Gestern sah ich auf meinem Schreibtisch aus einem Stapel Papier einen Kontoauszug herausragen. “Das ist ja auch nicht gut, wenn der hier so einzeln rumliegt”, dachte ich, stellte fest, dass die Papiere darüber und darunter (Laptop-Rechnung, Steuernummer) auch besser mal abgeheftet werden sollten, und stiefelte mit einem Stapel Zettel und einem Locher zum Regal mit den Aktenordnern.
Diese befanden sich unerreichbar hinter einer Wand aus davor gestapelten Zeitschriften. Als ich mich hinkniete, um die Zeitschriften beiseite zu schieben, sah ich, dass das knallrote Metallschränkchen, auf dem meine Kompaktanlage steht, mit einer Zentimeter dicken Staubschicht bedeckt war. In diesem Moment wusste ich, dass ich für den Rest des Tages gut beschäftigt sein würde.
Ich räumte das Metallschränkchen komplett leer, entstaubte es auch von innen und trennte mich von mehreren freundlichen Süßigkeitengeschenken vergangener Weihnachtsfeste. Ich entsorgte alten Hustensaft, nicht mehr klebende Briefumschläge und schichtete den kompletten Schrank um. Auch darunter sortierte ich alles neu, ehe ich mich meinem Bücher- und Zeitschriftenregal zuwandte.
Zwei Sammelboxen mit wahllosen Einzelausgaben von Deutschlands unnötigstem Musikmagazin wurden in den Papierkorb, der in diesem Fall eine übergroße Papiertüte war, geleert. Dann überlegte ich , ob ich eigentlich noch die ersten zehn Ausgaben der deutschen “Vanity Fair”, die ersten 30 Ausgaben “Galore”, sowie je mehrere Jahrgänge “Visions”, “Musikexpress” und “Rolling Stone” (deutsch) brauchte. Ich entschied mich für den Moment für “Ja”, weil ich zu faul war, noch öfter zum Papiercontainer zu gehen. Außerdem hatten die ja alle Geld gekostet.
Mehrere Keksdosen (ca. Weihnachten 2004 bis 2007) wurden zuerst vollständig entleert (in den Mülleimer) und dann in die Abstellkammer gebracht – für den Fall, dass ich in diesem Dezember Plätzchen backen will. Dann kam die Fensterbank dran, auf der seit gut zwei Jahren Andenken an meinen dreimonatigen USA-Aufenthalt lagerten. Für sie war gerade ein Platz im Metallschrank freigeworden. Anschließend verschwanden im Müll: mehrere Kataloge des Kölner “Music Stores”, mehrere Zeitungen deutschsprachiger Minderheiten in verschiedenen Ländern, über die ich meine B.A.-Arbeit vor anderthalb Jahren dann doch nicht geschrieben hatte, sowie etliche Zeitungsartikel, die ich mir mal ausgerissen, aber doch nie gelesen hatte. Palmwedel darf man ja nicht wegwerfen, soweit ich weiß.
Nach etwa drei Stunden war ich dabei, die vier Jahre alte Standleuchte erstmalig auseinanderzubauen und von Insektenkadavern zu reinigen. Dann wischte ich meinen Schreibtisch, meinen Nachttisch und die Oberseite meiner CD-Regale – nicht, ohne das Staubtuch jeweils zwischendurch gründlich auszuwaschen. Normalerweise putze ich so gründlich nur kurz vor meinem Geburtstag, wenn sich Gäste angekündigt haben.
Und das war ja auch das Bizarre an meiner Reinigungsaktion: es gab keinen Grund dafür. Ich hatte nicht einmal irgendetwas wichtiges zu tun, was eine Prokrastination gerechtfertigt hätte. Es war eben nur dringend nötig gewesen.
Nach viereinhalb Stunden war der Teppichboden, jede Ecke und die Wand hinter dem Heizkörper gründlich abgesaugt. Ich betrachtete stolz mein Werk und war mit mir und der Welt zufrieden. Da fiel mein Blick auf den Kontoauszug, der einsam auf einem ordentlichen Schreibtisch lag.