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Nah dran

Ich bin jetzt in einem Alter, in dem die meis­ten Men­schen neue Musik nur noch über das Radio wahr­neh­men. Beruf und Fami­lie ver­hin­dern eine nähe­re Aus­ein­an­der­set­zung und man muss auch erken­nen, dass das bei vie­len Leu­ten eigent­lich nie anders war: Die haben halt immer schon gehört, was in den Charts war oder was die Peer Group gehört hat – und das ist ja auch total okay, denn wenn sich alle Leu­te der­art in Musik und Pop­kul­tur ver­lie­ren wür­den, käme ja nie­mand mehr zum Arbei­ten und Kin­der erzie­hen.

Obwohl ich mich bemü­he, mit den allen aktu­el­len Ver­öf­fent­li­chun­gen mit­zu­hal­ten, höre ich dann doch meis­tens nur die neu­en Alben der Künst­ler, die mich schon lan­ge beglei­ten: Mei­ne meist­ge­hör­ten CDs im letz­ten Jahr waren die neu­en von Weezer und Jim­my Eat World. Die­ses Jahr habe ich mit Sam­pha und Storm­zy immer­hin schon zwei Debüt­al­ben gehört, aber aktu­ell auf hoher Rota­ti­on ist ein Künst­ler, der mich seit fast 15 Jah­ren beglei­tet: Andrew McMa­hon.

Andrew McMahon In The Wilderness - Zombies On Broadway (Albumcover)Ich habe schon ange­sichts des ers­ten Andrew-McMa­hon-In-The-Wil­der­ness-Albums ver­sucht, das beson­de­re Ver­hält­nis zu beschrei­ben, dass ich zu ihm und sei­ner Musik – zuvor in den Bands Some­thing Cor­po­ra­te und Jack’s Man­ne­quin – habe. Andrew McMa­hon könn­te auch ein Album vol­ler Wea­ther-Chan­nel-Jin­gles ver­öf­fent­li­chen und ich wür­de es rauf und run­ter hören – was ganz prak­tisch ist, denn „Zom­bies On Broad­way“ ist bei­na­he ein Album vol­ler Wea­ther-Chan­nel-Jin­gles gewor­den.

Offen­bar hat er viel mit sei­nen Kum­pels von fun. rum­ge­han­gen, denn „Zom­bies“ setzt noch mehr auf gro­ßen, gro­ßen Pop als die Ver­öf­fent­li­chun­gen davor: Key­board­flä­chen, Chö­re, pro­gram­mier­te Beats, vie­le Pau­ken (aber weni­ge Trom­pe­ten). Unge­fähr jeder der zehn Songs auf dem Album klingt, als wol­le sich Andrew McMa­hon als ESC-Kom­po­nist bewer­ben – im Posi­ti­ven, wie im Nega­ti­ven. Nur wenig erin­nert noch an Some­thing-Cor­po­ra­te-Kra­cher wie „Only Ashes“ oder „If You C Jor­dan“ oder einen Jack’s‑Mannequin-Song wie „The Mixed Tape“ (gut: da hat auch Tom­my Lee getrom­melt) – außer natür­lich Andys Stim­me (die über die Jah­re deut­lich siche­rer und vol­ler gewor­den ist), die unwi­der­steh­li­chen Melo­dien und die sanf­te Melan­cho­lie, die in jedem Song irgend­wo durch­scheint.

Der Sprech­ge­sang des Ope­ners „Brook­lyn, You’­re Kil­ling Me“ klopft bei Twen­ty One Pilots an, ohne deren Ori­gi­na­li­tät und Viel­sei­tig­keit zu errei­chen. „Don’t Speak For Me“, des­sen Intro gar an die schreck­li­chen Chains­mo­kers erin­nert, war laut Andys Aus­sa­ge ursprüng­lich für eine/​n andere/​n Künstler/​In gedacht – und es ist ange­sichts des Sounds nicht ganz abwe­gig, dass das jemand wie Tay­lor Swift oder Sele­na Gomez hät­ten sein sol­len (ohne jetzt irgend­was gegen die bei­den sagen zu wol­len). „Love And Gre­at Buil­dings“ klingt nicht nur im Intro wie Owl City, son­dern ver­läuft sich auch genau­so zwi­schen den Bild­spen­dern sei­ner Meta­phern: „Love and gre­at buil­dings will sur­vi­ve /​ Strong hearts and con­cre­te stay ali­ve /​ Through the gre­at depres­si­ons /​ Yeah, the best things are desi­gned to stand the test of time“. Ja, schon klar: das kann man unglaub­lich chee­sy, schreck­lich und schlimm fin­den, aber ich mag’s – aber ich moch­te ja auch „Fire­f­lies“.

Mein High­light „So Clo­se“ ist ein groß­ar­ti­ges Lie­bes­lied, das in den Stro­phen noch am ehes­ten an die alten Band-Sachen erin­nert, um im Refrain dann irgend­wo zwi­schen „Hap­py“ und „Can’t Stop The Fee­ling“ her­um­zu­tan­zen, und die Vor­ab­sin­gle „Fire Escape“ macht akus­tisch das gro­ße Fass der Chö­re und Trom­meln auf, das auf dem Album fast zum Über­lau­fen kommt.

Wie beim letz­ten Album gilt: Ich kann total ver­ste­hen, wenn man zu die­sem Radio­pop – der in den USA jetzt tat­säch­lich mal im Radio läuft – kei­nen Zugang fin­det und lie­ber zu Twen­ty One Pilots, Tay­lor Swift oder Owl City greift (die Chains­mo­kers blei­ben natür­lich indis­ku­ta­bel). Und wenn man mit dem Alter­na­ti­ve Rock von Some­thing Cor­po­ra­te auf­ge­wach­sen ist, kos­tet es schon etwas Über­win­dung, die­sen musi­ka­li­schen Weg mit­ge­hen zu wol­len.

Andrew McMa­hon fin­det dazu wie immer die pas­sen­den Wor­te: „And the­se could be the best or dar­kest days /​ The lines we walk are paper thin /​ And we could pull this off or push away /​ Cau­se you and me have always been“ – um dann ganz oft die Wor­te „so clo­se“ zu wie­der­ho­len.

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The music that saves you

Bei den meis­ten wirk­lich guten Freund­schaf­ten kann man sich ja noch dar­an erin­nern, wie man sich ken­nen­ge­lernt hat. Einen mei­ner bes­ten und lang­jäh­rigs­ten Freun­de lern­te ich am ers­ten Schul­tag auf dem Gym­na­si­um ken­nen, als wir uns gegen­sei­tig aufs Maul hau­en woll­ten.

Die Musik von Andrew McMa­hon lern­te ich im Som­mer 2003 ken­nen, als das Debüt­al­bum sei­ner Band Some­thing Cor­po­ra­te in Deutsch­land erschien. Wie es damals so üblich war, besorg­te ich mir ein paar Songs („Hur­ri­ca­ne“ und „If You See Jor­dan“, wenn ich mich rich­tig erin­ne­re) in soge­nann­ten Tausch­bör­sen, hör­te sie eini­ge Male, pack­te sie auf Mix­tapes und kauf­te mir ein paar Mona­te spä­ter dann end­lich auch „Lea­ving Through The Win­dow“. Der ers­te Song, den ich (eher zufäl­lig) hör­te, nach­dem mei­ne Eltern mich im Stu­den­ten­wohn­heim abge­setzt und allei­ne auf den Heim­weg gemacht hat­ten, war „The Astro­naut“. Sowas prägt.

Ich wuss­te damals nicht, wie die Band­mit­glie­der von Some­thing Cor­po­ra­te hie­ßen, und habe auch nicht all­zu sehr auf die Tex­te geach­tet. Als das Zweit­werk „North“ (wie­der­um mit eini­ger Ver­spä­tung) in Deutsch­land erschien, besorg­te ich mir wie­der ein paar Songs, dach­te aber nicht wei­ter an die Band. Irgend­wann las ich bei visions.de, dass der Sän­ger an Leuk­ämie erkrankt sei, dach­te „Puh“ und ver­gaß auch das wie­der.

„North“ kauf­te ich mir schließ­lich bei Ras­pu­tin Records, als ich im Herbst 2006 für drei Mona­te in San Fran­cis­co leb­te. Gemein­sam mit eini­gen ande­ren Alben bil­de­te das Album den Sound­track mei­nes Auf­ent­halts. Aber rich­tig los ging die Geschich­te erst drei Jah­re spä­ter.

Im Som­mer 2009 stol­per­te ich bei WDR 2 (of all places) über einen Song mit viel Kla­vier, der mir sehr gefiel. Wie sich raus­stell­te, war es „The Reso­lu­ti­on“ von Jack’s Man­ne­quin von denen ich wuss­te, dass es die Zweit­band des Some­thing-Cor­po­ra­te-Sän­gers war. Andrew McMa­hon. Im Som­mer und Herbst 2009 habe ich „The Glass Pas­sen­ger“ qua­si unun­ter­bro­chen gehört. Mein Leben war damals sehr im Umbruch und die Musik beglei­te­te mich dabei. Ich hör­te auch wie­der die alten Some­thing-Cor­po­ra­te-Alben und ach­te­te dies­mal auch auf die Tex­te — und es klingt doof und nach Selbst­hil­fe­grup­pe, aber da sprach jemand zu mir. Andrew McMa­hon sang über Mäd­chen, die jede Nacht mit einem ande­ren Typen nach hau­se gin­gen und die er ret­ten woll­te; über betrun­ke­ne Mäd­chen, die er (also: das Lyri­sche Ich, so viel Lite­ra­tur­stu­di­um muss sein) geküsst hat­te, obwohl er es nicht hät­te tun sol­len; und dar­über, den Kopf über Was­ser zu hal­ten und wei­ter zu schwim­men, bis man den Hori­zont erreicht. Und ich dach­te: „Krass. Ja. Kenn ich.“

Andrew McMa­hon war gegen die schon erwähn­te Leuk­ämie ange­schwom­men, er sang „I’m alive/​ I don’t need a wit­ness /​ To know that I sur­vi­ved“. Mit der Geschich­te im Hin­ter­kopf (Lyri­sches Ich am Arsch!) singt man ein biss­chen vor­sich­ti­ger mit, weil man sich das Aus­maß gar nicht vor­stel­len kann. Man bekommt aber eine Ahnung davon in dem Film „Dear Jack“, in dem Andy (ich ken­ne sei­ne Musik jetzt so lan­ge, ich nenn’ ihn ein­fach mal so) sei­ne Kran­ken­ge­schich­te doku­men­tiert. Ich habe mir das nur ein­mal anse­hen kön­nen, aber es war sehr bewe­gend und – ent­schul­di­gen Sie das Ekel­wort – inspi­rie­rend.

Lan­ge Rede, kur­zer Sinn: Ich glau­be, ich habe inzwi­schen alle Auf­nah­men, an denen Andrew McMa­hon jemals betei­ligt war. Er lös­te nach dem drit­ten Album auch Jack’s Man­ne­quin auf und ver­öf­fent­lich­te die­ser Tage ein neu­es Album, das wie sein neu­es Pro­jekt heißt und damit fast wie er selbst: Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness.

Andrew McMahon (Pressefoto)

Nach den ers­ten Hör­pro­ben war ich skep­tisch. „Ceci­lia And The Satel­li­te“ war eine durch­aus schö­ne Hym­ne an die neu­ge­bo­re­ne Toch­ter, aber irgend­wie klang das alles sehr pop­pig und damit mei­len­weit von zumin­dest Some­thing Cor­po­ra­te weg. Aber das ist offen­sicht­lich Absicht und kon­se­quent zu Ende gedacht: „Dri­ving Through A Dream“ etwa könn­te bis ins kleins­te Detail der Pro­duk­ti­on ein Song von Phil Coll­ins sein. Als jemand, der mit Phil Coll­ins auf­ge­wach­sen ist und sei­ne Musik bis heu­te liebt, füh­le ich mich dort sofort sehr zuhau­se.

Nor­ma­ler­wei­se ist man zwi­schen 15 und 20 Jah­re alt, wenn man sich von Musik direkt ange­spro­chen fühlt — ich habe kürz­lich noch mal „Hin­ter all die­sen Fens­tern“ von Tom­te gehört und – hell, yeah! – ich weiß, wovon ich spre­che. Dass ich mit 31 noch ein­mal ein Album auf Dau­er­schlei­fe lau­fen las­sen wür­de, hät­te ich – gera­de vor dem Hin­ter­grund, dass ich im Moment eher wenig zum Musik­hö­ren kom­me – nicht gedacht. Und doch läuft „Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness“ bei mir jetzt seit zwei­ein­halb Wochen rauf und run­ter. Ich ken­ne Andrew McMa­hon nicht per­sön­lich und habe kei­ne Ahnung, ob wir uns ver­ste­hen wür­den, wenn wir uns mal in einer Bar trä­fen, aber auf eine völ­lig bizar­re Art, die ich sonst nur von aus­ge­wähl­ten deutsch­spra­chi­gen Tex­tern ken­ne, füh­le ich mich ihm sehr ver­bun­den — was auch damit zusam­men­hän­gen mag, dass er nur ein Jahr älter ist als ich und wir bei­de die­ses Jahr zum ers­ten Mal Väter gewor­den sind (wor­auf er gleich in zwei Lie­dern – dem schon erwähn­ten „Ceci­lia And The Satel­li­te“ und dem etwas schwa­chen „See Her On The Weekend“ – ein­geht).

In fast jedem Song des Albums gibt es min­des­tens eine Zei­le, die ich mir sofort täto­wie­ren (oder zumin­dest rah­men) las­sen würde:„Take all your trou­bles, put them to bed /​ Burn down the mis­si­on, the maps in your head“ („Can­yon Moon“), „I’ve loved some girls that I bare­ly knew /​ I’ve made some fri­ends, and I’ve lost some too“ („Ceci­lia And The Satel­li­te“), „You dance with your head­pho­nes on and I /​ Could watch you all night long /​ Dancing to someone else’s song“ („High Dive“), „There’s only two mista­kes that I have made /​ It’s run­ning from the peo­p­le who could love me best /​ And try­ing to fix a world that I can’t chan­ge.“ („All Our Lives“), „Do you ever rewind to the sum­mer you knew me?“ („Black And White Movies“), „No cash in the bank /​ No paid holi­days /​ All we have is /​ Gas in the tank /​ And maps for the geta­way“ („Maps For The Geta­way“).

Das Gefühl von „Ich ver­ste­he Dich“ bzw. „Da ist jemand, der mich ver­steht“ ist so stark, dass ich mich in weni­ger auf­rich­ti­gen Momen­ten fast selbst beru­hi­gen möch­te: Ist ja nur Musik. Nee, ist mehr.

Andrew McMahon In The Wilderness (Albumcover)In Zeit­schrif­ten und Blog­ar­ti­keln wer­den wir bom­bar­diert mit Gene­ra­ti­ons­be­schrei­bun­gen, Labels und Ansprü­chen, von denen wir uns gleich­zei­tig ganz schnell frei machen sol­len. Unse­re Frau­en sol­len Fami­lie und Beruf nicht nur unter einen Hut krie­gen, son­dern das auch wol­len — wäh­rend sie dabei wie Hol­ly­wood-Stars und ganz natür­lich aus­schau­en. Unse­re Kin­der sol­len drei Fremd­spra­chen ler­nen, die ver­pass­ten Chan­cen von uns und unse­ren Eltern nach­ho­len und sich dabei frei ent­fal­ten kön­nen. Und wir Män­ner sol­len gleich­zei­tig ein­fühl­sam, stark, sport­lich und krea­tiv sein. Vor allem aber, immer wie­der: „wir“, die­ser lächer­li­che Fra­ter­ni­sie­rungs­ver­such von zehn­tau­sen­den Ertrin­ken­den, die sich anein­an­der klam­mern. Mit Gefüh­len, die irgend­wel­che Slam-Poe­tin­nen in (geborg­te) Wor­te fas­sen, wor­auf­hin dann alle andert­halb Tage sehr emo sind, bis Jan Böh­mer­mann eine Par­odie dar­auf ver­öf­fent­licht und alle wie­der total iro­nisch sein kön­nen.

Da höre ich lie­ber die Songs von Andrew McMa­hon.

Ich weiß nicht, wie Men­schen die­ses Album hören, die vor­her gar nichts oder nur wenig von ihm kann­ten — als eher okayes Pop-Album, ver­mut­lich. Wirk­lich über­all sind Key­board­flä­chen, auf vir­tuo­ses Kla­vier­spiel ver­zich­tet Andy hier eben­so wie auf Gitar­ren. In eini­gen Tex­ten ver­ar­bei­tet er der­art deut­lich sei­ne eige­ne Lebens­ge­schich­te, dass ich den meis­ten Musi­kern raten wür­de: „Nimm Dich mal zurück, leg hier nicht alles offen, sei doch auch mal lite­ra­risch“. Bei man­chen Leu­ten ertra­ge ich das nicht (mehr), bei Andrew McMa­hon aber füh­le ich mich zuhau­se, auch wenn er über Din­ge singt, die mit mei­nem Leben eher gar nichts zu tun haben.

In sei­nen Tex­ten geht es – dar­an hat sich nicht viel geän­dert – um Welt­raum, Was­ser und Stra­ßen, auf denen er unter­wegs ist, also um Men­schen in Iso­la­ti­on und in Bewe­gung. Das ers­te Jack’s‑Mannequin-Album hieß ja nicht umsonst „Ever­y­thing In Tran­sit“. Bemer­kens­wert ist da eher, dass Mar­cus Wie­busch, der Sän­ger von kett­car, der die­ses Jahr auch ein sehr, sehr tol­les Solo­al­bum auf­ge­nom­men hat, in sei­nem Song „Sprin­gen“ so ein­deu­tig auf Jack’s Man­ne­quins „Swim“ Bezug nimmt, dass das eigent­lich kein Zufall sein kann: „Halt den Kopf oben“ singt er da („Just keep your head abo­ve“) und benennt, wie Andy, eini­ge Grün­de, war­um man wei­ter­schwim­men soll­te: „Schwim­men für die Songs, die noch geschrie­ben wer­den“. Zum Bei­spiel von Andrew McMa­hon.

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Hallo Endorphin

Als ich auf dem Hald­ern-Pop-Fes­ti­val stand, dach­te ich so vor mich hin, dass ich im Moment kaum Inter­es­se an melan­cho­li­scher Musik habe und lie­ber den gan­zen Tag Andrew W.K. höre, und dass mich selbst die groß­ar­tigs­ten Kon­zer­te und Plat­ten nicht mehr so packen wie noch vor Jah­ren. (Immer­hin habe ich in die­sem Jahr ver­stan­den, dass nie­mals ein Fes­ti­val oder Kon­zert für mich so eine Bedeu­tung haben wird wie das Hald­ern 2001, weil nie­mals mehr eine Band so eine Bedeu­tung haben wird wie Tra­vis für den 17-jäh­ri­gen Lukas.)

Dann hör­te ich auf WDR2 (einem Sen­der, den ich Tag für Tag demü­tig ertra­ge, weil er mich alle paar Wochen bis Mona­te mit einem gran­dio­sen Song über­rascht, den ich bis dahin gar nicht auf dem Schirm hat­te) einen Song, den ich zunächst für einen Oldie hielt. Es han­del­te sich aber, so erfuhr ich als­bald, um die recht aktu­el­le Sin­gle eines Man­nes namens Jona­than Jere­mi­ah:

Ich habe kei­ne Ahnung, was ande­re Medi­en über Jona­than Jere­mi­ah schrei­ben und wie bekannt er inzwi­schen ist – und es inter­es­siert mich auch nicht. Ich habe bei iTu­nes kurz in sein Debüt­al­bum „A Soli­ta­ry Man“ her­ein­ge­hört und es dann gekauft. Seit­dem läuft es nahe­zu unun­ter­bro­chen und lässt mein Leben wir­ken wie eine sehr luf­ti­ge roman­ti­sche Komö­die.

Der Klang die­ses Albums ist phan­tas­tisch. Es klingt, als habe man aus Samples von 60er- und 70er-Jah­re-Plat­ten ein neu­es Album zusam­men­ge­baut. Vom Sound des Schlag­zeugs über das Flü­gel­horn bis hin zu den Strei­chern ist es der Ori­gi­nal­klang von Burt Bacha­rach und Bill Withers. Alles passt so gut zusam­men und klingt so authen­tisch, dass ich mich stän­dig fra­ge, ob das nicht zu per­fekt ist, zu kal­ku­liert.

Doch nichts an die­sem Album wirkt kal­ku­liert. Es hat den war­men Sound eines sehr son­ni­gen Herbst­nach­mit­tags (die tief­stehen­de Son­ne auf dem Album­co­ver mag da in die Rezep­ti­on mit rein­spie­len) und die Stim­me von Jona­than Jere­mi­ah klingt sehr lie­bens­wür­dig und ver­traut, wenn er über ver­lo­re­ne Lie­be, Ein­sam­keit und das Zuhau­se („whe­re my peo­p­le live“) singt. Das Album ist 37 Minu­ten kurz und ich bin jedes mal erstaunt, wenn es schon wie­der durch­ge­lau­fen ist – obwohl ich die gan­zen 37 Minu­ten mit Gän­se­haut und völ­li­ger Ver­zü­ckung zuge­hört habe.

Ich möch­te mich mit Super­la­ti­ven zurück­hal­ten – zum einen, weil ich immer noch ein biss­chen Angst habe, in ein paar Jah­ren die­sen Blog­ein­trag wie­der­zu­fin­den und mich in Grund und Boden zu schä­men (aber die­se Angst lässt minüt­lich nach), zum ande­ren, weil ich in den letz­ten Mona­ten und Jah­ren ja durch­aus vie­le tol­le Alben gehört habe, die mich durch­aus berührt haben (das groß­ar­ti­ge neue Bon-Iver-Album ist hier im Blog sträf­li­cher­wei­se immer noch uner­wähnt, aber das wur­de ja sowie­so über­all abge­fei­ert). Aber „A Soli­ta­ry Man“ ist schon ein sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr tol­les Album.

Bit­te kau­fen Sie sich das und schen­ken Sie es allen Men­schen, die Sie gern haben!

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Die Narben der Liebe

Not­hing com­pa­res,
no worries or cares,
reg­rets and mista­kes
they’re memo­ries made.
Who would have known how bit­ters­weet this would tas­te?

(Ade­le – Someone Like You)

Musi­ka­lisch machen ja gera­de zwei Frau­en beson­ders von sich reden: Ein­mal Lady GaGa, die letz­ten Frei­tag mit viel Bums und Rums ihre neue Sin­gle „Born This Way“ ver­öf­fent­lich­te, inklu­si­ve Count­down und selbst aus­ge­ru­fe­nem (nord­ame­ri­ka­ni­schen) Natio­nal­fei­er­tag (#born­this­way­fri­day), die sich am fol­gen­den Sonn­tag in einem rie­si­gen Plas­tik-Ei bei den Gram­mys über den roten Tep­pich tra­gen ließ – und Ade­le. Bei­de über­aus erfolg­reich in den Charts der west­li­chen Welt, ver­drängt nun die eine die ande­re von der Num­mer eins der meist­ver­kauf­tes­ten Sin­gles. Und doch könn­ten sie ver­schie­de­ner nicht sein: Wäh­rend Lady GaGa ihre Pro­fes­si­on über alles stellt und Fleiß und Dis­zi­plin als Weg zum Erfolg ernennt, Authen­ti­zi­tät pre­digt und ein­for­dert und den ame­ri­ka­ni­schen Traum ein wei­te­res Mal bewirbt, scheint Ade­le zumin­dest zeit­wei­se ganz ande­ren Prin­zi­pi­en zu fol­gen. 2008 sag­te sie kur­zer­hand ihre kom­plet­te Tour durch Nord­ame­ri­ka ab. Grund: Lie­bes­kum­mer. Das wäre Lady GaGa nicht pas­siert.

„I was drin­king far too much and that was kind of the basis of my rela­ti­onship with this boy. I could­n’t bear to be wit­hout him, so I was like, ‚Well, OK, I’ll just can­cel my stuff then.‘ “ Das ist natür­lich alles ande­re als pro­fes­sio­nell und beson­ders gesund klingt es auch nicht, aber ers­tens war Ade­le zu der Zeit erst 20 und zwei­tens haben Men­schen mit Gitar­ren und musi­ka­li­schem Talent einen unbe­strit­te­nen Vor­teil, wenn es ihnen schlecht geht: Um zu hei­len, kön­nen sie das Leid in ein Lied krea­tiv nut­zen. Und wäh­rend Ade­les ers­tes Album 19 irgend­wie ganz nett war, ist 21, der Nach­fol­ger, der momen­tan so über­aus erfolg­reich ist, ein epi­sches Album, the­ma­tisch kom­plett auf die zer­stö­re­ri­sche Bezie­hung gerich­tet, und reiht sich ganz geschmei­dig in eine Rei­he klas­si­scher Tren­nungs­al­ben ein, soll hei­ßen: Im Rück­blick wer­den alle Pha­sen noch mal durch­lebt. Die ers­te Ver­liebt­heit, die schö­nen Momen­te, das Ewig­keits­ge­fühl. Dann die ers­ten Ris­se, Unstim­mig­kei­ten, die ers­te Tren­nung, die Ver­söh­nung, die Zwei­fel dabei, dann das zwei­te Ende (dies­mal aber wirk­lich!), eine selbst­auf­er­leg­te Kon­takt­sper­re, und dann, ganz bit­ter: Die Nach­richt, dass der immer noch gelieb­te Mensch in einer neu­en Bezie­hung ist und, in Ade­les Fall, sogar hei­ra­tet.

Es ist eine alte Geschich­te, doch immer wie­der neu. Brau­chen Men­schen so was? Unbe­dingt.

Wir leben in welt­kriegs­lo­sen Zei­ten, in ereig­nis­lo­sen Zei­ten, Ägyp­ten hin oder her. Max Goldt mach­te die­sen Zustand einst für den Jung­män­ner­zy­nis­mus ver­ant­wort­lich, für ver­här­te­te Her­zen, zur Bio­gra­fie­lo­sig­keit ver­dammt. Das ein­zi­ge, was den meist betäub­ten Men­schen die­ser Zei­ten wirk­lich auf­bricht und ver­än­dern kann, ist oft ein ordent­li­cher Lie­bes­kum­mer, der alle sicher geglaub­ten Über­zeu­gun­gen raubt und alles neu den­ken lässt. Ist das melo­dra­ma­tisch? Aber sicher. Nur: Was soll­te man 2011 sonst wohl tun? Ade­le hat, davon ist aus­zu­ge­hen, ein Dach über dem Kopf und genug zu essen, ist also in der Posi­ti­on, sich ordent­lich in das Leid zu bege­ben und zu füh­len, was es zu füh­len gibt. Text­lich hat sie sich nicht rein­re­den las­sen, musi­ka­lisch jedoch war sie bera­ten von Rick Rubin (John­ny Cash, Red Hot Chi­li Pep­pers) und Paul Epworth (Plan B, Bloc Par­ty) – das Ergeb­nis ist ein Album, das neben­her beim Bügeln lau­fen kann, text­lich und musi­ka­lisch aber so groß ist, dass es als per­ma­nen­ter Lebens­be­glei­ter taugt. Denn Ade­le hat was zu sagen.

Alle Pha­sen einer Tren­nung wer­den hier durch­lebt: „Rol­lin‘ In The Deep“, die ers­te Sin­gle und aktu­ell noch Platz1 der deut­schen Charts (bevor es nächs­te Woche von „Born This Way“ der flei­ßi­gen, authen­ti­schen, pflicht­be­wuss­ten Lady GaGa ver­drängt wer­den wird), ist in bes­ter Ala­nis Moris­set­te-Tra­di­ti­on sehr klar und zor­nig an den ehe­mals Gelieb­ten gerich­tet: „We could have had it all!“, aber anders als Ala­nis im Tren­nungs­klas­si­ker „You Ough­ta Know“, ver­weist Ade­le auf ihre Wun­den, auf ihre Ver­let­zun­gen, die Nar­ben, die die Lie­be hin­ter­las­sen hat – es ist Krieg, der ganz per­sön­li­che Welt­krieg. Sym­pa­thi­scher­wei­se ist das Album dann auch the­ma­tisch nicht in klas­si­sche Tren­nungs­pha­sen auf­ge­teilt, son­dern schwankt von Lied zu Lied zu unter­schied­lichs­ten, wider­sprüch­lichs­ten Gefüh­len – von Wut zu tiefs­ter Trau­er, zum Leug­nen, zur Kul­ti­vie­rung der schö­nen Gefüh­len, vom Selbst­hass zur Selbst­über­hö­hung – gleich der zwei­te Track „Rumour Has It“ kommt mit einem Grund­ton daher, der an das Fal­len von Bom­ben erin­nert, Ein­schlä­ge der Wort­fet­zen, die man so hört: Ich hab gehört, du liebst sie nicht mehr, ver­lässt sie für mich, aber haha, ich ver­las­se dich für ihn!

Und so geht es wei­ter, es wird geschluchzt und geklagt: Erin­nerst du dich nicht mehr an unse­re Lie­be, war­um du mich mal geliebt hast? („Don’t You Remem­ber?“), wenn du gehst, dann nimmst du mich mit, dann bin gar nichts mehr („Take It All“), und so wei­ter. Der Höhe­punkt des Album ist aber der letz­te regu­lä­re Track: „Someone Like You“, der das schein­bar end­gül­ti­ge Ergeb­nis des hin und her mar­kiert: Der gelieb­te Mensch ist nun ver­hei­ra­tet, und es bleibt nur, ihm und der neu­en Frau das aller­bes­te für die Zukunft zu wün­schen, wenn man nicht das Gesicht ver­lie­ren will. Der Zurück­ge­blie­be­nen bleibt nur das Behar­ren auf den eige­nen Schmerz, das Zurück­ge­win­nen der Sou­ve­rä­ni­tät durch das Aus­rich­ten der bes­ten Glück­wün­sche. Die Bit­te, nicht ver­ges­sen zu wer­den, ist natür­lich fürch­ter­lich uneman­zi­piert und gip­felt im Trost, das man jeman­den fin­den wird, der dem Gelieb­ten ähn­lich ist – anstatt den Kopf zu heben und zu sagen: Nee, der nächs­te wird sehr anders als du! Aber Lie­bes­kum­mer folgt kei­ner Logik. Es kommt immer alles ganz über­ra­schend und es ist immer wie­der neu. Denn wer hät­te je gedacht, dass das alles so bit­ter­süß endet?

Hin­zu kommt, dass Ade­le eine fan­tas­ti­sche Sän­ge­rin ist, ein Beweis­vi­deo sei hier zum Schluss ein­ge­fügt. Bit­te lei­den Sie mit Ade­le und wer­den ein bes­se­rer Mensch.

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Spexen für Anfänger

Wir Sind Hel­den haben ein Album ver­öf­fent­licht, das unse­re Autoren spal­tet: Katha­ri­na Schliebs ist begeis­tert von sei­ner Tie­fe, Lukas Hein­ser woll­te es nach zwei Durch­gän­gen eigent­lich nie wie­der auf­le­gen. Gemein­sam haben sie sich noch ein­mal durch „Bring mich nach Hau­se“ gehört und ihre Ein­drü­cke in ein Chat­fens­ter geschrie­ben.

Her­aus­ge­kom­men ist so etwas ähn­li­ches wie ein Text:

Katha­ri­na: „In den Biblio­the­ken städ­ti­scher Bal­lun­gen /​ sta­peln sich Bücher über läp­pi­sche Wal­lun­gen /​ neben Bän­den vol­ler Lie­der über Beu­len und Schräg­la­gen /​ und die Wän­de hal­len wie­der vom Heu­len und Weh­kla­gen.“ – Was für ein gro­ßer Text über die Klei­nig­kei­ten, die zur Soap des Lebens auf­ge­bla­sen wer­den.
Lukas: Den Song wür­de ich glaub ich skip­pen, wenn ich das Album hören wür­de.
Katha­ri­na: Der ist unglaub­lich schön in sei­ner zar­ten Sub­ti­li­tät. Gänz­lich undra­ma­tisch fließt es so dahin, und die­se Trom­pe­te ist wun­der­bar. (Ist es eine Trom­pe­te?) Ich hab den ges­tern im Zug immer wie­der auf repeat gehört. Die­ses Album ist eben etwas schwe­rer zugäng­lich.
Lukas: Ich find die­ses „Dra­ma-Dra­ma­ti­ker“ im Refrain so unfass­bar nerv­tö­tend.
Katha­ri­na: Ja, aber da haben wir eine Über­schnei­dung von Text/​Musik/​Aussage. Das ist so fein auf­ge­baut: Die Mäd­chen regen sich über die Jungs auf, die Jungs über die Mäd­chen, und die Ren­ter ste­hen für die Zuschau­er, die dann auch noch einen guten Rat parat haben – Früh­ver­grei­sung der Bes­ser­wis­ser Anfang 20… ach! Und alles ist immer so dra­ma­tisch, dabei pupst das Leben ein­fach unspek­ta­ku­lär vor sich hin. Und Judith Holo­fer­nes sagt im Inter­view: Es ist Zeit, mal weni­ger zu wol­len und die Din­ge ein­fach mal gesche­hen zu las­sen.
Lukas: Das sagt sich natür­lich leicht, wenn man gera­de ein Album auf­ge­nom­men hat, auf dem man defi­ni­tiv zu viel gewollt hat.
Katha­ri­na: Hat man? Ich find nicht!
Lukas: Das drit­te Album war ja schon ein biss­chen über­am­bi­tio­niert, aber das neue lässt mich noch rat­lo­ser zurück als Toco­tro­nic. Viel­leicht bin ich auch ein­fach nicht gebaut für Intel­lek­tu­el­len-Pop.
Katha­ri­na: Ja, das ist scha­de, dass es viel­leicht zu „intel­lek­tu­ell“ und damit schwe­rer zugäng­lich ist… ande­rer­seits müs­sen WsH auch kei­ne Ansprü­che erfül­len. Judith hat auch gesagt, sie hät­te schon beim 3. Album etwas dämo­nisch gedacht: „Mal gucken, wer da jetzt noch mit­kommt.“
Lukas: Was natür­lich eine schö­ne Wei­ter­ent­wick­lung vom Slo­gan-Pop des ers­ten Albums ist. Wobei die Slo­gans ja nur ver­schach­tel­ter gewor­den sind.
Katha­ri­na: Das gan­ze Album ist im Prin­zip das ers­te und das zwei­te Album nur in bes­ser! Die The­men sind die glei­chen, immer!
Lukas: Na, die The­men sind bei unge­fähr jeder Band immer die­sel­ben.
Katha­ri­na: „Dra­ma­ti­ker“ wäre zum Bei­spiel „Geht aus­ein­an­der“.
Lukas: Die­ser Sprach­witz, der bei „Die Zeit heilt alle Wun­der“ noch char­mant und unver­braucht war (obwohl das im Rück­blick auch nähe­rungs­wei­se albern ist), ermü­det mich auf die Dau­er. Das wird so Chris­ti­an-Mor­gen­stern-mäßig, Heinz-Erhardt-esk.
Katha­ri­na: Ja, aber irgend­wie find ich das immer noch lus­tig: Dra­ma­ti­ker, Bati­ker, Sta­ti­ker, Talar­sti­cker, Star­ki­cker. „Wer zu viel frisst aus Frust ver­lässt danach oft die Bar dicker“ – ich muss immer grin­sen. Und das ist ja nur das eine Lied! War­te mal die ande­ren ab!

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It’s in my honey, it’s in my milk.

The National - High Violet (Albumcover)

Eigent­lich woll­te ich kei­nes­falls so begin­nen, um nicht spä­ter der Strin­genz und Logik mei­ner Erzäh­lung und der damit ver­bun­de­nen Zeit­leis­te wegen in die Pflicht genom­men zu wer­den, aber: Mein ers­tes Kon­zert der Band The Natio­nal war, wenn ich recht erin­ne­re, am 1. Dezem­ber 2005. Ihr drit­tes Album „Alli­ga­tor“ war gera­de im Mai erschie­nen. Der ein­zi­ge Grund, war­um ich es besaß, war der, dass ich eigent­lich nach der dama­li­gen im Nach­hin­ein betrach­tet über­aus drö­gen Plat­te von Grand Natio­nal Aus­schau gehal­ten hat­te und mich aber an den Namen der Band nicht mehr so ganz rich­tig erin­nern konn­te. Ein hal­bes Jahr spä­ter erklär­te man „Alli­ga­tor“ und den Vor­gän­ger „Sad Songs For Dir­ty Lovers“ in meh­re­ren Voll­ver­samm­lun­gen mei­ner dama­li­gen Peer Group zum Bes­ten, was man jemals gehört hat­te.

Ich war gera­de im Okto­ber nach Ber­lin umge­zo­gen, wo mei­ne ein­zi­ge Außer-Haus-Beschäf­ti­gung für zwei Mona­te dar­in bestand, aus einem Call-Cen­ter dem gesamt­deut­schen Bran­chen­buch teu­re Dru­cker und Kopie­rer auf­zu­nö­ti­gen (wofür ich mich sicher­lich der­einst vor irgend­ei­ner mora­li­schen Höchst­in­stanz zu recht­fer­ti­gen haben wer­de). In mei­nem etwas unter­kühl­ten Zwi­schen- bzw. Unter­miet­ver­hält­nis beschäf­tig­te ich mich indes man­gels sozia­ler Kon­tak­te aus­schließ­lich mit dem Hören von Feists „Let It Die“ (wegen des über­ra­schend zur Gesamt­si­tua­ti­on pas­sen­den Titel­tracks) und den bei­den oben erwähn­ten Alben von The Natio­nal. Nach eini­ger Zeit konn­te ich alles fast so gut aus­wen­dig wie eini­ge älte­re Semes­ter alle Dia­lo­ge der ori­gi­na­len Star-Wars-Tri­lo­gie her­un­ter zu beten imstan­de sind. Das half natür­lich mei­ner rea­len Lebens­si­tua­ti­on nur bedingt und wür­de ver­mut­lich auch kei­nen Stu­di­en­platz aus dem blau­en Him­mel auf mich her­nie­der fal­len las­sen, und so muss­te ich doch irgend­wann, allen Stol­zes beraubt und mit eini­ger­ma­ßen tief hän­gen­dem Kopf, den vor­zei­ti­gen Rück­zug antre­ten und in mei­ne Hei­mat­stadt zurück­ge­kro­chen kom­men. Nach einem halb gefüll­ten Kon­zert im Ber­li­ner Magnet-Club, das eine erstaun­lich wohl­tu­en­de und unauf­re­gen­de Wir­kung hat­te, schlief ich drei Stun­den und mach­te mich am am Mor­gen des 2. Dezem­ber 2005 allei­ne mit einem viel zu klei­nen Miet­wa­gen auf den Weg. Dank mei­ner über­stürz­ten Pack­tech­nik, auf­grund derer alle mei­ne CDs am hin­te­ren unte­ren Ende des Wagens unter Büchern und einem Regal ein­ge­klemmt waren, war ich gezwun­gen, die gesam­te Fahrt über etwa neun Mal The Natio­nals am Vor­abend erstan­de­nes selbst­be­ti­tel­tes Debut-Album durch­lau­fen zu las­sen.

Mitt­ler­wei­le ist das natür­lich alles ver­ges­sen und die schlech­ten Erfah­run­gen voll­kom­men obso­let. Was ich aber damit sagen möch­te: So etwas schweißt einen natür­lich unwi­der­bring­lich an so eine Band. Des­we­gen wer­de ich nicht ein­mal ver­su­chen, Objek­ti­ves über „High Vio­let“, das soeben erschie­ne­ne fünf­te Album der Band, abzu­ge­ben. Bit­te ver­zei­hen Sie mir!

Im Gro­ßen und Gan­zen ver­läuft das Hören der knapp 50 Minu­ten genau­so wie immer, wenn man gro­ße Angst hat, dass dies nun end­lich die­se Sell-Out-Ent­täu­schung ist, auf die man immer gewar­tet hat: Man zwingt sich, über­mä­ßig kri­tisch an das Gan­ze her­an­zu­ge­hen und hört natür­lich an jeder Ecke Din­ge, die es so vor­her nicht gab und mit denen sich zunächst ange­freun­det wer­den muss, und erwischt sich dann doch dabei, auf eine mit­tel­mä­ßig schi­zo­phre­ne Art eine Ver­tei­di­gungs­hal­tung ein­zu­neh­men. Unter­halt­sam ist das mög­li­cher­wei­se für den ima­gi­nä­ren Beob­ach­ter. Die Wahr­heit ist: Gei­gen, Posau­nen, Trom­pe­ten und Kla­vier kann­te man bereits aus dem 2007 erschie­ne­nen „Boxer“, und obwohl dies durch­aus Instru­men­te sind, die auf­grund von über­mä­ßi­ger Ver­wen­dung einen Kitsch-Effekt aus­lö­sen kön­nen, der sei­nes­glei­chen sucht, war vor­her schon klar, dass sich hier nichts davon übel in den Vor­der­grund spie­len wür­de. Weil das nun­mal ein­fach nicht so The Natio­nals Art ist, über­haupt einen Vor­der­grund zu haben. Viel­mehr prä­sen­tiert sich einem hier ein ver­schwom­me­nes Bild aus ver­schie­dens­ten Melo­dien, die im Zusam­men­spiel einen Tep­pich erge­ben. Viel mehr als Akkord­wech­sel kön­nen dann gar nicht mehr ver­nom­men wer­den, allen­falls ruft das schnör­kel­freie, repe­ti­ti­ve Schlag­zeug Unter­bre­chun­gen und Akzen­tu­ie­run­gen her­vor. Wenn das mal nicht ein Ide­al­ziel in einer Band mit zuwei­len drei Gitar­ren sein soll­te: Über wei­tes­te Stre­cken selbst­lo­se Song­dien­lich­keit, frei von breit­bei­ni­gem Muckertum und Sport­gi­tar­ren­so­los.

Was aber außer­ge­wöhn­lich ist: Vie­les ist hier plötz­lich hei­ter oder sogar lus­tig. Irgend­wo habe ich neu­lich gele­sen, dass der Sän­ger der Band, Matt Ber­nin­ger, mit einem per­ma­nen­ten Mar­ker das Wort „Hap­pi­ness“ an eine Wand in sei­ner Woh­nung geschrie­ben haben soll, da der Plan war, ein fröh­li­ches Album auf­zu­neh­men. Das ist nun musi­ka­lisch gründ­lich in die Hose gegan­gen, und auch an Text­zei­len wie „Sor­row found me when I was young. Sor­row wai­ted, sor­row won.“ ist so wahn­sin­nig viel rhei­ni­scher Witz nicht zu sehen. Den­noch gibt es wie auch in die­ser Zei­le Punk­te, an denen augen­schein­lich eine iro­ni­sche Bre­chung vor­ge­nom­men wer­den muss­te, weil man die gan­ze Trau­er sonst ein­fach nicht aus­ge­hal­ten hät­te. Der Song „Lemon­world“ sagt im Refrain „You and your sis­ter live in a lemon­world, I want to sit in and die.“ und wer hier unbe­dingt an das plum­pe, boden­lo­se Selbst­mit­leid glau­ben will, dem sei das erlaubt. Weil man sol­che Augen­schein­lich­keit nicht von The Natio­nal gewöhnt ist, darf schät­zungs­wei­se auch davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass hier ein Prot­ago­nist genug hat vom stän­di­gen Ver­ar­bei­ten und sich auch ger­ne ein wenig dar­über lus­tig machen möch­te. In „Con­ver­sa­ti­on 16“, einem Song, den Ber­nin­ger auf dem Kon­zert letz­ten Sams­tag im Ber­li­ner ‚Huxley’s‘ mit den Wor­ten „This is a love song. About can­ni­ba­lism.“ ankün­dig­te, heißt es: „I was afraid that I’d eat your brains cau­se I’m evil“. Trau­er setzt ja nun doch eini­ges an Ernst vor­aus. Was jedoch an die­ser Zei­le ernst­zu­neh­men ist, kann ich mir beim bes­ten Wil­len nicht anma­ßen zu behaup­ten.

Letzt­lich sprie­ßen die­se Songs ja dann doch ten­den­zi­ell vor „Es wird wieder!“-Schulterklopfern, und wann hat man denn so eine simp­le Bot­schaft zuletzt in Pop­mu­sik gut gefun­den? Abge­se­hen davon, dass mir die­se Grup­pe nun sowie­so nichts mehr ver­gäl­len kann, nach­dem auch die fünf­te Plat­te sich als etwas her­aus­ge­stellt hat, das ich inner­halb von drei Tagen locker 15 Mal ohne jede Lan­ge­wei­le oder Lust auf etwas ande­res durch­hö­ren kann, ist zumin­dest eine objek­ti­ve Erkennt­nis, die ich Ihnen anbie­ten kann, die eben erkann­te: Es wird wie­der! Wenn der Ber­nin­ger das schafft, dann schaf­fen wir das auch. Ob es natür­lich gesund ist oder gut für mein ander­wei­ti­ges musi­ka­li­sches Inter­es­se, dass ich seit dem Erschei­nen von High Vio­let viel­leicht zwei ande­re Bands gehört habe, steht jetzt natür­lich nicht auf die­sem Blatt. Dar­über reden wir dann in ein paar Mona­ten!

Zum Abschied gibt es hier übri­gens noch das aktu­el­le Video der Aus­kopp­lung „Blood­buzz Ohio“ zu sehen. Viel­leicht lachen wir ja auch ein Biss­chen.

The Natio­nal – „Blood­buzz Ohio“ (offi­ci­al video) from The Natio­nal on Vimeo.

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Nichts mit Waterloo

Das Maß, in dem bri­ti­sche Nach­wuchs­bands häu­fig gehypt wer­den, ist für Deut­sche oft über­ra­schend. Aber in Groß­bri­tan­ni­en gibt es eben rele­van­te Musik­zeit­schrif­ten, die noch dazu teils wöchent­lich erschei­nen und des­halb viel mehr Künst­ler aufs Cover packen kön­nen, und man hat eh ein ande­res Ver­hält­nis zur Pop­kul­tur.

Oh, Napoleon live

Dass eine deut­sche Nach­wuchs­band schon renom­mier­te inter­na­tio­na­le Acts sup­port­en darf, bevor sie selbst auch nur irgend­was ver­öf­fent­licht hat, kommt dage­gen eher sel­ten vor. Oh, Napo­le­on ((Band­na­men, die Satz­zei­chen ent­hal­ten, stö­ren den Lese­fluss lei­der immer ein biss­chen (vgl. The­ra­py?, WHY?, Get Cape. Wear Cape. Fly, Por­tu­gal. The Man oder Loney, Dear) – aber schö­ner als der vor­he­ri­ge Band­na­me Your Dumb Inven­ti­on ist Oh, Napo­le­on auf alle Fäl­le. Außer­dem gibt es einen Song von The Acorn, der „Oh Napo­le­on“ heißt.)) haben schon mehr­fach vor Por­tu­gal. The Man und Star­sail­or (bei denen ich sie auch ent­deckt habe) gespielt, ihre ers­te EP ist aber erst vor elf Tagen erschie­nen.

Gut, man soll­te an die­ser Stel­le viel­leicht erwäh­nen, dass die Band von Marc Lieb­scher (Sport­freun­de Stil­ler) gema­nagt wird, einen Ver­trag mit Uni­ver­sal hat und auch sonst über eini­ge wich­ti­ge För­de­rer ver­fügt. Das macht die Sache mit den Sup­port-Slots viel­leicht ein­fa­cher, aber sol­che Hin­ter­grün­de nüt­zen auch nicht viel, wenn die Musik nicht stimmt.

Oh, Napoleon liveAber wie die Musik stimmt: Fand ich die Band live schon ziem­lich gut, ver­miss­te aber so ein biss­chen die Span­nung, hat mir die selbst­be­ti­tel­te Debüt-EP vom ers­ten Moment an die Schu­he aus­ge­zo­gen. Der Sound, für den Pro­du­zent Oli­ver Zülch (noch so ein gro­ßer Name: The Notwist, Slut, Die Ärz­te, Juli, …) ver­ant­wort­lich zeich­net, ist glas­klar. Die Gitar­ren, das Kla­vier und die Rhyth­mus­grup­pe bil­den eine sehr gute Grund­la­ge für die – Hil­fe, ich muss schon wie­der eine aus­ge­lutsch­te Musik­jour­na­lis­ten­vo­ka­bel benut­zen! – aus­drucks­star­ke Stim­me der Sän­ge­rin Kat­rin Bini­asch.

Die vier Songs erin­nern an Kath­le­en Edwards, ((Ja ja, zuge­ge­ben: Ich hab auch ewig gebraucht, um Regi­na Spek­tor zu ent­de­cken. Aber wie kann es denn sein, dass Kath­le­en Edwards hier­zu­lan­de der­art über­se­hen wird?)) die Car­di­gans in ihrer „Long Gone Befo­re Daylight“-Phase und diver­se ame­ri­ka­ni­sche Singer/​Songwriterinnen, die man vor allem aus dem Sound­track von „Dawson’s Creek“ kennt. Folk­pop im bes­ten Sin­ne, ide­al für den Herbst und sicher­lich auch voll radio­taug­lich.

Der Ope­ner „To Have (To Lose)“ ist schwung­voll, danach geht es ent­spannt zu. In den Tex­ten geht es um Bezie­hungs­en­den, Ein­sam­keit und Lie­be, „K“ ist mit sei­nem etwas repe­ti­ti­ven Refrain bei mir am nach­drück­lichs­ten hän­gen geblie­ben. Und wenn die Män­ner­stim­men in „A Book Ending“ nicht mehr nur form­voll­ende­te „Uuuuuh“-Chöre bil­den, son­dern mit eige­nem Text und Gesangs­li­nie in den Lead-Gesang rein­grät­schen, ((Na ja, viel­leicht schmie­gen sie sich auch eher an den Lead-Gesang an. Gegrätscht wird bei Oh, Napo­le­on nicht.)) ist das noch mal ein ganz gro­ßer Gän­se­haut­mo­ment.

Seit lan­gem (also: seit First Aid Kit im Febru­ar) hat mich kein New­co­mer so sehr begeis­tert wie Oh, Napo­le­on. War Kre­feld musi­ka­lisch bis­her nur durch Blind Guar­di­an und Andrea Berg auf­ge­fal­len, ((Par­al­le­len zu ande­ren nie­der­rhei­ni­schen Städ­ten mit berühm­ten Pop­schla­ger­in­ter­pre­ten und Nach­wuchs­bands deu­ten sich am Hori­zont an.)) könn­te sich das Dank die­ser fünf unver­schämt jun­gen Musi­ker schon bald ändern. Ich weiß nicht, ob es in Deutsch­land einen Markt für sol­che Musik gibt, ((Und ob man auf dem nicht ein ähn­li­ches Schick­sal erlei­den könn­te wie das One-Hit-Won­der Bell, Book And Cand­le.)) aber ich den­ke schon, dass Oh, Napo­le­on sehr schnell den Sta­tus des Geheim­tipps los­wer­den dürf­ten. Im Früh­jahr 2010 soll das Album erschei­nen – bis dahin wer­de ich die EP ver­mut­lich ein paar hun­dert Mal gehört haben.

Oh, Napoleon - Oh, Napoleon EP (Cover)
Oh, Napo­le­on bei MySpace
Oh, Napo­le­on bei Ver­ti­go
EP hören bei last.fm

Liv­e­fo­tos: © Mar­ti­na Dri­gnat.

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Get The Patina Started

Im Mai 2006, kei­ne vier Mona­te, nach­dem ich ihm die Kili­ans-Demo in die Hand gedrückt hat­te, tra­fen Thees Uhl­mann und ich in der Bochu­mer Zeche erneut auf­ein­an­der. Thees war Juror beim Nach­wuchs­band­wett­be­werb einer gro­ßen Braue­rei, ich war Zuschau­er und dies­mal völ­lig unschul­dig. Es spiel­ten drei oder vier oder fünf Bands und ich kann mich noch an zwei erin­nern: die eine spiel­te Ska und hat­te ihren gan­zen Fan­club mit­ge­bracht, die ande­re spiel­te Akus­tik­rock und hat­te den Vater eines Band­mit­glieds als Per­cus­sio­nis­ten dabei.

Letz­te­re Band hieß Black Rust und kam aus Ahlen. ((Ich wer­de mich hüten, irgend­was über klei­ne Städ­te zu schrei­ben, aus denen Bands kom­men.)) Sie gewann die Publi­kums­ab­stim­mung, ich erschwatz­te mir am Merch-Stand eine Demo-CD für den Radio­ein­satz ((Mir fällt in die­sem Moment ein, dass ich die CD nie zur Abhör­sit­zung bei CT das radio mit­ge­nom­men habe. Ich bin ger­ne bereit, die zehn Euro nach­träg­lich zu bezah­len, weil die­ses Ver­hal­ten unent­schuld­bar ist – aber auch uner­heb­lich für den wei­te­ren Ver­lauf der Geschich­te.)) und die Band spiel­te ein paar Wochen spä­ter – histo­ry does repeat – als Sup­port für Tom­te. Das Area-4-Fes­ti­val, für das man bei dem Nach­wuchs­wett­be­werb einen Auf­tritt gewin­nen konn­te, fand nie statt.

Danach spiel­ten Black Rust noch beim Hald­ern Pop 2007 (wo ich sie ver­pass­te) und fort­an hör­te ich nichts mehr von ihnen. Um so über­rasch­ter war ich, als ich im letz­ten Dezem­ber plötz­lich hör­te, dass die Band bald ihr offi­zi­el­les Debüt­al­bum ver­öf­fent­li­chen wür­de – pro­du­ziert von nie­mand gerin­ge­rem als dem Sophia-Mas­ter­mind Robin Pro­per-Shepp­ard.

Okay, von den Ein­flüs­sen des Düs­ter­pop-Man­nes hört man auf „Medi­ci­ne & Meta­phors“, das am heu­ti­gen Frei­tag erschien, auf Anhieb nicht ganz so viel, aber sowas spricht ja eher für die Band und ihre eige­nen Qua­li­tä­ten. Black Rust spie­len Folk­rock im wei­tes­ten Sin­ne, der mal nach Coun­ting Crows, mal nach Goo Goo Dolls und mal an die Wall­flowers erin­nert. Musik ame­ri­ka­ni­scher Prä­gung also, die man sich wun­der­bar als Unter­ma­lung irgend­wel­cher roman­ti­scher Komö­di­en und höher­wer­ti­ger TV-Seri­en vor­stel­len kann.

„Emp­ty Park. Emp­ty Street.“ erin­nert stark, aber nicht zu sehr, an Ryan Adams und sei­ne alte Band Whis­key­town; „Silent Lament“ hat eher was von Dami­en Rice, weil es einer­seits sehr redu­ziert mit einem Kla­vier und der ange­neh­men Stim­me von Jonas Kün­ne daher­kommt, ande­rer­seits Dank eines Streich­in­stru­ments ((Da merkt man mei­ne sehr begrenz­te Kom­pe­tenz im Bezug auf Musik­in­stru­men­te, die nicht in mei­nem Kel­ler ste­hen.)) eine enor­me Opu­lenz ent­wi­ckelt.

Ob es gleich 13 Songs und fast 57 Minu­ten Spiel­zeit vol­ler Akus­tik­gi­tar­ren, Kon­tra­bäs­se und Man­do­li­nen sein muss­ten, ist aller­dings eine berech­tig­te Fra­ge. Schlecht oder stö­rend ist dabei kein ein­zi­ges Lied, aber es zieht sich halt etwas, bis das Album schließ­lich mit dem Über­song „Mar­le­ne (6:54 Minu­ten, inkl. Wie­der-Fade-In) sei­nen krö­nen­den Abschluss fin­det.

Man ist ver­sucht zu schrei­ben, dass Black Rust „erfri­schend un-deutsch“ klän­gen, aber dafür müss­te man erst­mal sagen, wel­che eng­lisch­spra­chi­ge Band aus Deutsch­land eigent­lich „deutsch“ klingt. Jetzt von Rea­m­onn mit ihrem iri­schen Sän­ger mal ab.

Black Rust - Medicine & Metaphors (Albumcover)
Black Rust – Medi­ci­ne & Meta­phors

VÖ: 30. Janu­ar 2009
Label: Stran­ge Ways
Ver­trieb: Indi­go

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Musik

Chinese Delivery

Vor zehn Tagen ist „Chi­ne­se Demo­cra­cy“ von Guns N‘ Roses erschie­nen, ein Album der Super­la­ti­ve: 14 Jah­re in der Mache, Gesamt­kos­ten von geschätzt 13 bis 15 Mil­lio­nen Dol­lar, min­des­tens sechs ver­schie­de­ne Gitar­ris­ten.

Wäh­rend angeb­lich bis zum Früh­jahr die­ses Jah­res an „Chi­ne­se Demo­cra­cy“ gear­bei­tet wur­de (was man ange­sichts des sat­ten Neun­zi­ger-Sounds kaum glau­ben mag), lag ein ande­res Album ein­fach neun Jah­re lang auf Hal­de:

Am 26. Okto­ber 1999 soll­te „Por­ta­ble Life“ erschei­nen, das zwei­te Album von Dani­elle Bri­se­bo­is. Deren Debüt­al­bum „Arri­ve All Over You“ von 1994 hat­te sich trotz elf wun­der­ba­rer Power­pop-Songs kaum ver­kauft und die New Radi­cals, deren Band­mit­glied Bri­se­bo­is neben ihrem Song­wri­tin­g­part­ner und Pro­du­zen­ten Gregg Alex­an­der war, hat­ten sich nach ihrem welt­wei­ten Mega­hit sofort wie­der auf­ge­löst. Das Ver­hält­nis zwi­schen den Plat­ten­fir­men und allem, wo Brisebois/​Alexander drauf stand, war also ein eher gespann­tes. War­um RCA Records aber „Por­ta­ble Life“ nicht ver­öf­fent­lich­te, nach­dem man schon Pro­mo-Kopien an Musik­jour­na­lis­ten ver­sandt und die Sin­gle „I’ve Had It“ nebst Video fer­tig­ge­stellt hat­te, lässt sich bis heu­te nicht genau rekon­stru­ie­ren.

So blieb das Album irgend­wo lie­gen, wäh­rend RCA als Teil von BMG zu SonyBMG fusio­nier­te und Dani­elle Bri­se­bo­is Hit­sin­gles für Nata­sha Beding­field und Kel­ly Clark­son schrieb. Bis zum 30. Sep­tem­ber die­ses Jah­res wuss­te nie­mand etwas genaue­res über den Ver­bleib der zwölf Songs, zu denen auch „Ever­y­thing My Heart Desi­res“ (aus dem Sound­track zu „Bes­ser geht’s nicht“) und eine neue Ver­si­on des „Arri­ve All Over You“-Songs „Just Missed The Train“ gehör­ten – dann tauch­te das Album plötz­lich im iTu­nes Musics­to­re und als Down­load bei Amazon.com auf.

Man merkt dem Album sei­ne lan­ge Lager­zeit nicht unbe­dingt an: Es sind gute Pop­songs, die mal mehr, mal weni­ger druck­voll, mal mehr, mal weni­ger melan­cho­lisch klin­gen. Man­che haben groß­ar­ti­ge Titel wie „Stop It Hurts You’­re Kil­ling Me Don’t Stop“ oder „If I Died Tonight You’d Have To Think Of Me“ und ins­ge­samt fragt man sich, war­um Dido oder Kel­ly Clark­son eigent­lich so einen rie­si­gen Erfolg haben und Dani­elle Bri­se­bo­is nicht.

Danielle Brisebois - Portable Life (Albumcover)
Dani­elle Bri­se­bo­is – Por­ta­ble Life

VÖ: 30. Sep­tem­ber 2008 /​ 26. Okto­ber 1999
Label: RCA Records
Ver­trieb: SonyBMG (digi­tal) /​ BMG Enter­tain­ment

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Musik

Track by track: Tomte – Heureka

Ich habe die­sen Text wochen­lang vor mir her­ge­scho­ben, aus einem ein­zi­gen Grund: Ich konn­te mich nicht ent­schei­den, ob ich einen Dis­clo­sure set­zen soll oder nicht.

Wenn ich schrie­be, dass ich schon seit län­ge­rem rie­si­ger Tom­te-Fan bin, mit Tom­te-Sän­ger Thees Uhl­mann schon eini­ge Male ver­schie­de­ne Alko­ho­li­ka zu mir genom­men habe, und ihm eine Demo der Kili­ans zuge­steckt habe, wor­auf­hin er die Band ganz groß raus­ge­bracht hat, könn­te mir das leicht als eit­le Prot­ze­rei aus­ge­legt wer­den.

Wenn ich es nicht schrie­be, käme aber garan­tiert jemand an, der mir noch enge­re Bezie­hun­gen zu Band, Sän­ger und Label unter­stel­len und mich als Bei­spiel für die Ver­lo­gen­heit und den Inzest im Musik­jour­na­lis­mus hin­stel­len wür­de.

Suchen Sie sich also aus, ob Sie die nun fol­gen­de Track-by-track-Ana­ly­se des neu­en Tom­te-Albums „Heu­re­ka“ mit oder ohne Dis­clo­sure im Hin­ter­kopf lesen wol­len.

Wenn Ihnen die Text­zei­len

Und wir heben unser Glas in Demut
Ich erin­ner‘ mich an alles und jeden
Such Dir jeman­den, der Dir nicht weh­tut
Du nennst das Pathos, und ich nenn‘ es Leben

aller­dings schon Zuviel des Guten sind, soll­ten Sie aber sowie­so nicht wei­ter­le­sen.

Und jetzt fan­ge ich end­lich an:

Heu­re­ka
Einen Titel­track auf einem Tom­te-Album gab es zuletzt auf „Eine son­ni­ge Nacht“, aber die­se Infor­ma­ti­on hat allen­falls sta­tis­ti­schen Wert, denn „Heu­re­ka“ beginnt mit einem Kla­vier. Thees Uhl­mann singt Zei­len, die aus­schließ­lich aus Voka­len bestehen, und hört damit in den nächs­ten 51 Minu­ten nicht mehr auf. „Du bist nicht gestor­ben: Heu­re­ka!“, jubi­liert er im Refrain und schließt mit „Man ver­misst, was einen jeden Tag umgibt“. Die küchen­psy­cho­lo­gi­sche Deu­tung: trotz aller Wid­rig­kei­ten und Umbe­set­zun­gen sind Tom­te immer noch da und jetzt wol­len sie wei­ter­ma­chen.

Wie ein Pla­net
Iggy Pops „Pas­sen­ger“ klopft sehr deut­lich an, ehe Herr Uhl­mann erst­mal lei­den darf. Im Refrain schwingt es im Vier-Vier­tel-Takt Six­ties-mäßig vor sich hin. „Das ist die Zeit, das Leben sei schön“, heißt es im Refrain und aus die­ser Jetzt-erst-Recht- und Das-passt-schon-alles-Umar­mung kommt der Hörer auch nicht mehr raus.

Der letz­te gro­ße Wal
Die Sin­gle. Nach einer Ein­ge­wöh­nungs­pha­se ein unglaub­lich gro­ßer Song. Der letz­te Über­le­ben­de in einer Welt, in der sich alles geän­dert hat: Thees Uhl­mann? Vie­len Musi­kern wür­de ich so viel Selbst­ver­trau­en und Ich-Bezo­gen­heit übel neh­men, bei Uhl­mann passt das ein­fach: man weiß, dass er unge­schützt hin­ter jedem „Ich“ steht, dass er meint, was er singt. Ande­rer­seits ist spä­tes­tens jetzt die Gele­gen­heit, das ers­te Mal Den­nis Becker zu loben, den ver­mut­lich bes­ten Gitar­ris­ten des Lan­des.

Wie sieht’s aus in Ham­burg?
Auf „Buch­sta­ben über der Stadt“ ging es noch um „New York“, jetzt ist’s eine Num­mer klei­ner: Der zurück­ge­las­se­ne Freund in Ham­burg bekommt das Denk­mal gebaut, das er ver­dient hat. Der Refrain schrammt mit Akus­tik­gi­tar­re, Kla­vier und Satz­ge­sang haar­scharf an der Chee­syn­ess vor­bei, dann kommt ein zwei­stim­mi­ges Gitar­ren­so­lo. Das wird ja über Uhl­mann und sei­ne Tex­te gern ver­ges­sen: wie gut die alle als Musi­ker sind.

Vor­an vor­an
Orgel. Bedeu­tungs­schwe­re. Cold­play-Gefühl. Und dann plötz­lich Elek­tro­beats. Spä­tes­tens jetzt wird klar, dass Tobi­as Kuhn (Ex-Miles, Mon­ta) als neu­er Pro­du­zent genau den fri­schen Wind gebracht hat, den eine Band auf dem fünf­ten Album braucht. Der Refrain ist so sehr Sta­di­on­hym­ne, dass man die geschwenk­ten Feu­er­zeu­ge förm­lich rie­chen kann. „Ich zie­he das durch“, singt Uhl­mann und wer hät­te das Recht, das in Fra­ge zu stel­len.

Küss mich wach Glo­ria
Musi­ka­lisch ist es Eng­land zwi­schen den Sieb­zi­gern und Acht­zi­gern, trotz­dem braucht das Lied gut zwei­ein­halb Minu­ten, um aus dem Quark zu kom­men. Das oben auf­ge­führ­te Pathos-Zitat stammt hier­her und ich kann mir gut vor­stel­len, dass man die­ses Lied unglaub­lich schlimm und prä­ten­ti­ös fin­den kann. Nur: ich mag es. Uhl­mann braucht halt sei­ne per­sön­li­chen „Live Fore­vers“.

Es ist so dass Du fehlst
Akus­tik­gi­tar­ren, Drei­vier­tel­takt, Ein­sam­keit. Irgend­wie klingt auch das nach Cold­play, aber nach deren Debüt. Melan­cho­lie und Zuflucht, „Du bist das Beil, ich bin der Wald“. Schön, aber ein biss­chen was fehlt dann doch.

Und ich wan­der
„Du schlägst Dich durch Dein Leben wie ein Koli­bri fliegt“ ist natür­lich auch wie­der so ein Zitat, bei dem es sehr dar­auf ankommt, von wem es stammt. Die Musik klingt genau­so wie die besun­ge­ne Wan­de­rung („durch die war­me Nacht“) und wenn man die­ses Lied unter­wegs auf dem MP3-Play­er hört, fühlt man sich so ver­stan­den und beschützt.

Du bringst die Sto­ries (Ich bring den Wein)
Schon musi­ka­lisch ist es Lied unglaub­lich _​uplifting_​. Dass Uhl­mann offen­bar ein­mal mehr eine Män­ner­freund­schaft besingt, wirft die Fra­ge auf, ob Frau­en Tom­te eigent­lich genau­so schät­zen. „Wenn Du nichts mehr hast, hast Du immer noch mich, denn ich pla­ne zu blei­ben, mein Freund!“ – Was müs­sen das für glück­li­che Men­schen sein, die sol­che Lie­der geschrie­ben bekom­men?

Das Orches­ter spielt einen Wal­zer
Als ich „Heu­re­ka“ zum ers­ten Mal hör­te, ging ich zu Fuß durch die nie­der­rhei­ni­sche Land­schaft. Bei die­sem Lied saß ich unten am Fluss und starr­te auf das Was­ser. Inso­fern ist das Lied für mich viel­leicht mit etwas zu viel Dra­ma­tik und Bedeu­tung auf­ge­la­den, und ehr­lich gesagt ist es das schwächs­te Lied auf dem Album. Trotz­dem kommt hier die zen­tra­le Zei­le des Albums vor: „Mein Gott, ist das Leben schön“. Wenigs­tens für einen Moment soll­te die Fra­ge erlaubt sein, ob glück­li­che Künst­ler nicht uner­träg­lich sind.

Nichts ist so schön auf der Welt wie betrun­ken trau­ri­ge Musik zu hören!
Ja, die Song­ti­tel auf die­sem Album sind mit­un­ter etwas über­am­bi­tio­niert. Und mit den Tom­te-Lie­dern über Musik könn­te man ein eige­nes Album fül­len. Und über­haupt: sechs Minu­ten! Wir befin­den uns halt mit­ten in dem Teil der Plat­te, den ich objek­tiv als eher mäßig gelun­gen bezeich­nen wür­de. Wie das Lied aller­dings in der Mit­te plötz­lich los­legt und sich um sich selbst win­det, das ist schon sehr Seat­tle in den frü­hen Neun­zi­gern. Man weiß, wie es gemeint ist.

Dein Herz sei wild
Irgend­wann zwi­schen­durch hat­ten Tom­te auch mal die Back-to-the-roots-Paro­le aus­ge­ge­ben. Sie mani­fes­tiert sich in die­sem Vier­ein­halb-Minu­ten-Stück, das auch auf den ers­ten bei­den Alben hät­te sein kön­nen. Irgend­wie auch mehr ein „Pfffffff!“- als ein „Wow!“-Lied.

Vor­an vor­an (Laut)
Noch­mal „Vor­an vor­an“, dies­mal The Clash statt Cold­play. Das macht es natür­lich anders, aber auch gut. Als Raus­schmei­ßer ist die­ser Bonus­track deut­lich bes­ser geeig­net als „Dein Herz sei wild“, denn er macht die vor­he­ri­gen Hän­ger wie­der wett.

Fazit
So groß­ar­tig das Album zu Beginn ist, so sehr baut es doch nach hin­ten hin­aus ab. Zehn Songs statt 13 hät­ten es auch getan, denn dann stün­de es „Hin­ter all die­sen Fens­tern“ und „Buch­sta­ben über der Stadt“ in nichts nach.

Man muss „Heu­re­ka“ aber wohl als Selbst­fin­dungs­pro­zess und Stand­ort­be­stim­mung hören. Immer­hin hat man es hier mit einer Band zu tun, die im Ver­gleich zum Vor­gän­ger­al­bum qua­si zur Hälf­te umge­stellt wur­de (Timo Boden­stein und Olli Koch raus; Max Mar­tin Schrö­der am Schlag­zeug, statt an den Key­boards; Simon Front­zek an den Key­boards), und die sich gleich­zei­tig wei­ter­ent­wi­ckeln und auf ihre Wur­zeln besin­nen will. Gemes­sen dar­an ist „Heu­re­ka“ erstaun­lich rund und stim­mig gewor­den.

Die Hym­nen sind noch ein biss­chen grö­ßer gewor­den, die Rocker wie­der ein biss­chen wüten­der. Tom­te sind immer noch da und sie pla­nen zu blei­ben. Und Thees Uhl­mann ist der letz­te gro­ße Wal.

Tomte - Heureka (Albumcover)
Tom­te – Heu­re­ka

VÖ: 10.10.2008
Label: Grand Hotel van Cleef
Ver­trieb: Indi­go

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Musik

Alte Helden, neue Alben

Die tra­gi­sche Geschich­te, wie ich vor neun Jah­ren die „Rol­ling Stone Road­show“ mit Ben Folds Five, Tra­vis und Gay Dad igno­rier­te, habe ich ja schon mehr­fach erwähnt.

Offen­bar hat sich mein Kar­ma-Kon­to aber in der Zwi­schen­zeit so weit auf­ge­la­den, dass mir das Schick­sal zumin­dest eine gro­be Revan­che anbie­tet: am 22. Novem­ber spie­len Ben Folds und Tra­vis (sowie Fleet Foxes, Glas­ve­gas, The Ras­cals und Dona­von Fran­ken­rei­ter) gemein­sam in der Esse­ner Gru­ga­hal­le. Also Weih­nach­ten, Geburts­tag und Ostern für mich. Ob Folds wie beim Tour­fi­na­le vor neun Jah­ren nur mit einem Cow­boy­hut beklei­det bei Tra­vis die Büh­ne stür­men wird, wird sich zei­gen.

Vor­her haben Ben Folds und Tra­vis aber auch noch am sel­ben Tag ihre neue Alben ver­öf­fent­licht.

Und wie die so sind, steht in der bewähr­ten Track-by-track-Ana­ly­se:

Ben Folds – Way To Nor­mal

Tra­vis – Ode To J. Smith

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Musik

I hope that it got into you

Dies ist die Geschich­te eines Lie­des.

2001, ein Jahr nach­dem sich mei­ne Lieb­lings­band Ben Folds Five auf­ge­löst hat­te, stieß ich im Inter­net auf die drei letz­ten neu­en Songs, die die Band jemals live vor­ge­stellt hat­te: „The Secret Life Of Mor­gan Davis“, ein swin­gen­der Pop­song, tauch­te wenig spä­ter als B‑Seite zu Folds‘ ers­ter Solo­sin­gle „Rockin‘ The Sub­urbs“ wie­der auf, „Prin­ce Char­ming“, geschrie­ben und gesun­gen vom Bas­sis­ten Robert Sledge, erschien 2004 auf der ers­ten (und ein­zi­gen) EP von des­sen Nach­fol­ge­band Inter­na­tio­nal Oran­ge. Der drit­te, den ich immer am Meis­ten gemocht hat­te, blieb ver­schwun­den: „Ame­lia Bright“, geschrie­ben von Dar­ren Jes­see, dem Schlag­zeu­ger von Ben Folds Five, der auch die groß­ar­ti­ge Bal­la­de „Magic“ auf dem letz­ten Album der Band geschrie­ben hat­te.

Darren Jessee (Foto: Debora Francis)2004 stell­te ich dann fest, dass es Hotel Lights gab, Dar­rens neue Band, in der er die Songs schrieb, Gitar­re und Kla­vier spiel­te und sang. Ich hör­te mir die Songs an, die online ver­füg­bar waren, und schrieb Dar­ren eine E‑Mail. Ich schrieb ihm, dass ich die Musik von Hotel Lights lieb­te, frag­te aber auch, was mit „Ame­lia Bright“ pas­siert war. Dar­ren ant­wor­te­te, dass ihm schon vie­le Leu­te die­se Fra­ge gestellt hät­ten, und wir blie­ben in Kon­takt. Er schick­te mir das selbst­be­ti­tel­te Debut­al­bum von Hotel Lights, CT das radio, das Bochu­mer Cam­pus­ra­dio für das ich damals arbei­te­te, war ver­mut­lich der ers­te euro­päi­sche Sen­der, der die Band gespielt hat, und jedes­mal, wenn ich jeman­den aus der Musik­in­dus­trie traf, schwärm­te ich ihm von Hotel Lights vor (Das habe ich über­haupt nur zwei Mal gemacht. Bei den Kili­ans ver­lief das aller­dings etwas erfolg­rei­cher.) 2006 ver­öf­fent­lich­ten Hotel Lights eine EP namens „Good­night­good­mor­ning“, auf der ein­mal mehr wun­der­ba­re Folk-basier­te Pop­songs zu fin­den waren. Mög­li­cher­wei­se haben Sie den Song „A.M. Slow Gol­den Hit“ bei „Grey’s Ana­to­my“ gehört, ohne es zu mer­ken.

Vor ein paar Wochen stell­te ich fest, dass Hotel Lights ein neu­es Album namens „Fire­cra­cker Peo­p­le“ ver­öf­fent­li­chen wür­den – und auf ihrer MySpace-Sei­te stol­per­te ich end­lich über ihre Ver­si­on von „Ame­lia Bright“. Ich weiß nicht, ob es dar­an lag, dass ich den Song schon seit sie­ben Jah­ren geliebt hat­te, aber sei­ne Schön­heit hau­te mich buch­stäb­lich um. Er war sogar noch viel bes­ser als die Ben-Folds-Five-Ver­si­on – was ver­mut­lich dar­an lag, dass der Sän­ger dies­mal auch der Mann war, der das Lied geschrie­ben hat­te: Dar­ren Jes­see.

Auch wenn „Ame­lia Bright“ aus „Fire­cra­cker Peo­p­le“ her­aus­ragt (und von mir als bil­li­ger Auf­hän­ger für die­sen Arti­kel benutzt wur­de), sind die ande­ren Songs kein Stück schlech­ter. Die Musik von Hotel Lights erin­nert mich an Künst­ler wie Ron Sexs­mith, Josh Rou­se und Spark­le­hor­se (Alan Wea­ther­head von Spark­le­hor­se hat das Album mit­pro­du­ziert und dar­auf Gitar­re gespielt). Sie klingt herbst­lich, melan­cho­lisch und fried­lich und ich stel­le mir vor, durch klei­ne ame­ri­ka­ni­sche Städ­te und in die men­schen­lee­re Land­schaft zu fah­ren – Bil­der, mit denen Dar­ren Jes­see leben kann.


HOTEL LIGHTS „Blue Always Finds Me“ from Fire­cra­cker Peo­p­le on Vimeo.

Lesen Sie hier ein aus­führ­li­ches Inter­view mit Dar­ren Jes­see von Hotel Lights: auf deutsch oder im eng­li­schen Ori­gi­nal.

Hotel Lights - Firecracker People (Album cover)
Hotel Lights – Fire­cra­cker Peo­p­le

VÖ: 19. August 2008 (in den USA)
Label: Bar/​None
(einen US-Import des Albums kann man bei Amazon.de bestel­len)