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Songs 1/​25

Die­ses klei­ne Pop­kul­tur-Blog wird in zehn Tagen voll­jäh­rig (wait for it!) und weil wir so ein krea­ti­ver Laden sind und weil wir fin­den, dass es in die­sen Zei­ten drin­gend not­wen­dig ist, schö­ne Din­ge her­vor­zu­he­ben, haben wir uns ein neu­es For­mat aus­ge­dacht: 5 Songs, die Ihr im Janu­ar gehört haben soll­tet!

Natür­lich gibt es auch wei­ter­hin unser belieb­tes CTV-Mix­tape mit den 5 Songs aus dem Video und vie­len wei­te­ren. Die­ses Mal u.a. dabei: Neue Songs von Thurs­day, Hea­ther Nova und Tra­vis, ein Radio­head-Cover von Blos­soms und Klas­sik vom süd­afri­ka­ni­schen Cel­lis­ten Abel Sel­a­coe. Phi­li­ne Son­ny ist natür­lich genau­so ver­tre­ten wie das Grand Hotel van Cleef — dies­mal mit Amos The Kid.

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Acts des Jahres 2024

10. Pet Shop Boys
31 Jah­re, nach­dem sie mit „Go West“ in mein Leben getre­ten waren (und damit lan­ge, bevor ich um Begrif­fe wie „que­er“ wuss­te), haben die Pet Shop Boys ihr 15. Stu­dio­al­bum ver­öf­fent­licht. „None­thel­ess“ (Par­lo­pho­ne; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal, You­Tube Music, Band­camp) heißt es – „Nichts­des­to­trotz“, was für ein schö­nes Wort! – und es zählt im Gesamt­werk zu den eher melan­cho­li­schen Alben. Ansons­ten machen Neil Ten­n­ant und Chris Lowe ein­fach wei­ter genau ihr Ding: Es geht um Lie­be und Nacht­le­ben, aber eben­so selbst­ver­ständ­lich um die ZDF-Hit­pa­ra­de und einen von Donald Trumps Body­guards. Natür­lich. Immer wie­der erkennt man Ver­satz­stü­cke aus älte­ren Songs, aber das ist ja Teil des Gesamt­kunst­werks, wie wir spä­tes­tens seit „DJ Cul­tu­re“ (dem PSB-Song von 1991, nicht dem Buch von Ulf Pos­ch­ardt) wis­sen. Per­sön­li­cher Höhe­punkt: Ich durf­te für die „Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Sonn­tags­zei­tung“ über das Album schrei­ben, jenes Blatt, in dem ich noch als Schü­ler über die Band gele­sen hat­te.

9. Vanes­sa Peters
Bevor Mark Zucker­berg beschloss, Insta­gram zur wei­te­ren Zer­set­zung der Demo­kra­tie zu nut­zen, konn­te man dort tat­säch­lich Musik ent­de­cken: Acts haben klei­ne Clips aus ihren Musik­vi­de­os als Wer­bung geschal­tet und die glei­chen Algo­rith­men, die mich jetzt von den Vor­zü­gen des Faschis­mus über­zeu­gen sol­len (Ver­giss es, Pudel!), haben mir dann über­ra­schend prä­zi­se Songs vor­ge­spielt, die mich sofort über­zeugt haben. So bin ich jeden­falls 2021 auf die Ame­ri­ka­ne­rin Vanes­sa Peters und ihr Album „Modern Age“ auf­merk­sam gewor­den und seit­dem ver­fol­ge ich ihr Schaf­fen. Damals hat­te ich geschrie­ben: „Als hät­ten Aimee Mann, Suzan­ne Vega und Kath­le­en Edwards eine Super­group gegrün­det.“ Das gilt immer noch und ich mei­ne es als eines der höchs­ten Kom­pli­men­te, denn auch „Fly­ing On Instru­ments“ (Idol Records; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal, You­Tube Music, Band­camp) ist wie­der ein Ame­ri­ca­na/­Folk-Album, das mich an die bes­ten Sei­ten der ame­ri­ka­ni­schen Kul­tur erin­nert. Also an das Gegen­teil von Mark Zucker­berg.

8. Maro
Maro ist immer das Bei­spiel, das ich brin­ge, wenn ich erklä­ren will, dass der Euro­vi­si­on Song Con­test längst kei­ne alber­ne Quatsch-Ver­an­stal­tung voll Euro­dance-B-Ware ist (das war er in die­ser Abso­lut­heit noch nicht mal in den 1980er bis 2000er Jah­ren), son­dern ein Musik­fes­ti­val im klas­sischs­ten Sin­ne: Natür­lich hät­te ich auch auf ande­ren Wegen (das Inter­net exis­tiert ja) von der jun­gen Musi­ke­rin mit dem bür­ger­li­chen Namen Maria­na Bri­to da Cruz For­jaz Sec­ca und der wun­der­bar ver­schla­fe­nen Stim­me erfah­ren kön­nen, aber ihr Auf­tritt in Turin 2022 war dann doch ein ganz beson­ders beein­dru­cken­der Ken­nen­lern­mo­ment. Ende Sep­tem­ber habe ich sie end­lich wie­der live gese­hen, durch­aus ange­mes­sen im Kon­zert­haus Dort­mund, und es war eines der schöns­ten, umar­mends­ten Kon­zer­te, das ich je besucht habe. Wie jun­ge Acts das so machen, hat sie wäh­rend des gan­zen Jah­res immer wie­der Songs her­aus­ge­bracht, u.a. mit Par­cels, vor allem aber mit dem Musi­ker Nasaya, der auf der fran­zö­si­schen Insel Reuni­on im indi­schen Oze­an auf­ge­wach­sen ist, wie Maro das Ber­klee Col­lege of Music besucht hat, und mit dem sie 2021 schon mal eine gan­ze EP mit vier Songs ver­öf­fent­licht hat­te. Das gemein­sa­me Album „Life­line“ (Sec­ca Records; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal, You­Tube Music) kam erst am 15. Janu­ar raus, aber das bedeu­tet ja nur, dass Maro auch 2025 wie­der zu mei­nen Acts des Jah­res gehö­ren kann.

7. Joy Ola­do­kun
Auf das Musik­jahr 2023 haben wir ja in einer gemein­sa­men Sen­dung zurück­ge­schaut. Des­we­gen gibt es kei­ne per­sön­li­che Bes­ten­lis­te, die ich jetzt ver­lin­ken kann, und auf der Joy Ola­do­kun mit ihrem Album „Pro­of Of Life“ mei­nen Platz 1 belegt hät­te. Das wird nicht der Haupt­grund sein, war­um sie 2024 direkt das nächs­te Album, ihr fünf­tes, ver­öf­fent­licht hat, aber auch „Obser­va­tions From A Crow­ded Room“ (Ami­go Records; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal, You­Tube Music) ist wie­der ver­dammt gut gewor­den. Sie macht sich Gedan­ken über den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt und Fort­schritt, sie singt über die Kraft­an­stren­gun­gen, über­haupt auf­zu­ste­hen und wei­ter­zu­ma­chen — und all das hat so viel Groo­ve, so viel schö­ne Melo­dien und so vie­le Gos­pel-Chö­re, dass einen die­se ver­meint­li­chen Wider­sprü­che ganz auf­wüh­len. Aber war das bei Mar­vin Gaye, Sam Coo­ke oder Are­tha Frank­lin anders?

6. MJ Len­der­man
Manch­mal gibt es ja so Namen und Alben, von denen man so oft in ver­schie­de­nen Zusam­men­hän­gen liest, dass man sie ein­fach hören muss: Das vier­te Solo­al­bum von MJ Len­der­man war so eins und das Über­ra­schen­de war eigent­lich nur, dass es nach vie­len Jah­ren mal wie­der ein Indie­rock-Album war, über das so vie­le Leu­te spra­chen — und dass es mir dann auch noch gefiel! „Man­ning Fire­works“ (Anti; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal, You­Tube Music, Band­camp) klingt, als wür­de ich es schon mein hal­bes Leben ken­nen. Oder, anders: So, wie wenn The Get Up Kids und The Wea­k­erthans sich vor 20, 25 Jah­ren in einer Scheu­ne in Mon­ta­na, in der zufäl­lig noch ein paar Folk-Musi­ker sit­zen, gegen­sei­tig geco­vert hät­ten.

5. Chris­ti­an Lee Hut­son
Ich kann gar nicht mehr rekon­stru­ie­ren, wie ich zum ers­ten Mal „After Hours“ von Chris­ti­an Lee Hut­son gehört habe. Ich weiß nur, dass die 3:12 Minu­ten, die der Song dau­ert, noch nicht durch waren, als ich ihn mei­nen engs­ten Freund*innen schon wärms­tens – lass alles ste­hen und lie­gen und hör es Dir JETZT an! – ans Herz gelegt hat­te. Ent­spre­chend ist es auch mein Song des Jahrs 2024 gewor­den. Wenn ich Songs so doll lie­be, habe ich manch­mal Angst vor dem Album, dem sie vor­an­gin­gen, aber „Para­di­se Pop. 10“ (Anti; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal, You­Tube Music, Band­camp) lös­te sogar mehr Ver­spre­chen ein, als die Sin­gle auf­ge­stellt hat­te: Songs wie „Auto­pi­lot“, „Water Bal­let“ oder besag­tes „After Hours“ klin­gen, wie sich die eige­ne Bett­de­cke an einem die­si­gen, kal­ten Sonn­tag­vor­mit­tag anfühlt. Es gibt Kla­vier­bal­la­den, melan­cho­li­sche Folk­songs und etwas lär­men­de­re Folk­rock-Num­mern für Fans von Elliott Smith, The Wea­k­erthans und Bright Eyes. Jetzt machen also Men­schen, die 1990 gebo­ren sind, Musik, wie ich sie 2004 gehört habe.

4. Phi­li­ne Son­ny
Ich weiß nicht, ob man es merkt, aber ich habe einen gewis­sen Hang zum Lokal­pa­trio­tis­mus. Man müss­te mir schon sehr viel Geld bie­ten, damit ich das Ruhr­ge­biet oder auch nur Bochum-Ehren­feld ver­las­se. Wenn es um Phi­li­ne Son­ny geht, ist es des­halb, als wür­de der VfL Bay­ern Mün­chen schla­gen: Sowas ist hier mög­lich! Und wer wohnt schon in Düs­sel­dorf? Dabei hat das ja alles gar nichts mir mir zu tun und viel­leicht auch nur in Tei­len mit der Stadt. Im März, jeden­falls, hat­te die 23-jäh­ri­ge Musi­ke­rin und Song­schrei­be­rin ihre zwei­te EP „Inva­der“ (Nett­werk; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal, You­Tube Music, Band­camp) ver­öf­fent­licht, danach noch jede Men­ge Sin­gles. Im Herbst begann sie dann ihr nächs­tes Pro­jekt, bei dem sie Songs in 15 Minu­ten schreibt, inner­halb weni­ger Tage auf­nimmt und dann so schnell wie mög­lich ver­öf­fent­licht. „So schnell wie mög­lich“ bedeu­tet bei einem Label – bei Nett­werk erschei­nen auch Angus & Julia Stone, The Paper Kites, Joshua Radin und Gre­at Lake Swim­mers – und Strea­ming­diens­ten immer noch rund zwei­ein­halb Mona­te, aber das gan­ze Kon­zept und die Daten im Song­ti­tel ver­lei­hen den Songs eine gewis­se Unmit­tel­bar­keit. Und ich tue, was ich kann, um Phi­li­ne Son­ny noch berühm­ter zu machen — zum Bei­spiel in der „Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung“ über sie schrei­ben.

3. Suzan Köcher’s Supra­fon
Wenn jemand „psy­che­de­lisch“ sagt, den­ke ich an Pink Floyd, Ölpro­jek­to­ren und die Gene­ra­ti­on unse­rer Eltern, die bekifft auf einem Flo­ka­ti liegt. Okay, ich komm noch mal rein: Wenn jemand „psy­che­de­lisch“ sagt, den­ke ich an David Lynch, die mitt­le­ren Byrds und oran­ge­far­be­ne U‑Bahn-Hal­te­stel­len. Habt Ihr die Bil­der? Okay, dann kommt jetzt der Sound­track, denn Suzan Köcher’s Supra­fon machen laut eige­ner Aus­sa­ge Psy­che­de­lia (nur, damit Ihr’s schon­mal gehört habt: im Eng­li­schen ist das „P“ stumm), aber auch Dream Pop, Kraut­rock, Dis­co und Desert Ame­ri­ca­na. Tat­säch­lich ent­ste­hen in mei­nem Kopf sofort Fil­me der Coen Brot­hers, Wim Wen­ders und Paul Tho­mas Ander­son; ein Step­pen­läu­fer rollt defi­ni­tiv durch die stau­bi­ge Land­schaft und es ist ent­we­der immer gera­de Mit­tag oder die Zeit kurz nach Son­nen­un­ter­gang. Also: All­tag im Ber­gi­schen Land, denn Suzan Köcher selbst stammt aus Solin­gen, ihre Band aus dem Umkreis (und damit ein Strich mehr bei „Ruhr­ge­biet“). Ihr drit­tes Album „In The­se Dying Times“ (Uni­que Records; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, You­Tube Music, Band­camp) wäre, wenn es aus den USA käme, über­all in den Jah­res­bes­ten­lis­ten. So wenigs­tens bei mir.

2. kett­car
Er habe mehr durch Musik gelernt als durch Biblio­the­ken, hat Thees Uhl­mann mal gesun­gen (und dabei Bruce Springsteen refe­ren­ziert) und er hat leicht reden, denn unse­re gemein­sa­men Bud­dies von kett­car ver­öf­fent­li­chen auf Grand Hotel van Cleef, dem Label, das sie mit ihm gemein­sam betrei­ben, ja regel­mä­ßig Alben, deren Songs gan­ze Bücher erset­zen. So gese­hen ist „Gute Lau­ne unge­recht ver­teilt“ (Grand Hotel van Cleef; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal, You­Tube Music, Band­camp) wie­der eine 45-minü­ti­ge Biblio­thek zum Hören: Die bra­chia­le Sin­gle „Mün­chen“ ist ein eige­nes, umfas­sen­des Werk über All­tags­ras­sis­mus; „Rügen“ refe­riert die Freu­de und Nach­tei­le des Eltern-Seins bes­ser als es ein Buch irgend­ei­ner Twit­ter-Berühmt­heit je könn­te; „Kanye in Bay­reuth“ ist das feuil­le­to­nis­ti­sche Essay über die Schwie­rig­keit, Werk und Autor zu tren­nen; „Ein­kau­fen in Zei­ten des Krie­ges“ die ver­ton­te Kolum­ne über gestie­ge­ne Lebens­mit­tel­prei­se und „Blaue Lagu­ne, 21:45 Uhr“ der Anti­hel­den-Roman, der in Rezen­sio­nen mit Taran­ti­no ver­gli­chen wird. Dass das alles noch so schön erhe­bend klingt und man alles mit­sin­gen kann, ist ja das eigent­li­che Kunst­stück, aber kett­car las­sen es ganz leicht aus­se­hen. Da war­tet man auch ger­ne mal fünf Jah­re drauf!

1. Japan­dro­ids
2024 war für vie­le von uns ein schwie­ri­ges Jahr, das in der zwei­ten Jah­res­hälf­te völ­lig aus der Kur­ve zu flie­gen schien: Donald Trump, AfD, Neu­wah­len, dazu immer noch Krieg in der Ukrai­ne und eine unge­lös­te Kli­ma­ka­ta­stro­phe — und das war nur die Schei­ße aus den Nach­rich­ten, die uns alle betraf. Hin­zu kamen pri­va­te Schick­sals­schlä­ge und die immer absur­der erschei­nen­de Auf­ga­ben­stel­lung, auch noch den soge­nann­ten All­tag bewäl­ti­gen zu sol­len. Am 25. Okto­ber starb mei­ne gelieb­te Tan­te Dör­te und ich war wirk­lich froh, dass ich neben mei­nem engs­ten Umfeld auch immer noch Musik hat­te. Genau eine Woche zuvor war „Fate & Alco­hol“ (schon wie­der Anti — Label des Jah­res!; Apple Music, Spo­ti­fy, Ama­zon Music, Tidal , You­Tube Music, Band­camp) erschie­nen, das vier­te und vor­ab schon als sol­ches ange­kün­dig­te letz­te Album der Japan­dro­ids. Fragt mich nicht, wie Bri­an King und David Prow­se die­sen Sound mit nur einer Gitar­re und einem Schlag­zeug hin­be­kom­men, denn ich habe sie lei­der nie live gese­hen, aber das ist auch egal, denn für „Fate & Alco­hol“ gilt, was Faithl­ess damals in „God Is A DJ“ dekla­mier­ten: „This is my church /​ This is whe­re I heal my hurts“. Wann immer ich ver­ges­sen hat­te, dass ich am Leben bin, und wie sich das anfühlt, habe ich die­ses Album gehört. Und es leg­te mir sacht sei­ne Hand auf mei­ne Schul­ter und gemein­sam wuss­ten wir: Ja, unse­re Hän­de sind blau und geschwol­len, aber wir kön­nen dar­aus immer noch ein Herz for­men (und zwar so wie Mil­len­ni­als, also rich­tig), eine Faust machen und sie in den Him­mel stre­cken. Die Musik klingt immer noch, als wür­de sie vom ers­ten bis zum letz­ten Ton das Leben fei­ern, aber anders als auf den ers­ten Alben nicht aus jugend­li­cher Igno­ranz her­aus, son­dern aus erwach­se­nem Ver­ständ­nis und Trotz: Ja, das Leben ent­hält auch Ent­täu­schun­gen, Trau­er und ande­re Tief­schlä­ge und genau des­halb ist es so wert­voll und wun­der­schön. None­thel­ess. Wenn mei­ne Per­sön­lich­keit zu die­sem Zeit­punkt in mei­nem Leben ein Album wäre, sie wür­de so klin­gen. „For a few hours, it’ll be alright, Baby!“

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Songs des Jahres 2024

Wenn Sil­ves­ter vor­bei ist, beginnt für mich eine Zeit der inne­ren Anspan­nung: Ich will unbe­dingt mei­ne musi­ka­li­sche Rück­schau auf das ver­gan­ge­ne Jahr abschlie­ßen, muss aber auch erst­mal den All­tag wie­der reboo­ten. Ich weiß, dass Ihr nicht alle mit den Hufen scharrt und wütend wer­det, wenn ich mei­ne Lis­te spä­ter ver­öf­fent­li­che (oder gar nicht, wie in den Jah­ren, als das Kind ganz klein war und ich mit ande­rem beschäf­tigt war), aber irgend­wie gehört es für mich eben­so zum Jah­res­ab­schluss wie das Abta­keln des Tan­nen­baums (der auch noch steht).

Beim Durch­hö­ren mei­ner Vor­auswahl (ein aus­ge­spro­chen kom­pli­zier­ter Pro­zess, gegen den jede Papst­wahl wie ein Kin­der­gar­ten­aus­flug aus­sieht) dach­te ich immer wie­der: „Das war musi­ka­lisch ein sehr guter Jahr­gang!“ Gleich­zei­tig habe ich fest­ge­stellt, dass ich wirk­lich weni­ge Songs in ihrem Kon­text gehört habe — also als Teil eines Albums. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich auf zehn Alben kom­me, die ich öfter als drei Mal gehört habe.

Ein paar Trends waren zu erken­nen: Im Ver­ei­nig­ten König­reich kam Drum ’n‘ Bass sowas von zurück (und es inter­es­sier­te, wie schon in den 1990er Jah­ren, hier­zu­lan­de kaum jeman­den im Main­stream); es gab über­ra­schend vie­le jun­ge Bands, die wie The Strokes klan­gen, eine Band, die für Men­schen unter 30 eigent­lich eine Oldie-Band sein muss, und ich habe – beson­ders im Ver­gleich zu vor 15, 20 Jah­ren – ziem­lich vie­le Songs dabei, die von Frau­en gesun­gen wer­den.

Bei vie­len Songs habe ich zwar kei­ne Ahnung, wie ich über­haupt auf sie auf­merk­sam gewor­den bin, aber sie haben mich dann eben doch über Mona­te beglei­tet, bei allem, was man so tut und erlebt. Es wur­de aber auch irgend­wann belie­big: Bei vie­len Songs dach­te ich, wenn ich sie im Lau­fe des Jah­res ein paar Mal öfter gehört hät­te, hät­ten sie am Ende auch auf einem ein­stel­li­gen Rang lan­den kön­nen. Über 100 Songs in der Vor­auswahl und fast alle sind gleich gut?

Es gibt also jetzt eine Lis­te mit 100 Songs (Sor­ry!). Man kann sie auf Shuff­le hören, dann ist sicher­lich viel Schö­nes dabei, aber vor allem die ers­ten zehn, zwan­zig Songs fol­gen auch einer gewis­sen Hier­ar­chie:

10. Crow­ded House – Oh Hi
Ich ver­ra­te Euch jetzt ein Geheim­nis: An mehr als 182 Tagen im Jahr hal­te ich Neil Finn für einen bedeu­ten­de­ren Song­wri­ter als John Len­non und Paul McCart­ney. Etli­che der Songs, die er für die gera­de mal vier Alben von Crow­ded House in den 1980er und 90er Jah­ren geschrie­ben hat, sind längst Klas­si­ker; „Don’t Dream It’s Over“ ist für mich einer der schöns­ten Songs aller Zei­ten (und wenn man ein Orgels­o­lo hei­ra­ten könn­te: Hier würd ich’s tun!) und „Ever­yo­ne Is Here“, das Album, das er 2004 mit sei­nem Bru­der Tim auf­ge­nom­men hat, wäre bei mei­nen Top 10 für die ein­sa­me Insel mit dabei. Seit ein paar Jah­ren sind sei­ne Söh­ne Liam und Elroy Teil von Crow­ded House und zusam­men haben sie letz­tes Jahr das Album „Gra­vi­ty Stairs“ ver­öf­fent­licht. Nicht der ganz gro­ße Wurf, aber die Vor­ab-Sin­gle „Oh Hi“ ver­eint wie­der ein­gän­gi­ge Melo­dien mit einem schwe­re­lo­sen Pop-Arran­ge­ment, wie man es von der Band seit knapp 40 Jah­ren kennt. Ein Klang, so ver­traut wie das Wohn­zim­mer mei­ner Eltern.

9. Lam­b­ri­ni Girls – Com­pa­ny Cul­tu­re
Eine eng­li­sche all girl Punk­band, die einen wüten­den, kom­pro­miss­lo­sen und trotz­dem lus­ti­gen Song über Sexis­mus am Arbeits­platz spielt? Count me in! 

8. Bon Iver – Spey­si­de
Ich möch­te ehr­lich sein: So ganz hab ich nicht alles ver­stan­den, was Jus­tin Ver­non nach dem zwei­ten Bon-Iver-Album „Bon Iver“ gemacht hat. Die­ses Gezir­pe, die komi­schen Song­ti­tel, die 42 Gastsänger*innen — aber Ver­non war von Anfang an über so vie­le Zwei­fel erha­ben, dass ich den Feh­ler natür­lich bei mir gesucht habe. Jetzt hat er die Akus­tik­gi­tar­re wie­der­ge­fun­den und die Drei-Song-EP „SABLE,“ (nur echt in Groß­buch­sta­ben, mit Kom­ma und vier Tracks, weil der ers­te nur Geräusch ist) klingt, als sei sie der noch klei­ne­re Anbau zu der Wald­hüt­te, in der im Win­ter 2006/​07 das Debüt­al­bum „For Emma, Fore­ver Ago“ ent­stan­den ist. „Spey­si­de“ klingt ent­spre­chend, wie nach einer lan­gen Rei­se wie­der zuhau­se anzu­kom­men.

7. Manic Street Pre­a­chers – Decli­ne & Fall
Ich bin jetzt seit fast 25 Jah­ren Fan der Manic Street Pre­a­chers; sie haben mich durch die Ober­stu­fen­zeit beglei­tet und poli­ti­siert. Ihr letz­tes rich­tig gutes Album ist jetzt auch schon vier­zehn Jah­re alt — und dann bal­lern sie plötz­lich so eine Sin­gle raus: eine Pia­no-Hook wie bei ABBA, Gitar­ren wie bei Guns ‘n’ Roses und eine Gesangs­me­lo­die, die unge­fähr so ein­gän­gig ist wie ein gelun­ge­ne­rer Schla­ger. Der Text han­delt davon, im Ange­sicht einer ver­fal­len­den Welt die klei­nen Wun­der zu fei­ern — viel­leicht ein biss­chen fata­lis­tisch für eine Band, die die meis­te Zeit ihrer Kar­rie­re die kom­mu­nis­ti­sche Welt­re­vo­lu­ti­on anzet­teln woll­te, aber in Zei­ten, in denen sich so vie­le immer radi­ka­ler äußern, ist es auch auf eine Art radi­kal, das Gegen­teil zu tun. Am 31. Janu­ar erscheint dann auch end­lich das neue Manics-Album, des­sen Titel eben­falls per­fekt in unse­re Zeit passt: „Cri­ti­cal Thin­king“.

6. Ider – You Don’t Know How To Dri­ve
Wir waren bei Cof­fee And TV schon gro­ße Fans von Ider, bevor das bri­ti­sche Elek­tro­pop-Duo über­haupt 2019 sein Debüt­al­bum „Emo­tio­nal Edu­ca­ti­on“ ver­öf­fent­licht hat­te. Der Bild­spen­der für den Titel die­ser Sin­gle ist die männ­li­che Unfä­hig­keit, sich im Stra­ßen­ver­kehr zu ori­en­tie­ren, aber immer gute Rat­schlä­ge zu geben — und das ist nur die ers­te Stro­phe, denn die burns wer­den danach noch viel, viel gemei­ner: „I wan­na throw your shit in the midd­le of the street /​ Real­ly make a big sce­ne and burn your red SG /​ Dele­te the files of your solo EP, yeah no one’s gon­na hear it now“, sin­gen Megan Mark­wick und Lily Somer­ville im Refrain und viel­leicht muss man ein paar Musi­ker im Bekann­ten­kreis haben, um die Tie­fe und Schär­fe die­ser Zei­len voll wür­di­gen zu kön­nen, aber lasst es mich so sagen: Das hier ist die nuklea­re Opti­on — aber sehr, sehr lus­tig! Das drit­te Ider-Album „Late To The World“ erscheint am 21. Febru­ar; Ende März spie­len sie in Ham­burg, Ber­lin und Köln.

5. MJ Len­der­man – She’s Lea­ving You
Ich hät­te ehr­lich gesagt nicht damit gerech­net, dass es noch mal einen Act wie MJ Len­der­man geben wür­de: klas­si­scher Indie­rock, den Men­schen zwi­schen 16 und 61 gut fin­den und über den eine Zeit­lang wirk­lich alle in mei­nem Umfeld reden. „You can put your clo­thes back on /​ She’s lea­ving you“ ist kein ganz schlech­ter Anfang, es wird danach aber noch bes­ser: Es fällt schwer, den Refrain „It falls apart, we all got work to do /​ It gets dark, we all got work to do“ nicht auf das all­ge­mei­ne Welt­ge­sche­hen zu bezie­hen — aber was bezieht man die­ser Tage nicht dar­auf? Dabei ist der Song doch eigent­lich das „Sie ist weg“ der Gene­ra­ti­on Z (hof­fe ich).

4. kett­car – Auch für mich 6. Stun­de
Ja, ja, natür­lich: „Mün­chen“ hat­te mehr Wucht, war poli­ti­scher und wich­ti­ger — so wie damals „Som­mer ’89“. Aber kett­car benen­nen ja nicht nur Pro­ble­me, sie haben immer auch Trost dabei: „Ein Ben­ga­lo in der Nacht“. So ist „Auch für mich 6. Stun­de“, der Ope­ner ihres sehr, sehr guten 2024er Albums „Gute Lau­ne unge­recht ver­teilt“ viel­leicht eher der Zwil­ling von „Ankunfts­hal­le“ vom Vor­gän­ger „Ich vs. Wir“: Ja, da ist ganz schön viel Schei­ße in der Welt, aber wir müs­sen da nicht allei­ne durch. Und das ist für mich dann die noch schö­ne­re Bot­schaft, getra­gen von die­sem wun­der­ba­ren Snow-Pat­rol-Arran­ge­ment.

3. Phi­li­ne Son­ny – In Deni­al
Dafür, dass sie erst seit weni­gen Jah­ren Musik ver­öf­fent­licht, gehört Phi­li­ne Son­ny schon sehr deut­lich zu unse­ren Lieb­lings-Acts. Okay: Sie wohnt ja auch in Bochum, aber das hier ist mehr als Lokal­pa­trio­tis­mus, das ist „Ich fänd’s auch geil, wenn es aus den USA käme und bei All Songs Con­side­red und Pitch­fork vor­ge­stellt wür­de“. Im März erschien ihre EP „Inva­der“, dar­auf auch „In Deni­al“, ein lang­jäh­ri­ger fan favo­ri­te bei den Kon­zer­ten. Die­ses „Some­bo­dy out the­re“ muss man mal live erlebt haben, wie das Publi­kum es mit­singt.

2. Japan­dro­ids – Posi­tively 34th Street
Kann man mit über 25 noch glaub­haf­te Lie­bes­lie­der schrei­ben? Ben Folds war 34, als er „The Luckiest“ auf­nahm; Mar­cus Wie­busch 43 bei „Ret­tung“. Also: Ja. Bri­an King ist 41, als das fina­le Album sei­ner Band Japan­dro­ids erscheint. „Posi­tively 34th Street“ ist nicht nur ein Ver­weis auf Bob Dylan, es ist auch eines der erwach­sens­ten Lie­bes­lie­der, das ich je gehört habe. Und eines der schöns­ten. Wie man auch nach Jah­ren, nach all dem Cha­os, das wir „Leben“ nen­nen, noch an eine Per­son von frü­her den­ken kann; wie man es noch mal ver­sucht, immer wie­der hadert und zwei­felt und die Geschich­te viel­leicht doch noch gut aus­geht, zumin­dest aber erst­mal über­haupt noch anfängt, das ist schon gran­dio­ses, lebens­na­hes Song­wri­ting. Und das alles in die­sem klas­si­schen Hüs­ker-Dü-tref­fen-Bruce-Springsteen-Sound, den Japan­dro­ids über ihre vier Stu­dio­al­ben gepflegt haben: Die­ser Song ist das Gegen­teil von mid­life cri­sis, von Por­sche, Gold­kett­chen und die Demo­kra­tie zer­stö­ren. So klin­gen Män­ner, die es irgend­wie doch noch geschafft haben; geschun­den zwar, aber im Ein­klang mit sich und ihren Gefüh­len.

1. Chris­ti­an Lee Hut­son – After Hours
Seit dem Release Anfang Juli lag ich mei­ner gesam­ten peer group in den Ohren, dass sie sich bit­te, unbe­dingt, kei­ne Zeit zu War­ten, die­sen Song anhö­ren sol­len. Nein: müs­sen! „After Hours“ klingt, als wür­de ich es seit 25 Jah­ren ken­nen, aber ich kann nicht genau sagen, an was mich Stim­me und Musik erin­nern: Nick Dra­ke? Nein. The Wea­k­erthans? Auch nicht. Vor allem war Chris­ti­an Lee Hut­son vor 25 Jah­ren gera­de acht und hat (hof­fent­lich, denn das Wort „fuck“ kommt auch drin vor) noch nicht sol­che Songs geschrie­ben. Refrains gibt’s kei­ne, dafür Stro­phen, die sich frei asso­zia­tiv von Spät­is im Him­mel über die Schau­spie­le­rin Cathe­ri­ne O’Hara bis zur Fest­stel­lung „The good stuff is behind a pay­wall“ erstre­cken. Es war ein wil­des Jahr für mich, vor allem in der zwei­ten Hälf­te, aber dann war die­ser Song immer für mich da, der sich anfühlt wie in der war­men Bade­wan­ne ein­zu­schla­fen (Vor­sicht bit­te!). Ein­at­men, aus­at­men. „It’s cra­zy I know, I’ve got nowhe­re to go /​ But up here, I wear my seat­belt“.

100 Songs, über 6 Stun­den:

Kei­nen neu­en Blog-Ein­trag mehr ver­pas­sen? Wir haben jetzt einen Whats­App-Kanal und einen Blues­ky-Account, wo Ihr auf dem Lau­fen­den blei­ben könnt!

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Musik

Sounds Like Sugar Festival, neue Musik von Nada Surf, Eels

Am Sams­tag hat unse­re Redak­ti­on einen Betriebs­aus­flug zum Sounds Like Sugar Fes­ti­val in Her­ne gemacht. Von da bringt Lukas viel neue Musik mit, es gibt aber auch ein Wie­der­hö­ren mit Bands wie Nada Surf und Eels, die ihn schon sein hal­bes Leben beglei­ten.

Alle Songs:

    • Loki – The Girl With No Eyes
    • Mar­ya­ka – Part Of You
    • Zimmer90 – What Love Is
    • Phi­li­ne Son­ny feat. Miya Folick – Shame
    • Nada Surf – In Front Of Me Now
    • Auro­ra – To Be Alright
    • Eels – If I’m Gon­na Go Any­whe­re
    • Jean Sei­zu­re – Don’t Tell Me I’m Going To Hell

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Musik

Neue Musik von Philine Sonny, Monta, Hana Vu, Sintoria

Etwas ver­spä­tet kommt die neu­es­te Aus­ga­be unse­rer klei­nen Musik­sen­dung, aber wir muss­ten noch kurz auf die neue EP von Phi­li­ne Son­ny war­ten. Jetzt gibt’s „In Deni­al“ direkt bei uns zu hören, genau­so wie neue Songs von Mon­ta, Hana Vu und 1010benja.

Außer­dem bli­cken wir im Blog bekannt­lich auf bedeut­sa­me Alben des Jah­res 1999 zurück – und begin­nen da mit „Cla­ri­ty“ von Jim­my Eat World.

Alle Songs:

  • Phi­li­ne Son­ny – In Deni­al
  • 1010benja – H2HAVEYOU
  • Hana Vu – Care
  • Lee Lewis – Delu­si­on
  • Sin­to­ria – Space.
  • Mon­ta – If The Sun Does­n’t Shi­ne Any­mo­re II
  • Etta Mar­cus – Girls That Play
  • Jim­my Eat World – Lucky Den­ver Mint

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Musik

Neue Musik von Joy Denalane, Philine Sonny, Sincere Engineer, The Libertines

Es sind anstren­gen­de Zei­ten, aber Lukas sagt, mit ein biss­chen Son­ne und viel Musik wird das aller­meis­te ein biss­chen bes­ser. Des­we­gen gibt es heu­te ener­ge­ti­schen Indie­rock von Bil­bao, anrüh­ren­den Soul von Joy Den­alane, Indiepop von Phi­li­ne Son­ny, ein ordent­li­ches Brett von Sin­ce­re Engi­neer und mehr!

Und dann wol­len wir noch wis­sen, was Eure Songs, Acts und Alben des Jah­res 2023 sind! Schreibt uns eine E‑Mail oder bei Insta­gram oder Face­book!

Alle Songs:

  • Bil­bao – Cal­ling
  • Joy Den­alane feat. Ghost­face Kil­lah – Hap­py
  • Phi­li­ne Son­ny – Drugs
  • Adam Mel­chor – Gar­ment Bag
  • Paen­da – Get Tough
  • The Last Din­ner Par­ty – My Lady Of Mer­cy
  • Sin­ce­re Engi­neer – Cali­for­nia King
  • The Liber­ti­nes – Run Run Run

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Musik

Podcast: Episode 5

Bochum, das musi­ka­li­sche Zen­trum der Bun­des­re­pu­blik: Jana von Janou erzählt uns, was es mit dem neu­en Song „Boy Is Bro­ken“ auf sich hat, dann hören wir Phi­li­ne Son­ny, unse­re Bot­schaf­te­rin beim SXSW. Außer­dem hat Lukas neue Musik von Meet Me @ The Altar, King Prin­cess und Kendrick Scott mit­ge­bracht, wir schwel­gen in Erin­ne­run­gen und tan­zen zum Oscar-prä­mier­ten „Naa­tu Naa­tu“.

Alle Songs:

  • Janou – Boy Is Bro­ken
  • Phi­li­ne Son­ny – Same Light
  • Meet Me @ The Altar – Thx 4 Not­hin’
  • Death Cab For Cutie – I Miss Stran­gers (Acou­stic)
  • Tra­vis – Flowers In The Win­dow (Live)
  • Kaa­la Bhai­ra­va, M. M. Keer­ava­ni, Rahul Sip­li­gunj – Naa­tu Naa­tu
  • Kendrick Scott – One Door Clo­ses, Ano­ther Opens
  • King Prin­cess – The Bend

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Musik

Acts des Jahres 2022

Der ers­te Monat 2023 ist fast rum, schnell noch eben die Acts des Jah­res 2022 in eine ordent­li­che Lis­te packen:

10. Sudan Archi­ves
Schon der Name, unter dem Britt­ney Deni­se Parks Musik macht, macht neu­gie­rig: Sudan Archi­ves, das klingt erst­mal nach field recor­dings, nach Eth­no­lo­gie und world music. Ja, aber: Die Art, wie sie Ein­flüs­se aus afri­ka­ni­scher Musik, Elek­tro­nik und Hip-Hop mischt und zwi­schen­durch noch auf ihrer Gei­ge spielt, ist nur eine (wenn man so will: aka­de­mi­sche) Ebe­ne ihres Sounds. Vor allem flirrt, klopft und groovt ihre Musik; oft pas­siert vie­les gleich­zei­tig und doch bleibt noch viel Platz in den Arran­ge­ments, um zu atmen. „Natu­ral Brown Prom Queen“ (Stones Throw Records; Apple Music, Spo­ti­fy, Band­camp) heißt ihr zwei­tes Album und der Titel kommt schon ange­mes­sen breit­schult­rig daher: Wer women of color im Jahr 2022 noch an den Rand drän­gen woll­te, ist bei Sudan Archi­ves an der fal­schen Adres­se (natür­lich auch gene­rell; diver­si­ty exists, get used to it). „I’m not avera­ge“ wie­der­holt sie im Qua­si-Titel­track „NBPQ (Top­less)“ und beschreibt dar­in, wie es ist, aus­ge­grenzt und kri­tisch beäugt zu wer­den und die­ses Anders-Sein zu einer Art Mar­ken­zei­chen umzu­wid­men. „Natu­ral Brown Prom Queen“ ist also ein Album, das sowohl bei sorg­fäl­ti­ger Beschäf­ti­gung auf der inhalt­li­chen Ebe­ne funk­tio­niert, als auch ein­fach gut als Sound­track des eige­nen Lebens funk­tio­niert – und das ist ja immer super, wenn sowas mög­lich ist!

9. Janou
Ich fin­de es ja immer stark, wenn Men­schen ihr Ding durch­zie­hen: Ich ken­ne Jana von Janou jetzt schon mehr als zehn Jah­re und habe erlebt, wie sie rumo­ren­de Bochu­mer Knei­pen zum Schwei­gen brach­te, indem sie ihre Stim­me zur Akus­tik­gi­tar­re erhob. Seit eini­gen Jah­ren ist Janou ein Duo mit star­ken elek­tro­ni­schen Ein­flüs­sen und die­se gan­zen Sounds las­sen ihre aus­drucks­star­ke Stim­me noch mehr strah­len. Nach eini­gen Sin­gles erschien 2022 mit „Flu­id Ground“ (Skip A Beat; Apple Music, Spo­ti­fy) die ers­te EP, die Bock auf mehr macht: Wenn im ope­ning cut „Down“ kurz eine Erin­ne­rung an „She Dri­ves Me Cra­zy“ von den Fine Young Can­ni­bals durch­schim­mert, wenn „Lonely Boy“ von den Black Keys mit Geneh­mi­gung der Band zu „Lonely Boy (Girl)“ umge­wid­met wird, „Soli­tu­de“ ein Licht in der Dun­kel­heit anzün­det oder „Rose­ma­ry“, mein per­sön­li­cher Som­mer­hit 2022 (s.a. die Songs des Jah­res), Bochum nach LA oder Miami ver­legt. Wo sind die Radio­sen­der, die sowas auf Rota­ti­on neh­men?!

8. Maro
Ich habe es im letz­ten Jahr in jedem Inter­view gesagt und ich wie­der­ho­le es ger­ne: Der Euro­vi­si­on Song Con­test hat nur noch wenig mit dem frea­ki­gen musi­ka­li­schen Par­al­lel­uni­ver­sum zu tun, als das er über Jahr­zehn­te galt. Er ist nicht mehr nur die jähr­li­che Leis­tungs­schau der Büh­nen­tech­nik-Indus­trie, son­dern auch ein … nun ja: ernst­zu­neh­men­des Musik­fes­ti­val, bei dem man Acts ent­de­cken kann, die einem die hei­mi­sche Musik­pres­se und der Spo­ti­fy-Algo­rith­mus jetzt eher nicht vor­ge­stellt hät­te. So auch Maria­na Sec­ca aus Por­tu­gal, die als Maro (gespro­chen: Maru) groß­ar­ti­ge Musik macht: Ihr ESC-Bei­trag „Sau­da­de, Sau­da­de“ (s.a. die Songs des Jah­res) ist auf ihrem letzt­jäh­ri­gen Album „Can You See Me?“ (Sec­ca Records; Apple Music, Spo­ti­fy) gar nicht ver­tre­ten, dafür Songs wie das hyp­no­ti­sche „Am I Not Enough For Now?“, das schläf­ri­ge „We’­ve Been Loving In Silence“ oder „Like We’­re Wired“, das klingt wie ein Son­nen­auf­gang. Inhalt­lich bil­det das Album die Gefühls­welt einer Frau Mit­te Zwan­zig ab, mit all den gro­ßen Erwar­tun­gen und Ent­täu­schun­gen, die auch Liz Phair, Fio­na Apple oder Tori Amos vor 30 Jah­ren schon besun­gen haben; musi­ka­lisch steht vor allem Maros Stim­me im Vor­der­grund, aber dahin­ter span­nen die Gitar­ren, Kla­vie­re und Drum­com­pu­ter einen wei­ten Raum auf. Und wenn man denkt, das klingt jetzt schon alles sehr ähn­lich, kommt mit­ten­drin das por­tu­gie­sisch-spra­chi­ge Duett „Juro Que Vi Flo­res“. Das nächs­te Album hat Maro für die­ses Jahr schon ange­kün­digt.

7. Phi­li­ne Son­ny
Irgend­wie hat man es ja bei all dem neu­en Elend schon fast ver­ges­sen, aber in den Jah­ren 2020 und 2021 (und ein Stück weit auch noch 2022) gab es in Euro­pa eine Pan­de­mie, die das öffent­li­che Leben weit­ge­hend zum Erlie­gen gebracht hat­te. Als nach zwei Jah­ren Zwangs­pau­se im letz­ten Som­mer die Musik­fes­ti­vals zurück­kehr­ten, habe ich mich zum ers­ten Mal rich­tig aufs Bochum Total gefreut: end­lich wie­der Live­mu­sik, fuß­läu­fig vor der eige­nen Haus­tür, por­ti­ons­ge­recht fürs eige­ne Kind und ein guter Anlass, um end­lich mal wie­der die eige­nen Freund*innen zu tref­fen. Genia­ler­wei­se hat­te auch noch ein fel­low nerd eine Spo­ti­fy-Play­list gebaut, mit der man sich im Vor­feld auf das Fes­ti­val vor­be­rei­ten konn­te, weil einem die meis­ten Namen ja doch noch nichts sagen. Als ich zu den Songs von Phi­li­ne Son­ny kam, war ich als Ers­tes über­rascht, dass ein Act, der so nach Welt­for­mat klingt, tat­säch­lich beim Bochum Total spielt. Dann stell­te ich fest, dass Phi­li­ne Son­ny aus Unna stammt, was jetzt – selbst von Bochum aus betrach­tet – eher das Gegen­teil der gro­ßen, wei­ten Welt ist. So klingt das also, wenn man mit The War On Drugs, Ryan Adams, Bright Eyes und Lucy Dacus auf­ge­wach­sen ist und die­se Musik ganz doll fühlt (oder zumin­dest klingt es so, als wäre Phi­li­ne Son­ny mit die­ser Musik auf­ge­wach­sen). Die ers­te EP „Lose Yours­elf“ (Might­kil­lya; Apple Music, Spo­ti­fy) haut den Pflock auf alle Fäl­le schon mal sehr fest in den Boden und jetzt, wo Phi­li­ne Son­ny in Bochum wohnt und zum legen­dä­ren show­ca­se fes­ti­val South By Sou­thwest ein­ge­la­den wur­de, wür­de ich sagen: sky’s the limit.

6. Anaïs Mit­chell
Manch­mal fra­ge ich mich schon, wie bestimm­te Acts so lan­ge an mir vor­bei­ge­hen konn­ten. Dann füh­le ich mich kurz schlecht und neh­me ich mir vor, noch mehr Musik zu hören, aber dann den­ke ich auch wie­der: „Das hier ist kein Wett­be­werb und Musik fin­det einen eh immer im rich­ti­gen Moment!“ 2022 war also der rich­ti­ge Moment, um Anaïs Mit­chell nach 18 Jah­ren und eini­gem „Ich hab davon gehört/​gelesen“ in mein Leben zu las­sen – recht­zei­tig zum ach­ten, selbst­be­ti­tel­ten Album (BMG; Apple Music, Spo­ti­fy). Ich hab das bei Musik, die irgend­wie mit Folk zu tun hat, immer, dass ich mir beim Hören wei­te Land­schaf­ten vor­stel­le (was ja auch Sinn die­ses Gen­res ist), aber bei die­sem Album ist es beson­ders stark: es klingt wie ein road trip durch Gegen­den, die man am Bes­ten schnell hin­ter sich lässt, auf der Suche nach dem gro­ßen Glück und dem Ort, wo man sei­ne Plä­ne ver­wirk­li­chen kann. Es erin­nert mich aber auch an Hem, k.d. lang und Bon Iver und es gibt nicht viel bes­se­res, was ich über Musik sagen kann.

5. Lou Tur­ner
Noch mehr Indie-Folk: Auf ihrem drit­ten Album „Micro­c­os­mos“ (Lou Tur­ner; Apple Music, Spo­ti­fy, Band­camp) setzt sich Lou Tur­ner unter den Ein­drü­cken der Pan­de­mie mit der Fra­ge aus­ein­an­der, was es bedeu­tet, „unter­wegs“ und „zuhau­se“ zu sein. Es geht um die Welt, die im Lock­down gleich­zei­tig klei­ner und grö­ßer wur­de, als Spa­zier­gän­ge durch die eige­ne Nach­bar­schaft plötz­lich die neu­en Rei­sen waren. Dabei ori­en­tiert sie sich u.a. an Joni Mit­chells Album „Heji­ra“ (das sie in „Emp­ty Tame And Ugly“ auch nament­lich erwähnt) und das alles, Musik und Lyrics, sind wirk­lich wun­der­bar.

4. Kof­fee
Gut: Den Künst­ler­na­men fin­den wir hier im Blog natür­lich schon mal grund­sym­pa­thisch. Auch Kof­fees Kar­rie­re ist eng mit der COVID-19-Pan­de­mie ver­bun­den: Als gefei­er­te Nach­wuchs­künst­le­rin wur­de sie 2020 erst­mal aus­ge­bremst, die Sin­gle „Lock­down“ wur­de im sel­bi­gen zum Hit. „Gifted“ (Pro­mi­sed Land; Apple Music, Spo­ti­fy) ist ihr Debüt-Album und gilt offi­zi­ell als Reg­gae. Ich habe dafür alle Vor­ur­tei­le, die ich gegen­über dem Gen­re hat­te (auch bzw. vor allem Dank sei­nes stu­den­ti­schen Publi­kums in Deutsch­land), über Bord gewor­fen und mich im Früh­jahr 2022, als die „Nor­ma­li­tät“ so lang­sam, aber sicher zurück­kam, sehr an die­sem Album erfreut. Im ope­ning cut „x10“ läuft Bob Mar­leys „Redemp­ti­on Song“ ein­fach im Hin­ter­grund und auch wenn das natür­lich vor allem als Ehr­er­wei­sung gemeint ist, zeigt es auch: Die­ses Album ist etwas ande­res.

3. Bülow
Alter ist ja etwas, was man unge­fähr nie gescheit ein­schät­zen kann: Als Kind und Teen­ager sind Musiker*innen halt alle irgend­wie „älter“ und die, mit denen man auf­ge­wach­sen ist, wer­den immer älter blei­ben. Dann kom­men plötz­lich Men­schen, die signi­fi­kant jün­ger sind als man selbst, und man denkt: „Woher kön­nen die das denn schon alles?“ Naja: Geor­ge Har­ri­son war 20, als das ers­te Beat­les-Album raus­kam, Beck war bei „Loser“ auch nur ein paar Jähr­chen älter und Conor Oberst ist mit zwölf schon mit eige­nen Songs auf­ge­tre­ten. Also: Megan Bülow ist Ende Dezem­ber 23 gewor­den und macht pro­fes­sio­nell Musik, seit sie 16 ist. Das klang immer schon gut, aber ihre EP „Boo­ty Call“ (Uni­ver­sal; Apple Music, Spo­ti­fy) zeigt ihre Stär­ken noch­mal bes­ser als alle bis­he­ri­gen Releases: fünf Songs, etwas über 13 Minu­ten – maxi­mal ver­dich­te­ter Indie-Pop zwi­schen besag­ten Beck und Conor Oberst, mit gro­ßer Schnodd­rig­keit, nach­klin­gen­der teenage angst und einem gene­rell star­ken nine­ties vibe. Hören jun­ge Men­schen noch Alben? Neh­men jun­ge Acts noch wel­che auf? Ich fänd’s stark!

2. King Prin­cess
Das gro­ße Auf­re­ger-The­ma in den US-Medi­en waren Ende des Jah­res die „Nepo babies“, also jun­ge Men­schen, die – so das Nar­ra­tiv – auf­grund ihrer Abstam­mung einen leich­te­ren Ein­stieg ins Berufs­le­ben und bes­se­re Auf­stiegs­chan­cen haben. Sicher­lich ein ernst­haf­tes Pro­blem, aber gera­de die media­le Fokus­sie­rung auf die Unter­hal­tungs­bran­che nahm der Kri­tik auch ein biss­chen den Wind aus den Segeln: Wenn Du unter Künstler*innen auf­wächst, ist es halt wahr­schein­lich, dass Du selbst ein gewis­ses Inter­es­se an Kunst und Kul­tur ent­wi­ckelst. Dazu kom­men dann eben noch Talent und Kon­tak­te, also: check your pri­vi­le­ge, aber so what?! (Dass deut­sche Medi­en sich vor allem um eine Nach­er­zäh­lung einer ame­ri­ka­ni­schen Debat­te bemüh­ten, aber nicht für eine Sekun­de auf die Idee kamen, dass The­ma auf Deutsch­land her­un­ter­zu­bre­chen, spricht ent­we­der für oder gegen sie – ich bin mir da noch unsi­cher.) Mikae­la Straus, jeden­falls, tauch­te auf die­ser Lis­te der nepo babies auch auf, weil ihr Vater recor­ding engi­neer ist und ihr Ur-Urgroß­va­ter (!) Isi­dor Straus einer der Besit­zer von Macy’s war, bevor er mit sei­ner Frau beim Unter­gang der „Tita­nic“ (bekann­ter­ma­ßen im Jahr 1912) ums Leben kam. Ja, inter­es­san­te Fuß­no­te, aber viel inter­es­san­ter ist doch nun wirk­lich die Musik, die Mikae­la (Jahr­gang 1998) als King Prin­cess ver­öf­fent­licht: kra­chen­der Indie-Pop mit gro­ßen Melo­dien und klu­gen Tex­ten. Mit elf hat­te sie einen Plat­ten­ver­trag abge­lehnt, weil sie die krea­ti­ve Kon­trol­le nicht abge­ben woll­te, und das scheint sich aus­ge­zahlt zu haben: „Hold On Baby“ (Zelig Records; Apple Music, Spo­ti­fy) ist ihr zwei­tes Album und man ahnt, dass es auf einem Major-Label even­tu­ell etwas anders klin­gen wür­de. Inhalt­lich geht es um Bezie­hungs­span­nun­gen in der Pan­de­mie, um Freund­schaf­ten, gen­der iden­ti­ty und Selbst­zwei­fel im Sex Shop. Mit Mark Ron­son, Ethan Grus­ka, Aaron Dess­ner, Bryce Dess­ner und Tobi­as Jes­so Jr. haben eini­ge der aktu­ell nam­haf­tes­ten Pro­du­zen­ten am Album mit­ge­wirkt und der clo­ser „Let Us Die“ ist einer der letz­ten Song, auf dem Tay­lor Haw­kins von den Foo Figh­ters vor sei­nem viel zu frü­hen Tod getrom­melt hat. Kurz­um: Es gibt viel zu ent­de­cken und zum Nach­den­ken und das mag ich ja immer, wenn man Musik hören, aber ihr auch zuhö­ren kann. Bei pas­sen­dem Ver­kehrs­auf­kom­men „reicht“ das Album genau von mei­nem Eltern­haus bis zu unse­rer Haus­tür und in jedem nor­ma­len Jahr hät­ten King Prin­cess und „Hold On Baby“ den Spit­zen­platz mei­ner Rang­lis­te belegt, aber 2022 war auch in die­ser Hin­sicht kein nor­ma­les Jahr.

1. Pale
Ich hab die Geschich­te jetzt schon ein paar Mal erzählt: Pale hat­ten sich eigent­lich 2009 auf­ge­löst. Dann wur­de 2019 bei ihrem ehe­ma­li­gen Gitar­ris­ten Chris­ti­an ein Gehirn­tu­mor dia­gnos­ti­ziert, was die Mit­glie­der auf die Idee brach­te, wie­der gemein­sam Musik zu machen. Schlag­zeu­ger Ste­phan hat­te mit einer eige­nen schwe­ren Erkran­kung zu kämp­fen, dann kam die Pan­de­mie und im Früh­jahr 2021 ist Chris­ti­an lei­der gestor­ben. Man muss die­se Geschich­te ken­nen, um zu ver­ste­hen, was „The Night, The Dawn And What Remains“ (Grand Hotel van Cleef; Apple Music, Spo­ti­fy), das fina­le Album, das aus all dem doch noch ent­stan­den ist, eigent­lich ist: eine ein­zi­ge Fei­er des Lebens, der Freund­schaft und der Musik. Vom instru­men­ta­len Ope­ner „Whe­re­ver You Will Go“, der an U2 und Stars erin­nert und die Tür schon mal ent­spre­chend weit auf­macht, über die Sin­gles „New York“ (s.a. Songs des Jah­res), „Man Of 20 Lives“ (für Ste­phan) und „Big­ger Than Life“ (für Chris­ti­an) bis zum Schluss­ak­kord von „Some­day You Will Know“ zele­briert die­ses Album das Trotz­dem, das Über­le­ben, das Zurück­blei­ben und auch die Trau­er. Es ist wie ein Ben­ga­lo auf einer Beer­di­gung. Und dann taucht mit­ten­drin plötz­lich Simon den Har­tog auf. Der ehe­ma­li­ge Sän­ger der Kili­ans hat zwar fast eine gan­ze Deka­de nicht gesun­gen, aber auf „Still You Feel“ kuschelt sich sei­ne alt­be­kann­te, jung geblie­be­ne Reib­ei­sen­stim­me plötz­lich an die von Pale-Sän­ger Hol­ger Kochs und gemein­sam sin­gen sie über gro­ße Gefüh­le, Musik und Hei­mat­städ­te. Ich wuss­te selbst nicht, wie drin­gend ich genau das gebraucht hat­te, aber: Jun­ge, war ich glück­lich, als ich das Lied zum ers­ten Mal gehört habe! Klar, dass die Songs zu mei­nem täg­li­chen Beglei­ter wur­den, als ich nach dem Tod mei­ner Omi mit mei­ner eige­nen Trau­er, mei­nen Erin­ne­run­gen und vor allem aber auch mei­ner alles über­la­gern­den Lie­be für alles und alle klar­kom­men muss­te. Klar, dass so ein Album natür­lich wie­der beim GHvC erschei­nen muss­te. Klar, dass so ein Album sei­nen ganz eige­nen Platz auf mei­nem pri­va­ten Pop­kul­tur-Altar bekom­men muss – und wie krass ist es da bit­te, dass das Album­co­ver einen Pop­kul­tur-Altar zeigt, auf dem (neben einer Aus­ga­be von „Per Anhal­ter durch die Gala­xis“) ein Mix­tape namens „Home­town Mix“ steht, des­sen B‑Seite (nur auf der Vinyl-Ver­si­on zu ent­zif­fern) mit „Dins­la­ken 2002“ beschrif­tet ist?! Eben. It is the last stop that tells you a lot about whe­re you came from and what you have got.

Pale - The Night, The Dawn And What Remains (Albumcover)

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Songs des Jahres 2022

Ich brau­che tra­di­tio­nell immer ein biss­chen län­ger, um mei­ne Songs des Jah­res zusam­men­zu­stel­len, aber ich fin­de das bes­ser, als das Jahr schon im Novem­ber ein­pa­cken zu wol­len; hier ist mein Blog mit mei­nen Regeln und außer­dem ist ja noch Janu­ar. Also: Hier sind – Stand jetzt – mei­ne Lieb­lings­lie­der des Jah­res 2022!

25. Death Cab For Cutie – Here To Fore­ver
Ben Gib­bards Lyrics sind ja mit­un­ter so spe­zi­fisch, dass sie schon zum Meme tau­gen. Das muss natür­lich nicht schlecht sein, im Gegen­teil:

In every movie I watch from the ’50s
There’s only one thought that swirls
Around my head now
And that’s that ever­yo­ne the­re on the screen
Yeah, ever­yo­ne the­re on the screen
Well, they’­re all dead now

Damit hat er ein­mal mehr einen Gedan­ken aus­for­mu­liert, den ich so oder so ähn­lich selbst schon oft hat­te. Und wenn Du dann am Tag nach dem Tod Dei­ner Groß­mutter im Wohn­zim­mer des Groß­el­tern­hau­ses stehst, auf einem Regal die Fotos all der Groß­tan­ten und ‑onkel, dann knal­len die­se Zei­len noch mal ganz neu in die offe­ne Wun­de: Die sind jetzt alle tot. Das neue Death-Cab-Album „Asphalt Mea­dows“ hat mich irgend­wie nicht so rich­tig abge­holt, aber die­ser Song wird immer Teil mei­ner Geschich­te sein.

24. Nina Chuba – Wild­ber­ry Lil­let
Ich bin jetzt in einem Alter, wo es zuneh­mend schwer wird, mit den jun­gen Leu­ten Schritt zu hal­ten – vor allem, wenn man kei­nen Bock hat, sich chi­ne­si­sche Spio­na­ge-Soft­ware aufs Han­dy zu laden. Ich habe die­ses Lied also erst rela­tiv spät in einem prä­his­to­ri­schen Medi­um namens Musik­fern­se­hen ent­deckt, aber mir war sofort klar, war­um das ein Hit ist: Die­se Hook, die gekonnt auf der Gren­ze zwi­schen „ein­gän­gig“ und „ner­vig“ hüpft; die­se Lyrics, die im klas­sischs­ten Sin­ne das durch­spie­len, was wir musi­cal thea­ter kids den „I Want“-Song nen­nen, und dabei sowohl im Dicke-Hose-Rap („Ich will Immos, ich will Dol­lars, ich will flie­gen wie bei Mar­vel“) abschöp­fen, als auch fast rüh­rend kind­lich („Will, dass alle mei­ne Freun­de bei mir woh­nen in der Stra­ße“) daher­kom­men; die­se fröh­lich-rum­pe­li­ge Pip­pi-Lang­strumpf-Hal­tung, mit der wie­der mal eine neue Gene­ra­ti­on ihren Teil vom Kuchen ein­for­dert – oder hier gleich die gan­ze Bäcke­rei („Ich hab‘ Hun­ger, also nehm‘ ich mir alles vom Buf­fet“). Und mit­ten­drin eine Zei­le, die man als immer jugend­li­chen Trotz lesen kann – oder als wahn­sin­nig trau­ri­gen Fata­lis­mus: „Ich will nicht alt wer­den“. Wenn man den Song feuil­le­to­nis­tisch nase­rümp­fend neben den „Fri­days For Future“-Aktivismus legt, wird man fest­stel­len, dass die Jugend (Nina Chuba ist da mit 24 gera­de noch im rich­ti­gen Alter für den Song) ganz schön wider­sprüch­lich sein kann: „We’­re the young gene­ra­ti­on, and we’­ve got some­thing to say“ hat­ten die Mon­kees ja schon 1967 gesun­gen – und dar­über hin­aus nichts zu sagen gehabt, wäh­rend zeit­gleich mal wie­der eine Zei­ten­wen­de aus­brach.

23. Har­ry Styl­es – As It Was
Damit hät­te jetzt auch nie­mand rech­nen kön­nen, dass aus­ge­rech­net „Take On Me“ von a‑ha mal zu einem der prä­gends­ten Ein­flüs­se auf eine neue Gene­ra­ti­on Pop­mu­sik wer­den wür­de: Schon „Blin­ding Lights“ von The Weeknd war von der legen­dä­ren Key­board-Hook … sagen wir mal: „inspi­riert“ und auch „As It Was“ kann eine gewis­se Ver­wandt­schaft nicht bestrei­ten. Aber ers­tens bit­te nichts gegen a‑ha und zwei­tens pas­siert hier in 2:47 Minu­ten (wäh­rend die Kino­fil­me immer län­ger wer­den, wer­den die Pop­songs immer kür­zer – die Men­schen haben ja auch nicht unend­lich viel Zeit) so viel, dass man kaum hin­ter­her kommt. Und über Har­ry Styl­es muss man ja eh nichts mehr sagen. ((Außer: Hat er jetzt eigent­lich Chris Pine ange­spuckt?))

22. The Natio­nal feat. Bon Iver – Weird Good­byes
„What your favo­ri­te sad dad band says about you“ titel­te McSweeney’s im Janu­ar 2022, dabei war der Witz da schon min­des­tens vier­ein­halb Jah­re alt. The Natio­nal und Bon Iver sind natür­lich auf bei­den Lis­ten und wenn sie nicht gera­de mit Tay­lor Swift Musik machen, machen sie die halt gemein­sam (dass Aaron Dess­ner von The Natio­nal und Jus­tin Ver­non von Bon Iver auch noch gemein­sam bei Big Red Machi­ne spie­len, ver­wirrt an die­ser Stel­le zwar nur, ich muss es aber erwäh­nen, weil sonst mei­ne Mit­glied­schaft in der „Musikjournalisten-Nerds“-Unterabteilung des Bochu­mer „Sad Dad“-Clubs in Gefahr wäre). So wie bei die­sem Song, der nicht Teil des neu­en The-Natio­nal-Albums sein wird, das inzwi­schen ange­kün­digt wur­de und „First Two Pages of Fran­ken­stein“ (man ahnt eine etwas umständ­li­che Refe­renz, die da irgend­wo als Witz im Hin­ter­grund lau­ert) heißt. Es ist trotz­dem ein schö­ner Song! Und die Band ver­kauft inzwi­schen „Sad Dad“-Merchandise.

21. Rae Mor­ris – No Woman Is An Island
Rae Mor­ris ist der ers­te und bis­her ein­zi­ge Act, der schon zwei Mal mei­ne Lis­te der „Songs des Jah­res“ ange­führt hat: 2012 und 2018. Rech­ne­risch wäre sie also erst 2024 wie­der dran, was ja auch gut sein kann. „No Woman Is An Island“ ist natür­lich auch nicht schlecht, ich hab nur eben 20 Songs (von ca. 4.000 gehör­ten) gefun­den, die ich 2022 bes­ser fand als die­se leicht thea­tra­li­sche (im Sin­ne von Büh­nen­auf­füh­rung, nicht im Sin­ne von über­trie­ben) Femi­nis­mus-Bal­la­de.