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Sehweg nach Indien entdeckt

Vor einem Jahr hat­te ich Ihnen von Poly­a­na Fel­bel vor­ge­schwärmt, einem Boy/​Girl Duo aus Köln. Die Band macht zur Zeit Baby­pau­se (das Girl ist Mut­ter gewor­den), aber man kann jetzt auch Musik von Poly­a­na Fel­bel kau­fen.

Streng genom­men kann man das seit elf Mona­ten, als die sehr schö­ne Debüt-EP erschien, aber die neu­es­te Ver­öf­fent­li­chung ist schon etwas beson­de­res: Auf dem Sam­pler der Erst-Inter­net-dann-auch-TV-Sen­dung „TV Noir“ ist neben exklu­si­ven Mit­schnit­ten von Wil­liam Fitzs­im­mons, Hea­ther Nova und Klee auch der Song „India“ von Poly­a­na Fel­bel ent­hal­ten. Und die­se CD kön­nen Sie bei Ama­zon, iTu­nes oder im loka­len Plat­ten­la­den erwer­ben.

Die gan­ze Sen­dung mit Poly­a­na Fel­bel (und Annett Loui­san) kön­nen Sie auch heu­te Nacht noch ein­mal auf 3sat sehen, zu Beginn einer mit­tel­gro­ßen „TV Noir“-Nacht um 3.20 Uhr.

Alter­na­tiv gibt es die Sen­dung, von der ich immer noch nicht weiß, ob ich sie wegen ihrer Schwar­z/­Weiß-Ästhe­tik schön oder prä­ten­ti­ös fin­den soll, aber auch in die­sem Inter­net.

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Und dann kam Polli

Vor vie­len Jah­ren schrieb ich in einer der Rezen­sio­nen, die ich damals in Fließ­band­ar­beit für ein Online-Musik­ma­ga­zin anfer­tig­te, über das völ­lig okaye Debüt­al­bum von Jona Stein­bach den fol­gen­den, weder klu­gen noch schö­nen Satz:

Viel­leicht schafft man es irgend­wann, eine CD mal nicht als Mani­fest einer geschei­ter­ten Gene­ra­ti­on, son­dern ein­fach nur als Ton­trä­ger zu begrei­fen.

Als ein gutes Jahr spä­ter das Zweit­werk des Köl­ners erschien, stand auf der dazu­ge­hö­ri­gen Pres­se­info das fol­gen­de, angeb­li­che Zitat:

Das Mani­fest einer geschei­ter­ten Gene­ra­ti­on.

Spä­tes­tens da wuss­te ich: Die­se, auch „Wasch­zet­tel“ genann­ten, Pres­se­infos sind das Schlimms­te, was das Musik­busi­ness zu bie­ten hat. (Und das Musik­busi­ness hat immer­hin Prof. Die­ter Gor­ny zu bie­ten.)

Selbst Sät­ze, die einem unter nor­ma­len Umstän­den nicht wei­ter auf­fal­len wür­den, wir­ken in Pres­se­infos dumm und gestelzt. Und dann gibt es ja noch die gan­ze Kli­schee-Grüt­ze von wegen „in kei­ne Schub­la­de pas­sen“, „rei­fer gewor­den“ und „ihr bis­her bes­tes Album“. Wenn man Glück hat (ja, wirk­lich: Glück) steht da wenigs­tens noch eine Lat­te von Künst­lern, die angeb­lich so ähn­lich klin­gen, und man kann schon vor dem Hören abschät­zen, ob man sich das jetzt wirk­lich antun will.

Wenn ich selbst Pres­se­tex­te ver­fas­sen soll­te (zum Bei­spiel, damit Dins­la­ke­ner Lokal­re­dak­tio­nen aus­führ­li­che Ankün­di­gun­gen von Kon­zer­ten abdru­cken konn­ten, in die sie kei­ne Sekun­de eige­ner Arbeit inves­tie­ren muss­ten), dann ging das nur mit sehr viel Über­win­dung und unter Selbst­hass und Schmer­zen.

Den­noch über­win­de ich mich etwa ein­mal im Jahr und hacke eine Pres­se­info in die Tas­ten – wenn man anschlie­ßend eine hal­be Stun­de heiß duscht, geht’s meis­tens wie­der. Die zu lob­prei­sen­den Künst­ler müs­sen aber a) Freun­de von mir sein und b) Musik machen, die mir wirk­lich, wirk­lich gefällt. Bei­des war im Fall von Poly­a­na Fel­bel gege­ben und so schrieb ich die Pres­se­info, um alle Pres­se­infos zu been­den.

Poly­a­na Fel­bel, das sind Poly­a­na Fel­bel und Taka Cha­nai­wa aus Köln („einer Stadt, die man nicht gera­de mit den Wei­ten des nord­ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nents oder den Wäl­dern Skan­di­na­vi­ens ver­bin­det“, wie es in der Pres­se­info fak­tisch eini­ger­ma­ßen kor­rekt heißt) und ges­tern haben sie dort ihr ers­tes offi­zi­el­les Kon­zert gespielt. Rund 50 Men­schen hat­ten sich im Thea­ter der „Wohn­ge­mein­schaft“ (ein etwas bemüht im urba­nen Retro-Chic gehal­te­nes Etwas mit Knei­pe, Hos­tel und Büh­ne) ver­sam­melt und den Raum damit auf mucke­li­ge 30° Cel­si­us auf­ge­heizt. Eini­ge kamen gar ver­klei­det, was sich aller­dings mit der Rhein­län­dern offen­bar inne­woh­nen­den, ansons­ten aber völ­lig unver­ständ­li­chen Affi­ni­tät zu Schnaps­zahl-Daten erklä­ren lässt.

Das Vor­pro­gramm bestritt ein auf­stre­ben­der Singer/​Songwriter und Zoll­be­am­ten-Bespa­ßer aus Bochum, dann ging es rich­tig los: Pol­li und Taka eröff­ne­ten mit einem Cover von Cold­plays „Green Eyes“ und es dau­er­te unge­fähr zehn Sekun­den, bis sich Gän­se­haut und Sprach­lo­sig­keit Raum bra­chen. Mit jedem wei­te­ren Stück – neben eini­gen Eige­nen auch Neu­in­ter­pre­ta­tio­nen von „The Blower’s Daugh­ter“ (Dami­en Rice), „Use Some­bo­dy“ (Kings Of Leon) und „Kids“ (MGMT) – wuchs die Begeis­te­rung und am Ende des Abends war ein Jeder, ob Männ­lein oder Weib­lein, ein biss­chen in Pol­li ver­liebt.

Das ist aber auch tol­le Musik, die­ser Folk, den die bei­den da machen: Einer­seits fili­gran wie ein letz­tes, ver­trock­ne­tes Blatt im Herbst­wind, ande­rer­seits mit einer unge­heu­ren Kraft und Stimm­ge­walt vor­ge­tra­gen. Ver­glei­che mit Kath­le­en Edwards, Lori McKen­na oder Hem klop­fen an und müs­sen nicht gescheut wer­den (um eine in der Pres­se­info unbe­nutz­te Phra­se doch noch zu ver­bra­ten). Es ist ein­fach toll zu sehen, wie zwei jun­ge Men­schen mit Spaß und Ernst­haf­tig­keit Musik machen und damit einen voll gepack­ten Raum zum Schwei­gen und Schwel­gen brin­gen.

Für die nun dräu­en­den dunk­len Aben­de sei­en Ihnen Poly­a­na Fel­bel daher schwers­tens ans Herz gelegt. Hör­pro­ben gibt es auf einer obsku­ren klei­nen Inter­net­sei­te namens MySpace und hier: