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Wer hat’s erfunden?

Mit der kalen­da­ri­schen Regel­mä­ßig­keit von Weih­nach­ten und Ostern kommt ein jour­na­lis­ti­sches Sub­gen­re daher, das ähn­lich strik­ten Regeln folgt wie die Ech­ter­na­cher Spring­pro­zes­si­on: die Com­pu­ter­spiel-Repor­ta­ge.

Was bis­her die wenigs­ten wuss­ten: Die­ses Gen­re wur­de von mei­nen drei bes­ten Freun­den und mir erfun­den, an einem Sams­tag­vor­mit­tag im Jahr 2000, als wir für den Deutsch-Unter­richt „etwas über Jugend­kul­tur“ machen soll­ten.

Wir kön­nen es sogar bewei­sen:

(Direkt­link zu You­Tube)

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Designern gibt’s der Herr im Schlaf

Was ist denn hier beim „Spie­gel“ los?

“Der Spiegel” KW 42/2007

  • „Reichs­tags­brand!“ Jetzt dreht Her­man völ­lig frei!
  • Nach Atta­cke auf Köh­ler: Ber­lin-Tou­ris­ten abge­schos­sen
  • „Tag der Deut­schen Ein­heit“ – Ers­te Bil­der von Flo­ri­an Hen­ckel von Don­ners­marcks neu­es­tem Film
  • Nina Hagen geht in die Poli­tik
  • End­lich: Schäub­le kehrt heim!

Die Wahr­heit ist – wie so oft – noch alber­ner

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Sicherheits(ge)denken

Es ist Som­mer­loch und was macht man da? Die Bun­des­re­gie­rung hat sich offen­bar dazu ent­schie­den, den über­aus umtrie­bi­gen Wolf­gang Schäub­le durchs Dorf zu trei­ben. Glaubt man man­chen Reak­tio­nen, so hat der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter in einem „Spiegel“-Interview offen­bar die Zer­schla­gung des Rechts­staats und die Ein­set­zung einer Mili­tär­jun­ta unter sei­ner Füh­rung gefor­dert – nichts genau­es weiß man jedoch nicht, denn die Mei­nun­gen über­schla­gen sich und beim „Spie­gel“ ist man (noch) nicht bereit, das Inter­view ein­zeln (oder gar kos­ten­los) online zu stel­len, damit sich jeder ein eige­nes Bild machen kann (was auch onlinejournalismus.de bemän­gelt).

Wolfgang Schäuble auf der Titelseite der “taz” (9. Juli 2007)Die bes­te Titel­sei­te zum The­ma lie­fert (wenig über­ra­schend) die „taz“, der bis­her bes­te Kom­men­tar stammt von Heri­bert Prantl in der „Süd­deut­schen Zei­tung“. Und wäh­rend die Kari­ka­tu­ris­ten über­le­gen, wie sie Schäub­le noch als völ­lig durch­ge­knall­ten Blut­rä­cher dar­stel­len könn­ten, lie­fern sich die Poli­ti­ker aller Par­tei­en einen mun­te­ren Schlag­ab­tausch. Die CDU-Minis­ter­prä­si­den­ten Roland Koch, Gün­ther Oet­tin­ger und Peter Mül­ler, die nie fern sind, wenn Bedenk­li­ches öffent­lich aus­ge­spro­chen wird, ste­hen schon … äh: Gewehr bei Fuß und sagen so klu­ge Sachen wie „Sicher­heit zuerst“. (Inwie­weit sich das mit der ande­ren Grund­satz­pa­ro­le „Vor­fahrt für Arbeit“ ver­ei­nen lässt, ist wohl noch nicht ganz raus.) Oet­tin­ger schreibt ver­mut­lich schon an einer Rede, in der er Schäub­le als „obers­ten Ver­fas­sungs- und Daten­schüt­zer“ bezeich­nen wird, und war­tet nur noch auf eine unpas­sen­de Gele­gen­heit, die­se auch hal­ten zu dür­fen.

Nach­trag 20:07 Uhr: Gera­de ent­deckt: „Wer for­dert mehr?“, ein Quiz vom „Zün­der“, der Jugend­sei­te der „Zeit“. Dort muss man ver­schie­de­ne ver­hee­ren­de Zita­te dem rich­ti­gen Urhe­ber (Schäub­le, Bush, Putin, …) zuord­nen. Wer ist alles bes­ser als 4/​9?

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„Bleich wie Mozzarella-Käse“

Will­kom­men auf der Cof­fee-And-TV-Jour­na­lis­ten­schu­le. Heu­te ler­nen wir, wie man eine Gerichts­re­por­ta­ge schreibt.

Wich­tig für jede Repor­ta­ge ist, dass man dem Leser ein genau­es Bild von dem ver­mit­telt, wor­über man schreibt. Berich­ten Sie von Details und pro­bie­ren Sie ein­fach mal aus, wie vie­le Adjek­ti­ve man in einen Satz quet­schen kann:

Der Mann, der da ner­vös zit­ternd auf dem hoch­mo­der­nen, ergo­no­mi­schen Ankla­ge­stuhl sitzt, war mal der bekann­tes­te, erfolg­reichs­te Plat­ten­pro­du­zent der Welt.

Bit­te beach­ten Sie: eine Gerichts­re­por­ta­ge ist eigent­lich schon Lite­ra­tur. Brin­gen Sie ruhig auch mal Ver­glei­che, die auf den ers­ten Blick etwas absei­tig wir­ken, und schre­cken Sie auch vor eige­nen Inter­pre­ta­tio­nen nicht zurück.

Sei­ne Haut ist so bleich wie Moz­za­rel­la-Käse, im sel­ben Ton wie die schen­kel­lan­ge Frack­ja­cke, die er ab und zu trägt.

oder

Sei­ne Mie­ne, in der sich Angst, Ver­ach­tung und Bedro­hung spie­geln, gleicht der eines ver­lo­re­nen Kin­des.

sind tol­le Bei­spie­le dafür. Das letz­te zeigt dar­über hin­aus, dass man ruhig auch mal drei gewich­ti­ge Wor­te hin­ter­ein­an­der auf­rei­hen kann.
Wenn Sie fremd­sprach­li­che Begrif­fe ver­wen­den, scheu­en Sie sich nicht, die­sen über­ra­schen­de deut­sche Arti­kel zu ver­pas­sen:

(wobei er sich mit Paul McCart­ney über­warf, der den „Wall of Sound“ hass­te)

Gerichts­pro­zes­se sind in der Regel lang­wei­lig. Schrei­ben Sie ein paar Sät­ze ganz ohne Ver­ben, das sug­ge­riert Action und Span­nung:

Das „Cast­le Pyre­nées“, Spec­tors Burg­ver­schnitt auf einer Hügel­kup­pe. Eine Tür. Das kit­schi­ge Foy­er. Clark­sons Lei­che, in einen Stuhl gesackt.

Zie­hen Sie Par­al­le­lis­men über so vie­le Absät­ze, dass auch der geüb­te Leser den Zusam­men­hang ver­liert. Er wird Ihren Arti­kel mehr­mals lesen müs­sen und ihn so bes­ser in Erin­ne­rung behal­ten. Nie­mand ver­steht einen ein­zeln ste­hen­den Absatz wie

Oder selbst den Chef-Ermitt­ler Lil­li­en­feld, der die blut­ver­schmier­te Tat­waf­fe im Gerichts­saal vor­zeigt und berich­tet, im Stuhl neben der Toten habe eine Akten­ta­sche mit den Initia­len „PS“ gele­gen. Inhalt: diver­se Tablet­ten, dar­un­ter „Hallo-Wach“-Pillen und ein Via­gra.

auf Anhieb, aber das weckt die Neu­gier des Lesers.

Las­sen Sie dem Leser bei aller Detail­freu­de auch Raum für eige­ne Inter­pre­ta­tio­nen. For­mu­lie­ren Sie Sät­ze, deren Inhalt ver­schie­de­nes bedeu­ten kann:

Wei­ter rechts sitzt AP-Gerichts­re­por­te­rin Lin­da Deutsch, die Spec­tor jovi­al-schel­misch begrüßt: „Sie sehen heu­te so ele­gant aus.“

Bil­den Sie dar­über­hin­aus auch mal einen Satz, den man stun­den­lang dre­hen und wen­den kann, ohne ihn zu ver­ste­hen. Der Neid der Kol­le­gen ist Ihnen sicher:

Das Musik­ma­ga­zin „Rol­ling Stone“ zähl­te Spec­tor noch 2004 zu den „100 groß­ar­tigs­ten Künst­lern aller Zei­ten“.

Wenn Sie die­se ein­fa­chen Regeln befol­gen, wer­den Sie bald schon fan­tas­ti­sche Gerichts­re­por­ta­gen schrei­ben kön­nen, die dann auch bei Spie­gel Online ver­öf­fent­licht wer­den.

Nach­trag 11. Juni, 17:34 Uhr: Was mir erst gera­de auf­ge­fal­len ist: Moz­za­rel­la-Käse?

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Ronald Reagan Revisited

Der Bun­des­prä­si­dent hat ent­schie­den, von einem Gna­dener­weis für Herrn Chris­ti­an Klar abzu­se­hen.

Mit einer so unspek­ta­ku­lä­ren Ver­laut­ba­rung hat Bun­des­prä­si­dent Horst Köh­ler heu­te eine mona­te­lan­ge, hit­zi­ge Debat­te been­det und damit irgend­wie mal wie­der genau die rich­ti­gen Wor­te gefun­den. Die klü­ge­ren Poli­ti­ker haben die­se Ent­schei­dung des höchs­ten Man­nes im Staa­te ent­spre­chend auch als „sou­ve­rä­ne Ent­schei­dung des Bun­des­prä­si­den­ten“ ange­nom­men und dar­auf ver­zich­tet, noch ein­mal nach­zu­tre­ten.

Aber jetzt sit­zen wir hier, haben plötz­lich kein The­ma mehr für Talk­shows und Nach­rich­ten, Bei­trä­ge über das hei­ße Wet­ter kann man auch kei­ne mehr sen­den und Knut ist ver­mut­lich so gut wie aus­ge­wach­sen. Das lädt zu Gedan­ken­spie­len ein: Wie viel spek­ta­ku­lä­rer wäre es z.B. gewe­sen, wenn Horst Köh­ler sich vor die Kame­ras gestellt und Clint East­wood zitiert hät­te?

Gna­de ist heu­te aus!