Das hätte so eine schöne Geschichte werden können. Über Nostalgie und Political Correctness, über kulturelle Identitäten und Gebäck. Vielleicht hätte Harald Martenstein die Meldung aufgegriffen und falsch verstanden, vielleicht hätte ich irgendeinen Reporterpreis bekommen. Aber: nee!
Anders gesagt: Weil ich nicht jeden Morgen vor der Arbeit in der gleichen Bäckerei ein Mettbrötchen und eine Rosinenschnecke kaufen will (die Verkäuferinnen kennen mich inzwischen, bald schon werden sie mich beim Namen nennen), war ich letzte Woche bei einem Mitbewerber und kaufte ein Mettbrötchen und — einen Amerikaner.
Ich mag dieses Gebäck mit dem merkwürdigen Namen (bitte unbedingt auch den Wikipedia-Eintrag dazu lesen!) und ich mag es seit meiner Kindheit. Nur: Damals waren die Amerikaner schwarz. Ich bin ein Fan von kakaohaltiger Fettglasur, Zuckerguss ist eher nicht so mein Ding. Aber die meisten Amerikaner, die man heute kaufen kann, sind weiß. Der, den ich kaufte, war immerhin halb-halb. Aber: Warum ist das so?
Zunächst einmal stellte ich fest, dass ich mit “damals” womöglich auf dem Holzweg war: Umfragen im Kollegenkreis ergaben, dass Amerikaner andernorts schon früher eher weiß oder halb-halb gewesen waren, gänzlich schwarze waren teilweise unbekannt. Handelte es sich dabei also um eine Dinslakener Spezialität, gar eine der inzwischen geschlossenen Bäckerei Hallen?
Bei den Begriffen “Amerikaner”, “schwarz” und “weiß” fällt es schwer, nicht an etwas anderes zu denken als an so ein banales Teilchen. Und deswegen war ich auch neugierig, was eine mögliche Evolution des Amerikaners anging: War ich hier größeren Political-Correctness-Zusammenhängen auf der Spur? Aber wie hätten die ausgesehen? Wäre die Bezeichnung “Amerikaner” für ein schwarzes Backwerk rassistisch gewesen oder für ein weißes? Schon bevor es losging, hatte ich mich hoffnungslos in der Semantik verheddert.
Egal: Ich wollte Fakten und schickte eine Presseanfrage an den Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks.
– Täuscht mich mein Eindruck und war die Dominanz der “schwarzen Amerikaner” in meiner Kindheit womöglich regional bedingt? (Ich bin am Niederrhein aufgewachsen.)
– Hat es tatsächlich eine Art Evolution bei der Glasur der Amerikaner gegeben? Falls ja: Welche Gründe gab es dafür?
– Gibt es irgendwelche Statistiken darüber, wie die prozentuale (womöglich gar: regionale) Verteilung der verschiedenen Glasuren aussieht?
Dort konnte man mir nicht weiterhelfen und verwies mich an den Deutschen Konditorenbund. (Ich denke mir diese Verbände und Bünde übrigens nicht aus. Ich bin mir sehr sicher, dass sie bereits seit dem Mittelalter existieren und auch noch da sein werden, wenn die letzten Zeitungen, TV-Sender und Multichannel Networks dicht gemacht haben werden.)
Die Antwort auf meine (zugegebenermaßen reichlich bekloppten) Fragen fiel durchaus rührend, aber auch etwas unbefriedigend aus:
Sehr geehrter Herr Heinser,
über Ihr Interesse an dem Backerzeugnis „Amerikaner“ freuen wir uns.
Die Glasur eines „Amerikaners“ hat viele / zahlreiche Spielarten. Allerdings gibt es bis heute keine statistische Angaben über die Häufigkeit der verschiedenen Erscheinungsformen. Ohne entsprechende Erhebungen fehlt es daher an der Tatsachenbasis, um Ihre Fragen zuverlässig beantworten zu können.
Ich bin jetzt so schlau wie vorher — tatsächlich bin ich sogar neugierig, wie die weiteren der zahlreichen Glasur-Spielarten wohl aussehen könnten.
Aber ich dachte mir: Wenn ich schon erfolglos im Dienste der Leserschaft recherchiert habe, kriegen wir das ja vielleicht umgekehrt hin.
Also: Welche Glasur hatten/haben die Amerikaner denn so bei Ihnen in der Region? Und: Wollen Sie die Zuckergusshälfte von meinem?