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Musik Digital

mtv.de geht im Whirlpool unter

mtv.de würde ich aus guten Gründen nicht als meine bevorzugte Nachrichtenquelle für den Bereich Musik und Entertainment bezeichnen. Aber manchmal schicken einen Google Alerts eben auf solche Seiten.

Zum Beispiel zu solchen Überschriften:

Britisches Gericht verbietet Babyshambles!

“Holla”, denkt man da natürlich, “sind wir schon wieder so weit?” Dann liest man den dazugehörigen Artikel, wundert sich, liest ihn noch einmal und ist sich anschließend sicher, ihn Schritt für Schritt durchgehen zu müssen.

Fangen wir also an:

Die Babyshambles schaffen einen gefährlichen “Whirlpool-Effekt”. Uhhhh!

Vermeintliche Nachrichtenmeldungen, die mit Ausrufen wie “Uhhhh!”, “Wow!” oder “Aha!” aufwarten, kann man meistens getrost in die Tonne kloppen. Da findet sich jemand witzig und die Chancen stehen gut, dass sich kein weiteres intelligentes Lebewesen im ganzen Universum finden wird, das diese Ansicht teilt.

Pete und Co. wechseln zu schnell den Rhythmus!

Was uns dieser Satz sagen will, erfahren wir vielleicht später noch.

Die Babyshambles sollten eigentlich auf dem britischen “Moonfest” (29. – 31. August) in Wiltshire auftreten. Dies bereitete den Behörden anscheinend solche Sorgen, daß das örtliche Gericht kurzerhand den Auftritt verbot und schließlich das gesamte Festival abgesagt wurde. Mit rechten Dingen ist das Ganze nicht zugegangen. Es gab zwar Ermittlungen, jedoch weder eine ordentliche Gerichtsverhandlung noch wurde ein Bandmitglied oder Veranstalter befragt. Polizei und Gericht scheinen das Verbot unter sich ausgemacht zu haben.

Nun war ich nicht dabei, aber der Umstand, dass im “Guardian” der Veranstalter John Green von einem “Gerichtsverfahren” spricht, in dessen Verhandlungspause man ihm ein “Angebot” unterbreitet habe, könnte natürlich in gewisser Weise doch für Gespräche untereinander sprechen:

Green said police had offered him a deal during a pause in court proceedings to allow the night to go ahead if he agreed to spend more on security and removed Doherty from the lineup but he refused the “offer”.

Aber weiter im Text bei mtv.de:

Zur Info: Pete Doherty besitzt ein Haus in Wiltshire – was der örtlichen Polizei anscheinend gar nicht paßt. John Green, Veranstalter des “Moonfest” sagte laut nme.com hierzu:

“Sie [die Polizei] haben mir persönlich gesagt, daß es hassen, ihn hier wohnen zu sehen.”

Und so sagte er das laut nme.com:

“They [the police] told me privately they hate the fact he lives in Wiltshire and they don’t want him on their patch,” Green told the Guardian

Wir schalten nun um zum Freistil-Schwafeln:

Die absurde Geschichte nimmt allerdings echte Monty Python-Züge an, wenn man den Polizeibericht liest. Die Band schaffe einen “Whirlpool-Effekt” bei ihrem Publikum. Sie senke absichtlich den Rhythmus und zöge dann das Tempo wieder an, was “Gewalt-aufrufend” sei.

Zum Vergleich noch mal das Originalzitat, wiedergegeben von nme.com:

“What he does as part of his routine is to gee up the crowd. They speed up and then slow down the music and create a whirlpool effect in the crowd.

“They [the crowd] all get geed up and then they start fighting.”

Aber wir wollen nicht zu kleinlich sein. Wirklich absurd an der Geschichte ist wohl vor allem, dass die örtliche Polizei einen Geheimdienst-Beamten zu den Babyshambles befragt hat und dabei laut “Guardian” zu folgendem Ergebnis kam:

“Experts are telling us that the profile of fans that follow Pete Doherty and Babyshambles is volatile and they can easily be whipped up into a frenzy, whereas the profile of someone that would follow around Cliff Richard or Bucks Fizz, for example, is completely different.”

Das ist natürlich nur dann witzig, wenn man weiß, wer oder was Cliff Richard oder Bucks Fizz sind. Für Leser und Schreiber von mtv.de also eher nicht. Aber die haben eh einen anderen Humor:

Wow! Adam Ficek, Drummer der Babyshambles, hat’s erkannt:

“Die ganze Sache ist reif für eine Komödie.”

Ja, wow! Und so komödiantisch hat er’s gesagt:

Reacting to the police’s decision, Babyshambles drummer Adam Ficek said he was angry, but said that the band would try to organise an alternative show. “The whole thing is a farce, it’s almost comical,” he told NME.COM

Bleibt nicht viel mehr, als den Schlussabsatz von mtv.de in den Raum zu stellen:

Die Babyshambles versuchen nun, einen Alternativ-Gig zu organisieren. Wir warten’s ab, lachen uns schlapp und hoffen, daß die Queen sich bald einschaltet.

Bitte, liebe Leute von mtv.de: Könntet Ihr vielleicht beim nächsten Mal einfach jemanden schreiben lassen, der sich gerade nicht schlapptlacht, stattdessen mit Quellen und fremdsprachlichen Zitaten umgehen kann, und seine Stilblütenausbildung nicht in irgendeiner Lokalredaktion gemacht hat?

Sie, liebe Leser, lesen stattdessen vielleicht lieber diesen charmanten Kommentar von Tim Jonze im “Guardian”. Der ist wenigstens richtig lustig:

The closest you normally come to a riot here is when the battery on someone’s Nokia N93i camera-phone dies. Bands such as Coldplay and U2 are typical of your average stadium band, making mid-paced, epic music that is impossible to dance to without looking like someone’s “cool dad” (ie, the rest of the crowd).

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Digital Leben

Skandal-Nudeln

Irgendwas ist schief gelaufen mit der Synonym-Datenbank, auf die der Überschriften-Generator von “Spiegel Online” zugreift. Irgendjemand muss am Eintrag zu Pete Doherty herummanipuliert haben, denn um den geht es heute gar nicht, obwohl die Überschrift genau darauf hindeutet:

Harry Potters Freundin von Skandalrocker verzaubert

Es geht viel mehr um Johnny Borrell von der eher öden Band Razorlight, den kein “Spiegel Online”-Leser kennen dürfte und der mit der Jungschauspielerin Emma Watson, die der Zielgruppe von Deutschlands erfolgreichster Nachrichtenseite ebenso unbekannt sein dürfte, um die Häuser gezogen ist:

Zwischen der 17-jährigen Darstellerin der Harry-Potter-Freundin Hermine und dem in britischen Medien als “Skandalrocker” bezeichneten Borrell soll es nach einem Bericht der Zeitung “Daily Mail” gewaltig “knistern”.

Die Google-Suche nach “scandal rocker” bringt satte 55 Ergebnisse, von denen sich fast alle auf Pete Doherty (oder Courtney Love) beziehen, aber kein einziges auf Borrell. Die “Daily Mail”, auf die sich “Spiegel Online” und dpa als Quelle berufen, schreibt vom “bad boy rocker” (und erntet dafür den Leserkommentar “Oh come on – Jonnie Borrell is hardly a a ‘bad boy rocker'”), “Sky Showbiz” spricht vom “rocker pal” und “rocker fella”, die “Sun” verwendet den Begriff “ex-junkie rocker” (und offenbart ein sehr eigenes Verständnis von Realität und Fiktion: “Emma, who has dated rising rugby star TOM DUCKER, 16, and marries Ron (RUPERT GRINT) in the final Potter book, was with Borrell at two London bashes.”) und bei “Female First” ist Borrell schlicht ein “rocker”.

Der “Skandalrocker” stammt offenbar von dpa, die angebliche Verwendung des Begriffs in den britischen Medien oder dessen Fehlübersetzung geht aber wohl auf das Konto von “Spiegel Online”.

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Gesellschaft Politik

“Nazi!” – “Selber!”

Beinahe wöchentlich erschüttert ein neuer “Nazi-Skandal” die Öffentlichkeit. Kaum jemand kann noch den Überblick behalten, wer gerade wieder versehentlich oder absichtlich etwas gesagt hat, was “halt nicht geht”.

Das Dienstleistungsblog Coffee And TV hat sich deshalb bemüht, einen historischen Abriss der skandalösesten Skandale und der empörenswertesten Entgleisungen zusammenzustellen, der selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben will:

  • 1979 Als Franz Josef Strauß im Wahlkampf mit Eiern und Tomaten beworfen wird, vergleicht sein Wahlkampfleiter Edmund Stoiber das Verhalten der Menschen mit dem der “schlimmsten Nazi-Typen in der Endzeit der Weimarer Republik”.
  • September 1980 In “Konkret” erscheint ein Artikel von Henryk M. Broder, der glaubt, bei einer Artistiknummer im “Circus Roncalli” eine “faschistische Ästhetik” und den Hitlergruß beobachtet zu haben.
  • 15. Juni 1983 Heiner Geißler (CDU) sagt in einer Sicherheitsdebatte im Bundestag: “Ohne den Pazifismus der 30er Jahre wäre Auschwitz überhaupt nicht möglich gewesen.”
  • 15. Juli 1982 Oskar Lafontaine äußert sich über die “Sekundärtugenden” von Bundeskanzler Helmut Schmidt, mit denen “man auch ein KZ betreiben” könne.
  • 25. April 1983 Der “Stern” präsentiert auf einer Pressekonferenz die angeblichen Tagebücher Adolf Hitlers, die sich zehn Tage später als Fälschung erweisen. Die Chefredaktion muss zurücktreten, Reporter Gerd Heidemann und Fälscher Konrad Kujau werden zu Haftstrafen verurteilt.
  • 1985 Alt-Kanzler Brandt sagt, Heiner Geißler sei “seit Goebbels der schlimmste Hetzer in unserem Land.”
  • 15. Oktober 1986 In einem Interview mit “Newsweek” vergleicht Helmut Kohl die PR-Fähigkeiten des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow mit denen von Joseph Goebbels.
  • 17. Oktober 1988 In einem Artikel in der “taz” bezeichnet der freie Mitarbeiter Thomas Kapielski ein Disco als “Gaskammervoll”. Nach wochenlangen Leserprotesten werden die zuständigen Redakteurinnen entlassen.
  • 10. November 1988 Bundestagspräsident Philipp Jenninger hält eine Rede über das “Faszinosum” des Nationalsozialismus und muss nach öffentlichen Protesten seinen Rücktritt erklären.
  • 10. Dezember 1988 Wiglaf Droste überschreibt einen Artikel in der “taz” über Wolfgang Neuss mit “Trauerarbeit macht frei”. Die Leserbriefe treffen waschkörbeweise in der Redaktion ein.
  • 6. April 1994 Das für den 20. April geplante Fußballländerspiel Deutschland – England im Berliner Olympiastadion wird nach Protesten abgesagt.
  • 10. Februar 1997 In Florida herrscht ein betrunkener Harald Juhnke einen farbigen Wachmann an: “Du dreckiger N[*****], bei Hitler wäre so etwas vergast worden.”
  • Mai 1997 Bei einem Gastspiel in Israel unterschreibt ein Bassist der Deutschen Oper eine Hotelrechnung mit “Adolf Hitler”.
  • Juni 1998 Nokia wirbt mit dem Slogan “Jedem das Seine” für austauschbare Handycover. Nach Protesten wird die Kampagne eingestellt.
  • 11. Oktober 1998 Martin Walser hält in der Frankfurter Paulskirche seine “Moralkeulen”-Rede, für die er von Ignatz Bubis langanhaltend kritisiert wird.
  • Februar 1999 Nach dem Rauswurf von Trainer Horst Ehrmantraut sagt der Eintracht-Frankfurt-Spieler Jan-Age Fjörtoft laut Sportdirektor Gernot Rohr: “Vorher war es Hitlerjugend, jetzt ist es korrekt.”
  • 1. Februar 2001 Nicola Beer, FDP-Abgeordnete im hessischen Landtag, sieht den Unterschied zwischen den “Putzgruppen”, denen Joschka Fischer früher angehört hat, und Neonazis “nur darin, dass die Putztruppen damals mit Turnschuhen im Wald unterwegs waren und dass die heute Springerstiefel anhaben.”
  • 12. März 2001 Bundesumweltminister Jürgen Trittin sagt über den kahlköpfigen CDU-Generalsekretär, dieser habe “die Mentalität eines Skinheads und nicht nur das Aussehen”.
  • März 2002 Jamal Karsli, damals Grünen-Abgeordneter im NRW-Landtag veröffentlicht eine Presseerklärung mit der Überschrift “Israelische Armee wendet Nazi-Methoden an!” Kurz darauf verlässt er die Grünen und wird von Jürgen W. Möllemann kurzzeitig in die FDP-Fraktion geholt.
  • 13. Mai 2002 Im FAZ-Feuilleton schreibt Patrick Bahners über die fehlende Regierungserfahrung des FDP-Kanzlerkandidaten Guido Westerwelle: “Der letzte deutsche Kanzler, den nur das Charisma des Parteiführers empfahl, war Adolf Hitler.” FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper fordert vergeblich eine Entschuldigung.
  • 13. August 2002 Weil er sich vom Rasenmähen seiner Nachbarn belästigt fühlt, bezeichnet der Liedermacher Reinhard Mey diese als “Gartennazis”.
  • 29. August 2002 Wie der “Spiegel” berichtet, habe Helmut Kohl Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in einem privaten Gespräch als “schlimmsten Präsidenten seit Hermann Göring” bezeichnet.
  • September 2002 Nach einer wochenlangen Antisemitismusdebatte mit Michel Friedman veröffentlicht Jürgen W. Möllemann wenige Tage vor der Bundestagswahl ein Flugblatt, auf dem er Friedman und Ariel Sharon scharf angreift. Dem Parteiausschluss kommt er im März 2003 durch einen Austritt zuvor.
  • 18. September 2002 Herta Däubler-Gmelin vergleicht die Politik George W. Bushs mit der Adolf Hitlers.
  • 11. Dezember 2002 Roland Koch bezeichnet die Reichen-Kritik von Ver.di-Chef Frank Bsirske als “eine neue Form des Sterns auf der Brust”.
  • 2. Juli 2003 Im Europäischen Parlament schlägt Silvio Berlusconi den deutschen SPD-Abgeordneten Martin Schulz “für die Rolle des Lagerchefs” in einem Spielfilm über Konzentrationslager vor.
  • 3. Oktober 2003 Bei einer Rede zum Tag der deutschen Einheit hantiert der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann mit dem Begriff “Tätervolk” in der Nähe zu “den Juden” und wird im folgenden Jahr aus der Partei ausgeschlossen.
  • 30. August 2004 Auf dem selbstbetitelten Album der Libertines erscheint ein Song namens “Arbeit Macht Frei”. Da Pete Doherty aber noch nicht der “Skandal-Rocker” und “(Ex-)Freund von Kate Moss” ist, ist dieser Umstand keine Meldung wert.
  • 15. Dezember 2004 In Hessen dürfen Ordnungsämter “Ordnungspolizei” heißen. Da der Begriff schon für die Dachorganisation der Polizei im Nationalsozialismus verwendet wurde, kommt es zu Protesten und schließlich zur Auflösung der Behörde.
  • 6. Januar 2005 Der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner vergleicht Abtreibungen mit den Verbrechen von Hitler und Stalin.
  • 13. Januar 2005 Der britische Prinz Harry erscheint in einer Nazi-Uniform auf einem Kostümball.
  • 13. Mai 2005 Der bayrische Wissenschaftsminister Thomas Goppel bezeichnet nach einer Rede das Verhalten protestierender Studenten als “Hinweis auf die Intoleranz, die uns damals in das Schlamassel gebracht haben”.
  • 12. Juli 2005 SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler vergleicht den CDU-Slogan “Sozial ist, was Arbeit schafft” mit der KZ-Inschrift “Arbeit macht frei”.
  • 16. September 2005 Weil CDU-Abgeordnete die Rede eines SPD-Abgeordneten mit Zwischenrufen stören, vergleicht Sigmar Gabriel deren Verhalten mit dem der Nazis.
  • September 2005 Dieter Thomas Heck vergleicht Angela Merkels Rhetorik mit der Adolf Hitlers.
  • 24. Februar 2006 Weil er einen jüdischen Journalisten mit einem KZ-Aufseher verglichen hatte, wird der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone für vier Wochen vom Dienst suspendiert.
  • 17. August 2006 Bei einem Testspiel in Italien formen kroatische Fußballfans auf der Tribüne ein Hakenkreuz.
  • November 2006 Der StudiVZ-Gründer Ehssan Dariani verschickt eine Geburtstagseinladung im Stile des “Völkischen Beobachters”.
  • 9. Februar 2007 Ein “Bild”-Leser entdeckt in Google Earth den Schriftzug “Nazi Germany” bei Berlin.
  • 9. Februar 2007 Die RTL-Wohnungsverschönerin Tine Wittler erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen einen Trailer für die fiktive Sendung “Tine Hitler: Einmarsch in vier Wänden” bei Comedy Central (“täglich von 19.33 Uhr bis 19.45 Uhr”).
  • 14. März 2007 Bei einer internen Untersuchung stellt die Frankfurter Polizei fest, dass sich Personenschützer von Michel Friedman gerne mit Nazi-Symbolen präsentierten.
  • 11. April 2007 In seiner Trauerrede auf Hans Filbinger bezeichnet Günther Oettinger den früheren Marinerichter als “Gegner des NS-Regimes”.
  • 6. September 2007 Bei einer Buchvorstellung äußert sich Eva Herman umständlich und missverständlich über die Familienpolitik im Nationalsozialismus und wird vom NDR gefeuert.
  • 14. September 2007 Im Kölner Dom warnt Joachim Kardinal Meisner: “Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kult im Ritualismus und die Kultur entartet.”
  • 9. Oktober 2007 Bei einem Auftritt in der Show von Johannes B. Kerner verheddert sich Eva Herman abermals in rhetorischen Fußangeln, als sie von Hitlers Autobahnen spricht. Es ist ihr letzter Fernsehauftritt bis heute.
  • 20. Oktober 2007 Bischof Walter Mixa fühlt sich durch Äußerungen von Claudia Roth “in erschreckender Weise an die Propaganda-Hetze der Nationalsozialisten gegen die Katholische Kirche und ihre Repräsentanten” erinnert.
  • 25. Oktober 2007 In der ersten Sendung von “Schmidt & Pocher” kommt ein “Nazometer” zum Einsatz, das für Proteste sorgt.
  • 7. November 2007 Wolfgang Schäuble sagt im Hinblick auf die Massenklage gegen die Vorratsdatenspeicherung: “Wir hatten den ‘größten Feldherrn aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten.”
  • 27. Dezember 2007 Will Smith spekuliert über Adolf Hitlers Morgengedanken.
  • 20. Januar 2008 Guido Knopp fühlt sich durch einen Vortrag von Tom Cruise an die Sportpalast-Rede von Joseph Goebbels erinnert.
  • 23. Januar 2008 “Bild” veröffentlicht ein Video, das DJ Tomekk mit erhobenem rechten Arm und beim Singen der ersten Strophe des “Deutschlandlieds” zeigt.
  • 30. Januar 2008 In der ProSieben-Quizshow “Nightloft” sagt Moderatorin Juliane Ziegler “Arbeit macht frei”. Am nächsten Morgen trennt sich der Sender von ihr.
  • 31. Januar 2008 In Rio de Janeiro verbietet ein Gericht den Einsatz eines Karnevalswagens mit übereinander gestapelten Holocaust-Opfern und eines Tänzers im Hitlerkostüm beim Karnevalszug.

Mit Dank an Niels W. für die indirekte Anregung und Stefan N. für die Unterstützung bei der Recherche.

Unter Zuhilfenahme von agitpopblog.org, FAZ.net und der Politikwissenschaftler an der FU Berlin.

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Leben Digital

Vater “werden” ist nicht schwer

Jetzt frage ich mich doch wirklich, ob man etwas werden kann, das man bereits ist.

Wird Pete Doherty Vater?
[Ausrisse: mtv.de]

Ich wünsche mir eine Diskussionsrunde mit Bastian Sick und Peter Sloterdijk, die dieser Frage auf den Grund geht.

Noch fraglicher ist allerdings, wie mtv.de zu diesem Satz kam:

Die Einser-Schülerin, die einen Platz an der Eliteuniversität Harvard in Aussicht hat, sei sich ganz sicher, so ihr Vater der britische Fußball-Boss Sir Alex Ferguson: ‘Das Baby ist von Pete, da besteht gar kein Zweifel!’

Denn erstens ist Ferguson nicht der Vater (father), sondern der Patenonkel (godfather) der schwangeren Frau und zweitens hat sich der Fußballmanager noch gar nicht zu dem Thema geäußert – und wird es wohl auch bleiben lassen, wenn er einigermaßen klug ist.

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Musik Rundfunk

Demnächst bei “Exclusiv – Das Starmagazin”

Manchmal frage ich mich schon, ab wann eine Meldung für dieses oder jenes Medium relevant ist:

RTL-Text: Kilians supporten Doherty & Co.

Nachtrag 19:40 Uhr: Was für eine doofe Überschrift! Mit ein bisschen Nachdenken wäre mir bestimmt “Fernglas” von Schrottgrenze (MP3) eingefallen:

Und einer ruft von hinten rein:
Kinder, lasst die Drogen sein!

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Musik

Listenpanik 10/07: Ein wenig unentschlossen

Eigentlich mache ich diese Bestenlisten ja nur, damit ich am Ende des Jahres weiß, welche Platten und Songs ich bei diversen Jahrespolls, Abstimmungen und Leserumfragen in die Formulare eintragen muss. Gucken wir also mal, was im Oktober so auf dem Schreibtisch liegen- und im Ohr hängengeblieben ist. Sie finden mich ein wenig unentschlossen vor, manches Lob mag auch als Verriss durchgehen und vice versa. Bei einigen Punkten werde ich wohl Vorwürfe der Wankelmütigkeit über mich ergehen lassen müssen. Aber egal: Man sollte Musik meine Meinung ja eh nicht so ernst nehmen.

Alben
1. Kate Nash – Made Of Bricks
Es wurde auch mal langsam Zeit für eine “neue Lily Allen”, die alte ist schließlich schon seit mehr als einem Jahr dabei. Ja, Kate Nash ist tatsächlich erst 20 Jahre alt und bastelt ihre Songs zuhause am Laptop zusammen. Das an sich ist aber noch keine Sensation, liebe Musikjournalisten! “Made Of Bricks” ist auch keine, aber dennoch ein über weite Strecken gutes, in einigen Momenten gar brillantes Album. So klingt im Jahr 2007 von Frauen gemachte Popmusik, wenn es wirklich um die Musik und nicht um Fotostrecken geht.

2. Radiohead – In Rainbows
Hatte ich nicht geschrieben, das neue Radiohead-Album sei sehr gut, gebe mir persönlich aber nichts? Doch, das hatte ich. Aber außerhalb der eigenen vier Wände, in einer regnerischen, kalten Oktobernacht, bekam ich dann doch plötzlich eine Gänsehaut bei “All I Need”. So ganz warm geworden mit “In Rainbows” bin ich immer noch nicht, aber es ist schon ein beeindruckendes Album.

3. Jimmy Eat World – Chase This Light
Hatte ich nicht geschrieben, das Album wäre eigenschaftslos und “irgendwie egal”? Natürlich hatte ich das. Aber irgendeinen Grund muss es ja geben, dass ich “Chase This Light” in den letzten Wochen trotzdem beinage täglich gehört habe. Möglicherweise gefällt es mir also doch, obwohl es dafür eigentlich gar keinen Grund gäbe. Aber man muss ja nicht immer für alles einen Grund haben.

4. Underworld – Oblivion With Bells
Ich kann nicht über elektronische Musik schreiben. Es würde wirres Zeug dabei rauskommen mit verunglückten Metaphern und bedeutungslosen Worten wie “pluckern”, “urban” oder “sphärisch”. Also schwärme ich lieber davon, wie toll es ist, zu den Klängen von Underworlds neuer CD durch dunkle Großstädte zu laufen oder U-Bahn zu fahren. “Oblivion With Bells” ist für mich die beste Elektro-Platte seit dem Postal-Service-Debüt, aber was weiß ich von Elektro?

5. Mando Diao – Never Seen The Light Of Day
Weil sie den Vertrag mit ihrer Plattenfirma möglichst schnell erfüllen wollten, haben Mando Diao innerhalb von zwei Wochen mit Björn Olsson von The Soundtrack Of Our Lives ein Album angenommen, das betont unkommerziell und verstörend sein soll. Diese Vorgeschichte zu kennen ist wichtig, weil man ansonsten hochgradig verwirrt sein könnte. Herausgekommen ist eine erstaunlich akustische, melancholische, erwachsene, mitunter auch einfach kranke Platte, die in ihren besten Momenten an die Shout Out Louds erinnert, in ihren schwächeren an die üblichen Mando-Diao-Nummern.

Songs (inkl. YouTube-Links)
1. Kate Nash – Foundations
Wenn Sie mal gezwungen werden sollten, zu erklären, warum englischsprachige Popmusik im Zweifelsfalle besser ist als deutschsprachige, verweisen Sie auf “Foundations”: So einen charmanten Text über eine desolate Beziehung würden Silbermond, Juli oder Yvonne Catterfeld im Leben nicht hinkriegen. Und dann ist da noch dieser großartige Refrain und dieser wundervolle Akzent. Verweisen Sie einfach auf “Foundations”, wenn Sie irgendwas im Bezug auf Popmusik erklären sollen.

2. Bruce Springsteen – Radio Nowhere
Sagen Sie nichts gegen Bruce Springsteen! Wirklich: Nichts!
Der große alte Mann (inzwischen auch schon 58) des amerikanischen Stadionrocks hat es nach wie vor raus und zeigt dem Nachwuchs mal kurz, wie man eine catchy Radio-Single schreibt, die trotzdem richtig gut ist.

3. Babyshambles – Delivery
Menschlich wäre es tragisch, wenn Pete Doherty wieder rückfällig würde. Musikalisch aber auch, denn das neue Babyshambles-Album, das er angeblich clean aufgenommen hat, ist ganz ausgezeichnet geworden. “Delivery” ist besser als alles, was die Babyshambles bisher veröffentlicht haben, der Song kommt sogar an die besten Libertines-Sachen heran. Was will man mehr? Außer, dass Doherty sauber bleibt …

4. Stereophonics – Daisy Lane
Ein bezauberndes, vor sich hin schlurfendes Lied über alltägliche Gewalt. Das deutliche Highlight der auch ansonsten recht gelungenen neuen Stereophonics-Platte “Pull The Pin”.

5. Common feat. Lily Allen – Drivin’ Me Wild
Bevor sie knapp die Hälfte ihres Körpersgewichts abnahm und Unterwäsche-Model wurde, war Lily Allen für etwa ein Jahr auch mal als Musikerin bekannt. Vermutlich wird sie bald auf jedem zweiten Hip-Hop-Album als Gaststar zu hören sein, aber wenn das immer so … äh: charmant klingt wie die Zusammenarbeit mit dem Chicagoer Rapper Common, geht auch das völlig in Ordnung.

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Musik Print

Si tacuisses …

The Pete ist seit Wochen und Monaten drogenfrei. Wenn der mal heute nicht rückfällig wird …

Das schrieb ich am Donnerstag in den Kommentaren meines EMA-Liveblogs.

Heute schreiben die diversen Internetseiten unter Berufung auf das britische Schundblatt “The Sun”, Pete sei am Freitag rückfällig geworden und habe sich Heroin gespritzt. Jetzt fühle ich mich irgendwie schlecht …

Bedeutend schlechter sollten sich allerdings die Heuchler der “Sun” fühlen. Die druckten in ihrer heutigen Ausgabe Bilder aus einem Video, das angeblich Doherty beim Heroinschießen am Freitag zeigen soll, und begründeten das wie folgt:

The Sun is well aware of the sickening nature of the images — and prints them only to show Doherty is not cured and is a terrible role model.

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Musik Rundfunk

MTV EMAs 2007: Liveblog

19:56 Uhr: Donnerstagabend, neunzehnuhrsechsenfuffzich: Hier ist Mün… Nee, schon Bochum. Ich hatte die Moncheris schon warmgemacht, als mir auffiel, dass ja gar nicht Grand Prix ist, sondern EMAs. Ist dann auch egal.
Hoffen wir einfach, dass heute erfreulicheres aus München übertragen wird als gestern.

20:00 Uhr: Wann hab ich eigentlich das letzte Mal MTV geguckt und wo zum Henker liegt das auf meiner Fernbedienung? Ah: Auf der 20, völlig klar …

20:02 Uhr: Trinkspiel für den Red Carpet, der heute fliederfarben ist: “What are you wearing?” Ist Mirjam Weichselbraun so klein oder Joss Stone so groß? Und darf ich jetzt schon anfangen, chauvinistisch über das Aussehen der Damen zu schreiben?

20:08 Uhr: Viel los auffem Teppich, deswegen gibt’s jetzt schon den zweiten Einspieler. Der erste war über deutsche (also bayrische) Klischees, der zweite jetzt über die nominierten deutschen Bands. Ich glaube, ersteres war weniger peinlich.

20:13 Uhr: Dave Gahan ist extrem wortkarg und sehr stilvoll. Danach dann Jan Delay.

20:15 Uhr: Ich wünsche mir jetzt schon, ein zweites Mal Borussia Mönchengladbach aus dem Pokal fliegen zu sehen. Das war immer noch lustiger.

20:20 Uhr: Ja, verlost doch jetzt noch eine Reise zu den EMAs! Ich glaub, ich hol schon mal den Alkohol …

20:22 Uhr: Justin Timberlake ruft dazu auf, technische Geräte, die man gerade nicht braucht, auszuschalten. Muss ich den Witz noch machen oder reicht das?

20:24 Uhr: Lieber Gott, bitte mach, dass ich nie an einem roten (oder fliederfarbenen) Teppich stehen und uninspirierte Gespräche führen muss. Oder auch nur über einen laufen und in so schreckliche TV-Kameras labern muss. Ist das schrecklich!!!1

20:27 Uhr: Der Countdown läuft übrigens auch falsch: Demnach ginge es in 12 Minuten mit der Show los.

20:32 Uhr: Markus Kavka als Sportreporter mit einem von den Klitschkos und Jens Lehmann nebst Frau. Die Frau hat er sogar gesiezt! Auf MTV! *schnarch*

20:37 Uhr: Bushido verwendet das Wort “inkludieren” im korrekten Kontext. Nicht mal auf die Prollrapper ist mehr Verlass!

20:39 Uhr: The Pete, the Pete! Und schon isser wieder weg. Eva Padberg hat einen sehr guten Musikgeschmack.

20:44 Uhr: Tokio Hotel. Insert comment here: ________________

20:50 Uhr: Der erste schöne Moment des Abends: “Popular” von Nada Surf. In einem Einspieler über … Tokio Hotel.

20:52 Uhr: Eine Milliarde Zuschauer weltweit? I highly doubt that. Highly.

21:00 Uhr: Es geht endlich los. Ich will ins Bett.

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Musik Leben

Peter und kein Wolf

Es ist ja längst ein völlig unwichtiges Randdetail, dass Ende des Monats mit “Shotter’s nation” ein neues Album der Babyshambles erscheint. Viel bedeutsamer für die interessierte Weltöffentlichkeit sind doch neue Drogenpegellevel aus der Blutbahn von Pete Doherty und seiner engsten Umgebung. Gut, seitdem Kate Moss Reißaus genommen hat, ist diese nähere Umgebung deutlich weniger ansehnlich. Aber immerhin hat Betäubungsmittelexperte Doherty eine Katze, die ihn versteht.

Die bekannt bedächtig recherchierende The Sun hat denn auch schon folgendes herausgefunden: Weil Verständnis durch die Venen (oder mindestens über die Blut-Hirn-Schranke) geht, hat Doherty für sein Exemplar der Art Felis catus ein kleines Crack-Pfeifchen gebaut. Ein hübsches Bildchen der Inhalation gibt’s auch schon. Zeugen berichteten hinterher, dass die Katze ohnmächtig geworden sei, Stimmungsschwankungen bekommen hätte und geglaubt habe, sie könne fliegen. Nun, wer jemals Katzen über einen längeren Zeitraum erlebt hat, könnte auf die Idee kommen, das sei der Normalzustand. Aber wenn da nicht irgendjemand etwas mit dem Drogenkater dezent missverstanden hätte, besäße diese Meldung ja gar keinen Neuigkeitswert mehr.

Obligatorische Randnotiz: Pete Doherty ist weiterhin im besten Alter, um zur mystifizierbaren Legende zu werden. Ein halbes Jahr noch …

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Musik Digital

Pete, der Pate

Für einen Moment war ich schon verwirrt, als ich meinen aktuellen Google-Alert auf Pete Doherty bekam:

Mächtigster Drogenboss Kolumbiens in Brasilien gefasst

Beim Klick auf den Link stellte ich dann aber fest: Alles ganz langweilig, zwei ganz verschiedene Geschichten. Na ja, vielleicht nicht ganz

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Film Politik

Die Trennung von Staat und Irrsinn

Es gibt Situationen, in denen gibt es kein “richtig” und kein “falsch”. Man steht als Unbeteiligter davor, guckt sie sich an und ist froh, dass man nicht gezwungen ist, eine Position einzunehmen. Aber man kann sich so seine Gedanken machen.

Hier ist so ein Situation: Tom Cruise will/soll/wird in “Valkyrie”, dem neuen Film von Bryan Singer, Claus Schenk Graf von Stauffenberg spielen, einen der Drahtzieher des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Cruise ist aber Mitglied bei Scientology und deshalb sind verschiedenste Personen dagegen, dass Cruise an Originalschauplätzen drehen darf bzw. Stauffenberg überhaupt spielen soll.

Uff! Da muss man sich schon eine ganze Menge Gedanken machen, um diese Situation einigermaßen zu entwirren. Gehen wir also der Reihe nach vor:

Scientology ist eine höchst umstrittene Organisation, die je nach Sichtweise als “Kirche”, “Sekte” oder “Wirtschaftsunternehmen” bezeichnet wird. Als Einführung in die Lehren von L. Ron Hubbard sei jedem dieser erhellende Ausschnitt aus der “South Park”-Folge “Trapped In The Closet” empfohlen (“This is what Scientologists actually believe”) – wobei Religionskritiker sicherlich sagen würden, die dort vorgestellte Geschichte sei auch nicht bedeutend alberner als die Erschaffung der Welt in sechs Tagen und die Entstehung der Frau aus einer Rippe des Mannes. Scientologys Methoden sind sicherlich höchst beunruhigend und eigentlich kann man die Institution nur als Gehirnwäscheverein bezeichnen. Andererseits ist nach Artikel 4 des Grundgesetzes die “ungestörte Religionsausübung” gewährleistet – und wie sollte bei einer Trennung von Staat und Kirche der Staat bestimmen können, was eine “echte” Religion ist und was nicht?

Das führt unweigerlich auch zu der Frage, ob es eine Trennung zwischen dem Schauspieler und Produzenten Tom Cruise und dem Scientologen Tom Cruise gibt. Schon 1996 rief die Junge Union zu einem Boykott von “Mission: Impossible” auf, was insofern schon eine gelungene Aktion war, als dadurch erstmalig die Methoden und Lehren von Scientology in den Focus einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland gelangten. Allein: “Mission: Impossible” hatte natürlich außer seinem Hauptdarsteller und Produzenten nicht viel mit Scientology zu tun – im Gegensatz zu “Battlefield Earth”, das auf einem Roman von L. Ron Hubbard basierte, den ebenfalls berühmten Scientologen John Travolta in der Hauptrolle hatte und als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten gilt. Für “Valkyrie” steht unter Regisseur Bryan Singer (“X-Men”, “Die üblichen Verdächtigen”, …) indes wenig bis gar keine Verzerrung des Stoffs zu befürchten (und mal ehrlich: Wie sollte man Hubbards Science-Fiction-Welten in eine Deutschland-Anno-’44-Geschichte packen?).

Die Sektenexpertin der CDU/CSU-Fraktion, Antje Blumenthal, teilte mit, dass das Bundesverteidgungsministerium, das heute im Berliner Bendlerblock residiert, in dem Stauffenberg sein Attentat plante und wo er auch hingerichtet wurde, einen Dreh am Originalschauplatz mit der Begründung ablehne, eine Drehgenehmigung für “einen ranghohen Scientologen in einem Bundesgebäude” käme einer bundespolitischen Anerkennung gleich – und das, bevor auch nur der Antrag auf eine Drehgenehmigung vorlag. Allein dieser “Dienstweg” sollte mindestens für skeptische Blicke und Stirnrunzeln sorgen.

In der “Süddeutschen Zeitung” gab es gestern einen sehr interessanten Kommentar von Andrian Kreye und die “FAZ” druckte einen länglichen Text des deutschen Oscar-Preisträgers Florian Henckel von Donnersmarck, in dem dieser über Stauffenberg, Cruise und die “deutsche Verbotsgeilheit” philosophiert. Mitunter schießt er dabei ein wenig übers Ziel hinaus, beweist damit aber auch, dass er mit seinem Pathos und Liberalismus (sowie natürlich mit seinem beachtlichen Ehrgeiz) in den USA wirklich besser aufgehoben zu sein scheint als in Deutschland. Donnersmarck argumentiert, dass man die größten und wichtigsten Geschichten nur dann einem großen Publikum erzählen könne (und wer sollte etwas dagegen haben, Stauffenbergs Geschichte in die Welt zu tragen?), wenn man sie mit großen Stars verfilme – ein Standpunkt, für den er postwendend von Peter Steinbach, dem Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, eine drübergebraten bekam.

Im Kern hat der streitbare Donnersmarck aber sicher nicht unrecht: Mit dem ihr eigenen Fingerspitzengefühl hat es die deutsche Politik geschafft, das Thema Widerstand an den Rand zu drängen und durch das Thema Scientology zu ersetzen. Es sind sicher beides wichtige Themen, aber die Wichtigtuer aller Parteien hätten sich kaum einen ungeeigneteren Hintergrund aussuchen können, um das staatliche Verhältnis zu Religion und Kunst zu diskutieren.

Auch ich halte Scientology für gefährlich und wünsche mir (gerade angesichts der aktuellen Deutschland-Offensive) Aufklärung über deren Machenschaften und meinetwegen auch Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ich sehe mir aber trotzdem Filme an, in denen Tom Cruise mitspielt (es gibt da ja hin und wieder auch mal gute mit ihm) – wohlwissend, dass ein Teil des Geldes, das er als Produzent damit verdient, an Scientology gehen wird. Ich kann Cruise als Person (spätestens seit seinem Auftritt bei Oprah Winfrey) kein bisschen ernst nehmen, ich halte ihn aber für einen ziemlich guten Schauspieler und er ist zweifellos einer der größten Stars unserer Zeit. Pete Doherty ist ja auch nur die Parodie eines Rock’n’Rollers und trotzdem ein guter Musiker.

Was können wir also aus der ganzen Chose lernen? Deutschen Politikern ist es egal, vor welchem Hintergrund sie sich profilieren können, solange sie dadurch in die Presse kommen. Auch die größten Filmstars der Welt können sich nicht darauf verlassen, überall reinzukommen. Schauspieler können noch so gut spielen, sie bleiben auch immer sie selbst. Florian Henckel von Donnersmarck wollte sich als Zehnjähriger im Garten von Marion Yorcks Dahlemer Villa das Hemd ausziehen. Und: Es gibt Situationen, in denen es weder “richtig” noch “falsch” gibt, und bei denen man froh sein kann, dass man nicht gezwungen ist, eine klare Position einzunehmen.

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“Viel schlimmer ist doch, dass mittlerweile jede Putzfrauenstelle übers Fernsehen gecastet wird.”

Wer sich für großartige Sätze von großartigen Musikern begeistern kann, dem sei der aktuelle Musikexpress (Mai 2007) wärmstens ans Herz gelegt. Auf leider nur einer Seite befragt Jan Wigger Peter Hein von den Fehlfarben – und der sagt so viele tolle Sachen, dass man gar nicht mehr weiß, welchen Spruch man sich demnächst auf ein T-Shirt (wohl vorsichtshalber in XXXXXL) drucken lassen soll.

Zum Thema Fußball-WM und dem sog. “positiven Patriotismus” (Fahnenschwenken):

Ich habe natürlich gegen die deutsche Mannschaft gehalten, das mache ich immer. Zum Fahnenschwenken: Natürlich geht das. Die Hälfte der Leute mit den Fahnen konnte ja kaum Deutsch, die leben halt hier und konnten ihrem von zu Hause gewohnten Fahnenschwenken mal freien Lauf lassen. Ich fand es auch in Ordnung, wie man sich mit diesen Winkelementen an den Autos lächerlich gemacht hat.

Über Franz Josef Wagners Kolumne in der “Bild”-Zeitung:

“Post von Wagner” fand ich früher nur blöd. Aber seitdem mir mal jemand plausibel gemacht hat, dass der wirklich “amtlich durchgeknallt” ist, bleibe ich daran hängen. […] Also ab und zu schreibt der auch was Wahres, und ich lese das mit Belustigung.”

Auf die Frage, ob Pete Doherty Punk sei:

Also Pete Doherty ganz bestimmt nicht, der ist eher Sid Vicious. Und das ist nicht Punk, sondern (überlegt) … Depp.

Als ihm der Promoter eine Brötchentüte reicht:

Mensch, da ist ja gar nichts von dem drin, was ich bestellt habe. Kein Ei, kein Sandwich, nur so’n Körner-Kack. Wenigstens ist das Tier tot, was auf dem Brötchen ist.

Über MP3s:

Das ist im Prinzip nur Scheiße, da gehst du einmal mit nem Magnet vorbei, und dann haben sie ihre Musik mal gehabt. Ich stelle mir immer vor, wie die jetzt 30-Jährigen in zwanzig Jahren auf dem Flohmarkt stehen und da ihre Chips verhökern (verstellt die Stimme): “Ey, hallo, 30 Gigabyte, ey voll krass, mussu hören!”

Der Rest des Heftes ist auch zu empfehlen, die neue Fehlfarben-Platte offenbar auch.