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Bei Bild.de kann man was erleben

ozy.com ist eines dieser sehr bunten, sehr egalen Internetportale mit wilden Anrissen und wenig Inhalt. Oder, wie Mathias Döpfner es nennt: “ein überzeugendes Beispiel für attraktiven digitalen Journalismus”. Döpfner ist Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE und in dieser Funktion Mitglied im Verwaltungsrat von OZY, in das Springer ganz gut investiert hat.

Eugene S. Robinson ist der “Dr. Sommer” von OZY, der Sex-Onkel, dem (angebliche) Leser (angebliche) Zuschriften über ihre (angeblichen) Erfahrungen, Meinungen und Sorgen zum Thema zukommen lassen, und die er mal launig und meist sehr rätselhaft beantwortet.

In seiner aktuellen Kolumne bittet eine Frau um Rat, die schreibt, gemeinsam mit einer anderen Frau im Hotelzimmer eines “berühmten Komikers, der nicht Bill Cosby heißt und von allen geliebt wird” gewesen zu sein:

We get to his room and we’re drinking and having a good time, and he says out of the blue, “Do you gals mind if I jerk off?” We laughed, because we thought he was joking, until he pulled it out and started masturbating. At this point, we moved to leave quickly. He stood in front of the door and said, “Not until I finish.” When he finished, he moved and we left.

Die (angeblichen) Frauen seien sich unsicher, was ihnen da eigentlich genau widerfahren sei, schreibt die (angebliche) Verfasserin.

Robinson versucht sich an einer Einordnung und erhält von einem (angeblichen) Polizisten diese (angebliche) Antwort:

“It’s a crime in California. It’s a 236 PC, false imprisonment, and maybe a 314 PC, indecent exposure. But the most important question is, did he have a freckled dick?”

(Sie ahnen vielleicht, warum die Lektüre dieser Seite nicht zu meinem täglichen Freizeitvergnügen gehört.)

Robinsons Text endet so:

Criminality aside, I am going to gamble that no one’s ever written a letter like this about Brad Pitt. And not because Brad Pitt hasn’t not done this either. If you know what I mean.

Oooookay …

Nachdem wir uns alle geduscht und gesammelt haben, schauen wir mal, wie Bild.de diese (angebliche) Geschichte über einen Vorfall, der nach deutschem Strafrecht mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden könnte, auf der eigenen Startseite bewirbt:

Mein Sex-Erlebnis mit einem Promi

Nachtrag, 30. Oktober: Auf Twitter weist Britscilla darauf hin, dass der vorgebliche Brief an Eugene S. Robinson erstaunliche Parallelen zu einer Geschichte aufweist, die Gawker schon vor dreieinhalb Jahren aufgeschrieben hatte.

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Und sie war 16

Die Springer-Boulevardzeitung “B.Z.” veröffentlicht heute den ersten Teil ihrer Bücher-Edition “Klassiker der Weltliteratur, mit Fleischwurst nachempfunden”:

Die Hertha-Lolita

Wenn Sie sich jetzt fragen: “Worum geht’s?”, hilft Ihnen die “B.Z.” gerne mit einem rhetorischen Fragenkatalog weiter:

Worum geht es? Um Sex? Ja. Sex mit einer 16-Jährigen? Ja. Sex, auch mit einem verheirateten Mann? Ja. Sex im Kinderzimmer, während unten die kleinen Geschwister spielten? Ja.

Sex im Himmelbett und Satzbau aus der Hölle? Aber hallo!

Nichts davon ist so verboten, wie es sich anhört. Deutsches Recht.

Und nichts davon soll sich so sabbernd anhören, wie es ist. Deutscher Journalismus.

Im siebten Absatz sind die “B.Z.”-Autoren immer noch damit beschäftigt, ihr Thema weiträumig zu umfahren:

Es geht um eine Clique von Fußballprofis, die das Herz und den Körper einer 16-Jährigen untereinander tauschten wie Schulhof-Jungen ihre Panini-Bilder.

Die ersten Leser dürften an dieser Stelle bereits ausgestiegen sein, denn die “B.Z.” hat da bereits erklärt, dass sie keine Namen nennen wird:

Wir müssen und wollen das Mädchen schützen. Wir dürfen die Hertha-Spieler nicht nennen – aus juristischen Gründen.

Die Fußballer heißen deshalb “Hertha-Spieler 1”, “Hertha-Spieler 2” und “Hertha-Spieler 3”. “Einer ist verheiratet, einer hat eine Freundin.”

Die “B.Z.” schreibt von einem “bizarren Reigen”, den sie mit genug schmutzigen Eckdaten anreichert, um den Leser bei der Stange zu halten, von dem sie sich aber auch immer wieder mit Wertungen (“Macho-Stolz”) zu distanzieren versucht.

Und auch wenn die “B.Z.” viele vermeintliche Details nennt (“über Facebook zum Sex aufgefordert”, “1000 Euro für Oralsex”, “Es gibt einen Schreibtisch, eine Couch, ein Bett, einen großen Flachbildfernseher in der Ecke”), bleibt eine Frage übrig: Was ist das eigentlich für eine junge Frau, die mit drei Fußballprofis in die Kiste steigt — und dann mit dieser Geschichte zur “B.Z.” rennt und den sympathischen Reportern “über 20 Seiten Text und neun Fotos” zusteckt?

Diese Frage wird auch durch diese Kurzcharakterisierung nicht beantwortet, mit der die “B.Z.” neben den skandalgeilen und den fußballgeilen Lesern offensichtlich auch noch ganz andere ansprechen will:

Zum Treffen mit der B.Z. kommt das Mädchen in Hotpants und Trägershirt. Es ist sich, keine Frage, seiner sexuellen Ausstrahlung voll bewusst – und wirkt dennoch wie ein Kind. Die verschiedenfarbig lackierten Finger- und Zehennägel, ihre Mädchenstimme.

“Mein Gott, ich höre mich an wie eine Schlampe”, sagt das Mädchen mitten im Interview und schlägt die Hände vor sein Gesicht. “Ich schäme mich dafür.”

Ich wäre versucht zu behaupten, das Rennen um den ekligsten Text des Jahres sei damit entschieden, aber:

Lesen Sie im nächsten Teil: Die Sache mit dem Mädchen spricht sich in Hertha-Kreisen herum. Immer mehr Spieler melden sich – mit eindeutigen Angeboten.

Nachtrag, 29. August: Die Fortsetzung der – offenbar komplett erfundenen – Geschichte gibt’s im BILDblog.

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Digital

Hoch im Interkurs

Ich weiß nicht, mit welchem Computerprogramm die Leute bei stylebook.de (“Powered by Bild.de”) ihre Texte so aus dem Englischen übertragen lassen, aber irgendetwas sagt mir, dass es aus der Schweiz stammt:

Darum geht es im Film: Der brotlose Ex-Soldat George Duroy (Pattinson) begibt sich in das Wirrwarr eines Pariser Verlagshauses. Um zu Einfluss und Macht zu gelangen, bezirzt er drei Damen (Uma Thurman, Christina Ricci und Kristen Scott Thomas). Dabei schreckt er auch nicht vor sexuellem Interkurs mit den verheirateten (!) Frauen zurück.

Mit Dank an Harald M.

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Swinging Christmas

Wir, die Autoren dieses kleinen Blogs, wünschen Ihnen, den Lesern desgleichen, ein frohes und friedliches Weihnachtsfest. (Zwischenruf Heinser: “Ich kann’s nicht fassen: Das wird die erste Weiße Weihnacht meines Lebens. Und ich bin 27!”)

Und falls Sie noch nicht wissen, was Sie über die Feiertage (“Fest der Liebe”) so machen sollen: Die Kollegen von “Switch Reloaded” haben da einen Tipp für Sie:

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(Bitte beachten Sie auch die mithilfe aufwendiger Computertechnik wieder zum Leben erweckte Leni Riefenstahl in einer Gastrolle!)

Vielen Dank fürs Lesen!

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2010 — Der Jahresrückblick (Teil 2)

In der zweiten Folge unseres Jahresrückblicks sprechen Herr Finke, Herr Redelings und ich über Musik, Fußball und Politik, sowie über andere Katastrophen:

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Digital Leben

Still wird das Echo sein

In meinem direkten Umfeld gibt es einige Menschen, die seit längerem glaubhaft vorgeben, mich zu mögen. Sie haben mich unabhängig voneinander aufgefordert, mit der Lektüre von Texten aus der Sparte “Erotik” auf Bild.de aufzuhören. Irgendwas werde davon sicher in Mitleidenschaft gezogen: Augen, Hirn, Rückenmark — man kenne das ja.

Andererseits ist es auch immer wieder ein Quell der Freude, sich diese Texte vorzunehmen — und sie sind häufig auf der Startseite verlinkt.

Zum Beispiele dieser hier über “15 seltsame Liebeskrankheiten”. Dass in dem Artikel irgendwelche gänzlich unkomischen Zitate abgefeuert werden, die einen nicht gerade dazu bringen, das Buch zu kaufen, dem sie entstammen, soll uns hier mal nicht interessieren.

Entscheidend ist der Einstieg:

Paare benehmen sich manchmal schon seltsam: Da kontrolliert SIE ihren Partner, ob er die Spülmaschine in ihrem Sinne einräumt. Da wird ER misstrauisch, wenn ihr Orgasmus nicht multipel ist. Manchmal antworten ER und SIE freimütig vor Freunden auf nicht gestellte Fragen zu ihrem Sexleben. Und dann

Ich unterbreche da gerade mal und frage Sie, wie es wohl weitergeht mit jenem Satz, der da mit “Und dann” durchaus spannungstauglich anmoderiert wird.

Naa, haben Sie eine Idee?

Tadaaa:

Und dann wieder starren beide schweigend in einen kargen Mischwald.

Ich fürchte, ich werde heute die ganze Nacht wach liegen und mich fragen, was das nun wieder soll …

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Digital Leben

Hang On To Your IQ

Als ich bei CT das radio anfing, gab es eine feste Regel: Pro Nachrichtenblock wurde eine Weltnachricht, eine Deutschlandnachricht, eine aus NRW/Ruhrgebiet und eine aus dem Hochschulwesen benötigt. Hochschulnachrichten begannen meist mit der Formulierung “Forscher der Ruhr-Universität haben herausgefunden …” und endete nicht selten mit schlafenden Hörern. ((Mutmaßlich, für eine Media-Analyse fehlte das Geld.)) Manchmal auch mit schlafenden Nachrichtensprechern.

Irgendwann wurden die gelangweilt abgelesenen Mitteilungen der Uni-Pressestellen zum Hormonhaushalt von Karpfen und zur Anziehungskraft weit entfernter Planeten in ein eigenes Programmsegment verfrachtet, dessen Bumper ((Fachbegriff für “Eine gut gelaunte Stimme ruft den Namen der Rubrik, dann läuft jene Hintergrundmusik, die die verrückten Radiomenschen ‘Bett’ nennen …”)) den Hörern deutlich macht, dass sie jetzt gefahrlos zwei Minuten auf Klo gehen können, ohne ihren aktuellen Lieblingssong zu verpassen. Aber was will man tun? Hochschulnachrichten gehören halt zum Sendeauftrag von Campusradios …

Medien gehen kaum weniger lieblos mit den Entdeckungen und Erkenntnissen großer Forscher um: Wissenschaftliche Inhalte sind nur dann spannend, wenn “wir” ((Also Sie, ich und Kai Diekmann — das ganze deutsche Volk halt.)) mal wieder Nobelpreis “sind” oder sich zu knackigen Schlagzeilen im “Panorama”-Ressort bürsten lassen.

In den letzten Wochen also in etwa so:

Studie: Niedriger IQ schlecht fürs Herz

Herz-Kreislauf-Erkrankung durch niedrigen IQ - Gesundheitszustand vom IQ abhängig

Areale im Gehirn - Wo die Intelligenz sitzt

Und wenn man Ursache und Wirkung vertauscht, kommt schon mal so etwas heraus:

Die neuesten Erkenntnisse sind auch wieder beruhigend:

Intelligenz und Evolution - Konservative haben geringeren IQ

Satoshi Kanazawa von der London School of Economics and Political Science will eine ganze Menge herausgefunden haben:

In the current study, Kanazawa argues that humans are evolutionarily designed to be conservative, caring mostly about their family and friends, and being liberal, caring about an indefinite number of genetically unrelated strangers they never meet or interact with, is evolutionarily novel. So more intelligent children may be more likely to grow up to be liberals.

Mehr noch:

“Humans are evolutionarily designed to be paranoid, and they believe in God because they are paranoid,” says Kanazawa. […] “So, more intelligent children are more likely to grow up to go against their natural evolutionary tendency to believe in God, and they become atheists.”

Und schließlich:

And the theory predicts that more intelligent men are more likely to value sexual exclusivity than less intelligent men, but general intelligence makes no difference for women’s value on sexual exclusivity.

All diese Erkenntnisse ((Ein höherer IQ führt zu mehr Progressivität, weniger Religiosität und höherer Monogamie.)) gerinnen bei den Online-Medien des Axel-Springer-Verlags schließlich zu Schlagzeilen wie diesen:

Britischer Forscher behauptet: Fremdgeher haben einen niedrigeren IQ!

Sex-Studie: Fremdgeher haben niedrigen IQ

Hmmmm. Was könnte wohl passieren, wenn es die Meldung bis nach Österreich schafft?

Untreue Männer sind dümmer

Ob die im Volksmund weit verbreitete These, wonach Dumm besser ficke, auch für Männer gilt, steht leider nicht im Artikel.

Wäre aber doch ein schöner Ausgleich, denn:

Wer einen niedrigen IQ hat, stirbt früher

Mit Dank auch an Peter B., Lukas S. und noir

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Musik Rundfunk

Einmal Star und zurück

Da, wo Sex und Drogen lauern: backstage

Wenn die eigene Karriere im Pop-Business so richtig brach liegt, bleiben Frauen nur noch Nacktfotos und Männern Enthüllungsbücher. Auf letzteren stehen dann griffige Ankündigungen wie “Die Wahrheit über DSDS, Popstars & Co.” oder “Zwei Gewinner packen aus!”

Markus Grimm und Martin Kesici (dem Sie einen großen Gefallen täten, wenn Sie seinen Nachnamen auf der zweiten Silbe betonen) wissen, wie es wirken muss, wenn sie jetzt Jahre nach ihren Siegen bei “Popstars” (Grimm war 2004 in der extrem kurzlebigen, nur mittelerfolgreichen Kirmesgothickapelle Nu Pagadi) und “Star Search” (Kesici gewann 2003 in der Kategorie “Adult Singer”) mit einem Buch ankommen, auf dem “Die Wahrheit über DSDS, Popstars & Co.” und “Zwei Gewinner packen aus!” steht. Und tatsächlich finden die beiden ja plötzlich wieder in Medien statt, die jahrelang keine Notiz von ihnen genommen haben.

Aber Grimm und Kesici haben nichts mehr zu verlieren. Gemessen daran ist ihr Buch mit dem aufmerksamkeitsheischenden Titel “Sex, Drugs & Castingshows” ziemlich moderat ausgefallen: Es gibt kaum Namensnennungen (an einigen Stellen wie etwa bei einem Schlagersänger, der von sich selbst nur in der dritten Person redet, verwenden die Autoren statt Namen Piktogramme, was sich jetzt allerdings viel spektakulärer anhört, als es sich im Kontext dann tatsächlich liest), kaum schmutzige Wäsche und die titelgebenden Sex- und Drogenanekdoten kann man auch in jedem Interview zum Buch nachlesen.

“Das Popmusikbusiness ist schlecht und die Leute, die damit zu tun haben, sind noch mal einen Grad schlechter”, schreibt Grimm an einer Stelle (nur um eine halbe Seite später zu erklären, dass Schlager und volkstümliche Musik aber noch mal viel, viel schlimmer seien), aber das Buch widmet sich dann doch eher dem Business als den Leuten. Dass die Wahrheit bei Castingshows ein flexibles Gut ist, dürfte noch kaum jemanden überraschen. Etwas irritierender ist da schon das beschriebene Gebaren von Plattenfirmen, gerade etablierte Acts einfach abzusägen, weil das Nachfolgeprodukt schon in den Startlöchern steht. Der Laie würde ja womöglich sagen, dass zwei Pferde im Rennen die Gewinnchancen erhöhen. Aber deswegen führen wir ja alle keine Plattenfirmen.

Etwas länglich und umständlich zeichnen die Autoren ihren Weg in die Finalshows ihrer jeweiligen Sendereihen nach. Auch dem dämlichsten Leser – und, seien wir ehrlich: ein Buch über Castingshows läuft Gefahr, ein paar dämliche Leser zu finden – soll klar werden, dass er es hier mit zwei bodenständigen, ehrlichen Musikern zu tun hat, die eher zufällig zu Medienstars wurden. Und deren Namen heute noch so verbrannt sind, dass kaum jemand mit ihnen zusammenarbeiten möchte. Kesici schnoddert sich durch seine Passagen und vermittelt den Eindruck, als gehe er inzwischen ganz souverän mit seiner Geschichte um. Bei Grimm hingegen hat man mitunter das Gefühl, dass ein paar klärende Gespräche mit einem Therapeuten vielleicht die bessere Idee gewesen wären, als sich den ganzen Frust von der Seele zu schreiben und das dann anschließend zu veröffentlichen.

Auch wenn die Geschichten über Manager und Plattenverträge natürlich alle Klischees bestätigen, die man als Außenstehender so vom Musikbusiness hatte (lassen Sie mich alle guten Ratschläge auf zwei Worte herunterbrechen: “NICHTS. UNTERSCHREIBEN.”), stellt man bei der Lektüre fest: Castingshows haben sehr viel mehr mit Fernsehen zu tun als mit Musik. In seinem Nachwort bemerkt Kesici sehr klug, dass Musiker “auf die Bühne, on the road” gehören, aber nicht ins Fernsehen. Dort geht es nämlich laut Autoren nur darum, Geschichten zu erzählen und das Publikum zu unterhalten und nicht darum, Künstler aufzubauen — womöglich noch langfristig.

Für das Erzählen von Geschichten gibt es ganze Verwertungsketten (RTL und ProSieben bestreiten damit quasi ihr gesamtes Programm), zu denen natürlich auch die Boulevardpresse gehört. So berichtet Kesici beispielsweise, wie sich ein “Bild”-Mitarbeiter (oder zumindest jemand, der sich als solcher ausgab) bei ihm meldete und mit der Ankündigung, wenn Kesici das Viertelfinale gewinne, werde man über seine Vorstrafe wegen Drogenbesitzes berichten, um ein Gespräch bat. Am Tag nach der Sendung machte “Bild” dann mit “Darf so einer Deutschlands neuer Superstar werden? Verurteilt wegen Drogen!” auf.

Auch eine weitere “Skandal”-Geschichte rund um “Star Search” fand in “Bild” ihren Anfang: Kesici beschreibt, wie er und zwei weitere Kandidaten wenige Tage vor dem großen Finale mit einer Limousine abgeholt wurden, in der Reporter von “Bild” und dem Sat.1-Boulevardmagazin “Blitz” warteten. Gemeinsam fuhr man in eine Tabledance-Bar, wo der “Bild”-Fotograf jene Fotos machte, die am darauf folgenden Tag den Artikel “Dürfen diese Sex-Ferkel neue Superstars werden?” bebildern sollten. Erstaunlich ist daran viel weniger, dass “Bild” involviert war, sondern, dass Sender und Produktionsfirma derartige Geschichten anscheinend auch noch forciert haben.

Sex- und Drogenparties in Promikreisen werden zwar erwähnt (Grimm schreibt seitenlang über – Achtung! – “eine After-Show, denn sie hatten alle keine Hosen an und zeigten ihren nackten Arsch und mehr”), aber zum großen Promiklatsch taugt das Buch nicht. Kesici behauptet, “dass 70 Prozent der Leute aus dieser Glitzer- und Glamourwelt bei solchen Partys auf Drogen sind”, enttäuscht aber zwei Sätze später die Erwartungen der enthüllungsgeilen Leserschaft mit dem Hinweis, dass er keine Namen nennen werde. Es ehrt ihn als Menschen, schadet aber natürlich der Vermarktbarkeit des Buchs.

So erfährt man stattdessen, wie es abläuft, wenn eine Plattenfirma ein Bandmitglied rausschmeißt oder einen Künstler droppt. Der Leser bekommt schnell den Eindruck, dass man besser einen Bandenkrieg unter südamerikanischen Drogenkartellen anzetteln sollte, als bei einer Major-Plattenfirma zu unterschreiben. Dafür gibt es im Anhang auch 50 Seiten (teilweise geschwärzte) Originalverträge, die man ohne mehrere juristische Staatsexamen natürlich kaum durchschaut. Wenn allerdings das, was ich nicht verstehe, genau soviel Quatsch enthält wie das, was ich verstehe, dann ist das ganz schön viel Quatsch.

“Sex, Drugs & Castingshows” ist letztlich Warnung vor den ganzen Verstrickungen, die die Teilnahme an so einem Casting mit sich bringt. Auch als Schilderung zweier Lebenswege, die von “Durchschnittstyp” zu “Superstar” und zurück führen, funktioniert das Buch einigermaßen gut. Es hätte allerdings geholfen, wenn das Manuskript zumindest mal kurzfristig in der Nähe von jemandem gelegen hätte, der sich mit dem Schreiben von Büchern auskennt.

Dass Teilnehmer und Zuschauer gleichermaßen verarscht werden, hatte man sich ja immer schon gedacht. Bei der Lektüre sieht man also vieles bestätigt, was man sowieso über die fehlende Wahrhaftigkeit solcher Sendungen geahnt hatte, gewürzt mir ein paar fassungslos machenden Anekdoten. Aber die versprochene Abrechnung, “die Wahrheit”, das alles fällt letztlich ein bisschen mager aus. Ja: Castingshows sind doof und gefährlich und jetzt wissen wir alle, warum. Das auf mehr als 350 Seiten ausgebreitet zu kriegen, ist vermutlich immer noch angenehmer, als die Verwertungsmaschinerie des Showgeschäfts selbst zu durchlaufen.

Markus Grimm/Martin Kesici – Sex, Drugs & Castingshows
Riva, 428 Seiten
17,90 Euro

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Leben

Das Raunen der Alraune

Gestern stand ich zum Zwecke der Gesichtsentfusselung vor dem Badezimmerspiegel, als ein Wort vor mein geistiges Auge bzw. eher vor mein geistiges Ohr trat.

ALRAUNE.

“Hallöchen”, sagte ich mit viel Schwiegersängerhaftem Schlagersohntimbre in der Stimme, “wo kommst Du denn her? Kennen wir uns denn? Passiver Wortschatz, aktiver Wortschatz? … Hallo?”

Trotz frei verfügbarem Internet und durchaus existenter Nachschlagewerke im eigenen Bücherregal beschloss ich, dem Wort nicht auf den Grund zu gehen, und es ein wenig in der Großhirnrinde spazieren zu tragen. Was sollte schon groß passieren? Schlimmer als ein Fragment aus einem Musikstück, dessen Titel man freilich nicht mal eben ergoogeln kann, würde die spontan erschienene Vokabel ja wohl kaum sein.

Pünktlich zu dem Zeitpunkt, als ich einzuschlafen gedachte, kam das Wort wieder hervor. Es hatte sich in eine Visualisierung gekleidet, die einer Pflanze entsprach: ihre Blätter waren zackig wie die eines Ilex, ihre Blüte war blau wie ein Edelweiß.

“Warum sollte denn ein Edelweiß blau sein?”, klopfte mein noch nicht ganz entschlummerter Verstand an. “Wenn’s blau wär, hieß es doch wohl eher ‘Edelblau’, meinste nicht?” – “Aber Heino hat doch schon …” – “Jaaaa?” – “Ach nee, ‘Blau, blau, blau blüht der Enzian’ hat er gesungen. Aber doch auch irgendwas mit Edelweiß, oder nicht?” – “Die Edelweißpiraten gab’s, das waren jugendliche Widerständler im dritten Reich …” – “… und ‘Schwarz-braun ist die Haselnuss’! Das hat er auch gesungen …” – “Wirklich? Es ist drei Uhr nachts und wir sind schon wieder bei Hitler?!” – “Ich war bei Heino, Du warst bei Hitler …”

In diesem Moment hatte sich mein restwaches Bewusstsein zum Glück in dem vor wenigen Sekunden gedachten Wort “Ilex” verbissen und meinte plötzlich, doch noch ein Liedfragment in die Runde werfen zu müssen: irgendwas mit “Ilecson”, “Elecson” und möglicherweise einem “General” davor. Na, herzlichen Dank, das würde ja eine lustige Nacht werden.

Doch da trat auch schon der Bruder von Vatter Hein durch die Tür und schickte mich ins Reich der Träume. (Der Tod ist ja bekanntlich “Schlafes Bruder”, also muss der Schlaf auch der Bruder des Todes sein. Im Französischen wird aber der Orgasmus auch als la petit mort, also “der kleine Tod”, bezeichnet. Das muss ja eine lustige Familie sein, in der gleichermaßen getötet, gevögelt und geschlafen wird — fast so wie im RTL-Nachmittagsprogramm.)

Jedenfalls: Ich schlief, niemand starb und niemand erreichte den sexuellen Höhepunkt (was man bei den dünnen Wohnheimswänden hier in Samstagnächten sonst durchaus schon mal als Ohrenzeuge zu verfolgen gezwungen sein kan). Ich schlief sogar so gut, dass mir weder Alraunen, noch Ilexe, Edelweiße, Enziane oder Haselnüsse begegneten, kein Hitler und kein Heino, und auch das mysteriöse Musikstück blieb mir reichlich schwendi. Erst der Wecker beendete meinen steingleichen Schlaf und am Frühstückstisch war ich viel zu sehr mit der exakten Kochzeit von Eiern (sechseinhalb Minuten für die Größe L, frisch aus dem Kühlschrank), meinen diversen Marmeladen und Aufschnitten (Kiwi-Stachelbeer, Himbeer, Brennnesselkäse und Pfeffersalami), sowie meinem Kaffee (schwachtz) beschäftigt, als dass mir Alraunen hätten einfallen können. Die kamen erst später zurück.

Und jetzt habe ich Sie lange genug an den Ereignissen in meinen Hirnwindungen teilhaben lassen und auf die Folter gespannt. In diesem Moment werden Sie und ich endlich gemeinsam erfahren, was eine Alraune ist.

Es ist …

eine mehrjährige krautige Pflanze, deren Verzehr schon in geringen Mengen zu Atemlähmung und zum grande mort, also der Begegnung mit Vatter Hein, dem senseschwingenden großen Bruder von Schlaf und Orgasmus, führen kann.

Na, das war ja mal unspektakulär!

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Digital Leben

Schöner Onanieren mit Bild.de

Entschuldigung, ich muss was gestehen: Ich hab’s schon wieder getan. Ich wollte ja eigentlich nicht, aber jetzt hab ich wieder auf so einen Sex-Artikel geklickt, diesmal bei Bild.de, und schon nach dem ersten Absatz fühlte ich mich einigermaßen … äh: überfahren:

Sex ist ein wunderbarer Weg, um zu sich selbst zu finden. Doch bis wir die „Auffahrt“ und den passenden Partner zu diesem Abenteuer gefunden haben, stellen wir uns vor lauter Unsicherheiten immer wieder selbst ein Bein. Wir verlieren uns in Ausreden, lassen uns von den Vorlieben anderer beirren, werden zu „Geisterfahrern“ in unserer Sex-Sackgasse. Im schlimmsten Fall resignieren wir und beobachten das Geschehen vom „Standstreifen“…

Wie man sich selbst ein Bein stellen kann, wenn der eine Fuß auf der Kupplung und der andere auf dem Gaspedal ruht, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht bei Automatikwagen. Klar ist hingegen: Wenn einem in einer Sackgasse Geisterfahrer entgegenkommen, muss es sich wohl um eine Einbahnstraße handeln. Und aus einer Sackgasse, die gleichzeitig eine Einbahnstraße ist, kommt man natürlich nie wieder raus.

Haben Sie jetzt gerade beim Wort “Sackgasse” gekichert? Na, dann gab es doch bei “Standstreifen” vermutlich kein Halten mehr, oder? In jedem Fall: Super, aber viel zu früh. Zum Lachorgasmus kommen (hihihi) wir erst später.

Bild.de-Autorin Meike Meyruhn hat die “US-Sexlehrerin” Barbara Carrellas aufgetan (nicht zu verwechseln mit den 106 “Sex-Lehrerinnen” aus der “Galerie der Schande”), die all denen die Welt erklärt, die dachten, bei Tantra handele es sich wahlweise um ein Gebirge, eine Straßenbahn oder einen Schäferhund. Falsch:

Tantra ist eine Lebensphilosophie. Wer Tantra-Sex praktiziert, liebt bewusst, strebt eine Art kosmische Vereinigung im Hier und Jetzt an. Und einen Partner brauchen Sie dazu nicht!

Nun ist das mit der Vereinigung ohne Partner so eine Sache: Die Chancen, dass Deutschland noch eine Wiedervereinigung mitmacht, sind seit dem Ende der DDR beispielsweise rapide gesunken.

Aber was komm ich jetzt mit der DDR an? Es ging ja um Sex. Bild.de empfiehlt natürlich, direkt das Buch der Sex-Lehrerin Sexlehrerin zu kaufen, aber ein paar Auszüge gibt es dann doch noch:

Plane das Date vorher oder sei spontan.

(Vermutlich abhängig davon, ob der Hahn auf dem Mist kräht oder nicht.)

Egal was du machst, stöpsle Telefon, Computer und Fernseher aus, außer du willst einen erotischen Film in deine Szene einbauen.

Der letzte Halbsatz ist sehr wichtig, denn wie oft ist die Betrachtung eines erotischen Films schon daran gescheitert, dass das Telefon ausgestöpselt war?

Erlaube dir, deine Pläne zu ändern, wenn deine Stimmung schwingt, aber bleib bei deinem Rendezvous!

Wer kennt sie nicht, die berühmten Stimmungsschwingungen beim Rendezvous ([ʀɑ̃de ˈvu], französisch: ‚Verabredung‘, wörtlich: ‚treffen Sie sich‘) mit sich selbst?

Egal was du machst, denke daran, bewusst zu atmen. Das beruhigt deinen Geist und lenkt die Aufmerksamkeit auf deinen Körper.

Gut, dass man da alleine ist: Wer hätte beim Gedanken an bewusste Atmung und der Aufmerksamkeit auf den Körper noch Zeit, sich um jemand anderen zu kümmern? Also: Frauen vielleicht, aber Männer sind ja bekanntlich nicht Multitasking-fähig. (Deswegen atmen Männer übrigens auch nie beim Sex. Jetzt wissen Sie’s!)

Nimm die Gefühle an, die hochkommen. Vielleicht verwandelt sich dein Orgasmus in einen Schrei-, Wut- oder Lachorgasmus. Erlaube dir alles, was dein Körper heute erfahren will.

Damit wären wir dann beim Lachorgasmus. Laut Google handelt es sich dabei zwar um etwas eher Unsexuelles (nämlich das, was in den 1990er Jahren am Niederrhein “schrott lachen” hieß), aber wer würde Barbara Carrellas schon widersprechen wollen? Vielleicht hat es auch was mit dem “Kitzelsex” zu tun, den Bild.de erst kürzlich gefeiert hat — faszinierenderweise ohne den sehr naheliegenden Kalauer “Werden Sie zum Kitzler!”

Jedenfalls: Wenn Lachen beim (sexuellen) Orgasmus, dann bitte allein! Ihr Partner könnte sonst ähnlich entgeistert reagieren wie wenn Sie dabei jodeln.

Wenn du dich nicht sonderlich sexy fühlst, dann nimm das wahr und respektiere es. Vielleicht willst du dich ins Bett kuscheln und endlich das Buch lesen, für das du dir nie Zeit genommen hast. Gebe dir das, was du willst. Bereite dir

Leider werden wir nie erfahren, was man sich bereiten soll, denn mit diesen Worten enden die guten Ratschläge. Aber das gehört vermutlich zum Tantra dazu: den Höhepunkt einfach … wegzulassen.

Wichtiger ist eh:

Gebe dir das, was du willst.

… aber vermeide korrekte Imperative!

Falls Ihnen dieser Artikel jetzt zu lang war (Sie wissen schon: die Kunst des Herauszögerns), hier noch einmal die Kurzform: “Hol dich doch einfach mal wieder gepflegt einen runter!”

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Stilblümchensex

Alle paar Monate muss ich bei GMX.de vorbeischauen um zu überprüfen, ob meine dort vor über einem Jahrzehnt eingerichtete E-Mail-Adresse noch existiert. Es ist jedes Mal ein freudloser Akt, der einem zeigt, wie gut man es mit all den Funktionen von Googlemail tatsächlich hat.

Das Schlimmste an GMX aber ist das angeschlossene Portal, bei dem man dann auch tatsächlich jedes Mal auf irgendwelchen Quatsch drauf klickt und im Bezug auf die zu erwartende Bodenlosigkeit selten enttäuscht wird. So las ich heute versehentlich einen Text, der offenbar ursprünglich vom Herrenmagazin “Men’s Health” stammt und das Thema “Slow Sex” behandelt. Und selbst, wenn das Thema Sie nicht interessiert: Das sollten Sie gelesen haben!

Los geht es mit ein paar Allgemeinplätzen der Sorte “Es hilft, wenn Sie mindestens zu zweit sind”:

Musikalisch sollten Sie’s zwar ruhig angehen lassen, jedoch ruhig ein paar Drum-Akzente setzen. Die frühen Alben von Massive Attack oder Air sind dafür hervorragend geeignet.

Dann geht’s aber auch schon schnell zur Sache — zumindest was groteske Kosenamen angeht:

Lassen auch Sie sich von ihr ebenso langsam ausziehen. Wird sie dabei zu schnell, bremsen Sie Ihre Gazelle, indem Sie ihren Kopf in die Hände nehmen und sie küssen.

Und dass die “Gazelle” kein Ausrutscher war, sondern Teil des Plans, wird schnell deutlich. Machen Sie auch mal was Verrücktes: Lesen Sie die folgenden Zeilen und versuchen Sie dabei, nicht zu lachen. Denken Sie immer daran, dass es hier um etwas entfernt Sinnliches gehen soll:

Mit einer Hand hält sie sich an Ihrem Rettungsanker fest, mit der Handfläche der anderen reibt sie fortwährend und kreisend über Ihre Eichel – etwa so, als würde sie einen Apfel polieren. Klingt harmlos? Sie werden jodeln, Mann!

Jodeln werden Sie womöglich auch, wenn Sie erfahren, dass das männliche Genital von den “Men’s Health”-Autoren nicht nur “Rettungsanker” genannt wird, sondern auch “Ihr bester Freund”, “der kleine Don Juan”, “der gute Don”, “Donny”, “Don J.”, “Don” oder schlicht “er”. Für den weiblichen Körper reichte die Phantasie dann nicht mehr, dort ist nur von “Lady K.” die Rede.

Und wen es nicht abtörnt, sein Glied im Geiste “Don” zu nennen, der steht bestimmt auch auf syntaktisch korrekten dirty talk:

Und noch ein kleiner Tipp am Rande: Nehmen Sie beim Blowjob ihren Kopf nur dann zwischen Ihre Hände, wenn sie ausdrücklich zu Ihnen sagt: “Nimm beim Blowjob meinen Kopf zwischen deine Hände!” Genau mit diesen Worten.

Fast wünscht man sich die Zeiten zurück, in denen einem die “Bravo” umständlich erklärte, was “Petting” ist und dass man davon nicht schwanger werden könne.

Dann kommt’s aber endlich zum Höhepunkt und “Men’s Health” fackelt ein Feuerwerk der sprachlichen Bilder ab, das garantiert das Rückenmark schädigt:

Ehe Sie wie Nut und Feder ineinander gleiten, sollten Sie die Zügel noch einmal strammziehen, die Geschichte etwas abbremsen.

[…]

Bevor er in tiefste Tiefen vordringt, soll er eine Zeit lang am Eingang stehen und mit der Dame plaudern. Reiben Sie seinen Kopf an ihrem Knöpfchen.

Und plötzlich beginnt man, Wolf Wondratschek zu schätzen.

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Rundfunk Print

Kennste einen, kennste alle

Gestern Abend startete im ZDF mit Woody Allens “Match Point” die sechzehnte Auflage der “Sommernachtsphantasien”. In dieser Filmreihe zeigt der Sender seit 1993 im – Sie ahnen es – Sommer erotische Filme.

Vielleicht hätte man das dem Menschen mitteilen sollen, der bei “RP Online” über die Reihe schreiben musste:

Der Vorstoß des „Zweiten“ kommt unerwartet. Eigentlich passt die Serie eher zu Sendern wie RTL II oder Vox. Dennoch wagt sich nun auch der als züchtig bekannte Sender mit sechs mehr oder weniger erotischen Streifen wie Woody Allans “Matchpoint“ oder Clément Virgos “Mein erster Mord” in neue Gebiete vor.

Auch sonst wirkt der Artikel, der natürlich von einer 20-teiligen Bildergalerie mit Szenenbildern aus den Filmen der “Sommernachtsphantasien” begleitet wird, seltsam schlecht gelaunt und … bieder:

Auch wenn die Filme alle samt nicht aus Deutschland stammen, so halten zumindest hiesige Beispiele wie Charlotte Roche und ihr Bestseller “Feuchtgebiete” oder Skandal-Rapperin Lady “Bitch” Ray mit ihrem tabulosen Auftritt bei “Schmidt & Pocher” als Argumente für mehr Erotik und Sex im öffentlich-rechtlichen Fernsehen her.

Sie finden die Erwähnung von Charlotte Roches Romanerfolg “Feuchtgebiete” ein wenig arg bemüht? Nun, unter Medienjournalisten scheint er gerade schwer in Mode zu sein, denn auch im “Kölner Stadt Anzeiger” steht zum Start der “Sommernachtsphantasien”:

Woody Allans „Matchpoint“ ist heute (22.15 Uhr) der softe Auftakt der „Sommernachtsfantasien“, die sich in diesem Jahr weiter in jene „Feuchtgebiete“ wagen, von denen man annahm, sie würden nächtens nur von Privatsendern betreten: die blonde Schauspielerin Nola (Scarlett Johansson) zieht den schönen Tennislehrer Chris (Jonathan Rhys Meyers) in einen Strudel von Begehrlichkeiten.

Und in der “Welt” steht über “Match Point”:

Es ist ein eher softer Aufschlag für eine Filmreihe, die sich immer weiter in Regionen vorwagt, von denen man dachte, sie würden eher von RTL II beackert werden. Das ZDF hat die so genannten “Feuchtgebiete“ entdeckt.

Jetzt sagen Sie natürlich zu Recht, die beiden Zitate klängen ein wenig ähnlich. Das könnte daran liegen, dass die Artikel in der “Welt” und im “Kölner Stadt Anzeiger” beide von Antje Hildebrandt geschrieben wurden. Die kleinen Umformulierungen, die die beiden Artikel anfangs unterscheiden, hören irgendwann auf, bis beide Artikel einigermaßen wortgleich enden.

Wie gesagt: die Artikel bei “Welt” und “Kölner Stadt Anzeiger” stammen beide von der gleichen freien Journalistin, was man moralisch diskutieren könnte, urheberrechtlich aber einwandfrei ist. Der Artikel bei “RP Online” hingegen, der sprachlich und strukturell an die beiden anderen erinnert, den hat Frau Hildebrandt nach eigenen Angaben nicht geschrieben.

Schauen wir uns die letzten drei Absätze bei “RP Online” doch einmal im direkten Vergleich zu den (insgesamt wesentlich längeren) Hildebrandt-Texten an:

“RP Online” “Welt” “Kölner Stadt Anzeiger”
Richtig schlüpfrig wird es dagegen erst im letzten Teil am 11. August. Dann sendet das ZDF in „Liebe Mich“ („Lie with me“) einen Streifen, der schon bei der Erstausstrahlung auf der Berlinale 2006 unter anderem Aufsehen erregte. Als “schärfstes“ Betthupferl verkauft ZDF-Redakteurin Doris Schrenner jedoch den kanadischen Film “Lie with me“ (auf deutsch: „Liebe mich!“), der auf der Berlinale 2006 erhebliches Aufsehen erregte – in erster Linie wegen seiner expliziten Sexszenen. Als „schärfstes“ Betthupferl bewirbt ZDF-Redakteurin Doris Schrenner den kanadischen Film „Lie with me“ („Liebe mich!“), der auf der Berlinale 2006 Aufsehen erregte – in erster Linie wegen seiner expliziten Sexszenen:
Das ZDF verweist in der Diskussion um die schärfsten „Sommernachtsphantasien“ in der 16-jährigen Geschichte der Reihe unterdessen auf die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK). Diese erteilt den Filmen eine Freigabe ab 16 Jahren und stellt dem ZDF damit die Erlaubnis für eine Ausstrahlung nach 22 Uhr aus. Fragt man Doris Schrenner aus der ZDF-Spielfilmredaktion, nach welchen Aspekten sie und ihr Kollege Manfred Etten die Filme für die Reihe “Sommernachtsfantasien“ auswählen, verweist sie auf das Gütesiegel der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK): Freigegeben ab 16 Jahren. Fragt man Doris Schrenner aus der ZDF-Spielfilmredaktion, nach welchen Aspekten sie und ihr Kollege Manfred Etten die Filme für die Reihe „Sommernachtsfantasien“ auswählen, verweist sie auf das Gütesiegel der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK): Freigegeben ab 16 Jahren.
Außerdem erreiche den Sender nur äußerst selten Beschwerdepost wegen zu freizügigen Aufnahmen. Ein echtes Phänomen – wenn es dabei bleibt. Beschwerden, nein Beschwerden über allzu freizügige Aufnahmen erreichten den Sender nur selten. Beschwerden über allzu freizügige Aufnahmen erreichten den Sender nur selten.

Sogar die falsche Schreibweise von Woody Allens Namen in Frau Hildebrandts Artikeln (“Allan”) taucht im Text von “RP Online” wieder auf.

Meine Frage, wie man sich diese frappierenden Ähnlichkeiten erklären könne, hat “RP Online” noch nicht beantwortet.

Nachtrag, 17:53 Uhr: Jetzt kam doch noch eine Antwort aus der Online-Redaktion. Hier der vollständige, von Grußformeln bereinigte Wortlaut:

[S]icherlich hat unser Autor einen Text zu einem Thema geschrieben, das auch Frau Hildebrandt bearbeitet hat. Ich wüsste nicht, was dagegen spricht.

Nachtrag, 9. Juli 2008, 17:05 Uhr: Sie ahnen nicht, wie “RP Online” jetzt doch noch auf diesen Blog-Eintrag (und dessen Verlinkung bei Stefan Niggemeier) reagiert hat:

Woody Allan heißt jetzt Allen.

Also dann: “Mein erster Mord” ist von Nick Guthe und nicht, wie von Euch behauptet, von Clément Virgo. Die Zeit läuft …