Am 9., 11. und 13. Mai findet in Liverpool der diesjährige Eurovision Song Contest statt. Grund genug für eine kleine, aber intensive Vorschau!
Lukas Heinser, Selma Zoronjić und Peter Urban, der in diesem Jahr zum 25. und letzten Mal den ESC kommentieren wird, stellen ihre persönlichen Highlights vor, sprechen über gesamteuropäische Stimmungen, musikalische Traditionen und wackelnde Baugerüste.
Good evening, Europe! Let the 2023 Eurovision-Vorschau begin!
Hier klicken, um den Inhalt von Spotify anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von Spotify.
Alle Songs:
La Zarra – Évidemment (Frankreich)
Mia Nicolai & Dion Cooper – Burning Daylight (Niederlande)
Wild Youth – We Are One (Irland)
Marco Mengoni – Due Vite (Italien)
Blanca Paloma – Eaea (Spanien)
Reiley – Breaking My Heart (Dänemark)
Teya & Salena – Who The Hell Is Edgar? (Österreich)
Mae Muller – I Wrote A Song (Vereinigtes Königreich)
Ich brauche traditionell immer ein bisschen länger, um meine Songs des Jahres zusammenzustellen, aber ich finde das besser, als das Jahr schon im November einpacken zu wollen; hier ist mein Blog mit meinen Regeln und außerdem ist ja noch Januar. Also: Hier sind – Stand jetzt – meine Lieblingslieder des Jahres 2022!
25. Death Cab For Cutie – Here To Forever
Ben Gibbards Lyrics sind ja mitunter so spezifisch, dass sie schon zum Meme taugen. Das muss natürlich nicht schlecht sein, im Gegenteil:
In every movie I watch from the ’50s
There’s only one thought that swirls
Around my head now
And that’s that everyone there on the screen
Yeah, everyone there on the screen
Well, they’re all dead now
Damit hat er einmal mehr einen Gedanken ausformuliert, den ich so oder so ähnlich selbst schon oft hatte. Und wenn Du dann am Tag nach dem Tod Deiner Großmutter im Wohnzimmer des Großelternhauses stehst, auf einem Regal die Fotos all der Großtanten und -onkel, dann knallen diese Zeilen noch mal ganz neu in die offene Wunde: Die sind jetzt alle tot. Das neue Death-Cab-Album „Asphalt Meadows“ hat mich irgendwie nicht so richtig abgeholt, aber dieser Song wird immer Teil meiner Geschichte sein.
Hier klicken, um den Inhalt von www.youtube-nocookie.com anzuzeigen
24. Nina Chuba – Wildberry Lillet
Ich bin jetzt in einem Alter, wo es zunehmend schwer wird, mit den jungen Leuten Schritt zu halten — vor allem, wenn man keinen Bock hat, sich chinesische Spionage-Software aufs Handy zu laden. Ich habe dieses Lied also erst relativ spät in einem prähistorischen Medium namens Musikfernsehen entdeckt, aber mir war sofort klar, warum das ein Hit ist: Diese Hook, die gekonnt auf der Grenze zwischen „eingängig“ und „nervig“ hüpft; diese Lyrics, die im klassischsten Sinne das durchspielen, was wir musical theater kids den „I Want“-Song nennen, und dabei sowohl im Dicke-Hose-Rap („Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel“) abschöpfen, als auch fast rührend kindlich („Will, dass alle meine Freunde bei mir wohnen in der Straße“) daherkommen; diese fröhlich-rumpelige Pippi-Langstrumpf-Haltung, mit der wieder mal eine neue Generation ihren Teil vom Kuchen einfordert — oder hier gleich die ganze Bäckerei („Ich hab’ Hunger, also nehm’ ich mir alles vom Buffet“). Und mittendrin eine Zeile, die man als immer jugendlichen Trotz lesen kann — oder als wahnsinnig traurigen Fatalismus: „Ich will nicht alt werden“. Wenn man den Song feuilletonistisch naserümpfend neben den „Fridays For Future“-Aktivismus legt, wird man feststellen, dass die Jugend (Nina Chuba ist da mit 24 gerade noch im richtigen Alter für den Song) ganz schön widersprüchlich sein kann: „We’re the young generation, and we’ve got something to say“ hatten die Monkees ja schon 1967 gesungen — und darüber hinaus nichts zu sagen gehabt, während zeitgleich mal wieder eine Zeitenwende ausbrach.
Hier klicken, um den Inhalt von www.youtube-nocookie.com anzuzeigen
23. Harry Styles – As It Was
Damit hätte jetzt auch niemand rechnen können, dass ausgerechnet „Take On Me“ von a-ha mal zu einem der prägendsten Einflüsse auf eine neue Generation Popmusik werden würde: Schon „Blinding Lights“ von The Weeknd war von der legendären Keyboard-Hook … sagen wir mal: „inspiriert“ und auch „As It Was“ kann eine gewisse Verwandtschaft nicht bestreiten. Aber erstens bitte nichts gegen a-ha und zweitens passiert hier in 2:47 Minuten (während die Kinofilme immer länger werden, werden die Popsongs immer kürzer — die Menschen haben ja auch nicht unendlich viel Zeit) so viel, dass man kaum hinterher kommt. Und über Harry Styles muss man ja eh nichts mehr sagen. ((Außer: Hat er jetzt eigentlich Chris Pine angespuckt?))
Hier klicken, um den Inhalt von www.youtube-nocookie.com anzuzeigen
22. The National feat. Bon Iver – Weird Goodbyes
„What your favorite sad dad band says about you“ titelte McSweeney’s im Januar 2022, dabei war der Witz da schon mindestens viereinhalb Jahre alt. The National und Bon Iver sind natürlich auf beiden Listen und wenn sie nicht gerade mit Taylor Swift Musik machen, machen sie die halt gemeinsam (dass Aaron Dessner von The National und Justin Vernon von Bon Iver auch noch gemeinsam bei Big Red Machine spielen, verwirrt an dieser Stelle zwar nur, ich muss es aber erwähnen, weil sonst meine Mitgliedschaft in der „Musikjournalisten-Nerds“-Unterabteilung des Bochumer „Sad Dad“-Clubs in Gefahr wäre). So wie bei diesem Song, der nicht Teil des neuen The-National-Albums sein wird, das inzwischen angekündigt wurde und „First Two Pages of Frankenstein“ (man ahnt eine etwas umständliche Referenz, die da irgendwo als Witz im Hintergrund lauert) heißt. Es ist trotzdem ein schöner Song! Und die Band verkauft inzwischen „Sad Dad“-Merchandise.
Hier klicken, um den Inhalt von www.youtube-nocookie.com anzuzeigen
21. Rae Morris – No Woman Is An Island
Rae Morris ist der erste und bisher einzige Act, der schon zwei Mal meine Liste der „Songs des Jahres“ angeführt hat: 2012 und 2018. Rechnerisch wäre sie also erst 2024 wieder dran, was ja auch gut sein kann. „No Woman Is An Island“ ist natürlich auch nicht schlecht, ich hab nur eben 20 Songs (von ca. 4.000 gehörten) gefunden, die ich 2022 besser fand als diese leicht theatralische (im Sinne von Bühnenaufführung, nicht im Sinne von übertrieben) Feminismus-Ballade.
Hier klicken, um den Inhalt von www.youtube-nocookie.com anzuzeigen
Seit Jahren sammeln wir Kontakte auf Social Media — zum Teil von Menschen, die wir schon lange im echten Leben kennen, zum Teil, weil man sich bei Projekten oder in anderen Zusammenhängen kennengelernt hat und das „Folgen“ oder „Anfreunden“ den Austausch von Visitenkarten ersetzt hat. Manchmal sind es auch Wildfremde, die man erst im Laufe der folgenden Interaktionen kennenlernt.
In meinem neuen Podcast „Woher kennen wir uns?“ unterhalte ich mich mit diesen „Freund*innen“, um herauszufinden, wie gut wir uns eigentlich kennen, was sie beruflich machen, und welche Rolle Soziale Medien in ihrem Leben spielen.
In der ersten Folge spreche ich mit Susan Link, die sonst das „ARD-Morgenmagazin“ und den „Kölner Treff“ moderiert. Wir unterhalten uns über Aufstehzeiten und über Dinge, die man müde nicht tun sollte. Sie erzählt, dass sie ursprünglich Kriminalkommissarin werden wollte und wie sie stattdessen beim Radio gelandet ist; was Social Media mit Hauswänden gemein hat und was in den Interview-Handwerkskasten gehört — denn von ihr möchte ich lernen, wie man so Interviews überhaupt führt.
Als Bonus erzählen wir uns gegenseitig Backstage-Informationen über Micky Beisenherz und Peter Urban.
„Woher kennen wir uns?“ erscheint ab heute Freitags auf Apple Podcasts, Spotify, allen anderen gängigen Podcast-Portalen und auf meiner Website. Der Podcast wurde gefördert durch ein Künstlerstipendium im Rahmen der NRW-Corona-Hilfen.
Heute Abend ist es wieder soweit: Mit der Ausstrahlung des 1. Halbfinals (21 Uhr, One) beginnt auch im Fernsehen der Eurovision Song Contest 2021.
Ich sitze seit 2013 neben Peter Urban in der deutschen Sprecherkabine und assistiere ihm bei den Vorbereitungen und während der Sendung. Und weil in den letzten Jahren auf den diversen Social-Media-Plattformen verschiedene Fragen immer wieder gestellt wurden, habe ich diese einfach mal gesammelt und beantwortet.
Good evening, Europe! Here are the results for the Peter Urban FAQ:
Wann geht Peter Urban in Rente?
Am 26. Juni 2013 wurde Peter beim NDR offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Seitdem ist er als freier Mitarbeiter weiter für den Sender tätig, moderiert seine Radiosendungen, den Podcast und kommentiert den ESC.
Was weiß Peter Urban überhaupt von Musik?
Nun: Er hat seine Doktorarbeit über Texte in der Rockmusik verfasst („Rollende Worte – Die Poesie des Rock“, Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt, 1979), arbeitet seit mehr als 50 Jahren als Musikjournalist und spielt seit über 40 Jahren in der Band Bad News Reunion.
Liest Peter Urban auf Twitter mit?
Nein. Während der Show hat er für sowas gar keine Zeit. Allerdings twittere ich auf meinem Account live aus der deutschen Sprecherkabine und werfe dabei auch ein Auge auf andere Tweets.
Wenn Peter Urban etwas Ähnliches sagt, wie gerade jemand auf Twitter geschrieben hat, ist das Zufall: manche Kommentare sind eben naheliegend, die meisten von Peters Texten werden aber schon nach den Proben und vor der Liveshow geschrieben und ausgedruckt.
Hat Peter Urban einen Twitter-Account?
Ja, Peter ist auf Twitter. Und auf Instagram. (Allerdings ist er während der Shows natürlich beschäftigt.)
Warum ist Peter Urban dieses Jahr nicht in Rotterdam?
Peter gehört mit Blick auf eine mögliche Covid 19-Infektion zur Hochrisikogruppe und verfügt noch nicht über einen vollständigen Impfschutz. Um keine unnötigen Risiken einzugehen, wird er die drei Sendungen deshalb auf eigenen Wunsch ausnahmsweise von Hamburg aus kommentieren. Wir stehen aber auf verschiedenen Kanälen in engem Austausch und ich fungiere sozusagen als seine Augen und Ohren in der Ahoy Arena.
Kann Peter Urban nicht mal die Klappe halten?
Was ist das denn für ‘ne Frage? Aber wenn Sie die Sendungen ohne Kommentar verfolgen wollen, können Sie das z.B. auf eurovision.de oder eurovision.tv tun.
Der Eurovision Song Contests 2021 aus Rotterdam — die Sendetermine:
Samstag, 22. Mai, 20.15 Uhr: Die große Pre-Show im Ersten, ab 21 Uhr dann das Finale, live aus Rotterdam (außerdem in der ARD-Mediathek, auf eurovision.de, im Auslandsprogramm der Deutschen Welle und als „Social-TV“ auf One)
Jan Böhmermann hat seine fernsehfreie Zeit genutzt, um ein Buch zu veröffentlichen, das er über elf Jahre geschrieben hat — nämlich in Form von Beiträgen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Ich versuche eigentlich, Böhmermann und Twitter in meinem Leben möglichst wenig Raum zu geben, aber in den letzten Tagen konnte man kaum einen toten Fisch werfen, ohne irgendeinen Artikel oder ein Interview zum Buch zu treffen.
Vergangenen Donnerstag machte Böhmermann – natürlich auf Twitter – publik, dass die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (für die ich in der Vergangenheit eine Handvoll Texte geschrieben habe) ein mit ihm geführtes und druckfertiges Interview kurzfristig aus dem Blatt genommen habe; laut Böhmermann auf „persönliche Anweisung“ von FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube.
Der Tweet machte die Runde, die Empörung war groß, auch ich habe Böhmermanns „offenen Brief“ an Kaube retweetet — und mich am nächsten Morgen geärgert, dass ich mich da wieder im ersten emotionalen Moment vor einen PR-Karren habe spannen lassen. Böhmermann hatte geschrieben: „Sowas habe ich wirklich noch nie erlebt“, aber nach ein bisschen Nachdenken fiel mir ein, dass ich selbst vor acht Jahren im BILDblog über einen Fall geschrieben hatte, der zumindest ein Stück weit vergleichbar war: Diether Dehm, Bundestagsabgeordneter der Linken und als Musiker unter anderem am Text von Klaus Lages Hit „1000 und 1 Nacht (Zoom!)“ beteiligt, hatte damals ein neues Album herausgebracht, über das sogar Bild.de einen längeren, durchaus wohlwollenden Text veröffentlicht hatte. Der Text blieb nicht lange online.
Möglicherweise hatte Erika Steinbach, damals noch CDU-Bundestagsabgeordnete, etwas damit zu tun, denn sie hatte sich öffentlichkeitswirksam auf Twitter über die „Eloge“ auf Dehm beklagt. Diether Dehm, der in der Zwischenzeit durch eine unangenehme Nähe zu Verschwörungsfreaks wie Ken Jebsen auffällig geworden ist, hatte mir damals am Telefon erzählt, ihm seien Namen „aus den Fraktionsspitzen der drei Parteien“ CDU, SPD und FDP zu Ohren gekommen, die am Wochenende in der „Bild“-Redaktion „vorstellig geworden“ sein sollen, um sich über die positive Berichterstattung über ihn und seine neue CD zu beschweren. „Bild“ wollte damals, wie so oft, nicht auf unsere Fragen antworten.
Doch zurück zu Jan Böhmermann und seinem Twitter-Buch, das ich nicht gelesen habe und auch nicht lesen möchte, weil ich Böhmermanns Auftreten – gerade auf Twitter – wahnsinnig anstrengend finde. Nichts gegen ein bisschen Widersprüchlichkeit bei einer öffentlichen Persona, aber dieses Oszillieren zwischen Oberstufen-Sarkasmus, ernsthafter Empörung über gesellschaftliche Missstände und nur notdürftig ironisch gebrochener Eitelkeit ist mir ein bisschen zu viel.
Eine Freundin hat mir aber einen Ausschnitt aus dem Buch geschickt — aus einigermaßen naheliegenden Gründen:
Das Ding ist: Das ist Quatsch.
Der „Witz“ an diesem Tweet war ja, dass im Finale von „Unser Star für Oslo“, dem deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2010, zwei dunkelhaarige Frauen gegeneinander antraten: Lena Meyer-Landrut, die die Sendung und schließlich auch den ESC in Oslo gewann, und Jennifer Braun, deren Song „I Care For You“ anschließend noch ein bisschen Radio-Airplay abbekam (und bei dem ich mir wirklich nicht sicher bin, ob ich ihn jemals wiedererkannt hätte).
Natürlich kann es sein, dass Jan Böhmermann, als er den Tweet für sein Buch auswählte und mit Anmerkungen versah, sich einfach nicht mehr daran erinnerte, dass an jenem Abend zwei dunkelhaarige Frauen auf der TV-Bühne gestanden hatten und sein Tweet also durchaus in jenem Moment auch eine Spur von Humor enthalten hatte. Das wäre allerdings ein bemerkenswerter Zufall, wenn man sich das durchaus angespannte Verhältnis zwischen ihm und Lena Meyer-Landrut vor Augen hält.
Und dann war da ja noch meine ganz persönliche Twitter-Begegnung mit Jan Böhmermann:
Hier klicken, um den Inhalt von www.youtube-nocookie.com anzuzeigen
Okay, fangen wir mit den wichtigen Fakten an: Die Sprecherkabine, in der Graham Norton sitzt und seine Graham-Norton-Kommentare abgibt, ist viel zu groß. Und zu hell. Und er scheint gar nicht zu frieren — aber vielleicht hat er auch einfach seinen Rucksack vor die Lüftung gestellt, so wie wir es alle machen, um keine Erkältung zu bekommen.
Seit 2013 sitze ich beim Eurovision Song Contest neben dem deutschen Kommentator Peter Urban und das bedeutet, dass wir sechs Tage in einer kleinen, kalten Kabine verbringen, die auf einem wackligen Gerüst in einer großen, dunklen Halle in einer ansonsten sicherlich sehr sehenswerten Stadt steht. Peter macht das seit 1997, Graham Norton seit 2009 — und er tut dies auch in „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“, dem allerersten Spielfilm, der sich mit dem europäischen Gesangswettbewerb beschäftigt — und von Amerikanern für den amerikanischen Streamingdienst Netflix produziert wurde.
Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen. Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.
Will Ferrell spielt Lars Erickssong, einen isländischen Musiker, der seit früher Kindheit (genauer: seit dem Sieg von ABBA 1974 in Brighton) davon träumt, den Eurovision Song Contest zu gewinnen. Sein Vater Erick (Pierce Brosnan), ein handfester isländischer Fischer, hält davon wenig und das heimische Publikum will von Lars und seiner Band Fire Saga, die im wesentlichen aus ihm und seiner Kindheitsfreundin Sigrit (Rachel McAdams) besteht, immer nur die gleichen isländischen Trinklieder hören. Durch eine Verkettung eher unglücklicher Umstände passiert es aber, dass Fire Saga für Island am ESC teilnehmen, und wer im Leben mehr als einen Film gesehen hat, weiß, dass es exakt zwei Möglichkeiten geben kann, wie das Ganze endet (Spoiler Alert: es ist die eine, nicht die andere).
Der Plot dieser Komödie passt auf ein Stück Goldkonfetti, wie es am Ende jedes Song Contests von der Hallendecke regnet. Der ESC ist in dieser Geschichte aber nicht nur der Hintergrund, vor dem sich die Handlung entfaltet, sondern – der Titel deutet es schon an – auch der Mittelpunkt. Die echte Überraschung, wenn sich Amerikaner eines so europäischen Themas annehmen, dem selbst hier mit einer sehr speziellen Mischung aus heiligem Ernst und Ironie begegnet wird: es funktioniert!
Denn streng genommen sollte es ja unmöglich sein, sich über eine Veranstaltung lustig zu machen, bei der niemand weiß, wie augenzwinkernd Windmaschinen, Trickkleider und Vier-Quadratmeter-Eislaufbahnen, die die gerade vorgetragenen Kompositionen wahlweise unterstützen oder von ihnen ablenken sollen, eigentlich genau gemeint sind, ohne sich die ganze Zeit über diesen vermeintlichen Schwachsinn und jene, die ihn lieben, zu erheben. Schweden hat es 2016 mit dem Interval Act „Love, Love, Peace, Peace“ (übrigens geschrieben von unserem Kommentatoren-Kollegen Edward af Sillén) in viereinhalb Minuten vorgemacht, „Eurovision“ schließt dort in zwei Stunden an, in denen wenig anderes passiert als dass ESC ist.
Bei einer Party, die der leicht überkandidelte (im Vergleich zu echten ESC-Kandidaten dann aber doch eher bodenständig wirkende) russische Teilnehmer schmeißt, hüpfen gleich zehn ESC-Alumni durchs Bild und singen mit dem Film-Cast ein Medley, in dem von „Waterloo“ bis zu Chers „Believe“ alles abgefeuert wird, was die Camp-Kanone hergibt. Die Charaktere, die eigentlich auch kaum mehr sind als Skizzen für Karikaturen, sind alle erstaunlich liebenswert und man merkt ihren Darsteller*innen an, wie viel Spaß sie bei diesem quatschigen Projekt hatten. (Demi Lovato muss nicht viel mehr tun als zu singen, aber wer beim Super Bowl mit der Nationalhymne von der Halbzeitshow ablenken kann, füllt auch knapp zwei Minuten Screentime maximal aus.) Will Ferrell, der auch die Idee zu dem Film hatte und gemeinsam mit Andrew Steele das Drehbuch geschrieben hat, trägt für seine Rolle eine angegraute blonde Lockenperrücke, weswegen sich für das deutsche Publikum eine verwirrende Meta-Ebene ergibt, auf der Thomas Gottschalk seine Drohung von 2001, am ESC teilnehmen zu wollen, doch noch wahr gemacht hat.
Die einzelnen Songs und Inszenierungen, die im Film fast ein bisschen zu kurz kommen, sind erschütternd authentisch: Von Fire Sagas „Double Trouble“ bis zum über-sexualisierten „Lion Of Love“ (Russland) ist alles exakt so beim ESC vorstellbar. Die Netflix-Crew hat sogar beim letztjährigen Grand Prix in Tel Aviv in der echten Halle gedreht — nicht gerade zur Freude der tatsächlichen Delegationen aus den Teilnehmerländern, deren Zeitplan durch Sonderproben für Madonnas schließlich überaus unterwältigenden Gast-Auftritt sowieso schon arg eingedampft war. Und selbst einige Sätze, die bei internen Meetings und nach den Proben fallen, sind schmerzhaft nah dran an dem, was man dort so hört oder selbst sagt. Echte ESC-Fans werden natürlich anmerken, dass manche Details wie etwa die Punktevergabe im Halbfinale (also bitte!?) falsch wiedergegeben werden, aber dann passiert schon wieder etwas, was so liebevoll-absurd ist, dass zumindest einige Anhänger darüber hinwegsehen dürften.
„Eurovision“, entstanden in enger Zusammenarbeit mit der European Broadcasting Union, dem Veranstalter des echten ESC seit 1956, ist eine Mischung aus „This is Spinal Tap“ und „Hilfe, die Amis kommen“ mit einem Hauch von „Little Miss Sunshine“. Beim amerikanischen Publikum könnte er daran scheitern, dass die Veranstaltung, um die er kreist, weitgehend unbekannt ist und vollkommen unrealistisch erscheint. Eigentlich gedacht als Begleitprogramm für den echten Song Contest, dessen Rechte Netflix für die USA erworben hat, ist der Film nach der Corona-bedingten Absage des ESC 2020 in Rotterdam aber ein charmanter Ersatz für jene Millionen Menschen, die sich das Event jedes Jahr anschauen. Und nächstes Jahr gibt es die Windmaschinen und Trickkleider dann wieder bei echten Auftritten!
Heute Abend ist es wieder soweit: Mit der Ausstrahlung des 1. Halbfinals (21 Uhr, One) beginnt auch im Fernsehen der Eurovision Song Contest 2018.
Ich sitze jetzt das sechste Jahr in Folge neben Peter Urban in der deutschen Sprecherkabine und assistiere ihm bei den Vorbereitungen und während der Sendung. Und weil in den letzten Jahren auf den diversen Social-Media-Plattformen verschiedene Fragen immer wieder gestellt wurden, habe ich diese einfach mal gesammelt und beantwortet.
Good evening, Europe! Here are the results for the Peter Urban FAQ:
Was macht Peter Urban den Rest des Jahres?
Er moderiert die Musiksendung “NDR 2 Soundcheck — Die Peter-Urban Show” und hat als pensionierter Redakteur viel Tagesfreizeit
Wann geht Peter Urban in Rente?
Am 26. Juni 2013 wurde Peter beim NDR offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Seitdem ist er als freier Mitarbeiter weiter für den Sender tätig, moderiert seine Radiosendungen und kommentiert den ESC.
Was weiß Peter Urban überhaupt von Musik?
Nun: Er hat seine Doktorarbeit über Texte in der Rockmusik verfasst (“Rollende Worte – Die Poesie des Rock”, Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt, 1979), arbeitet seit mehr als 50 Jahren als Musikjournalist und spielt seit 40 Jahren in der Band Bad News Reunion.
Liest Peter Urban auf Twitter mit?
Nein. Während der Show hat er für sowas gar keine Zeit. Allerdings twittere ich auf meinem Account live aus der deutschen Sprecherkabine und werfe dabei auch ein Auge auf andere Tweets.
Wenn Peter Urban etwas Ähnliches sagt, wie gerade jemand auf Twitter geschrieben hat, ist das Zufall: manche Kommentare sind eben naheliegend, Peters sind aber schon Stunden vor der Liveshow aufgeschrieben.
Hat Peter Urban einen Twitter-Account?
Jahrelang musste ich diese Frage mit “Nein” beantworten, aber seit ein paar Wochen ist es endlich soweit: Peter Urban twittert! Und er ist auf Instagram! (Allerdings ist er während der Shows natürlich beschäftigt.)
Nachtrag, 10. Mai:
Kann Peter Urban nicht mal die Klappe halten?
Was ist das denn für ‘ne Frage? Aber wenn Sie die Sendungen ohne Kommentar verfolgen wollen, können Sie das z.B. auf eurovision.de oder eurovision.tv tun. (Ja, das ist schwer zu finden, so versteckt auf den offiziellen Webseiten, aber: Entschuldigung, Sie sind doch hier im Internet!)
Was macht Peter Urban an den anderen 364 Tagen im Jahr?
s.o.
Allerdings ist Peter beim ESC auch länger als einen Tag im Einsatz: Es gibt alleine drei Liveshows, zu denen es jeweils auch einen Tag voller Proben gibt. Und dann reist Peter schon früher mit der deutschen Delegation an, um die Proben des deutschen Acts (wiederum an zwei Tagen) zu sehen und Pressetermine wahrzunehmen.
20:57 Uhr: Sodele, dann begrüße ich Sie mal ganz herzlich im diesjährigen Grand-Prix-Liveblog. Metigel und Grillgut sind da, der Prosetschio ist tiefgekühlt und gleich mach ich mir noch ein Mon Cherie warm.
Weil die Vorberichterstattung in der ARD mich ein wenig irre gemacht hat, kam mir die Idee, doch noch ein ganz spontanes Grand-Prix-Liveblog zu starten. Wenn alles gutgeht, gibt’s also hier gleich die halbherzige Nebenberichterstattung.
Diese Website verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Services erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. VerstandenMehr erfahren
Privacy & Cookies Policy
Privacy Overview
This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Out of these, the cookies that are categorized as necessary are stored on your browser as they are essential for the working of basic functionalities of the website. We also use third-party cookies that help us analyze and understand how you use this website. These cookies will be stored in your browser only with your consent. You also have the option to opt-out of these cookies. But opting out of some of these cookies may affect your browsing experience.
Necessary cookies are absolutely essential for the website to function properly. This category only includes cookies that ensures basic functionalities and security features of the website. These cookies do not store any personal information.
Any cookies that may not be particularly necessary for the website to function and is used specifically to collect user personal data via analytics, ads, other embedded contents are termed as non-necessary cookies. It is mandatory to procure user consent prior to running these cookies on your website.