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Musik

Bernd Begemanns Gewaltphantasien

Ich hatte mich neulich ein wenig über deutschsprachige Gegenwartsmusik empört. Ein paar Wochen später hab ich Kraftklub live gesehen und damit die erste neue Band mit deutschen Texten seit sieben Jahren, die mich gekickt hat. Hopfen und Malz sind also noch nicht ganz verloren.

Bernd Begemann, dessen Musik ich auch eher nur zu Teilen schätze, hat offensichtlich auch ein Problem mit dem, was man dieser Tage so zu hören bekommt:

“Der normale Indierocker hat diese Akustikgitarre, fängt ein Lied in A-Moll an und singt darüber, dass seine Freundin nicht zurückruft, dass er ein bisschen traurig ist, ein bisschen besorgt ist wegen der Welt, weil er so sensibel ist. Meine Güte, diese Typen müsste man alle bei den Ohren packen und auf die Tischkante schlagen.”

Gesagt hat er das in einem Interview mit Radio Dreyeckland und man muss Begemanns leiernden Sprachfluss schon ertragen können, um das 20 Minuten lang auszuhalten. Aber dafür bekommt man ein paar charmante Kollegen-Bashings, Begemanns Unterscheidung zwischen Schlager und Pop, sowie seine etwas eigene Definition des Begriffs “Pop” zu hören, was die zeitliche Investition durchaus rechtfertigt. (Ich wollte erst “mehr rechtfertigt als ein halbes Tim-Bendzko-Album” schreiben, aber diese Aussage wäre ja quasi allgemeingültig.)

Bernd Begemann im Interview

[via taz Popblog]

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Musik

Are we human or are we Freiheit?

Meine Verbundenheit mit der Münchener Freiheit hatte ich ja schon mehrfach thematisiert. Nachdem die Band ca. 15 Jahre völlig von meinem Schirm verschwunden, aber selbstverständlich nie “weg” war, gibt es nun … äh … Nachrichten: Am 1. Oktober erscheint das neue Album, das “Ohne Limit” heißen wird.

Während die Band in den 1980er Jahren ja immer etwas zu Unrecht in die Schlager-Ecke geschoben wurde (eine Erfahrung, die Silbermond oder Philipp Poisel irritierenderweise nicht machen müssen), scheint sie sich jetzt ihrem Schicksal ergeben und die Rolle der alternden Schlagerfuzzies angenommen zu haben. Die TV-Premiere zur neuen Single “Seit der Nacht” war jedenfalls vorletzte Woche im MDR-Fernsehen bei “Musik für Sie”.

Diese Single hat es dann auch gleich in sich, denn sie ist gleichzeitig ein Angriff auf den König des Popschlagers und den guten Geschmack Bands wie The Killers und Scissor Sisters, die meinten, ungestraft im Discofox wildern zu dürfen.

Strecken Sie Ihre Beine durch, drehen Sie ihre PC-Lautsprecher ganz auf und legen Sie eine flotte Sohle aufs Parkett — das Parkett, in dem ich mich kurz verbissen hatte, als ich den Song das erste Mal gehört habe:

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Münchener Freiheit – Seit der nacht – MyVideo

(Bitte beachten Sie auch die “Human”-Keyboardmelodie bei 0:38, falls Sie es so weit geschafft haben.)

Wenn Ihnen danach ist, können Sie auf der Website der Band Ausschnitte aus allen 16 neuen Songs hören. Im Herbst und im kommenden Frühjahr ist die Münchener Freiheit auf großer “30 Jahre”-Jubiläumstour.

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Radio Musik

It’s Only Pop (But I Like It)

Zu den vielen interessanten Erfahrungen, die ich in Oslo gemacht habe, zählt diese hier:

Nachdem ich den ESC-Songs einige Tage ausgesetzt war (die Ohrwürmer aus Dänemark und Norwegen sind immer noch nicht ausgeheilt), fand ich sie gar nicht mehr so schlimm. Mehr noch: Bei vielen Songs, die uns der norwegische Top-40-Radiosender im Frühstücksraum des Hotels jeden Morgen über unsere Frühstücksflocken kippte, kamen Stefan und ich überein, dass das “jetzt auch irgendwie eine Grand-Prix-Nummer sein könnte”. (Das spricht im Wesentlichen eher gegen Top-40-Musik im Allgemeinen als für die Eurovisionsbeiträge, aber nun gut.)

Es ist psychologisch einigermaßen erstaunlich, wie groß der Kontext, in dem wir einen Song kennenlernen, unsere Rezeption beeinflusst. Der britische Beitrag (Stock/Waterman) ist zwar ganz große Grütze und völlig zu recht letzter geworden, er unterscheidet sich in der Qualität des Songwritings aber nicht von ganz vielem, was man täglich so im Radio hört. Nur die Hemmschwelle der Musikredaktionen, eine Single auf Rotation zu nehmen, auf deren Hülle “bekannt vom Eurovision Song Contest” steht, ist offenbar immer noch hoch. (Andererseits haben es dieses Jahr immerhin die Beiträge aus Belgien und Frankreich ins Radio geschafft, der aserbaidschanische Song – und die Nachfolgesingle von Safura! – lief sogar im Musikfernsehen. Lena lief ja eh überall.)

Obwohl viele der ESC-Songs von den gleichen Autoren und/oder Produzenten stammen wie vieles von der Pop-Fließbandware, die die Plattenfirmen wöchentlich mit Schubkarren in die Funkhäuser karren, beurteilt der Hörer sie als minderwertiger, wenn er sie am Abend des Finales zum ersten Mal hört. Dabei hat man ja auch Ke$ha, Scouting For Girls oder Luxuslärm irgendwann zum ersten Mal gehört und findet sie, wenn man sie erst einmal wiedererkennt, vielleicht nicht mehr so scheiße. (Gut, Luxuslärm sind da ein schlechtes Beispiel, aber Sie verstehen, was ich meine.)

Nun bin ich inzwischen vielleicht ein bisschen manisch geworden, was den Grand Prix angeht, aber ich muss ja immerhin auch noch einen Song für den Wettbewerb schreiben. Insofern beschäftige ich mich seit drei Monaten etwas intensiver mit leicht verdaulichen Popnummern — und bin dabei kürzlich über ein Lied gestolpert (genauer: WDR 2 hat mehrfach damit auf mich eingeschlagen), das eine hundertprozentige moderne Grand-Prix-Nummer ist:

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Demi Lovato Feat. Stanfour — Wouldn't Change A Th… – MyVideo

Das sind Stanfour (von der Nordseeinsel Föhr, Sie erinnern sich) und Demi Lovato (die Sie aus “Camp Rock” kennen). Der Song stammt aus dem Soundtrack zu “Camp Rock 2”, diese spezielle Version wurde extra für den deutschen Markt aufgenommen zusammengemischt. Im Film singt Joe Jonas von den Jonas Brothers und so langsam glaube ich wirklich, dass die Disney-Channel-Filme das amerikanische Äquivalent zum ESC sind.

Jedenfalls: Ist das nicht der Wahnsinn, wie die beiden da gleichzeitig völlig unterschiedliche Texte singen, die nur so mittelgut ineinandergreifen? Das spart natürlich Zeit, auch wenn die magische Drei-Minuten-Marke für Grand-Prix-Songs immer noch überschritten wird.

Aber dann diese Middle 8, auf die sofort die Rückung folgt! Das ist Songwriting vom Reißbrett, angelehnt an die bewährten Akkordfolgen von 3 Doors Down und Nickelback. Die ungestüme Instrumentierung mit Schlagzeug und E-Gitarren, die Dynamik simulieren soll (heißt ja nicht umsonst “Camp Rock“), bei der aber auch der Oma nicht die Kaffeetasse aus der Hand fällt. Also im Prinzip Bryan Adams konsequent zu Ende gedacht.

Natürlich ganz große Grütze, der Song — aber ich fürchte, ich habe ihn jetzt ein bisschen zu oft gehört, um das noch zu erkennen.

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Musik Rundfunk

Die Definition von Pop

Erinnern Sie sich noch an den schrecklichen dänischen Beitrag beim Eurovision Song Contest in Oslo?

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Herr Niggemeier und ich haben – während wir versuchten, uns diesen Ohrwurm gegenseitig aus dem Kopf zu prügeln – lange darüber nachgedacht, woran uns dieser Song alles erinnert. “Every Breath You Take” (oder, für die Jüngeren: “I’ll Be Missing You”) war natürlich dabei, mit ein bisschen fremder Hilfe kamen wir auch auf “The Best” von Tina Turner und einen Hauch von “Dancing Queen” kann man im Refrain auch erkennen.

Das alles ist aber harmlos gegen Lady Gaga, die das Prinzip Pop ausfüllt wie niemand sonst dieser Tage. Ihre aktuelle Single “Alejandro” verfügt nicht nur über ein beeindruckend irres Video, sie klingt auch wie hundert bereits bekannte Songs gleichzeitig:

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Lady Gaga — Alejandro – MyVideo

Maura Johnston und Jay Smooth haben sich bei NPR ausgiebig Gedanken darüber gemacht und erklären in dreieinhalb Minuten mal eben, wie Popmusik funktioniert.

Lady Gaga Vs. Ace Of Base bei npr.org

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Musik

Silence always wins

Es gibt Bands und Musiker, die begleiten einen ein Leben lang, ohne dass man es merkt. Als Patricia Kaas beim Grand Prix für Frankreich sang, überkam mich ein wohliger Erinnerungsschauer, der mich an viele Geburtstagsfeiern meiner Eltern denken ließ und an die unzähligen namenlosen Hits der Star-Chanteuse, die solche Veranstaltungen beschallt haben, als ich noch ein Kind war.

Bei a-ha kam diese Erkenntnis vor neun Jahren, als sich das norwegische Trio aus der Kreativpause zurückmeldete und mit “Minor Earth Major Sky” mal eben eines der besten Pop-Alben des Jahrzehnts veröffentlichte. Beim Konzert in der Arena Oberhausen (bei dem ein Freund und ich die einzigen Männer unter 30 waren und zur Strafe Reamonn als Vorgruppe ertragen mussten) dämmerte mir dann, wie viele a-ha-Lieder schon immer Teil meines Lebens gewesen waren. Allen voran natürlich “Take On Me”, diese unfassbar eingängige Achtziger-Hymne mit dem besten Musikvideo aller Zeiten, bei deren “Singstar”-Interpretation ich ungeschlagen bin.

Dreieinhalb Jahre ist das letzte a-ha-Album “Analogue” alt, das bei etwas kredibileren Künstlern als “beeindruckend dichtes Alterswerk” durchgegangen wäre, bei den ewigen Posterboys aber weitestgehend ignoriert wurde. Zeit für etwas Neues, zum Beispiel die Single “Foot Of The Mountain”, die letzte Woche beim Finale von “Germany’s Next Topmodel” in einer spektakulären Bühne der Weltöffentlichkeit präsentiert wurde:

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[Direktlink]

(Diese komischen Kisten scheinen übrigens sehr Frisurfeindlich gewesen zu sein.)

Man muss den Song vielleicht ein paar Mal hören, bevor er sich einem erschließt. Aber wenn man sich einmal an die stellenweise unkonventionelle Gesangsmelodie gewöhnt, wenn man die “Disarm”-Glocken im Refrain entdeckt und mal auf den zwischen Zynismus und Pathos schwankenden Refrain geachtet hat, dann will man den “Repeat”-Schalter gar nicht mehr zurückstellen. (Sie ahnen: Im Moment ist es etwas anstrengend, mit mir zusammenzuwohnen.)

Das Album, das auch “Foot Of The Mountain” heißen wird, erscheint in Deutschland am 19. Juni.

PS: Sehen Sie sich bitte auch unbedingt diese außergewöhnliche Liveversion von “Take On Me” an!

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Musik

Photographic

Pitchfork hat sich über die Standaufnahmen schon gewundert, die “Not in a million lovers, das neue Video der Beangrowers, so bewegt machen. Noch bewegender ist aber wieder die Stimme von Alison Galea, der möglicherweise niedlichsten anderthalb Meter von Malta, die diesen Song des demnächst erscheinenden Beangrowers-Albums mit dem gleichen Titel gewohnt veredelt.

Und jetzt alle: hach!!!1

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Musik

Listenpanik (4): Knietief im Pop

Dank der zu Anfang etwas kruden Abrechnungszeiträume war Teil 3 unserer Serie für den Mai gedacht, dieser (vierte) befasst sich also mit den Alben und Singles des Monats Juni. Wie immer streng subjektiv und ohne den Hauch eines Anspruchs auf Vollständigkeit – und diesmal besonders poppig:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. Crowded House – Time On Earth
Crowded House war trotz der großen Hits (“Weather With You”, “Don’t Dream It’s Over”, “Four Seasons In One Day”, …) die Band, die kaum jemand kannte. Das änderte sich auch nicht groß, als sich die Band 1996 auflöste und ihr Kopf Neil Finn alleine und mit seinem Bruder Tim schöne bis großartige Pop-Alben veröffentlichte. Jetzt hat sich die Band in Beinahe-Originalbesetzung (Schlagzeuger Paul Hester beging 2005 Selbstmord) wieder zusammengetan und ihr fünftes reguläres Album veröffentlicht. Und man muss sagen: Wenn es je eine Band verdient hat, das musikalische Erbe der Beatles anzutreten, dann Crowded House. Die wunderschönen, oft melancholischen Melodien purzeln nur so aus den Boxen und Songs wie die Single “Don’t Stop Now” hätten es verdient, mindestens so berühmt zu werden wie “Weather With You”.

2. Jupiter Jones – Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich
Zweieinhalb Jahre nach ihrem Debüt sind Jupiter Jones zurück und machen beinahe da weiter, wo sie aufgehört haben. Zu den grandiosen Texten über Liebe und Einsamkeit, Aufbruch und Aufgeben hat sich die Band musikalisch weiterentwickelt und beeindruckt jetzt mit Bläsern, Streichern und natürlich auch weiterhin mit jede Menge Feuer unterm Arsch. Nenn’ es Punkrock, nenn’ es Deutschrock oder Emo – das ist eigentlich egal, denn es ist und bleibt gut: Musik mit kathartischer Wirkung.

3. Mark Ronson – Version
Mark Ronson ist DJ und Produzent (Lily Allen, Robbie Williams, …) und das, was er auf seinem zweiten Soloalbum betreibt, ist das, was ein DJ und Produzent eben so macht: Songs ineinander übergehen lassen und überraschende Klänge hervorzaubern. Neun Coverversionen gibt es, zwei Remixe und drei Instrumentaltracks und die Gaststars geben sich die Klinke in die Hand: Die charmante Lily Allen gewinnt “Oh My God” von den Kaiser Chiefs ein weibliche Londoner Komponente ab, Daniel Merriweather schmachtet sich durch “Stop Me” von The Smiths, Phantom-Planet-Sänger Alex Greenwald bezwingt (wie schon auf diesem Tribute-Sampler) Radioheads “Just” und Robbie Williams darf bei “The Only One I Know” von den Charlatans zeigen, dass er immer noch singen kann. Dazu gibt’s fette Beats und satte Bläser und schon hat man etwas ganz seltenes: ein Album, dass man auf einer Party durchlaufen lassen kann.

4. Ryan Adams – Easy Tiger
Fast anderthalb Jahre lagen zwischen der Veröffentlichung von “29” und “Easy Tiger” – Ryan Adams hatte doch nicht etwa eine Schreibblockade? Iwo: Der leicht verpeilte Alt.-Country-Rocker hat nur Anlauf genommen und will dieses Jahr noch ein Boxset mit Outtakes und Raritäten veröffentlichen. Vorher gibt es aber “Easy Tiger”, das so ziemlich alle Qualitäten des früheren Whiskeytown-Sängers vereint: Rock’n’Roll-, Folk-, Country- und Popsongs stehen nebeneinander wie Geschwister, die sich nicht so hundertprozentig ähnlich sehen, aber doch den gleichen Papa haben. Es ist Adams’ abwechslungsreichstes Album seit dem phantastischen “Gold” und vielleicht auch sein bestes seitdem. Das merkt man u.a. daran, dass bei “Two” noch nicht mal Sheryl Crow stört.

5. Ghosts – The World Is Outside
Jedes Jahr kommen junge britische Bands zu uns, die die Nachfolge von a-ha oder wenigstens der New Radicals antreten wollen. Bei manchen (Keane) klappt das, andere laufen zwar im Radio, schaffen den Durchbruch dann aber doch nicht (Orson, The Feeling, Thirteen Senses. …). Wozu Ghosts gehören werden, ist noch nicht abzusehen. Man kann aber schon sagen, dass sie schicke Popmusik machen, die uns durch den Sommer begleiten soll – egal, wie das Wetter noch wird. Das klappt vielleicht nich über die volle Albumdistanz und ist auch alles andere als neu, aber eben doch sehr nett gemacht. Wer jetzt sagt: “Na, das ist aber kein besonders überzeugendes Plädoyer”, dem sage ich: “Kann schon sein. Aber hören Sie sich das einfach mal an, es könnte Ihnen gefallen.”

Singles (inkl. iTunes-Links)
1. Beatsteaks – Cut Off The Top
Das dazugehörige Album hatte ich hier schon sträflich vernachlässigt, die Single muss aber rein. Die Beatsteaks machen mal wieder alles richtig und hauen einen schwer zu kategorisierenden Song (und ein tolles Video) raus. “Damage! Damage!”

2. Smashing Pumpkins – Tarantula
Dafür bringt man als 16-Jähriger all sein Taschengeld zum Tickethändler und geht auf ein Konzert der “Abschiedstournee”, damit sich die Band sieben Jahre später reformiert. Oder: Damit sich Billy Corgan ein paar neue Banddarsteller auf die Bühne stellt und Paris Hilton aufs Single-Cover klatscht. Der Song ist aber schon recht beachtlich, der einzige andere Ur-Pumpkin Jimmy Chamberlin knüppelt sich durch mindestens vier verschiedene Rhythmen und ich muss gleich dringend los und mir das Album kaufen. Bleibt nur die Frage: Was ist mit dem “The” im Bandnamen passiert?

3. Mika – Relax (Take It Easy)
Mika habe ich ja schon einige Male gefeiert (z.B. hier sein Album), “Relax” kann man ruhig aber noch mal extra erwähnen. Für alle, die keine Cutting-Crew-Samples und keine Kopfstimmen mögen, ist der Song natürlich eine Zumutung, für mich eine charmant durchgeknallte Disco-Nummer, die auch durch die Verwendung im Werbefernsehen keinen großen Schaden nimmt.

4. Ghosts – Stay The Night
Schon wieder Ghosts. Ja, das ist halt eingängiger Radiopop und “Stay The Night” das, was man wohl als “Gute-Laune-Musik” bezeichnen würde, wenn das nicht ein absolut widerlicher, bescheuerter Begriff wäre. Mal darüber nachgedacht, dass diese Singles-Liste immer so poplastig sein könnte, weil so wenig Mathcore- oder Experimental-Bands Singles veröffentlichen? Ist mir auch gerade erst aufgefallen.

5. Take That – Reach Out
Jawoll, ich bin endgültig wahnsinnig geworden und packe Take That auf meine Liste. Aber wieso eigentlich wahnsinnig? Das ist doch wohl einfach ein schöner Popsong, sauber geschrieben und gut gesungen. Und um mich gleich richtig lächerlich zu machen: Bin ich der einzige, den die Strophen an “Die Tiere sind unruhig” von Kante erinnern?

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Musik

Listenpanik (2): Hier kommt Rock’n’Roll

Die letzte Bestandsaufnahme ist schon wieder fast zwei Monate her und so richtig sinnvoll will mir dieses unstrukturierte Vorgehen nicht erscheinen. Deswegen gibt es hier ab demnächst immer am Monatsende eine Liste der wichtigsten Platten und Singles. Jetzt aber erst mal die für Ende Februar bis Mitte April – natürlich wie immer streng subjektiv und garantiert unter versehentlichem Vergessen von hundert anderen Sachen, die auch toll sind.

Alben
1. Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chronicles Of A Bohemian Teenager
Passender kann ein Albumtitel kaum sein: Ganz großes Gefühlskino mitten aus dem Leben, das von verspieltem Geplucker vor dem Sturz in den Emo-Strudel bewahrt wird. Sam Duckworth ist gerade mal 20 und damit ein mehr als würdiger Erbe für Connor Oberst, dessen Bright Eyes das Tal der Tränen langsam zu verlassen wollen scheinen.

2. Mika – Life In Cartoon Motion
Passender kann ein Albumtitel kaum sein: Höchst vergnüglicher Bubblegum-Pop, der immer kurz davor steht, ins Alberne abzuschweifen, sich aber immer wieder rettet. Dass der 23jährige Sänger (als Kind mit seiner Mutter aus dem Libanon geflohen, der Vater sieben Monate im Irak verschwunden, hat früher Telefonwarteschleifen besungen) bisher schon ein für heutige Verhältnisse erschreckend bewegtes Leben geführt hat, macht ihn auch als Interviewpartner interessant.

3. Flowerpornoes – Wie oft musst du vor die Wand laufen, bis der Himmel sich auftut?
Passender … Nee, anders: Es mag Zufall sein, dass Tom Liwa seine Band in dem Jahr reaktivierte, in dem mit Blumfeld eine andere große deutschsprachige Indieband der ersten Stunde die Bühne verlässt. Strapazierte Liwa auf seinen letzten Soloplatten die Nerven seiner bodenständigeren Fans mitunter erheblich mit esoterischen Themen, steht er plötzlich wieder mitten im Leben. Die E-Gitarren bollern und er singt Geschichten von Zahnarzttöchtern, Apfelkernen und Rock’n’Roll. Und der ist bekanntlich größer als wir alle.

4. Maxïmo Park – Our Earthly Pleasures
Die neben Bloc Party vermutlich spannendste Band der British Class of 2005 legt ebenfalls nach. Wie es sich für einen guten Zweitling gehört, wirkt die Band gefestigter und scheint ihren Weg gefunden zu haben. Musikalisch großer Indiepop mit vollem Instrumentarium, textlich oft genug ganz tief drin in den menschlichen Abgründen.

5. Just Jack – Overtones
Hip Hop? Funk? Pop? Na ja, in irgendeine Schublade wird man das Album schon stopfen können. Besser aufgehoben ist es aber im Discman, während man auf der Wiese in der Sonne liegt. So laid back und sommerlich kann Musik klingen, ohne gleich süßlich duften zu müssen.

Singles
1. Manic Street Preachers – Your Love Alone Is Not Enough
Okay, okay: noch ist die Single nicht erschienen. Aber wenn die Manic Street Preachers durch die Soloausflüge von James Dean Bradfield und Nicky Wire zu alter Stärke zurückfinden und dann noch ein Duett mit Nina Persson von den Cardigans, der Frau in die jeder ordentliche Indiehörer und -musiker mindestens einmal verliebt war, veröffentlichen, ist das Releasedate ja wohl egal. Wenn Bradfield und Persson durch diese nach Petticoat und Tanztee klingende Nummer schunkeln und nebenbei noch ein paar Selbstzitate verbraten (“You stole the sun” – “Straight from my heart, from my heart, from my heart”), ist das eben ganz und gar großartig.

2. Travis – Closer
Auch noch nicht erschienen, aber ebenfalls bereits zu hören ist die Comeback-Single von Travis. “Closer” ist ein echter grower, der beim ersten Hören langweilig erscheint, und den man nach fünf Durchgängen schon ewig zu kennen glaubt. “Gänsehaut-Zeitlupen-Stadion-Pophymne” nennt das die Presseinfo und hat damit sogar irgendwie recht. Die Band tänzelt durchs Video und man würde es ihr gerne gleichtun. Das macht – zusammen mit den anderen Hörproben, die es bereits gab – ganz große Lust auf das neue Album.

3. Just Jack – Starz In Their Eyes
Night fever, night fever! In der sog. gerechten Welt wäre das der Tanzbodenfüller der Saison. So ist es eben nur der Funksong, mit dem man sich bis zum Erscheinen des nächsten Phoenix-Albums die Beine vertreten kann. Oder was man sonst mit Beinen so macht, wenn Musik läuft.

4. Kilians – Fight The Start
Ja ja, die klingen total wie die Strokes. Nur, dass ich mich nicht erinnern könnte, dass die Strokes je A Tribe Called Quest zitiert hätten. Außerdem können Menschen, die sich für besonders schöne Bassläufe interessieren, hier noch richtig was lernen. Und alle anderen auch. Gerechte Welt: Riesenhit. Kann man sogar nachhelfen.

5. The View – Wasted Little DJ’s
Bevor alle Welt New Rave feiert – was auch immer das genau sein soll – gibt es hier noch mal Indierock. Der Song dengelt zwischen Libertines und Beach Boys dahin und sollte dieses Jahr auf keinem Mixtape fehlen.

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Musik Digital

Null-Blog-Generation

Wenn ich zu Spiegel Online gehe, erwarte ich natürlich nicht primär kompetente Betrachtungen zum Thema Musik. Dass die dortigen Plattenkritiken unter anderem von Jan Wigger geschrieben werden, sorgt aber immerhin für ein bisschen Indie Credibility und ein paar kurzweilige Rezensionen.

Nun hat man Ende letzen Jahres bei SpOn festgestellt, dass es ja seit ein paar Jahren das sog. Internet und somit auch diese hypermodernen, völlig flippigen “Blogs” gibt, von denen sich nicht wenige mit Musikern befassen, die noch nicht so bekannt sind. Auf der Suche nach hippem und preisgünstigem content muss man also nur noch ein paar einschlägige Blogs durchlesen oder sich auf der ein oder anderen Website herumtreiben und *schwups* hat man ein Bündel Neuentdeckungen unterm Arm, über die noch niemand sonst geschrieben hat man sich auslassen kann.

Und in der Tat: Was Heiko Behr (Redaktionsmitglied beim intro) bisher zusammengetragen hat, reicht von heimischen Geheimtipps (Ich Jetzt Täglich, Gisbert zu Knyphausen, Polarkreis 18) über Soon-To-Be-Superstars (Amy Winehouse und Mika), bis hin zu Künstlern, die zwar schon länger bis lange dabei sind, aber zumindest in Deutschland noch auf den großen Durchbruch warte(te)n (Joseph Arthur, The Shins). Drumherum finden sich noch jede Menge andere Künstler und Bands, die ein mehr oder weniger genaues Hinhören Wert sind.

Nur: Wenn man bei SpOn die Kategorie “Top of the Blogs” nennt und Zeilen wie

gleich mehrere Blogs beginnen ihre Lobeshymnen über das Quintett mit identischen Zeilen

einfließen lässt, wenn man in jedem zweiten Satz die Vorzüge der weltweiten Verknüpfung von Inhalten untereinander anpreist, warum in Dreiteufelsnamen ist dann KEIN EINZIGES Blog verlinkt? Nirgendwo.

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Musik

Die Jugend von morgen

Morgen erscheinen zwei Alben, die – auch wenn sie auf den ersten Blick sehr verschieden sind – ein paar Gemeinsamkeiten aufweisen: beide stammen aus der Feder von jungen Männern und beide gefallen mir außerordentlich gut.

Get Cape. Wear Cape. Fly – The Chronicles Of A Bohemian Teenager
Lass uns Schubladen verbrennen mit Sam Duckworth. Der schnappt sich seine Akustikgitarre und singt Melodien, die einen zunächst einmal an so richtig emo-mäßige Songs denken lassen. Aber noch bevor man “Dashboard Confessional lässt grüßen” in seinen Unterarm ritzen kann, scheppern da verspielte Beats los und winken in Richtung The Postal Service und Electric President. Anders als die bisher genamedropten Künstler kommt Duckworth aus England und ist gerade 20 Jahre alt. Man müsste sich arg am Metaphernriemen reißen, um die Lieder nicht als Perlen zu bezeichnen und das Album zu hören klingt wie als Kind in die Sommerferien zu fahren. Und ehe meine Hilflosigkeit, das Unglaubliche in Worte zu fassen, noch weiter um sich greift, empfehle ich die Anschaffung des Werkes. Zur Not nach vorherigem Reinhören!

Mika – Life In Cartoon Motion
Die fantastische Single “Grace Kelly”, die einem auch beim hundertsten Hören noch nicht völlig auf die Ketten geht, hatte ich ja schon vor ein paar Wochen gelobt. Jetzt kommt das Album (natürlich mit abgerundeten Ecken) und da zeigt uns der 23jährige Mika, der in seinem Leben schon mehr erlebt hat als so mancher mit 75, wie Pop heute geht. Was sage ich dazu? Seit “Maybe You’ve Been Brainwashed Too” von den New Radicals, nach deren Gregg Alexander Mika immer wieder klingt, hab ich keine so charmant-bunte Pop-Platte mehr gehört. Wenn das Album nach zehn Songs vorbeige wäre, wäre es ein echtes Meisterwerk. Mit zwölf Nummern ist es nur eine großartige Scheibe für Freunde des etwas bubblegumigen Indiepops. Bitte ebenfalls kaufen und hören!