Ich sitze gerade im Café, um zu arbeiten. (Dafür trinke ich meinen Kaffee dann in meinem Arbeitszimmer.) Ich habe also meinen Laptop aufgeklappt und lese gerade diesen “Süddeutsche”-Artikel über Sahra Wagenknechts Rede in der gestrigen Generaldebatte des Bundestags.
Und jetzt steht Wagenknecht im Hohen Haus und sagt an die Bundesregierung gerichtet: “Offenbar hat ja selbst noch ein Donald Trump wirtschaftspolitisch mehr drauf als Sie.”
Alles klar, denke ich, und teile den Artikel mit dem Satz “Eine von Angela Merkels wichtigsten Wahlkämpferinnen heißt Sahra Wagenknecht” bei Facebook.
Minuten später geht ein junger Mann auf dem Weg zum Ausgang an mir vorbei und sagt: “Gute Rede!”
“Hmmmm”, frage ich, weil ich mich – ganz egozentrischer Medienfuzzi – gar nicht erinnern kann, in letzter Zeit irgendwelche Reden gehalten oder geschrieben zu haben.
“Die Rede von Sahra Wagenknecht gestern. Die hast Du doch gerade geliked, oder?”
Ich erkläre, dass ich die Rede eher kritisiert hätte, und Politiker, die Donald Trump lobten, jetzt eher nicht so ernst nehmen könne.
“Sie hat ja nur gesagt, dass er eine bessere Wirtschaftspolitik hat, und das stimmt, finde ich!”, sagt der junge Mann und ich merke, dass seine Begleiterin ihn schon sanft Richtung Tür schiebt.
“Nee”, entgegne ich und denke, dass ich bei Online-Diskussionen echt schlagfertiger bin als im real life.
“Find ich schon”, sagt er und schiebt nach: “Und ich bin ein Linker!”
In diesem Moment fällt mir ein, dass gerade jemand in meinem Rücken Martin Schulz als “Verbrecher” und “Wichser” bezeichnet hatte, und jetzt weiß ich auch, wer das war.
Die Begleiterin schafft es, den Mann durch die Tür zu bugsieren, wir tauschen noch hastig freundliche Verabschiedungsworte aus, dann sehe ich, wie sie ihn mit dieser Mischung aus Zuneigung, Erfahrung und Resignation, wie sie nur in sehr langjährigen Beziehungen vorkommt, an die Hand nimmt.
“Komisch”, denke ich und widme mich vorsichtig wieder meinem Laptop. “Früher waren die Linken doch gegen Überwachung!”