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Literatur

Aus den Papierkörben der Weltliteratur

War­um soll­te es auf mei­ner Fest­plat­te anders aus­se­hen als in mei­nem Zim­mer? Ich war grad auf der Suche nach etwas völ­lig ande­rem, als ich über eine Text­da­tei stol­per­te, die mei­ne Auf­merk­sam­keit erreg­te. Sie ist ziem­lich exakt sechs Jah­re alt und mit „drama.txt“ beti­telt.

Da ich „drama.txt“ für ein äußerst inter­es­san­tes zeit­his­to­ri­sches Doku­ment hal­te, möch­te ich den Inhalt hier ger­ne in vol­lem Umfang und unver­än­dert wie­der­ge­ben:

Der Marsch der Insti­tu­tio­nen – ein Dra­ma in einem Akt.
Alle Namen sind frei erfun­den.
Per­so­nen: Frau Hän­del, Leh­re­rin; Karl, Schü­ler; Herr Lin­gen, Schul­lei­ter; etwa zwei dut­zend Schü­ler
Büh­ne: Ein schlich­ter Klas­sen­raum. Wich­tig sind das Pult, eine Tür und ein sti­li­sier­ter Kreml-Turm auf einem Schü­ler­tisch.

Die Schü­ler sit­zen umher und reden. Offen­bar sol­len sie gleich eine Klau­sur schrei­ben. Die Leh­re­rin fehlt noch.
Man­fred: Wenn die wirk­lich die glei­che Klau­sur nimmt, dann wer­de ich wahn­sin­nig.
Lud­wig: So doof wird die kaum sein!
Tor­ben: Gib mir noch mal den Text von Fried­rich!

Die Tür geht auf, Frau Hän­del tritt ein. Sie trägt eine über­trie­be­ne Perü­cke und eine gro­ße Tasche.

Frau Hän­del: Hal­lo Kin­der! Hier ist eure Klau­sur!

Frau Hän­del teilt ein Papier aus. Die Schü­ler bli­cken ungläu­big dar­auf und begin­nen dann, laut zu lachen.

Tor­ben: Toll! Und jetzt hab ich das nicht gele­sen!
Frau Hän­del: Was haben Sie nicht gele­sen?
Tor­ben: Äh, die Zusam­men­fas­sung der sti­lis­ti­schen Mit­tel, genau!

Frau Hän­del geht nach vor­ne. Karl mel­det sich.

Frau Hän­del: Ja, Karl?
Karl: Ihnen ist klar, dass sie die­se Klau­sur letz­tes Jahr im Grund­kurs schon ein­mal geschrie­ben haben?!?
Frau Hän­del: (strahlt) Ja!
Karl: Ihnen ist klar, dass wir Kon­takt zu den Schü­lern die­ses Grund­kur­ses haben?!?
Frau Hän­del: (strahlt) Ja!
Karl: Ihnen ist klar, dass eini­ge von uns Zugang zu die­ser Klau­sur hat­ten?
Frau Hän­del: (strahlt) Ja, aber schrei­ben Sie erst­mal so gut, wie die im letz­ten Jahr!

Die Schü­ler gucken ungläu­big, eini­ge lachen. Karl steht auf und ver­lässt den Klas­sen­raum.

Tor­ben: Das mein­te ich näm­lich! Ich habe die Klau­sur nicht gele­sen und jetzt haben die ande­ren einen Vor­teil.
Frau Hän­del: (mur­melt etwas in einer frem­den Spra­che)

Die Schü­ler machen sich an die Arbeit und lesen den Text.

Frau Hän­del: Nicht, dass ihr das Bild inter­pre­tiert! Den hab ich nur auf das Blatt kopiert, damit ihr weißt, wie das damals aus­sah!

Lud­wig lässt sei­nen Kopf neben dem Kreml­turm aufs Pult kra­chen, ehe er das Blatt in zwei Hälf­ten (die eine mit dem Text, die ande­re mit dem Bild) reißt. Die Tür geht auf, Karl und Herr Lin­gen betre­ten die Sze­ne.

Herr Lin­gen: Frau Hän­del, kom­men Sie mal bit­te eben raus?
Frau Hän­del: (steht auf) Ja, was ist denn?
Herr Lin­gen: (zu den Schü­lern) Kann ich mich dar­auf ver­las­sen, dass Sie hier still wei­ter­ar­bei­ten?

Die Schü­ler mur­meln ein „Ja“, Herr Lin­gen und Frau Hän­del tre­ten vor die Tür. Die Schü­ler mur­meln los.

Bert: Ist das ein fünf­he­bi­ger Jam­bus? Ist das ein fünf­he­bi­ger Jam­bus?!?
Lud­wig: Ja, halt die Klap­pe!

[Anmer­kung: hier­bei muss deut­lich wer­den, dass es sich natür­lich um kei­nen fünf­he­bi­gen Jam­bus han­delt, evtl. trägt Bert ein Affen­kos­tüm o.ä.]

Die Tür wird kurz geöff­net, die Schü­ler ver­stum­men, die Tür wird wie­der geschlos­sen. Lud­wig dreht sich begeis­tert zu Karl um und streckt ihm bei­de Dau­men ent­ge­gen. Karl sitz an sei­nem blan­ken Pult. Die Tür öff­net sich erneut, Frau Hän­del kehrt etwas wack­lig zu ihrem Pult zurück, Herr Lin­gen wen­det sich an die Klas­se.

Herr Lin­gen: Also, Sie müs­sen jetzt über das The­ma schrei­ben, Sie kön­nen dann nach­her Ein­spruch ein­le­gen! (ab)

Karl, Lud­wig und eini­ge ande­re Schü­ler schüt­teln den Kopf. Frau Hän­del sagt kein Wort.

Lesen Sie nächs­te Woche: Mei­nen Dra­men­zy­klus „Sturm­frei“ (bestehend aus „Türen“, „Sitz­grup­pe“ und „Türen 2“), sowie mei­ne „Ämter“-Trilogie (bestehend aus dem Sing­spiel „Kreis­wehr­ersatz­amt“, dem klas­si­schen Dra­ma „Finanz­amt“ und dem absur­den Frag­ment „Arbeits­amt“).

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Digital Leben

Panik ohne Listen

Pop­kul­tur­lieb­ha­ber nei­gen mit­un­ter dazu, alles in Lis­ten zu orga­ni­sie­ren. Das wis­sen wir spä­tes­tens seit Nick Horn­bys „High Fide­li­ty“ (Platz 2 mei­ner Lieb­lings­bü­cher, Platz 4 mei­ner Lieb­lings­fil­me).

Ich habe schon mein Leben lang Spaß an Lis­ten und Sta­tis­ti­ken. Den Grand Prix Euro­vi­si­on de la Chan­son habe ich haupt­säch­lich wegen der ellen­lan­gen, wahn­sin­nig ermü­den­den Punk­te­ver­ga­be am Schluss geschaut. Ich habe sogar mit Play­mo­bil-Figu­ren eige­ne Grand Pri­x­es aus­ge­tra­gen, wobei auch dort die Ver­ga­be und Berech­nung der Jury­stim­men der für mich unter­halt­sams­te Teil waren. Ich habe vor Fuß­ball­welt­meis­ter­schaf­ten deren Aus­gang berech­net (Welt­meis­ter 1994 wur­de Deutsch­land mit einem 2:1 gegen Argen­ti­ni­en) und eige­ne Sport­li­gen gegrün­det und durch­ge­rech­net – alles noch mit Papier und Kugel­schrei­ber.

Als ich anfing, Kas­set­ten­mäd­chen­kas­set­ten auf­zu­neh­men, habe ich die genau­en Play­lists in den Com­pu­ter ein­ge­tra­gen. So wuss­te ich hin­ter­her, wel­che Songs das ent­spre­chen­de love inte­rest bereits von mir erhal­ten hat­te, kann aber heu­te auch rela­tiv schnell über­prü­fen, was die essen­ti­el­len Hits auf bis­her über 65 Mix­tapes und ‑CDs waren: „Try, Try, Try“ von den Smas­hing Pump­kins, „Just Loo­king“ von den Ste­reo­pho­nics und „Charm Attack“ von Leo­na Naess kom­men auf jeweils fünf Ein­sät­ze (bei den Bands lie­gen Tra­vis mit 56 Songs vor den Ste­reo­pho­nics und Ben Folds Five mit jeweils 46).

Seit vie­len Jah­ren füh­re ich Excel-Tabel­len, in denen ich ver­mer­ke, wel­che CDs ich wann und wo für wel­chen Preis gekauft habe (im ver­gan­ge­nen Jahr 63 Alben und Sin­gles für durch­schnitt­lich 7,77 Euro) oder wann ich wo mit wem im Kino war und wel­chen Film wir dort gese­hen haben (frü­her sogar noch mit einer Bewer­tung für jeden Film ver­se­hen).

Hät­ten wir uns im Mathe­ma­tik-Grund­kurs noch mit Sta­tis­tik beschäf­tigt, wäre mein Abitur­schnitt (den ich über­ra­schen­der­wei­se nicht vor­ab berech­net hat­te) bestimmt bes­ser aus­ge­fal­len.

Ich bin also das, was man einen „Sta­tis­tik­freak“ nen­nen könn­te, und wür­de nicht groß wider­spre­chen, wenn mir jemand einen mil­den Autis­mus auf dem Gebiet unter­stell­te.

Des­halb bin ich auch ziem­lich trau­rig, dass Blogscout dicht gemacht hat. So long and thanks for all the num­bers.

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Film Digital Leben

Wie ich einmal Filmgeschichte schrieb

Immer wie­der wer­de ich von Men­schen (manch­mal wild­frem­den) gefragt: „Sag mal Lukas, wie­so hast Du eigent­lich einen Ein­trag in der Inter­net Movie Data­ba­se?“

Okay, das ist gelo­gen. Genau­ge­nom­men bin ich noch nie gefragt wor­den, war­um ich eigent­lich einen Ein­trag in der IMDb habe. Aber ich erzähl die Geschich­te ein­fach trotz­dem mal:

Die Vor­ge­schich­te
Im Früh­som­mer 1999 soll­ten wir im Deutsch­un­ter­richt der damals zehn­ten Klas­se „etwas krea­ti­ves“ machen. Und da eini­ge Freun­de und ich im Früh­jahr für unse­re sehr moder­ne Ver­fil­mung (man­che wür­den sie „avant­gar­dis­tisch“ nen­nen – oder „krank“) von E.T.A. Hoff­manns „Das Fräu­lein von Scu­de­ri“ eine Eins bekom­men hat­ten, dach­ten wir uns: „Klar, wir dre­hen wie­der einen Film!“

Im Zuge des damals vor­herr­schen­den Mill­en­ni­um-Hypes (und weil der Deutsch­land­start von „Matrix“ kurz bevor stand) ent­wi­ckel­ten wir eine Geschich­te, in der der Teu­fel auf die Erde kommt, um die Apo­ka­lyp­se ein­zu­lei­ten. Mit mei­nem bes­ten Freund schrieb ich das Dreh­buch zu „Doomsday 99“ und als wir alle aus dem Som­mer­ur­laub zurück waren, stürz­ten wir uns in die Dreh­ar­bei­ten, die alles in allem etwa sechs Wochen ver­schlan­gen.

Mit dem har­ten Kern von acht Leu­ten dreh­ten wir in so ziem­lich allen Wohn­häu­sern, derer wir hab­haft wur­den, in ver­las­se­nen Indus­trie­rui­nen (wofür wir über Zäu­ne klet­tern und unter halb­ver­schlos­se­nen Toren drun­ter­her­rol­len muss­ten) und in Autos, hin­ter deren Fens­tern grü­ne Tisch­de­cken gespannt waren (kei­ner von uns hat­te damals einen Füh­rer­schein und bei „City­ex­press“ fuhr der Zug schließ­lich auch nicht wirk­lich).

Ich fun­gier­te als Regis­seur, Kame­ra­mann, Dreh­buch­au­tor und Pro­du­zent in Per­so­nal­uni­on, was haupt­säch­lich bedeu­te­te, dass ich mei­ne Freun­de und jün­ge­ren Geschwis­ter her­um­kom­man­dier­te, anschrie und manch­mal mit Sachen bewarf. Anschlie­ßend schnitt ich den Film auf dem Video­schnitt­ge­rät mei­nes Groß­va­ters, dem heu­te weit­ge­hend unbe­kann­ten „Casa­blan­ca“, wo ich auch das grü­ne Tisch­tuch durch Land­schafts­auf­nah­men ersetz­te, die ich aus dem fah­ren­den Auto mei­nes Vaters her­aus getä­tigt hat­te.

Die über­aus spek­ta­ku­lä­ren Ergeb­nis­se (wie wir fan­den) sahen in etwa so aus:

Green Screen beim Dreh von “Doomsday” (vorher/nachher)

Im Sep­tem­ber – wir gin­gen längst in die elf­te Klas­se – zeig­ten wir den fer­ti­gen Film end­lich im Deutsch­un­ter­richt. Und obwohl er blut­rüns­tig, gewalt­tä­tig und zu einem nicht gerin­gen Maße Frau­en­ver­ach­tend war (kei­ne weib­li­che Per­son blieb län­ger als fünf Minu­ten am Leben – aller­dings auch kaum eine männ­li­che), beka­men wir dafür eine Eins bei „Sons­ti­ge Mit­ar­beit“ auf­ge­schrie­ben. Der Film wur­de im klei­nen Sozio­top eines Dins­la­ke­ner Gym­na­si­ums das, was man wohl als „Kult“ bezeich­net. Oder als „Trash“. Oder als „so schlecht, dass es schon fast wie­der gut ist“.

Der Ein­trag
Weil wir so unge­heu­er stolz auf unse­ren Film waren, woll­ten wir natür­lich auch, dass er ange­mes­sen gewür­digt wird. Ein Ein­trag in der IMDb erschien uns also das Min­des­te.

Ich mach­te mich schlau und stell­te fest, dass man die Daten­bank mit einem ein­fa­chen Daten­string füt­tern konn­te. Also schrieb ich die Mit­wir­ken­den unse­rer letz­ten drei Fil­me („Jesus – Back for God“ von den Tagen reli­giö­ser Ori­en­tie­rung im Janu­ar, „E.T.A. Hoffmann’s Das Fräu­lein von Scu­de­ri“ aus dem Früh­jahr und „Doomsday 99“ eben) in eine E‑Mail und schick­te das Gan­ze ab.

Nach eini­gen Wochen erhielt ich die Ant­wort, dass unse­re Fil­me abge­lehnt wor­den sei­en. In der ame­ri­ka­ni­schen Ent­spre­chung von „da könn­te ja jeder kom­men“ hieß es, die Fil­me müss­ten min­des­tens auf einem aner­kann­ten Film­fes­ti­val gelau­fen sein.

Ein paar Wochen spä­ter stell­te ich fest, dass mein bes­ter Freund Ben­ja­min, der bei unse­rem „Jesus“-Film Regie geführt hat­te, plötz­lich als Regis­seur des TV-Zwei­tei­lers „Jesus“ geführt wur­de. Die­ser Ein­trag war nach weni­gen Tagen wie­der ver­schwun­den.

Wie­der ein paar Wochen spä­ter stell­te ich fest, dass der Daten­satz der „Doomsday“-Produzenten1 offen­bar als ein­zi­ger durch­ge­kom­men war und über­lebt hat­te – in den Cre­dits des mir bis heu­te völ­lig unbe­kann­ten B‑Movies „Doomsday Man“.

Die Fol­gen
Wir waren glei­cher­ma­ßen ent­täuscht wie erhei­tert über das, was die IMDb da so gebo­ten hat­te. Aber wir ver­ga­ßen das alles, als im Dezem­ber 1999 ein Film anlief, der Hand­lung, Sze­nen und sogar ein­zel­ne Ein­stel­lun­gen aus „Doomsday“ geklaut zu haben schien: „End Of Days“ mit Arnold Schwar­zen­eg­ger. Dann sahen wir ein, dass die Dreh­ar­bei­ten dazu schon vor län­ge­rer Zeit statt­ge­fun­den haben muss­ten, und bei­de Fil­me jetzt nicht sooooo ori­gi­nell waren. Da war uns auch „End Of Days“ egal – wie der Film übri­gens jedem egal sein soll­te.

Mit den Jah­ren stell­ten wir fest, dass offen­bar ziem­lich vie­le Film­da­ten­ban­ken ihre Daten­sät­ze mit denen der IMDb … nun ja: abglei­chen – und so ste­hen wir heu­te nicht nur dort, son­dern auch hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier.

Und weil Sie die­se klei­ne, fei­ne, aber doch irgend­wie unspek­ta­ku­lä­re Geschich­te bis zum Schluss durch­ge­le­sen haben, sol­len Sie dafür mit einem klei­nen Schman­kerl belohnt wer­den. Es sind – natür­lich – die bes­ten Sze­nen aus „Doomsday“:

1 Wir hat­ten in der Zwi­schen­zeit erkannt, dass „Doomsday 99“ doch ein zeit­lich zu begrenzt ver­wert­ba­rer Titel sein wür­de.

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Abiwitzig

Ges­tern las ich bei „Indis­kre­ti­on Ehren­sa­che“ die­sen schö­nen Satz:

Wie die Oster­ei­er­su­che durf­ten die Fans […] hin­ter jedes Sen­de­fens­ter lugen, irgend­wann kam halt mal wie­der ein Stück­chen.

„Nun ja“, dach­te ich als ers­tes, „da sind Herrn Knü­wer halt die Meta­phern ver­rutscht. Weiß doch jedes Kind, dass das mit den Fens­tern Advents­ka­len­der sind und die nichts mit Oster­ei­ern zu tun haben.“ Dann dach­te ich: „Und was mach ich jetzt mit dem Satz?“

Ver­un­glück­te, unge­wollt zwei­deu­ti­ge oder auch von vor­ne bis hin­ten sinn­lo­se Sät­ze wer­den von den eta­blier­ten Medi­en allen­falls stief­müt­ter­lich behan­delt. Wenn Edmund Stoi­ber nicht gera­de die Vor­zü­ge des Trans­ra­pids zu erklä­ren ver­sucht, ist „TV Total“ so ziem­lich die ein­zi­ge Platt­form, die sich am Schei­tern von Spra­che in der Öffent­lich­keit wei­det. Dabei hat bei­na­he jeder, der in die­sem Land über einen Schul­ab­schluss ver­fügt, sich schon als Kata­lo­gi­sie­rer von miss­glück­ten Aus­sprü­chen betä­tigt.

Kei­ne Abizei­tung kommt ohne eine Zita­ten­samm­lung aus, in der Leh­rern und Mit­schü­lern mit scho­nungs­lo­ser Bru­ta­li­tät Aus­sprü­che um die Ohren gehau­en wer­den, an die sich die Betref­fen­den oft genug gar nicht mehr erin­nern kön­nen. Wenig (nicht ein­mal die Abitur­klau­su­ren) bleibt im halb­öf­fent­li­chen Raum der Schu­le so lan­ge bestehen wie die aus Gedan­ken­lo­sig­keit for­mu­lier­ten und sofort mit­ste­no­gra­phier­ten Sät­ze, die zumeist wäh­rend der Ober­stu­fen­zeit fal­len. Ich weiß, wovon ich spre­che, denn ich war in unse­rer Jahr­gangs­stu­fe zustän­dig für das Sam­meln, Sor­tie­ren und schließ­lich auch Abdru­cken die­ser Zita­te.

Im Wesent­li­chen gibt es vier Klas­sen von Abizei­tungs­zi­ta­ten. Die belieb­tes­ten sind natür­lich die zwei­deu­ti­gen, „ver­sau­ten“:

SoWi-Leh­rer: „Der Sven ist in den letz­ten Stun­den gar nicht schlecht gekom­men.“

Dann gibt es die, die an der fach­li­chen Kom­pe­tenz der Leh­rer zwei­feln las­sen:

Erd­kun­de­leh­re­rin: „Wart Ihr schon mal auf Mal­lor­ca oder einer ande­ren grie­chi­schen Insel?“

Es gibt Aus­sprü­che, bei denen man das Kna­cken in den Hirn­win­dun­gen der Spre­cher hören zu kön­nen glaubt:

Geschichts­leh­rer: „In Wirk­lich­keit haben wir es nicht mit Fik­tio­nen zu tun, son­dern mit Rea­li­tät!“

Und dann gibt es natür­lich noch die Schü­ler, die glau­ben, durch beson­ders vor­lau­te und alber­ne Ant­wor­ten in Erin­ne­rung zu blei­ben – oder es wenigs­tens in die Abizei­tung zu schaf­fen:

Deutsch­leh­re­rin: „Gebt mal ein Bei­spiel für ’schein­bar‘!“
Schü­ler: „Er woll­te mit Münz­geld bezah­len, aber die Bedie­nung sag­te: ‚Dies ist eine Schein­bar‘!“

Eini­ge Leh­rer haben ein Stan­dard­re­per­toire an Sprü­chen, mit denen sie es in bei­na­he jede Abizei­tung schaf­fen, weil die mit­schrei­ben­den Schü­ler nicht über aus­rei­chend Recher­che­wil­len oder Lebens­er­fah­rung ver­fü­gen. So ein Ver­hal­ten ist ver­gleich­bar mit dem hal­bi­ro­ni­schen Rum­ge­ei­er, das Bands wie die Toten Hosen pro­du­zie­ren, wenn sie bei einer „Award Show“ aus­ge­zeich­net wer­den, und äußert sich in Sät­zen wie:

Phy­sik­leh­rer: „Letz­te Stun­de stan­den wir vorm Abgrund, heu­te sind wir einen Schritt wei­ter!“

Selt­sa­mer­wei­se kommt außer­halb des Bio­tops Ober­stu­fe kaum jemand auf die Idee, die Aus­sprü­che sei­ner Mit­men­schen auf­zu­schrei­ben und zu ver­öf­fent­li­chen. Vor­ge­setz­te, Fami­li­en­mit­glie­der, ja sogar Uni­ver­si­täts­do­zen­ten kön­nen sich trotz Video­han­dys in Sicher­heit wie­gen: Nie­mand wird mehr lei­se kichern und mit der Über­schreib­sei­te eines Tin­ten­kil­lers hek­ti­sche Noti­zen auf einem Col­lege­block vor­neh­men, wenn mal wie­der ein denk­wür­di­ger Aus­spruch im Raum hängt wie ein gro­tes­ker Papa­gei auf der Schul­ter einer rosa­ge­wan­de­ten, über­schmink­ten alten Dame.

Aber es gibt ja noch genug ande­re Bei­spie­le für Din­ge, die man nach sei­nem Abitur klu­ger­wei­se nie wie­der macht: Sich mit dem Brut­to­in­lands­pro­dukt Litau­ens aus­ein­an­der­set­zen; sich mit eigent­lich unbe­kann­ten, davor und danach ver­hass­ten Alters­ge­nos­sen ver­brü­dern; auf dem Schul­hof mit Bier rum­sprit­zen und sich alber­ne Wort­spie­le ein­fal­len las­sen. Vor allem letz­te­res wäre eigent­lich mal ein Fall für irgend­ei­ne noch zu grün­den­de Auf­sichts­be­hör­de: Jede „Abi“-Verballhornung soll­te pro Jahr maxi­mal drei­ßig Mal und mit einem Sicher­heits­ab­stand von 120 Kilo­me­tern zwi­schen den betei­lig­ten Schu­len ver­wen­det wer­den dür­fen. Und nach ein paar Jah­ren wer­den Slo­gans wie „Kohl­rA­BI – Wir machen uns vom Acker“, „Can­nA­BIs – Der Stoff ist durch!“ oder „Abiged­don“ dann voll­stän­dig ver­bo­ten.

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Fast Times At Dropout High

Da „lied abschluss­fei­er“ (oder Art­ver­wand­tes) in den letz­ten Tagen auf­fal­lend oft in den Such­an­fra­gen auf­ge­taucht ist, sehe ich das als Auf­ruf ori­en­tie­rungs­lo­ser Abitu­ri­en­ten, die drin­gend ein Mot­to­lied für ihren Schul­ab­schluss suchen, das nicht „(I’ve Had) The Time Of My Life“, „Sum­mer Of ‚69“ oder „Gei­le Zeit“ heißt.

Euch kann gehol­fen wer­den mit die­ser Lis­te und zahl­rei­chen iTu­nes-Links: