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Der Westen hält an Sex-Angeboten fest

Feh­ler macht wirk­lich jeder mal. Oft ist man auch noch zu betriebs­blind, sie wahr­zu­neh­men. Aber dafür gibt es ja immer wie­der Men­schen, die einen auf den Feh­ler hin­wei­sen. Nicht, weil sie sel­ber frei von Feh­lern wären, son­dern gera­de weil sie wis­sen, wie ärger­lich Feh­ler sind und wie ger­ne und schnell man sie wie­der­gut­ma­chen oder kor­ri­gie­ren möch­te.

Soweit die Theo­rie. Kom­men wir nun zum Online­jour­na­lis­mus: Vor etwa andert­halb Mona­ten hat­te die „WAZ“ über eine Pres­se­kon­fe­renz des Ryan­air-Chefs Micha­el O’Lea­ry berich­tet und dabei einen Scherz nicht als sol­chen erkannt (die Älte­ren wer­den sich erin­nern).

Nicht wei­ter schlimm, man erkann­te den Feh­ler im Haus als sol­chen und Katha­ri­na Bor­chert, Chef­re­dak­teu­rin des „WAZ“-Onlineportals derwesten.de) schrieb mir direkt am nächs­ten Mor­gen:

Ich war­te auf einen Rück­ruf von Herrn Pott, dann soll­te es einen Bei­trag im Kor­rek­tur­blog geben, der auch unter dem Arti­kel ver­linkt wird.

[Herr Pott war der Ver­fas­ser des feh­ler­haf­ten Arti­kels – er hat­te auf mei­nen Kon­takt­ver­such gar nicht erst reagiert.]

Das Gan­ze ist, wie gesagt, etwa andert­halb Mona­te her und pas­siert ist seit­dem – Sie wer­den es ange­sichts des Vor­spanns und des ver­such­ten Span­nungs­auf­baus längst erra­ten haben – nichts. Der Arti­kel steht immer noch fröh­lich in sei­ner ursprüng­li­chen Form online und wer heu­te oder in ein paar Jah­ren per Such­ma­schi­ne oder im Wes­ten-Archiv dar­auf stößt, wird nach wie vor glau­ben, eine Flug­ge­sell­schaft habe sexu­el­le Leis­tun­gen an Bord anbie­ten wol­len.

Nun fragt man sich natür­lich (zumin­dest tue ich das): War­um tut der Wes­ten nicht, was sei­ne Che­fin ange­kün­digt hat? Immer­hin muss­te man ja damit rech­nen, dass ich den Arti­kel im Auge behal­te und hier wie­der und wie­der dar­auf her­um­rei­te.

Eine mög­li­che Lösung: Es ist ihnen egal. Und zwar nicht nur, was schlecht gelaun­te Blog­ger über sie schrei­ben, son­dern auch, was in ihrem eige­nen Por­tal steht. Das wäre (vor allem der zwei­te Teil) aus jour­na­lis­ti­scher Hin­sicht fatal. Beson­ders, wenn man sich extra ein Kor­rek­tur­blog leis­tet und ankün­digt einen Feh­ler kor­ri­gie­ren zu wol­len.

Eine ande­re Lösung: Herr Pott hat nie zurück­ge­ru­fen und des­halb konn­te Frau Bor­chert das alles gar nicht kor­ri­gie­ren (las­sen).

Was mich zu einer (irgend­wie beun­ru­hi­gen­den) Fra­ge brach­te, die ich Katha­ri­na Bor­chert am 23. Juni und am 18. Juli zukom­men ließ:

Gehört es zur Redak­ti­ons­po­li­tik der „WAZ“ bzw. von derwesten.de, Feh­ler nur im Ein­ver­neh­men mit dem Autor eines Arti­kels zu kor­ri­gie­ren (bzw. eben nicht zu kor­ri­gie­ren, wenn der Autor unein­sich­tig ist)?

Ich habe bis heu­te kei­ne Ant­wort erhal­ten.

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Skandale abblasen mit der „WAZ“

Wir müs­sen noch­mal auf die Ankün­di­gung des Ryan­air-Chefs Micha­el O’Lea­ry zurück­kom­men, sei­ne Air­line wer­de bald Trans­at­lan­tik­flü­ge mit „beds and blo­wjobs“ anbie­ten. Das hat­te ja zumin­dest die „WAZ“ am ver­gan­ge­nen Mitt­woch berich­tet.

Zum einen habe ich inzwi­schen den Hin­weis erhal­ten, der Aus­druck sei zumin­dest im Iri­schen eini­ger­ma­ßen umgangs­sprach­lich für „voll­ende­ten Ser­vice“, was bedeu­ten wür­de, dass es sich bei der Ankün­di­gung streng genom­men noch nicht mal um einen „Witz“, son­dern schlicht um ein kul­tu­rel­les Miss­ver­ständ­nis gehan­delt hät­te. Da man aber von deutsch­spra­chi­gen Jour­na­lis­ten kei­ne Tief­en­kennt­nis­se in spe­zi­el­le­rer iri­scher Umgangs­spra­che erwar­ten kann, soll uns die­ses Detail mal egal sein.

Zum ande­ren aber bleibt die „WAZ“ auch in ihrem Inter­net­por­tal derwesten.de wei­ter­hin bei ihrer Dar­stel­lung. Katha­ri­na Bor­chert, Chef­re­dak­teu­rin bei derwesten.de, hat­te mir am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag auf Anfra­ge mit­ge­teilt, es wer­de nach Rück­spra­che mit dem Autor einen Bei­trag im Kor­rek­tur­blog und einen ent­spre­chen­den Hin­weis dar­auf unter dem eigent­li­chen Arti­kel geben, von bei­dem fehlt aber bis­her jeder Spur.

Wolf­gang Pott, der Autor des besag­ten Arti­kels, hat auf mei­ne E‑Mail vom Don­ners­tag bis­her gar nicht nicht reagiert. Das muss er natür­lich nicht, aber es wäre ja schon inter­es­sant gewe­sen zu erfah­ren, ob wäh­rend der Pres­se­kon­fe­renz davon aus­zu­ge­hen war, dass Micha­el O’Lea­ry sei­ne Ankün­di­gung ernst gemeint haben könn­te; ob die „WAZ“ sich noch ein­mal bei Micha­el O’Lea­ry oder ande­ren Ryan­air-Ver­ant­wort­li­chen nach der Ernst­haf­tig­keit der Ankün­di­gung erkun­digt hat­te, und ob die „WAZ“ den Scherz als sol­chen auf­klä­ren wer­de. (Letz­te­res lässt sich mit­hil­fe des Online­auf­tritts und der Zei­tun­gen der letz­ten Tage natür­lich auch ganz leicht sel­ber mit „ver­mut­lich nicht“ beant­wor­ten.)

Sogar bei Bild.de, wo die Geschich­te am Don­ners­tag auf­ge­grif­fen hat­te, hat man her­aus­fin­den kön­nen, dass O’Lea­rys Ankün­di­gung nicht ganz ernst gemeint war. Mehr noch: das Video, das Bild.de von der Pres­se­kon­fe­renz ver­öf­fent­licht, ver­weist einen wei­te­ren Satz des „WAZ“-Artikels ins Reich der künst­le­ri­schen Frei­heit.

Sogar die Pres­se­spre­che­rin zu sei­ner Lin­ken ver­schluckt sich bei­na­he, woll­te sie doch gera­de am Was­ser­glas nip­pen.

Von der lau­en Anspie­lung mal ab: die Pres­se­spre­che­rin neben Micha­el O’Lea­ry will im Video weder „gera­de am Was­ser­glas nip­pen“, noch „ver­schluckt“ sie sich „bei­na­he“ – sie lächelt viel­mehr höf­lich, wäh­rend ihr Chef sei­ne Sprü­che reißt.

Über­haupt, das Kor­rek­tur­blog des Wes­tens: Näh­me man es ernst, hät­te „Der Wes­ten“ seit sei­nem Start im ver­gan­ge­nen Okto­ber gan­ze sechs Feh­ler gemacht – davon drei, die aufs Kon­to der Tech­nik gehen.

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Zum Skandal aufgeblasen

Im Online­jour­na­lis­mus gibt es eine Faust­re­gel: Wo „Skan­dal“ drü­ber steht, ist mit hoher Wahr­schein­lich­keit irgend­et­was faul. Was also erwar­ten Sie, lie­be Leser, bei die­ser Über­schrift von derwesten.de?

Skandal: Ryanair will Passagieren Sex-Angebote machen. Düsseldorf. Michael O\'Leary, Vorstandschef von Europas größter Billigfluglinie Ryanair, sorgte auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf für einen handfesten Skandal.

Auf der Pres­se­kon­fe­renz hat­te Ryan­air Flü­ge in die USA für 10 Euro in der Eco­no­my Class in Aus­sicht gestellt.

In der Busi­ness-Klas­se kün­dig­te O’Lea­ry dann einen ganz beson­de­ren Ser­vice an. „Da wird es dann noch ‚Bet­ten und Blo­wjobs‘ extra für die Flug­gäs­te geben.“

Wie „hand­fest“ ((Hihihi.)) der „Skan­dal“ ist, lässt sich viel­leicht schon dar­an able­sen, dass Goog­le News zur Stun­de kei­ne ein­zi­ge Mel­dung dar­über fin­det. ((Dass derwesten.de auch ein hal­bes Jahr nach sei­nem Start noch nicht für die Nach­rich­ten-Suche von Goog­le indi­ziert ist, ist eine ande­re Geschich­te, für die bei der WAZ-Grup­pe eigent­lich ein paar Köp­fe rol­len müss­ten. Wenn es denn dort mal jemand bemerk­te.))

Beim Ramsch-Nach­rich­ten­ag­gre­ga­tor shortnews.de, wo man die Mel­dung von derwesten.de auf­ge­grif­fen hat­te, schrieb dann auch ein Kom­men­ta­tor:

„Bed and Blo­wjob“ ist umgangs­sprach­lich und bedeu­tet soviel wie Spit­zen­kom­fort. Er hät­te auch sagen kön­nen man wird in den Schlaf gewiegt oder es wird einem eine Gute­nacht­Ge­schich­te vor­ge­le­sen.

Zuge­ge­ben: das wäre mir auch mit mei­nem Abschluss in Anglis­tik nicht bekannt gewe­sen. Ers­te Umfra­gen im Bekann­ten­kreis erga­ben auch, dass „umgangs­sprach­lich“ wohl ein wenig über­trie­ben sein könn­te.

Das „Urban Dic­tion­a­ry“ erklärt „Bed & Blo­wjob“ so:

A see­dy hotel. The kind of place that may even rent rooms by the hour. A place you take a chick to sole­ly for sex.

Einig sind sich aber alle Quel­len dar­über, dass die Aus­sa­ge des für sei­ne kra­wal­li­gen Pro­mo-Auf­trit­te und sei­nen absei­ti­gen Humor bekann­ten Ryan­air-Chefs wohl auf kei­nen Fall wört­lich zu neh­men sei­en.

Mög­li­cher­wei­se ist die „Skandal“-Offensive bei derwesten.de und die anschlie­ßen­de Medi­ta­ti­on über den Begriff „Blo­wjob“ aber auch Teil des Angriffs auf „RP Online“, zu dem Bodo Hom­bach, Geschäfts­füh­rer der WAZ-Medi­en­grup­pe, kürz­lich gebla­sen ((Hihi­hihi.)) hat­te.

Nach­trag, 18. Juni 00:25 Uhr: derwesten.de hat was geän­dert. Aus der 14-zei­li­gen Mel­dung ist ein gan­zer Arti­kel gewor­den, den Sie heu­te wohl auch in der gedruck­ten „WAZ“ lesen kön­nen, und die Über­schrift sieht auch ganz anders aus:

Billigflieger: O\'Leary – der Flegel der Lüfte

Die Kom­men­ta­re dar­un­ter bezie­hen sich natür­lich noch auf die alte Mel­dung, was aber auch rela­tiv egal ist, da der Autor Wolf­gang Pott auch in sei­nem neu­en Lang­text die Aus­sa­gen von Micha­el O’Lea­ry nur all­zu wört­lich nimmt:

Die­se Flü­ge wür­den inklu­si­ve Sex zwi­schen 4000 und 5000 Euro kos­ten, sagt O’Lea­ry.

Der Umstand, dass weder „Bild“ noch „Express“ (bis­her) über die­sen „Skan­dal“ berich­ten und sich selbst das Bou­le­vard­blatt „Rhei­ni­sche Post“ zu dem The­ma aus­schweigt, soll­te der „WAZ“ zu den­ken geben.

Jens weist übri­gens im Pott­blog dar­auf hin, dass derwesten.de ent­ge­gen mei­ner Aus­sa­gen „sehr wohl“ bei Goog­le News auf­tau­che. Eine kur­ze Stich­pro­be mei­ner­seits mit den Such­be­grif­fen „Ryan­air“, „Dins­la­ken“, „Bochum“ und „Ulrich Reitz“ (Chef­re­dak­teur der „WAZ“) erbrach­te exakt drei Tref­fer von derwesten.de in den letz­ten zwölf Stun­den (alle drei bei „Bochum“). Das wür­de ich in einem Moment gro­ßer Güte und Gelas­sen­heit als „aus­bau­fä­hig“ bezeich­nen.

Nach­trag, 18. Juni 16:10 Uhr: oe24.at (es sind meis­tens die Öster­rei­cher) hat­te die Mel­dung ursprüng­lich unter dem Titel „Ryan­air bie­tet bald Über­see-Flü­ge inklu­si­ve Sex“ auf­ge­grif­fen. Der Arti­kel klingt nun ganz anders und heißt jetzt „Über­see-Flü­ge inklu­si­ve Sex nur Scherz“.

Noch span­nen­der ist aller­dings, dass es bei derwesten.de einen wei­te­ren Arti­kel zum The­ma gibt – aller­dings aus der „NRZ“ und nicht aus der „WAZ“. Dort heißt es:

Und in der Busi­ness-Klas­se wer­de es einen Extra-Ser­vice für rei­che Rei­sen­de geben: „Bet­ten und Blo­wjobs”. – Der Ryan­air-Chef grinst über sei­nen ver­meint­li­chen Scherz zu sei­nen US-Flug­plä­nen so breit, wie sich die Gol­den Gate Bridge über die Bucht von San Fran­cis­co spannt.

Ein „ver­meint­li­cher Scherz“, aha. (Und die Gol­den Gate Bridge über­spannt natür­lich nicht wirk­lich die San Fran­cis­co Bay, son­dern die namens­ge­ben­de Meer­enge, die zwi­schen Bay und Pazi­fik liegt.)

Nach­trag, 18. Juni 23:50 Uhr: Es ist wohl end­lich ein Jour­na­list auf die Idee gekom­men, mal bei Ryan­air nach­zu­fra­gen. Die öster­rei­chi­sche „Kro­nen­zei­tung“ war’s:

„Das kann ich nicht bestä­ti­gen, das sind defi­ni­tiv nicht die Plä­ne von Herrn O’Lea­ry“, sag­te eine Ryan­air-Pres­se­spre­che­rin am Mitt­woch auf Anfra­ge. Es habe sich schlicht um einen Witz gehan­delt.

Einen schö­nen Gruß nach Essen gab’s auch noch:

„Vie­le Leu­te haben dar­über gelacht“, sag­te die Pres­se­spre­che­rin. Doch offen­bar haben nicht alle den Witz als Witz ver­stan­den.

Auch shortnews.de stell­te dar­auf­hin rich­tig – natür­lich ohne Hin­weis in der Ursprungs­mel­dung.