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Zum Skandal aufgeblasen

Im Onlinejournalismus gibt es eine Faustregel: Wo “Skandal” drüber steht, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendetwas faul. Was also erwarten Sie, liebe Leser, bei dieser Überschrift von derwesten.de?

Skandal: Ryanair will Passagieren Sex-Angebote machen. Düsseldorf. Michael O\'Leary, Vorstandschef von Europas größter Billigfluglinie Ryanair, sorgte auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf für einen handfesten Skandal.

Auf der Pressekonferenz hatte Ryanair Flüge in die USA für 10 Euro in der Economy Class in Aussicht gestellt.

In der Business-Klasse kündigte O’Leary dann einen ganz besonderen Service an. “Da wird es dann noch ‘Betten und Blowjobs’ extra für die Fluggäste geben.”

Wie “handfest” ((Hihihi.)) der “Skandal” ist, lässt sich vielleicht schon daran ablesen, dass Google News zur Stunde keine einzige Meldung darüber findet. ((Dass derwesten.de auch ein halbes Jahr nach seinem Start noch nicht für die Nachrichten-Suche von Google indiziert ist, ist eine andere Geschichte, für die bei der WAZ-Gruppe eigentlich ein paar Köpfe rollen müssten. Wenn es denn dort mal jemand bemerkte.))

Beim Ramsch-Nachrichtenaggregator shortnews.de, wo man die Meldung von derwesten.de aufgegriffen hatte, schrieb dann auch ein Kommentator:

“Bed and Blowjob” ist umgangssprachlich und bedeutet soviel wie Spitzenkomfort. Er hätte auch sagen können man wird in den Schlaf gewiegt oder es wird einem eine GutenachtGeschichte vorgelesen.

Zugegeben: das wäre mir auch mit meinem Abschluss in Anglistik nicht bekannt gewesen. Erste Umfragen im Bekanntenkreis ergaben auch, dass “umgangssprachlich” wohl ein wenig übertrieben sein könnte.

Das “Urban Dictionary” erklärt “Bed & Blowjob” so:

A seedy hotel. The kind of place that may even rent rooms by the hour. A place you take a chick to solely for sex.

Einig sind sich aber alle Quellen darüber, dass die Aussage des für seine krawalligen Promo-Auftritte und seinen abseitigen Humor bekannten Ryanair-Chefs wohl auf keinen Fall wörtlich zu nehmen seien.

Möglicherweise ist die “Skandal”-Offensive bei derwesten.de und die anschließende Meditation über den Begriff “Blowjob” aber auch Teil des Angriffs auf “RP Online”, zu dem Bodo Hombach, Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe, kürzlich geblasen ((Hihihihi.)) hatte.

Nachtrag, 18. Juni 00:25 Uhr: derwesten.de hat was geändert. Aus der 14-zeiligen Meldung ist ein ganzer Artikel geworden, den Sie heute wohl auch in der gedruckten “WAZ” lesen können, und die Überschrift sieht auch ganz anders aus:

Billigflieger: O\'Leary – der Flegel der Lüfte

Die Kommentare darunter beziehen sich natürlich noch auf die alte Meldung, was aber auch relativ egal ist, da der Autor Wolfgang Pott auch in seinem neuen Langtext die Aussagen von Michael O’Leary nur allzu wörtlich nimmt:

Diese Flüge würden inklusive Sex zwischen 4000 und 5000 Euro kosten, sagt O’Leary.

Der Umstand, dass weder “Bild” noch “Express” (bisher) über diesen “Skandal” berichten und sich selbst das Boulevardblatt “Rheinische Post” zu dem Thema ausschweigt, sollte der “WAZ” zu denken geben.

Jens weist übrigens im Pottblog darauf hin, dass derwesten.de entgegen meiner Aussagen “sehr wohl” bei Google News auftauche. Eine kurze Stichprobe meinerseits mit den Suchbegriffen “Ryanair”, “Dinslaken”, “Bochum” und “Ulrich Reitz” (Chefredakteur der “WAZ”) erbrachte exakt drei Treffer von derwesten.de in den letzten zwölf Stunden (alle drei bei “Bochum”). Das würde ich in einem Moment großer Güte und Gelassenheit als “ausbaufähig” bezeichnen.

Nachtrag, 18. Juni 16:10 Uhr: oe24.at (es sind meistens die Österreicher) hatte die Meldung ursprünglich unter dem Titel “Ryanair bietet bald Übersee-Flüge inklusive Sex” aufgegriffen. Der Artikel klingt nun ganz anders und heißt jetzt “Übersee-Flüge inklusive Sex nur Scherz”.

Noch spannender ist allerdings, dass es bei derwesten.de einen weiteren Artikel zum Thema gibt – allerdings aus der “NRZ” und nicht aus der “WAZ”. Dort heißt es:

Und in der Business-Klasse werde es einen Extra-Service für reiche Reisende geben: „Betten und Blowjobs”. – Der Ryanair-Chef grinst über seinen vermeintlichen Scherz zu seinen US-Flugplänen so breit, wie sich die Golden Gate Bridge über die Bucht von San Francisco spannt.

Ein “vermeintlicher Scherz”, aha. (Und die Golden Gate Bridge überspannt natürlich nicht wirklich die San Francisco Bay, sondern die namensgebende Meerenge, die zwischen Bay und Pazifik liegt.)

Nachtrag, 18. Juni 23:50 Uhr: Es ist wohl endlich ein Journalist auf die Idee gekommen, mal bei Ryanair nachzufragen. Die österreichische “Kronenzeitung” war’s:

“Das kann ich nicht bestätigen, das sind definitiv nicht die Pläne von Herrn O’Leary”, sagte eine Ryanair-Pressesprecherin am Mittwoch auf Anfrage. Es habe sich schlicht um einen Witz gehandelt.

Einen schönen Gruß nach Essen gab’s auch noch:

“Viele Leute haben darüber gelacht”, sagte die Pressesprecherin. Doch offenbar haben nicht alle den Witz als Witz verstanden.

Auch shortnews.de stellte daraufhin richtig – natürlich ohne Hinweis in der Ursprungsmeldung.