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Musik

What’s My Age Again?

Mit elf Jahren stand ich auf dem Neutorplatz in Dinslaken und hielt einem älteren Herren einen Kugelschreiber unter die Nase. Der Mann hieß Heiner Geißler und ich wusste, dass er Politiker und irgendwie berühmt war, also wollte ich seine Unterschrift haben. Meine Autogrammsammlung umfasste anschließend vier Exponate: Geißler, Willy Brandt (damals schon tot, von einem Kollegen meines Vaters geschenkt bekommen), Franz Beckenbauer (den mein Großvater gegen Unterschrift auf dem Golfplatz hatte vorbeiziehen lassen) und Klaus Staeck. Ich war in meinem Leben öfter auf Autorenlesungen und Ausstellungseröffnungen gewesen als im Stadion — und das niemals gegen meinen Willen. Man muss viel Liebe aufwenden, um das irgendwie als “niedlich” betrachten zu können. “Cool” war es im Leben nicht.

Als ich 16 Jahre alt war, lief in den Kinos “American Pie” an. Ich ging alleine ins Kino (meine Freunde hatten den Film schon alle gesehen) und fand den Film maximal halblustig. Am lautesten (und einsamsten) gelacht habe ich, als in der Szene, in der Stifler’s Mom Finch verführte, “Mrs. Robinson” erklang — dabei hatte ich die “Reifeprüfung” damals noch nie gesehen, sondern nur darüber gelesen. Der Soundtrack zu “American Pie” wurde trotzdem zum Soundtrack meiner Jugend: Ich glaube, fast jeder dieser 13 Songs der ersten elf Songs ist auf mindestens einem Mixtape gelandet. Es handelte sich dabei, so erfuhr ich, überwiegend um sogenannten Fun-Punk, der nach Sommer, Sonne, Skateboards und Schwachsinntreiben klang. Eine der dort vertretenen Bands hieß Blink-182.

Ich hatte “Enema Of The State”, das Durchbruchsalbum von Blink-182 in Deutschland, nie selbst auf CD, aber die Hits kannte ich, sogar mit den dazugehörigen Videos. Zum Beispiel das, in dem die Bandmitglieder nackt durch die Straßen einer amerikanischen Stadt liefen. Mit 16 fand ich das peinlich und pubertär. “All The Small Things” hingegen, wovon auch immer es handeln sollte, fand ich toll. Wir haben es sogar mal mit unserer “Punkband” “gecovert”. ((Man kann dem Herrgott gar nicht oft genug danken, dass wir in einer Zeit aufwachsen durfen, als noch nicht jeder eine Videokamera in seinem Mobiltelefon hatte. Die Video-8-Aufnahmen, die von dem “Auftritt” existierten, sind hoffentlich schon lange zerfallen.))

Am Nachfolgealbum “Take Off Your Pants And Jacket” störte mich schon der Titel (pubertär!), während mein damals 12jähriger Bruder das Album rauf und runter laufen ließ. Spannend fand ich die Band erst wieder, als sie für ihr selbstbetiteltes Album mit Robert Smith (kredibel!) zusammenarbeitete. ((Als ich Thees Uhlmann in Düsseldorf zu jenem Interview traf, in dessen Verlauf auch eine Kilians-Demo-CD den Besitzer wechseln sollte, trug er einen Blink-182-Kapuzenpullover, für den er sich zu Beginn des Gesprächs entschuldigte.))

Nach “Blink-182”, das ich über die Jahre richtig lieb gewonnen hatte, war lange erst mal Schluss mit der Band: Tom DeLonge machte mit Angels & Airwaves weiter, Mark Hoppus und Travis Barker mit +44 — beides gute Bands, aber trotz meiner eigentlich gar nicht so engen Beziehung zu Blink nicht das selbe.

Inzwischen habe ich meine Pubertät nachgeholt, habe bedeutend mehr Rockmusiker- als Politikerautogramme und bin mir für kaum einen Pimmelwitz zu schade. Und weil die Popkultur beruhigenderweise in Zyklen verläuft, kommen alle die, die es damals nicht wirklich zu den Helden meiner Jugend geschafft haben, jetzt noch einmal vorbei, damit wir uns gemeinsam (noch mal) jung fühlen können: Im April war ich auf einem Konzert, auf dem Andrew W.K. (den ich mit 18 total doof fand) sein grandioses Partyepos “I Get Wet” zur Aufführung brachte, eine Woche später lief “American Pie — Das Klassentreffen” in den deutschen Kinos an, auf den ich mich tatsächlich mehr gefreut hatte als auf mein eigenes zehnjähriges Abiturtreffen. ((Das offensichtlich auch nicht stattfinden wird.))

Und am Montag dann endlich Blink-182. Deren Comebackalbum “Neighborhoods” hatte ich zwar maximal drei Mal gehört, aber darum ging es ja gar nicht, sondern um die Songs von früher. Die Essener Grugahalle, berüchtigt für ihre spezielle Atmosphäre, war gut gefüllt mit Menschen Mitte, Ende Zwanzig, nur wenige waren jünger — das dann aber gleich gründlich. So viele T-Shirts der auftretenden Band sieht man vermutlich sonst nur bei den Toten Hosen. Die beiden Vorgruppen (Royal Republic und The All American Rejects) wurden freundlich empfangen, aber es war klar, weswegen alle hier waren: Blink-182.

Als die dann mit “Feeling This” loslegten, war die Stimmung sofort auf dem Siedepunkt, wie man als Lokaljournalist schreiben würde. Es war wie damals in den Jugendzentren und Partykellern — oder, in meinem Fall: so, wie ich annehme, dass es damals in den Jugendzentren und Partykellern war. Die an ein öffentliches Schwimmbad gemahnende Architektur der Grugahalle verschwand hinter den glücklichen, verschwitzten Gesichtern wild durch die Gegend hüpfender junger (ja: junger!) Menschen.

Und dann: “All The Small Things”. Mit den Freunden einen Kreis bilden und hüpfen. Hüpfen, bis man das Gefühl hat, in der Luft stehen zu bleiben. Die Welt und mit ihr die Halle mit den Tausenden Menschen darin, der Bühne und der Band, drehen sich weiter, doch dieser Moment hier ist jetzt und für immer. Nana nana na nanana nana, nana nana na nanana nana. Wäre es übertrieben, zu behaupten, dass ich zwölf Jahre darauf gewartet habe? Nein. Ich wusste es nur damals noch nicht.

Dann weiter: Minutenlange, atemberaubende Schlagzeugsoli von Travis Barker, Zugaben und am Ende ein Papierschnipselregen. Ein Fest.

Blink-182 in der Essener Grugahalle

Auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden wir von der EVAG, dem vermutlich schlechtesten Nahverkehrsanbieter in einer europäischen Großstadt: Um Zwanzig nach Elf fährt die letzte U-Bahn Richtung Innenstadt und die vielen, vielen Konzertbesucher ohne Auto passen dort nicht hinein. Das heißt: Zunächst passen die Allermeisten doch hinein, aber die Bahn kann über zehn Minuten nicht losfahren. Wir steigen wieder aus, überirdisch fährt ein Krankenwagen vor.

Und so gehen wir die drei Kilometer bis zum Hauptbahnhof zu Fuß, durch das um Viertel vor Zwölf schon völlig verwaiste “Szeneviertel” Rüttenscheid. Immerhin der Supermarkt hat noch auf, wir kaufen Bier für den weiteren Weg. So wie die anderen Kinder das mit 16 vermutlich schon gemacht haben.

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Literatur Print

Restposten der spätkindlichen Infantilgesellschaft

Ich weiß nicht, ob Sie’s mitbekommen haben, ((Hahahahaha.)) aber es gibt da ja gerade eine neue deutsche Literatursensation, die die großen jungen deutschen Literatursensationen der vergangenen Dekaden, “Crazy” und “Feuchtgebiete” kurzschließt: “Axolotl Roadkill” von Helene Hegemann (17).

Gelesen habe ich das Buch noch nicht, ((Ich bin gerade – leicht andere Baustelle – mit “The Wild Things” von Dave Eggers beschäftigt.)) aber allein der Titel ist schon mal toll. “Axolotol”, diese Bezeichnung für einen mexikanischen Lurch, der sein Leben lang Kind bleibt, stand nämlich immer auf der Liste der außergewöhnlichen Worte, die mein bester Freund und ich zu Schulzeiten geführt haben. ((Ebenfalls auf der Liste: “Wadi”, “semipermeable Membran” und “Aum”. Irgendwann werden sich auch damit noch mal Therapeuten befassen müssen.))

Über Helene Hegemann jedenfalls ist schon viel geschrieben worden, meist in der üblichen ahnungslosen Begeisterung, mit der sich Erwachsene, die nicht als frühvergreist gelten wollen, der Welt und der Sprache von Jugendlichen nähern. Wer lange genug sucht, wird sicher eine Rezension finden, in der frühneuhochdeutsche Begriffe wie “geil” oder “Bock haben” vorkommen.

Der Text, den Simone Meier für die “Basler Zeitung” geschrieben hat, ist anders. Er stellt die mediale Figur Helene Hegemann in Frage, haut auf den anderen Feuilletonisten rum und knallt mit voller Wucht ein paar Formulierungen raus, die man so gerne mal in Büchern lesen würde:

Das Selbstbewusstsein und der Mut zum Leiden sind gleichermassen ungeheuer, man hat die Hormone im Kopf und den Wahnsinn im Herzen. Und man kann eine Pose so lange und so betörend reproduzieren, bis es zu viel wird und man sie automatisch wieder erbricht. Selbstfindung in der Pubertät ist gewissermassen eine anhaltende Bulimie halb garer Haltungen und Gefühle.

Frau Meier steigert sich fast in einen grundsympathischen Welthass Bernhard’scher Prägung, wenn sie in einem Absatz mal eben den halben deutschen Kulturbetrieb, ach: die halbe deutsche Gesellschaft umreißt:

Es scheint, als habe Helene Hegemann mit all ihren wie rasend hergestellten, ausgekotzten kleinen Werken wirklich einen wahren Kern gefunden. So etwas wie den hässlichen Bodensatz der Berliner Bohème, mit dem sich die Kinder der Generation Selbstverwirklichung herumschlagen müssen. Es ist ein Bodensatz, in dem sich alle gleichen, weil Kindheit längst nicht mehr den Kindern gehört, sondern zum Fetisch der Erwachsenen geworden ist. Das Erstaunlichste an “Axolotl” ist nämlich dies: dass hier ein Teenager schreibt, als wäre er einer jener auf dem Dancefloor hängen gebliebenen Mittdreissiger oder Anfangsvierziger. Dass er zwei Generationen kurzschliesst: diejenige des frühreifen Wunderkinds und jene der Restposten aus der spätkindlichen Infantilgesellschaft.

Dass Frau Meier es schafft, einen Text, der derart offen auf seine Subjekte einschlägt, versöhnlich enden zu lassen, spricht für die beiden.

Aber lesen Sie selbst:

“Die Schönheit des kaputten Kindes” von Simone Meier

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Digital Gesellschaft

What Difference Does It Make?

Ich zeig Euch Individualität!

Als ich 16 Jahre alt war, stand ich vor einem moralischen Dilemma: WDR 2 hatte angekündigt, ein Konzert meiner Lieblingsband Ben Folds Five auszustrahlen. Einerseits freute ich mich darüber, die Band mal “live” zu hören, ((Ja, liebe Kinder, damals hatten wir noch kein YouTube und Live-Mitschnitte von Konzerten waren seltene Sammlerstücke.)) andererseits dachte ich, damit sei die Band endgültig im Mainstream angekommen. ((Ich saß damals der selben Fehlinterpretation des Begriffs “Mainstream” auf, die heute im Bezug auf die Verbreitung von twitter die Runde macht.)) Ich las “Soloalbum” und “Tristesse Royale”, die voller Arroganz und Distiktionswut waren, und freute mich, als der deutsche “Rolling Stone” die “Drawn From Memory” von Embrace schlecht bewertete, weil ich dachte, dann würden weniger Leute diese CD hören. Das alles ist lange her und mein damaliges Verhalten bezeichnet man analog zur damaligen Lebensphase als pubertär.

Heute freue ich mich, wenn Bands, die ich schätze, in die Charts einsteigen, weil das die Chance erhöht, dass die Musiker von ihrer Musik auch leben können. Natürlich ist es schade, Bands wie Coldplay oder die Killers nicht mehr in kleinen Clubs sehen zu können, ((Als ob ich das je hätte.)) aber es kommen ja fast täglich neue Bands für die Clubs dazu und unter einem kulturellen Aspekt ist es doch allemal besser, wenn die Friseurinnen und Kindergärtnerinnen, die man bei Coldplay-Konzerten argwöhnisch mustert, eben solche Musik hören und nicht Silbermond.

Natürlich gibt es auch heute noch Menschen, die Bands automatisch scheiße finden, wenn sie mehr als 300 Hörer haben, ((Wer sich eine Band durch äußere Umstände verleiden lässt, hat sie meines Erachtens nie wirklich gemocht.)) aber die nennt man dann eben “Indienazis” und sie müssen zur Strafe Texte von Jan Wigger, Diedrich Diederichsen und Plattentests online lesen.

Das alles kam mir in den Sinn, als ich durch Zufall einen Eintrag im Blog von Stefan Winterbauer auf meedia.de las:

Problem: Das iPhone ist gewöhnlich geworden.

Mittlerweile ist das Gerät derart weit verbreitet (selbst unter Studenten!), dass es beim besten Willen nicht mehr als Statussymbol herhalten kann. Manchmal muss man sich geradezu schämen. Zum Beispiel, wenn ein Vertriebs-Ochse in Kurzarm-Hemd und schriller Krawatte im Zug ein iPhone zückt.

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ernst der Text gemeint ist, ((Mein Ironie-Detektor ist gerade zur Jahres-Inspektion.)) glaube aber, dass sich im Zweifelsfall genug Menschen fänden, die Winterbauer auch dann zustimmen würden, wenn er das eigentlich irgendwie augenzwinkernd gemeint hätte.

Jetzt denkt jeder Schlipsträger aus Vertrieb und Mittel-Management, ein bisschen was von Glanz und Sexyness des iPhone abhaben zu können. No way. Das Gegenteil ist der Fall. Dadurch, dass diese Schnauzbartträger, Kurzarmhemden und blonde Damen auf hohen Hocken jetzt alle ein iPhone haben, machen sie den Mythos kaputt.

Winterbauer sitzt da zunächst einmal einem weit verbreiteten Missverständnis auf: Unterwegs zu telefonieren – oder breiter gefasst: zu kommunizieren – hat nichts mit Glamour und Sexyness zu tun, sondern mit Abhängigkeit oder mangelnder Organisation. Wer noch auf dem Nachhauseweg in der S-Bahn mit dienstlichen Problemen behelligt wird, wäre selbst dann noch ein armes Schwein, wenn er mit einem Platinbarren telefonierte, und wer aus dem Zug seine Ankunftszeit mitteilt, war in den meisten Fällen nur zu faul, sich vorher eine Verbindung herauszusuchen und dann rechtzeitig am Bahnhof zu sein. ((Ich weiß, wovon ich spreche.))

Als in der letzten Woche das Mobilfunknetz von T-Mobile zusammenbrach war ich aufrichtig überrascht über die Auswirkungen, die das auf das Leben vieler Menschen zu haben schien. Mein ME 45 mit Prepaid-Karte dient mir in erster Linie als Uhr und Wecker, mit dem ich hin und wieder SMSen schreiben kann. Und als ich feststellte, dass ich nach wie vor über T-Mobile telefonieren konnte, musste ich 20 Minuten überlegen, wen ich eigentlich anrufen könnte, um ihm diese (völlig irrelevante) Sensation mitzuteilen.

Das heißt nicht, dass ich das iPhone an sich schlecht fände — ich bin ja auch von meinem iPod touch ziemlich begeistert. Aber den mag ich, weil es ein gut durchdachtes und funktionierendes technisches Gerät ist, nicht wegen des angebissenen Apfels auf der Rückseite. ((Die Rückseite ist übrigens sowieso ein Desaster. Der Idiot, der auf die Idee gekommen ist, einen Gebrauchsgegenstand zur Hälfte mit einer hochglänzenden Metallic-Oberfläche zu versehen, sollte eigentlich öffentlich ausgepeitscht werden, bis er genauso viele Striemen auf dem Hintern hat wie mein iPod Kratzer.)) Auch mein MacBook nutze ich, weil ich Apples Betriebssystem gelungener finde als Windows, weil der Akku länger hält und auch – das gebe ich gerne zu – weil das Gerät einfach besser aussieht als so ziemliche jeder andere Laptop — aber doch nicht aus Prestigegründen.

Wer glaubt, sich über sein Mobiltelefon profilieren und von anderen abgrenzen zu müssen, hat möglicherweise zu wenig Geld für den Porsche, der von den zu kleinen Genitalien ablenken soll. Es ist mir ein Rätsel, warum ausgerechnet ein Kommunikationswerkzeug Ausdruck von Individualität sein sollte. ((Wobei ein iPhone ja in der Regel sehr individuell ist: Man kann einen Sinnspruch eingravieren lassen und Programme und Musik nach eigenem Wunsch darauf überspielen.)) Wer anders sein will, muss sich schon ein bisschen mehr Mühe geben — zum Beispiel indem er die bei H&M gekauften Motiv-T-Shirts erst mal ein Jahr in den Schrank packt, ehe er sie trägt. Sogar die Punks sahen irgendwann alle gleich aus mit ihren Irokesenschnitten und Sicherheitsnadeln.

Und wer Menschen bewundert, nur weil sie ein teures Spielzeug mit sich führen, ist möglicherweise noch oberflächlicher als der Technik-Besitzer selbst, der einen gerade für Schnauzbart und Kurzarmhemd verachtet.

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Digital

Klickbefehl (17)

Der Amoklauf von Erfurt fand am 26. April 2002 statt, unserem allerletzten Schultag. ((Am anderen Dinslakener Gymnasium waren die Abiturienten an diesem Morgen – wenn ich das richtig im Kopf habe – mit Wasserpistolen durch die Klassenräume gezogen, um ihren letzten Schultag zu feiern.)) Ich habe daher nie erfahren, wie Schulen auf solche Vorfälle reagieren. Während einer unserer Abi-Klausuren wurde zwar 200 Meter weiter eine Weltkriegsbombe entschärft, aber ansonsten waren wir nur Normalität gewöhnt.

Ich bin mir sicher, dass meine Schulzeit anders ausgesehen hätte, wenn das alles nicht nach uns passiert wäre. Wir waren die Nerds, wir haben “Half Life” gespielt, Metal oder Punkrock gehört (auch Pop, aber wen hätte das interessiert) und gerade ich hatte den Ruf, ein bisschen wahnsinnig zu sein. ((Der Ruf war nicht ganz unbegründet.)) Wir waren also komisch — wie alle Teenager. Und wir wären potentiell verdächtig gewesen.

Die Muschelschubserin hat einen sehr lesenswerten Text darüber geschrieben, wie das so war, als Teenager in einer Kleinstadt aufzuwachsen.

Schon damals – in Zeiten ohne Internet, Handys und Ballerspielen – hat niemand gemerkt, was wir wirklich tun, was uns wirklich bedrückt, wie ausgeschlossen wir uns gefühlt haben, wie sehr uns die Gesellschaft ins Gesicht gespuckt hat, dass sie mit uns nicht viel anfangen kann. Wir alle hatten damals einen starken Trieb, der sich manchmal in Aggressivität geäußert hat. Und obwohl wir uns ausgeschlossen fühlten und es gewissermaßen auch waren, wurden die meisten von uns in letzter Konsequenz immer aufgefangen, unterstützt, behütet. Genau deshalb waren wir trotz allem durchschnittliche Jugendliche, nicht auffälliger als andere. Und genau deshalb sind wir heute vermutlich alle ganz normale Menschen.

Einiges davon kenne ich aus eigener Erfahrung, anderes kann ich zumindest gut nachvollziehen. Und ich glaube, das kann jeder, der mal jung und nicht Mitglied der Jungen Union war.

Auch Johnny Haeusler hat sich bei Spreeblick Gedanken darüber gemacht, wie das eigentlich so ist, als Jugendlicher in Deutschland. Wer sich für einen interessiert und wie die Medien reagieren, wenn dann mal wieder was passiert ist:

Wie laut muss man als Jugendlicher eigentlich sein, um gehört zu werden?
Noch lauter als eine Beretta?

Und weil’s grad zum Thema Kinder passt, will ich Ihnen auch noch einen Eintrag aus dem F.A.Z.-Fernsehblog ans Herz legen.

Darin geht es unter anderem um eine Mutter, die das Folgende in eine Fernsehkamera sagte:

Ich versteh die Welt nicht mehr. Meine Tochter war in der zehnten Klasse, die hat das alles live miterlebt. Die sitzt jetzt zuhause, zittert und weint. Sie sind aus dem Fenster gesprungen, sie und ihre Freundin.

Der Frage, warum sie es in diesem Moment für klüger hielt, die Weltöffentlichkeit darüber zu informieren, statt bei ihrer Tochter zu sein, möchte ich mich gerne anschließen.

Auf eine Frage mehr oder weniger kommt’s ja auch nicht mehr an.