hym­ne öff­nen. Dazu ein Text, in dem es ums Gol­fen, Hol­ly­wood­schau­spie­le­rin­nen und Ris­se in Miets­häu­sern geht.
Hat­te ich schon erwähnt, wie sehr ich die Wea­k­erthans ver­eh­re?

3. Shout Out Louds – Impos­si­ble
Die Nicht­er­wäh­nung des groß­ar­ti­gen Albums „Our Ill Wills“ ist jetzt schon einer der gröbs­ten Schnit­zer der Lis­ten­pa­nik-Serie. Immer­hin „Tonight I Have To Lea­ve It“ hat­te ich abge­fei­ert, des­halb soll auch die zwei­te Sin­gle aus dem zwei­ten Shout-Out-Louds-Album ihre Wür­di­gung erfah­ren. Nicht zuletzt des­halb, weil die Lis­te der Pop­songs mit Xylo­phon-Beglei­tung immer noch viel zu kurz ist.

4. Ste­reo­pho­nics – It Means Not­hing
Aus mir selbst nicht ganz ver­ständ­li­chen Grün­den haben mich die Ste­reo­pho­nics auch nach sie­ben Jah­ren Fan­dom und meh­re­ren medio­kren Alben nicht los­ge­las­sen. „It Means Not­hing“ ist eine die­ser schlei­chen­den Num­mern vol­ler End­los­schlei­fen, die Kel­ly Jones seit ein paar Jah­ren so ger­ne schreibt. Der Song braucht Zeit, man muss ihn ziem­lich oft hören, bis einem (viel­leicht) die Schön­heit dahin­ter auf­fällt.
Sehr emp­feh­lens­wert beim S‑Bahn-Fah­ren im strö­men­den Regen.

5. Rihan­na – Don’t Stop The Music
Eigent­lich ist es zu spät, um die Bril­lanz des Über­hits „Umbrel­la“ zu wür­di­gen, oder auch nur das über­ra­schend ein­gän­gi­ge Album „Good Girl Gone Bad“ zu loben. Bei­de sind schon Mona­te alt, im schnell­le­bi­gen Musik­biz eine hal­be Ewig­keit. Aber weil mich bei­des so begeis­tert hat, dass ich das sogar öffent­lich zuge­be, woll­te ich noch irgend­was gutes über Frau und Musik schrei­ben und nut­ze die Gele­gen­heit, dass „Don’t Stop The Music“, ein eben­falls sehr gelun­ge­ner (wenn auch natür­lich nicht an „Umbrel­la“ her­an­rei­chen­der) Tanz­bo­den­stamp­fer, im Sep­tem­ber als Sin­gle ver­öf­fent­licht wur­de.

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Musik Unterwegs

Haldern-Liveblog (Samstag)

15:06 Uhr: Was bis­her geschah: Drecks­ver­damm­tes Mist­wet­ter! Die­se Hit­ze! Im Zelt füh­le ich mich wie Colo­nel Kurtz in der grü­nen Höl­le, außer­halb wie Erwin Rom­mel in Nord­afri­ka. Wie, mir kann man’s auch nicht recht machen? 22°C, bewölkt – soll­te doch kein Pro­blem sein.

Auf dem Weg zum Fes­ti­val­ge­län­de noch lau­war­mes Bier ver­nich­tet, aber was tut man nicht alles für authen­ti­sches Fes­ti­val-Fee­ling? Das ist näm­lich jetzt schon wie­der vor­bei, weil ich Prol­lo-Pres­se­mensch im schat­ti­gen Pres­se­zelt sit­zen darf, wäh­rend die unbarm­her­zi­ge nie­der­rhei­ni­sche Son­ne auf den ehe­mals mat­schi­gen Alten Reit­platz nie­der­brennt. Navel und Sere­e­na Manee­sh hab ich des­halb schon ver­passt, aber das Hald­ern-Blog schafft Abhil­fe.

Gera­de ste­hen Fris­ka Vil­jor auf der Büh­ne und von dem, was hier hin­ten noch ankommt, wür­de ich auf Indie-Rock tip­pen. Das soll­te mal genau­er unter­sucht wer­den.

15:35 Uhr: Den­ken Sie bei einem bär­ti­gen, lang­haa­ri­gen Mann mit Hut und Man­do­li­ne nicht auch auto­ma­tisch an Hans Süper? Sie könn­ten auch an Fris­ka Vil­jor den­ken. Die klan­gen ein biss­chen wie eine Mischung aus Arca­de Fire, Kai­zers Orches­tra, The Smith und einer durch­ge­knall­ten Coun­try­band und waren (natür­lich des­halb, nicht trotz­dem) außer­ge­wöhn­lich unter­halt­sam. Wenn es auf dem Niveau wei­ter­geht, wird das ein sehr fei­ner, aber ultra-anstren­gen­der Tag.

16:30 Uhr: Na gut: Sooooo doll ging’s dann doch nicht wei­ter. Vox­t­rot haben zwar ein Kla­vier dabei und klin­gen ein biss­chen wie dir frü­hen R.E.M., aber so ganz kön­nen mich die Texa­ner nicht über­zeu­gen.

Dafür hat der WDR wie­der sei­ne Kame­ras ein­ge­schal­tet und in den Weg gestellt, was mich aus obsku­ren Grün­den an den schöns­ten Fes­ti­val-TV-Moment ever erin­nert …

17:19 Uhr: Auch wenn sie mal aus­nahms­wei­se nicht auf­tre­ten, sind The Divi­ne Come­dy auf dem Hald­ern Pop omnis­pär­sent – und wenn es nur als Umbau­mu­sik und T‑Shirt-Beschrif­tung ist.

Gera­de spie­len John­os­si, die „schwe­di­schen White Stripes“. Es sei sehr heiß auf der Büh­ne sagt Sän­ger John und ein „Ach was“ geht durch die Men­ge. Aber man habe auch gehört, es sei das ers­te tro­cke­ne Hald­ern-Fes­ti­val seit dem 18. Jahr­hun­dert. Das Publi­kum hockt zur Zeit ver­mut­lich lie­ber im Bade­see neben dem Fes­ti­val­ge­län­de und hört von dort aus zu. Alle ande­ren haben schon braun­ge­brann­te Haut oder pfei­fen auf Son­nen­brän­de. Wenn es nicht so uner­träg­lich heiß wäre, wür­den die Leu­te viel­leicht nicht nur beim größ­ten Hit der Band tan­zen. Aber der heißt ja immer­hin „Man Must Dance“.

18:17 Uhr: Ein Teil des gera­de antrock­nen­den Fes­ti­val­ge­län­des stand zwi­schen­zeit­lich wie­der unter Was­ser – dort war eine pro­vi­so­ri­sche Fes­ti­val-Dusche zur Abküh­lung auf­ge­baut wor­den. Auch wenn es schon frü­her Abend ist, sind die Tem­pe­ra­tu­ren nach wie vor hoch.

Die Zuschau­er, die sich gera­de Mala­ju­be geben, las­sen sich davon aber nicht auf­hal­ten. Und auch wenn die Kana­di­er sonst „Mon­tré­al ‑40°C“ besin­gen, kommt ihr fran­zö­sisch­spra­chi­ger Indie­rock gut an. Ich ver­mu­te unter den lau­ten Gitar­ren und Krach­wän­den klei­ne Pop-Per­len, aber die sol­len offen­bar nicht zu auf­fäl­lig sein.

19:38 Uhr: Gera­de gab es die obli­ga­to­ri­sche Pres­se­kon­fe­renz. Ver­an­stal­ter Ste­fan Reich­mann ist zufrie­den mit dem Wet­ter und den Besu­cher­zah­len (5.500 bis 6.000). Er erzählt, dass Indie in vie­len Berei­chen jetzt Main­stream sei, und man in Hald­ern nicht bereit sei, den „Head­li­ner-Ter­ror“, der letzt­end­lich nur die Kos­ten der Ein­tritts­kar­ten in die Höhe trei­be, wei­ter mit­zu­ma­chen. Und auch ohne die ganz gro­ßen „Indie“-Headliner sind Besu­cher­zah­len und Stim­mung ja bes­tens.

Zur Zeit ste­hen Archi­tec­tu­re In Hel­sin­ki auf der Büh­ne, was Raum für etwa ein Halb­dut­zend mie­ser Wort­spie­le lie­ße. Las­sen wir das lie­ber blei­ben und freu­en uns an dem dezent ver­spul­ten Indiepop, der gera­de von der Büh­ne don­nert.

Ab 20 Uhr soll Eins Live, die sog. Jugend­wel­le des omni­prä­sen­ten WDR, übri­gens das Fes­ti­val für vier Stun­den live über­tra­gen. Ich bin ja mal gespannt, ob man dort sei­nem Publi­kum wirk­lich ein Kon­zert von Loney, Dear „zumu­tet“ und dann nach zehn Minu­ten Jan Delay aus­steigt, wie es der Zeit­plan vor­sieht.

20:28 Uhr: Es gibt Geschich­ten, da habe ich das Gefühl, dass mir ein Puz­zle­teil feh­le. Bei Archi­tec­tu­re In Hel­sin­ki bin ich mir des­sen sogar sicher: Alle erzäh­len einem, wie toll die doch sei­en, doch weder auf Plat­te noch live kann mich die Band irgend­wie packen. Letzt­end­lich klingt ihre Musik in mei­nen Ohren wie der Migrä­ne­an­fall einer Wal­dorf-Kin­der­gärt­ne­rin.

Gos­sip am Ran­de: Hier im VIP-Zelt läuft auch Den­nis von Muff Pot­ter rum, den ich gera­de auf ver­mut­lich recht pein­li­che Wei­se ange­quatscht habe. Ich soll­te mir die­ses unpro­fes­sio­nel­le Fan­dom im Dienst mal abge­wöh­nen. Ande­rer­seits: Soll­te man Leu­ten, die groß­ar­ti­ge Musik machen, nicht auch in ihrer Frei­zeit sagen dür­fen, dass sie das tun? Viel­leicht grü­bel ich gleich bei Loney, Dear mal dar­über nach.

21:00 Uhr: Wäh­rend die tief­stehen­de Son­ne den nie­der­rhei­ni­schen Him­mel in ein hol­län­di­sches Oran­ge taucht, geht die Swe­dish Inva­si­on auf der Büh­ne in die nächs­te Run­de: Loney, Dear ali­as Emil Svan­än­gen und sei­ne Begleit­band zau­bern melan­cho­li­schen Indiepop zwi­schen Bright Eyes und The Pos­tal Ser­vice. Die mit­un­ter über­ra­schend text­ar­men Songs („Nanananana­na“, „Dad­ad­ada­da“, „Lal­al­a­la­la“, …) klin­gen live nicht so elek­trisch wie auf Plat­te, wes­we­gen sich der Pos­tal-Ser­vice-Ver­gleich nicht mehr ganz so auf­drängt. Irgend­wie aber eben doch, wes­we­gen ich die Band eben­so als Refe­renz nen­nen möch­te wie Elec­tric Pre­si­dent. Sol­che Musik wür­de auch schön in die Nacht pas­sen.

Apro­pos Nacht: Nach den Erfah­run­gen von ges­tern Abend grü­bel ich noch, ob ich es über­haupt ver­su­chen soll, mir Ghosts und Duke Spe­cial im Spie­gel­zelt anzu­se­hen. Zwar muss man der Fair­ness hal­ber erwäh­nen, dass das Gesche­hen aus dem Zelt auch nach drau­ßen über­tra­gen wird (inkl. Groß­bild­lein­wand) – aber ob das so viel bringt, wenn auf der Haupt­büh­ne gera­de Jan Delay und sei­ne Band spie­len?

Nach­trä­ge Sonn­tag: Pünkt­lich zu den Shout Out Louds wur­de es voll auf dem Platz. So viel zum The­ma „Mäh, gibt ja kei­nen Head­li­ner“. Es war von vor­ne bis hin­ten ein groß­ar­ti­ger Auf­tritt und als nach fünf­zig Minu­ten „Tonight I Have To Lea­ve It“ kam (als letz­ter regu­lä­rer Song vor dem drei­tei­li­gen Zuga­ben­block), brann­te wie erwar­tet die Luft. Man kommt um die­se stän­di­gen The-Cure-Ver­glei­che wirk­lich kaum umhin, weil Adam Oleni­us wirk­lich wie Robert Smith klingt. Ganz klar ein wür­di­ger Abschluss des Fes­ti­vals.

Aber das Fes­ti­val war ja noch nicht vor­bei: Wäh­rend immer mehr Men­schen zu Jan Delay auf den Platz ström­ten, wetz­te ich hin­aus ins Spie­gel­zelt, wo gera­de The Dro­nes am … haha: dröh­nen waren. Ich war mir auch am Ende des Auf­tritts nicht sicher, was ich von ihrem Noi­se-Blues-Rock mit Post-Grunge-Ein­flüs­sen hal­ten soll­te, aber inter­es­sant war es alle­mal.

So lang­sam füll­te sich das Spie­gel­zelt mit Leu­ten, die den Platz teils flucht­ar­tig ver­las­sen haben muss­ten. Ihre Aus­füh­run­gen über das, was Jan Delay da so gebracht habe, sol­len vor einer mög­li­cher­wei­se min­der­jäh­ri­gen Leser­schaft geheim­ge­hal­ten wer­den, des­we­gen nur so viel: Ich war froh, dass ich mich fürs Zelt ent­schie­den hat­te.

Gegen halb eins leg­ten dort Ghosts aus Lon­don mit ihrem char­man­ten Indiepop los, der live nicht mehr ganz so zucker­süß-lieb­lich klingt wie auf Plat­te. Die Band war (wie eigent­lich alle ande­ren auch) völ­lig begeis­tert vom Publi­kum und das Publi­kum auch von ihnen. Mit­ten im Set gab es ein neu­es Kapi­tel der Serie „Brit­pop-Bands covern gänz­lich unwahr­schein­li­che Songs“, als Sän­ger Simon Pet­ti­g­rew „Don’t Cha“ von den Pus­sy­cat Dolls anstimm­te, was wir natür­lich alle erst im Refrain bemerk­ten.

Wäh­rend die Kräf­te der Zuschau­er schwan­den und man­che schon im Ste­hen ein­schlie­fen, wur­de ein hal­bes Instru­men­ten­mu­se­um auf die Büh­ne des Spie­gel­zelts geschleppt. Duke Spe­cial, sonst eigent­lich nur Sänger/​Pianist Peter Wil­son, spiel­ten in vier­köp­fi­ger Beset­zung, bei der unter ande­rem auch Küchen­quirl und Käse­rei­be zum Ein­satz kamen. Wil­son stand hin­ter sei­nem Kla­vier wie sonst nur Ben Folds, und wer so schö­ne Cir­cus-Caba­ret-Indie-Folk-Orches­ter-Pop-Musik macht, dem sieht man auch mal nach, dass er Wurst­haa­re auf dem Kopf trägt.

Danach war Schluss. Zwar stand mit The Ear­lies noch eine letz­te Band auf dem Pro­gramm, aber Rücken, Füße, Lun­ge und Augen schrien „Bett!“ bzw. wenigs­tens „Schlaf­sack“. Und so ende­te das regen­freie Hald­ern-Pop-Fes­ti­val 2007 in die­ser seli­gen Hald­ern-Stim­mung, die einen irgend­wie jedes Jahr befällt. Auf dem Zelt­platz gab es noch John­ny Hills „Ruf Ted­dy­bär Eins-Vier“ und Howard Car­penda­les „Ti Amo“ und ich wuss­te: „Irgend­wie ist es auch gut, dass es jetzt erst mal wie­der vor­bei ist.“

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Die Ohnmacht der Möglichkeiten

Beim Blick auf mei­nen Kalen­der habe ich gera­de fest­ge­stellt, dass in vier Wochen ja schon wie­der Hald­ern Pop ist. Seit sie­ben Jah­ren fah­re ich nun auf die­ses sym­pa­thi­sche Fes­ti­val am schö­nen Nie­der­rhein und es hat sich bis­her immer gelohnt. Ich hof­fe nur instän­dig, dass sich das Wet­ter bis zum 2. August noch bes­sert, denn ein drit­tes Jahr mit Platz­re­gen und Schlamm­schlacht in Fol­ge wür­de mir so lang­sam dann doch mal auf die Ket­ten gehen.

Das Line-Up ist die­ses Jahr ein biss­chen … äh: unge­wöhn­lich, spie­len mit Jan Delay und Jamie T doch zwei Künst­ler, die auf den ers­ten Blick nicht soooo viel mit Indie zu tun haben. Auf den zwei­ten natür­lich schon und über­haupt: Schub­la­den­den­ken ist den Hald­ern-Machern von Raum3 völ­lig fremd, des­we­gen gibt es jedes Jahr eine außer­ge­wöhn­li­che Mischung aus Sze­ne­grö­ßen, gera­de durch­bre­chen­den Acts und vor­her noch völ­lig unbe­kann­ten Künst­lern. Gera­de­zu bezeich­nend ist die Tat­sa­che, dass die schwächs­ten Auf­trit­te der letz­ten Jah­re aus­ge­rech­net die der Super­stars Franz Fer­di­nand und Man­do Diao waren – die sorg­ten aber immer­hin für eine Indie­mäd­chen­quo­te, über die sich so man­che „Ladies Night“ freu­en wür­de.

Für die­ses Jahr sind unter ande­rem ange­kün­digt: Two Gal­lants, Naked Lunch, The Elec­tric Soft Para­de, Polar­kreis 18, The View, Jamie T, The Magic Num­bers, Sebas­tien Tel­lier, John­os­si, Archi­tec­tu­re In Hel­sin­ki, Shout Out Louds, Jan Delay & Dis­ko No. 1, Ghosts, Duke Spe­cial, The Ear­lies, …

Je län­ger man sich das Line-Up anguckt, des­to bes­ser wird es eigent­lich. Zuge­ge­ben: Im letz­ten Jahr hat­te ich mit Ele­ment Of Crime, The Divi­ne Come­dy und James Dean Brad­field gleich drei per­sön­li­che Hel­den, auf die ich mich freu­en konn­te. Aber ich neh­me an, ich wer­de auch die­ses Jahr wie­der begeis­tert zurück­kom­men. Wenn das Wet­ter stimmt …

Hald­ern Pop Fes­ti­val
vom 2. bis 4. August in Rees-Hald­ern (Ndrh.)
Tickets gibt’s offen­bar noch hier

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Listenpanik (3): Endlich ein Grund zur Panik

Der Monat ist um, es ist wie­der mal Zeit, zurück­zu­bli­cken. Hier die übli­che sub­jek­ti­ve Lis­te, in der hin­ter­her wie­der min­des­tens die Hälf­te fehlt:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. Wir Sind Hel­den – Sound­so
Ver­öf­fent­li­chungs­da­ten sind was tol­les: Bis vor zehn Minu­ten dach­te ich, das Album erschei­ne erst mor­gen. Die Track-by-track-Ana­ly­se kommt also erst heu­te Nach­mit­tag liegt jetzt vor. Dass „Sound­so“ ein groß­ar­ti­ges Album ist, das den etwas unent­schlos­se­nen Vor­gän­ger „Von hier an blind“ fast ver­ges­sen macht, kann ich aber auch jetzt schon mal mit­tei­len.

2. Tra­vis – The Boy With No Name
Auch Tra­vis machen ihr letz­tes Album wie­der wett. Auch nach zig­fa­chem Hören bin ich das Album noch nicht leid und ent­de­cke immer wie­der ein paar Details, die ich noch nicht gehört hat­te. „The Boy With No Name“ könn­te das Som­mer­al­bum werden/​bleiben – fehlt nur noch das ent­spre­chen­de Wet­ter.

3. Muff Pot­ter – Ste­ady Fremd­kör­per
Muff Pot­ter zähl­ten eigent­lich immer schon zu den bes­ten Bands des Lan­des – sie wur­den nur irgend­wie immer igno­riert. Das gab sich aber mit den letz­ten bei­den Alben und wäh­rend die Band immer noch bes­ser wur­de, stieg auch ihre Popu­la­ri­tät. Jetzt ver­öf­fent­li­chen die Wahl-Müns­te­ra­ner ihr neu­es Album, das wie üblich all ihre Qua­li­tä­ten ver­eint. Man könn­te es „Deutsch­punk“ nen­nen, wenn man dabei nicht an die Toten Hosen den­ken müss­te, und das nicht sowie­so so ein spie­ßi­ges Eti­kett wäre. Dann halt: Tol­le Tex­te, umar­men­de Melo­dien und immer noch genug Wumms. Muss man (mehr­fach) gehört haben.

4. Manic Street Pre­a­chers – Send Away The Tigers
Noch eine Band für die Lis­te „Schwa­che Vor­gän­ger, die man jetzt getrost ver­ges­sen kann“. Was bin ich froh. Detail­liert habe ich mich hier aus­ge­las­sen, des­halb nur noch: Die Manics sind wie­der da, gehen wie­der auf die Zwölf und wer­den trotz­dem nicht den Sound­track zu den G8-Pro­tes­ten lie­fern.

5. Mumm-Ra – The­se Things Move In Threes
Schö­ner Indiepop, den man hier­zu­lan­de bereits im Vor­pro­gramm der Kil­lers bewun­dern konn­te. Hier wird das Rad nicht neu erfun­den und es ver­sucht auch nie­mand, mit die­sen zur Zeit so belieb­ten, aber unend­lich ner­vi­gen absicht­li­chen Über­steue­run­gen den Hörer zu miss­han­deln. Natür­lich ist das irgend­wie „Mäd­chen­mu­sik“, aber irgend­je­mand muss ja die Nach­fol­ge der Kooks antre­ten. Und irgend­was muss man ja auch auf Kas­set­ten­mäd­chen­kas­set­ten auf­neh­men kön­nen – Mumm-Ra sind dafür per­fekt geeig­net.

Sin­gles (inkl. iTu­nes-Links)
1. Shout Out Louds – Tonight I Have To Lea­ve It
Der Preis für die bes­te The-Cure-Sin­gle des Jah­res geht jetzt schon an die Shout Out Louds – sogar für den Fall, dass Robert Smith und Band selbst noch was ver­öf­fent­li­chen soll­ten. Bei man­chen Bands wäre man viel­leicht ein biss­chen unge­hal­ten, wenn sie so sehr nach einer ande­ren klän­ge. Nach The Cure zu klin­gen hat aber schon Blink 182 gehol­fen und die Shout Out Louds sind sowie­so eine tol­le Band, die man die­ses Jahr unter ande­rem auf dem noch tol­le­ren Hald­ern-Pop-Fes­ti­val bewun­dern kann.

2. Toco­tro­nic – Sag alles ab
Eigent­lich muss man zu Toco­tro­nic ja fast nichts mehr sagen, so sehr über alle Zwei­fel erha­ben ist die­se Band schon lan­ge. Doch dann schi­cken sie ihrem Album „Kapi­tu­la­ti­on“, das erst im Juli erschei­nen wird, eine Sin­gle vor­aus, die rum­pelt wie Anno 1997 und einer Epi­go­nen­trup­pe wie Madsen mal eben zeigt, wo Ham­mer, Har­ke und Frosch­lo­cken sind. Und dann muss man doch wie­der was sagen, näm­lich: „Wahn­sinn!“

3. Wir Sind Hel­den – End­lich ein Grund zur Panik
Wir Sind Hel­den haben schon mit „Gekom­men um zu blei­ben“ gezeigt, dass sie ger­ne ein wenig unty­pi­sche und sper­ri­ge Vor­ab­sin­gles ver­öf­fent­li­chen. Das macht die Band noch ein biss­chen sym­pa­thi­scher, denn „End­lich ein Grund zur Panik“ dürf­te für vie­le Hörer und selbst für zahl­rei­che Hel­den-Fans eine Tor­tur sein: Trei­ben­der Rhyth­mus, wil­des Gekrei­sche, dazu Wort­spie­le, die so schnell anein­an­der­ge­reiht wer­den, dass man die Hälf­te erst beim Mit­le­sen im Book­let ver­steht. Soll­te Wolf­gang Schäub­le ein­mal dem Bei­spiel von Geor­ge W. Bush fol­gen und sei­ne iPod-Play­list öffent­lich machen, ich bin mir sicher, die­ser Song wäre dabei. Nur die Iro­nie dahin­ter, die müss­te jemand anders lie­fern.

4. The Kil­lers – Move Away
Kei­ne Sin­gle im eigent­li­chen Sin­ne, aber ein Sound­track-Bei­trag, der auch gele­gent­lich im Radio läuft. Die Kil­lers trau­en sich noch ein biss­chen mehr als auf ihrem letz­ten Album und lie­fern einen Song ab, der fast nur aus Schlag­zeug und Bass besteht und gefähr­lich durch die Nacht rum­pelt. So kom­men sie ihren gro­ßen Hel­den Joy Divi­si­on mal wie­der ein Stück­chen näher.

5. Björk – Earth Intru­ders
Björk ist ja immer so ein Kapi­tel für sich: Sie hat groß­ar­ti­ge Sachen gemacht und wel­che, die sicher auch groß­ar­tig waren, die aber außer ihr nie­mand ver­ste­hen woll­te. Jetzt hat sie eine Sin­gle mit Tim­ba­land (des­sen Solo­al­bum bei­na­he noch in der obe­re­ren Hit­lis­te gelan­det wäre) auf­ge­nom­men und dabei mal wie­der alles rich­tig gemacht: Der zucken­de Beat und ihr sphä­ri­scher Gesang pas­sen erstaun­lich gut zusam­men und so ent­steht ein Song, den man mal wie­der groß­ar­tig fin­den kann.