Ich muss an meinem Timing arbeiten. Meistens läuft es so: Ich rege mich über mangelnden Service eines ehemaligen Staatsbetriebs auf, tippe schon mal den Blogeintrag, möchte aber auch noch die Gegenseite hören. Also schreibe ich eine E-Mail an die Pressestelle, denke nach vier antwortlosen Arbeitstagen, dass darauf niemand mehr reagieren wird ((Ich bin ja auch nicht so größenwahnsinnig und erwarte das allen Ernstes – ich halte es nur für ein Gebot der Fairness, ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen.)) und stelle den Beitrag online. Und dann kommt kurze Zeit später die Antwort des Unternehmens.
Das war im Mai bei DHL so (Teil 1, Teil 2) und es ist auch jetzt bei der Deutschen Bahn wieder so.
Lesen Sie also erst, worüber ich mich diesmal aufgeregt habe, und dann die Antwort des “Zentralen Kundendialogs” ((Ist das nicht ein wunderbarer Name? Wolf Schneider echauffiert sich immer über den “Service Point” der Deutschen Bahn. Dass das selbe Unternehmen einen “Zentralen Kundendialog” hat/beschäftigt/führt, verschweigt er jedes Mal.)):
Sehr geehrter Herr Heinser,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 28. Juli dieses Jahres an Herrn […]. Wir wurden gebeten, Ihnen zu antworten.
Es tut uns leid, dass Ihre Reise nach Amsterdam und zurück nicht reibungslos verlief. Die internationale Verbindung Frankfurt – Amsterdam wird von Fahrzeugen bedient, die besondere technische Eigenschaften haben müssen, damit sie auch im Ausland eingesetzt werden können. Diese Fahrzeuge sind auf das für den planmäßigen Betrieb unter Einrechnung von Reserven erforderliche Maß begrenzt. In Ausnahmefällen kann es jedoch vorkommen, dass durch kurzfristige Fahrzeugausfälle nicht mehr alle Zugleistungen gefahren werden können. In solchen Fällen kommen Ersatzmaßnahmen zum Tragen wie z. B. vorzeitiges Wenden von Zügen in Utrecht oder Arnhem inklusive Benennung von alternativen Fahrmöglichkeiten. Hier handelt es sich um Ausnahmen, die nicht jede Woche auftreten und insofern mengenmäßig schlecht quantifizierbar sind.
Die beiden Fälle, die zeitlich dicht beieinander lagen, ereigneten sich in einer Phase mit erhöhtem Fahrzeugschadstand. Am 23. Juli war der vorgesehene Triebzug bei Bereitstellung in Amsterdam nicht einsatzfähig und konnte erst zwei Stunden später eingeschränkt verwendet werden. Die Fahrt am 25. Juli konnte erst in Arnhem beginnen, weil an diesem Tag ein Fahrzeug weniger zur Verfügung stand.
Sehr geehrter Herr Heinser, Sie können sicher sein, dass diese beiden Vorfälle Ausnahmen und nicht die Regel darstellen. Gemäß unseren Passagierrechten haben Sie bei Verspätung eines Fernverkehrszuges von über 60 Minuten Anspruch auf einen Gutschein im Wert von 20 Prozent des Fahrkartenwertes. Falls Sie dies noch nicht in Anspruch genommen haben, bitten wir um eine kurze Mitteilung und Übersendung einer Kopie Ihrer Fahrkarte an die unten genannte Adresse (gerne
auch per Fax oder E-Mail), wir werden Ihnen dann einen entsprechenden Gutschein zusenden.Wir freuen uns, wenn unsere Ausführungen die Hintergründe verdeutlichen konnten und hoffen, dass Ihre zukünftigen Reisen so verlaufen, wie Sie und auch wir uns dies wünschen – angenehm und pünktlich.
Mit freundlichen Grüßen
Das ist ja nett und aufschlussreich. Für mich als Laien faszinierend ist, dass ein Fahrzeug weniger offenbar schon zu so einem riesigen Chaos führen kann. Aber das ist ja irgendwie auch verständlich: diese Züge sind sicher sehr teuer in der Anschaffung, ungenutzte Züge kosten doppelt und falls man doch mal einen Ersatzzug über hat, dann vermutlich am anderen Ende der Republik. Man kennt das ja aus dem eigenen Haushalt.
Sprachlich interessant finde ich übrigens die Binnenanrede im vorletzten Absatz. Ich hab sowas noch nie gelesen – außer im Schreiben von DHL. Vermutlich handelt es sich dabei um einen über Jahrzehnte entwickelten und erprobten Tipp aus dem “Ratgeber für Kundenbeschwichtigungsbriefe”.